BVwG L502 2153306-1

BVwGL502 2153306-121.9.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L502.2153306.1.00

 

Spruch:

L502 2153309-1/6E

 

L502 2153306-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX beide StA. Libanon, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2017, FZ. XXXX und XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (BF2) stellten im Gefolge ihrer nicht rechtmäßigen Einreise nach Österreich am 23.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Am 24.11.2015 wurde die Erstbefragung der beiden Beschwerdeführer (BF) durchgeführt.

 

In der Folge wurden deren Verfahren zugelassen.

 

2. Am 26.01.2017 wurden beide BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

 

Sie legten verschiedene Beweismittel für ihr Vorbringen zu ihren Ausreisegründen vor. Identitätsnachweise brachten sie jedoch nicht bei.

 

Den BF wurden länderkundliche Feststellungen der Behörde ausgehändigt und ihnen eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme zu diesen eingeräumt. Eine solche langte in der Folge nicht ein.

 

3. Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die BF Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

 

4. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2017 wurde den BF von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und wurden sie über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr bzw. das verpflichtende Rückkehrberatungsgespräch informiert.

 

5. Gegen die den BF am 30.03.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheide des BFA wurde innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Unter einem wurden als weitere Beweismittel mehrere länderkundliche Materialien vorgelegt.

 

6. Die Beschwerdevorlagen des BFA langten am 18.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die Verfahren in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

 

7. Am 29.06.2017 langte über die belangte Behörde eine Kopie eines vom BF1 am 03.05.2017 unterschriebenen Antrags auf Gewährung von Rückkehrhilfe für eine freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat ein. Eine nachfolgende Bestätigung über eine tatsächliche Rückkehr des BF1 langte jedoch nicht ein.

 

8. Vom BVwG wurden aktuelle Auszüge aus dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister, dem Grundversorgungsinformationssystem, dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister erstellt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die Beschwerdeführer sind libanesische Staatsangehörige, Araber und Muslime der sunnitischen Glaubensgemeinschaft, ihre genaue Identität steht jedoch nicht fest.

 

Der BF2 ist der unverheiratete Sohn des BF1. Die Ehegattin des BF1 bzw. Mutter des BF2 sowie zwei weitere Söhne und eine Tochter aus dieser Ehe leben im Libanon.

 

Die BF stammen aus dem Bezirk XXXX unweit von XXXX , wo sie bei ihren Angehörigen lebten. Im Jahr 2014 nahmen die BF ihren Aufenthalt zwischenzeitlich für ca. 7 Monate im Norden des Libanon.

 

Die BF sind legal unter Verwendung ihrer Reisepässe mit dem Flugzeug ausgehend von XXXX aus dem Libanon ausgereist und über Istanbul illegal und schlepperunterstützt in die Europäische Union eingereist. In Griechenland wurden sie erkennungsdienstlich behandelt und reisten sie in weiterer Folge nach Österreich ein, wo sie im Gefolge ihrer nicht rechtmäßigen Einreise jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten und sich seither aufhalten. Mit ihnen gemeinsam reisten auch entfernte Verwandte des BF1, die ebenfalls in Österreich Anträge auf internationalen Schutz stellten und deren Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

 

Der BF1 betrieb im Libanon ein Immobilienbüro und eine Autovermietung. Der BF2 hat im Libanon eine Schussverletzung erlitten, der BF1 leidet an Diabetes und Bluthochdruck. BF1 und BF2 sind jeweils erwerbsfähig, in Österreich bisher jedoch noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und beziehen bis dato Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber.

 

BF1 und BF2 sprechen Arabisch und Englisch und verfügen zudem über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache.

 

BF1 und BF2 sind strafgerichtlich unbescholten.

 

1.2. Der BF1 war im Libanon Mitglied der politischen Partei "Zukunftsbewegung".

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass BF1 und BF2 im Libanon vor ihrer Ausreise einer individuellen Verfolgung aus politischen Gründen durch Angehörige der Hisbollah ausgesetzt waren oder im Falle einer Rückkehr in den Libanon der Gefahr einer solchen ausgesetzt wären.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer sonstigen gravierenden Bedrohung ausgesetzt wären oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würden.

 

1.3. Zur aktuellen Lage im Libanon wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, der bekämpften Bescheide und des Beschwerdeschriftsatzes, durch amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems die Beschwerdeführer betreffend sowie Einsichtnahme in die von den BF vorgelegten Beweismittel und die erstinstanzlichen Entscheidungen der in Österreich aufhältigen entfernten Verwandten des BF1.

 

2.2. Die Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religionszugehörigkeit von BF1 und BF2 konnten auf der Grundlage ihrer übereinstimmenden persönlichen Angaben vor dem BFA festgestellt werden. Ihre genaue Identität war mangels vorgelegter Identitätsdokumente nicht feststellbar.

 

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen von BF1 und BF2 im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie in Österreich im Gefolge derselben stützen sich auf deren persönliche Angaben im gg. Verfahren sowie die amtswegig vom BVwG eingeholten Informationen.

 

2.3. Zur Feststellung oben unter 1.2. war aus nachstehenden Erwägungen zu gelangen:

 

2.3.1. Der BF1 führte im Rahmen seiner Erstbefragung zu seinen Antragsgründen an, dass er ein politisch engagierter Mensch sei. Er sei im "Komitee" des ehemaligen Premierministers im Libanon tätig gewesen. Dadurch sei er zum Feindbild der islamischen Bewegung Hisbollah geworden. Diese habe ihn und seine Familie verfolgt. Im Juli dieses Jahres, als sie auf der Straße gingen, hätten unbekannte Männer auf ihn und seinen Sohn, den BF2, geschossen. Er habe entkommen können, der Sohn sei schwer verletzt worden. In dessen Nierenbereich stecke immer noch ein Projektil, seither leide der Sohn unter Angststörungen bzw. einem Trauma.

 

Der BF2 gab in der Erstbefragung an, dass sein Vater sich politisch engagiert habe und deshalb die Familie von der Hisbollah verfolgt worden sei. Als er eines Tages mit seinem Vater, dem BF1, in XXXX spazieren gegangen sei, seine sie von unbekannten Männer auf einem Motorrad mit Maschinengewehren beschossen worden. Er sei dabei getroffen und schwer verletzt worden. Seither stecke in seiner linken Hüfte ein Projektil, seine baldige Operation sei dringend notwendig. Er hätte in diesem Land nicht mehr bleiben können und sei deshalb geflohen.

 

2.3.2. Der BF1 führte im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde in der freien Schilderung der Fluchtgründe aus, dass er den Libanon am 15.10.2015 legal verlassen habe. Zu seinen Fluchtgründen traf er vorerst allgemeine Ausführungen zum politischen System im Libanon und seinen Aktivitäten für die "Zukunftsbewegung". Im Jahr 2009 habe man versucht ihn zum Wahlbetrug zugunsten der Hisbollah zu überreden und 2011 sei auf sein Büro ein Bombenanschlag verübt worden. 2013 seien in seinem Heimatdorf syrische Flüchtlinge aufgenommen worden. Die Hisbollah sei ab 2014 mehrfach wegen dieser Flüchtlinge gekommen und habe deren Auslieferung verlangt, was man aber abgelehnt habe. Die Hisbollah habe insbesondere auch versucht, in seinem Heimatdorf Personen für den Krieg zu rekrutieren, wogegen sich auch der BF1 und seine Bewegung gestellt hätten. Am 30.11.2014 habe der BF1 gemeinsam mit dem BF2 in XXXX an einer Gedenkfeier teilgenommen. Währenddessen habe die Hisbollah das Heimatdorf angegriffen und sowohl die Syrer als auch den BF1 und seine Mitstreiter gesucht. Dies habe der BF1 telefonisch erfahren. Der BF1 sei dann gemeinsam mit anderen und dem BF2 in den Norden des Landes nach XXXX gefahren, wo er sich ca. sieben Monate lang aufgehalten habe. Anfangs hätte die Hisbollah im Heimatdorf noch regelmäßig nach dem BF1 gefragt, die letzten zwei Monate über nicht mehr, weshalb sie nach Hause zurückgekehrt seien. Eines Tages sei der BF1 dann mit dem BF2 am Strand spazieren gewesen. Am Rückweg hätten sie plötzlich Schreie gehört und habe der BF2 den BF1 umarmt um sein Leben zu schützen. Der BF2 sei durch zwei Schüsse, einmal in den Lendenbereich und einmal neben das Herz, verletzt worden. Nach einem Krankenhausaufenthalt seien die BF wieder in den Norden gefahren. Der "Leiter" der Bewegung des BF1 habe mit der Hisbollah telefoniert und habe diese dem BF1 die Schuld daran gegeben, dass am Tag des Angriffs im Heimatdorf Mitglieder der Hisbollah ums Leben gekommen seien. Die Hisbollah habe jedenfalls sein Leben zerstört und ihn unter Druck gesetzt, da er in der "Zukunftsbewegung" aktiv gewesen sei. Im Jahr 2012 habe man ihm auch zwei seiner Autos gestohlen. In weiterer Folge gab der BF1 an, dass die Hisbollah noch immer zu seiner Ehegattin käme. Über Aufforderung, den behaupteten Bombenanschlag näher zu schildern, führte der BF1 aus, dass sein Partner im Büro einen Anruf erhalten habe und aufgrund dieser Warnung das Büro sofort verlassen habe. Dies sei um die Mittagszeit gewesen, er selbst habe immer um elf Uhr das Büro verlassen um zu Kunden zu fahren. Als er vom Anschlag erfahren habe, habe er sofort gewusst, dass die Hisbollah dahinter gestanden sei.

 

Zum vorgelegten Schreiben führte der BF1 aus, dass dieses eine Bestätigung seiner Partei dafür sei, dass er mehrmals von der Hisbollah bedroht wurde. Auch die Mordversuche bzw. der Übergriff auf den BF2 seien darin erwähnt.

 

Während des Aufenthalts im Norden sei es vor Ort zu keinen Problemen gekommen, allerdings habe er Drohungen per SMS bekommen und seien sein Haus und die Häuser von Verwandten nach ihm durchsucht worden. Die Droh-SMS habe er nicht mehr bzw. hätten sie damals die Mobiltelefone gewechselt um nicht durch diese aufgespürt zu werden.

 

Befragt, warum eine mitgliedsstarke Vereinigung wie die Zukunftsbewegung nicht ihre Mitglieder vor der Hisbollah schützen könne, gab der BF1 an, dass die Hisbollah sogar den ehemaligen Ministerpräsidenten umgebracht habe und die Macht im Übrigen beim Militär liege.

 

Der BF2 erstattete im Rahmen seiner Einvernahme im Wesentlichen ein gleichlautendes Vorbringen wie sein Vater hinsichtlich des Angriffs der Hisbollah auf das Heimatdorf am 30.11.2014. Nach dem Aufenthalt in Norden sei er am 17.05.2015 mit dem BF1 am Stand in der Nähe ihres Hauses gewesen und habe er plötzlich Stimmen aus dem Dorf bzw. ein Motorrad gehört. Nachdem auf ihn geschossen worden sei, sei er mit dem Vater wieder in den Norden gezogen. Zur Zukunftsbewegung gab er an, dass diese insgesamt ca. 500.000 Mitglieder, zwei Millionen Unterstützer und im Heimatdorf 200 Mitglieder habe. Zu seiner Schussverletzung führte er aus, dass eine Kugel entfernt worden sei und eine zweite sich noch in seinem Körper befinde, die ihm bei Kälte Probleme bereite. Die Ärzte hätten allerdings gemeint, dass aktuell keine Operation notwendig sei.

 

2.3.3. Im Rahmen ihrer Entscheidungsbegründung verneinte die belangte Behörde aus dort näher dargelegten Gründen, dass BF1 und BF2 in ihrer Heimat einer konkreten individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen seien oder bei einer Rückkehr ausgesetzt wären. Das behauptete Bedrohungsszenario sei nicht glaubhaft gewesen, insbesondere sei das Vorbringen der beiden Beschwerdeführer nur vage und nicht plausibel gewesen sei.

 

So habe sich die Bedrohung durch die Hisbollah angeblich vom Jahr 2009 bis zur Ausreise im Jahr 2015 erstreckt, während dieses Zeitraumes habe sich jedoch nur ein einziger ernsthafter Vorfall ereignet, nämlich die Schussverletzung des BF2 im Jahr 2015. Der BF1 habe zwar behauptet, bereits im Jahr 2009 von der Hisbollah aufgefordert worden zu sein die Wahl zu ihren Gunsten zu manipulieren, was er jedoch abgelehnt habe. Für die Behörde sei diesbezüglich nicht nachvollziehbar, warum dieses ablehnende Verhalten für den BF1 angesichts der behaupteten grundsätzlichen Bedrohung im Herkunftsland durch die Hisbollah ohne Konsequenzen geblieben sei. Vielmehr wäre zutreffendenfalls davon auszugehen gewesen, dass der BF1 von der Hisbollah weiter unter Druck gesetzt worden wäre.

 

Es sei auch nicht nachvollziehbar geworden, dass die Hisbollah im Jahr 2011 ein gescheitertes Bombenattentat zum Nachteil des BF1 verübt habe, zumal der BF selbst angegeben habe, zum fraglichen Zeitpunkt des Attentats, nämlich zur Mittagszeit, nie im Büro gewesen zu sein.

 

Die Schüsse auf seinen Sohn betreffend habe der BF1 nicht nachvollziehbar dargelegt, welche stichhaltigen Hinweise auf eine Urheberschaft der Hisbollah er habe, insoweit habe es sich sohin um eine bloße Vermutung gehandelt. Zudem sei der BF1 nach der Schussverletzung seines Sohnes über mehrere Monate hinweg auch keinen weiteren Bedrohungen ausgesetzt gewesen. Soweit der BF1 angegeben habe, dass er sich nie zu Hause befunden habe, wenn er und sein Sohn von der Hisbollah dort gesucht worden seien, widerspreche dieser Darstellung wiederum die Behauptung, dass die Hisbollah im Libanon alles kontrolliere und gut vernetzt sei. Auch sei er nicht in der Lage gewesen, eine plausible Begründung dafür zu geben, wie er den Libanon legal verlassen konnte, obwohl der Flughafen behaupteter Weise von der Hisbollah kontrolliert werde und sein Name sogar auf einer Liste der Hisbollah gestanden sei. Nicht nachvollziehbar sei auch gewesen, dass die beiden BF zwar behaupteten, sie wären durch die Hisbollah verfolgt gewesen, während demgegenüber die übrigen Familienmitglieder keine Probleme gehabt hätten. Falls die Hisbollah tatsächlich ein Verfolgungsinteresse gehabt hätte, wäre zu erwarten gewesen, dass auch Druck auf die (übrige) Familie ausgeübt worden wäre. Zuletzt sei hinsichtlich des angeblichen Vorwurfs der Hisbollah den BF gegenüber, sie seien als mitverantwortlich für den Tod mehrerer Hisbollah-Mitglieder anläßlich ihres Angriffs auf das Heimatdorf der BF anzusehen, auch bei einer Wahrunterstellung dieses Ereignisses nicht erkennbar geworden, warum die Hisbollah gerade die BF deshalb zur Verantwortung ziehen sollte, zumal weder die BF noch ihre Verwandten zu diesem Zeitpunkt im Heimatdorf gewesen seien.

 

Generell habe der BF1 die behaupteten Bedrohungsszenarien auch mit keinen stichhaltigen Beweisen untermauern können. Aus den in Vorlage gebrachten Fotos von sich und bekannten politischen Persönlichkeiten ließ sich die behauptete Verfolgung jedenfalls nicht ableiten, zumal diese lediglich bestätigen würden, dass der BF1 politisch aktiv war. Auch habe der BF1 nicht plausibel erklären können, warum er die angeblich gegen ihn gerichteten Droh-SMS nicht als Beweise aufgehoben habe. Seine Erwiderung, er habe sein Mobiltelefon gewechselt, da er sonst geortet werden hätte können, sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Zu den vorgelegten Telefonnummern wurde angemerkt, dass hinter diesen jede beliebige Person stecken könnte und diesen sohin kein maßgeblicher Beweiswert zukommen könne. Die Behörde könne auch Aussagen von benannten Zeugen nicht verifizieren. Das Bestätigungsschreiben der Partei des BF1 für eine Bedrohung durch die Hisbollah stamme eben von dessen eigener Partei und sei daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit als Gefälligkeitsschreiben zu qualifizieren.

 

In der Entscheidungsbegründung den BF2 betreffend wurde über diese Beweiswürdigung hinaus noch argumentiert, dass nicht nachvollzogen werden konnte, warum dieser sein Vorbringen in der Einvernahme vor der belangten Behörde im Vergleich zum Vorbringen in der Erstbefragung steigerte.

 

Über diese Erwägungen zur mangelnden Glaubhaftmachung der behaupteten Bedrohung durch die Hisbollah verwies die belangte Behörde ergänzend darauf, dass selbst bei einer Wahrunterstellung einer solchen Bedrohung in der früheren engeren Heimat der BF diese ihren eigenen Angaben zufolge in der Lage waren, der Bedrohung durch einen Umzug in einen anderen Landesteil zu entgehen.

 

Die Beschwerdeführer würden im Übrigen im Herkunftsstaat über soziale und verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und dementsprechende Unterkunfts- und Unterstützungsmöglichkeiten verfügen und seien darüber hinaus arbeitsfähig, ihr Lebensunterhalt sei dort – so wie auch an anderen Orten im Libanon, die zur Wohnsitznahme offen stünden - sohin gewährleistet. Es gäbe demgegenüber in Österreich keine relevanten Anknüpfungspunkte.

 

Die belangte Behörde legte ihren Entscheidungen auch umfangreiche aktuelle Länderfeststellungen zugrunde. Den Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung im Libanon folgend sei diese insgesamt als zufriedenstellend anzusehen und dort alle wesentlichen Medikamente verfügbar.

 

2.3.4. Das BVwG schließt sich der Beweiswürdigung der belangten Behörde im Ergebnis aus nachfolgend im Einzelnen dargestellten Gründen an.

 

Die belangte Behörde hielt in ihrer Beweiswürdigung schon zu Recht fest, dass entgegen dem allgemeinen Grundsatz, dass die Schilderung fluchtauslösender Ereignisse in der Regel von einer detaillierten und erlebnisnahen Beschreibung derselben begleitet sein sollte, das Vorbringen der BF dazu insgesamt sehr vage war. Zwar wurden von den BF umfangreichere Ausführungen zur früheren politischen Tätigkeit im Rahmen der politischen Partei "Zukunftsbewegung" als solche und ihrem politischen und gesellschaftlichen Umfeld im Libanon gemacht und dafür auch Nachweise vorgelegt, ihre Angaben zur behaupteten Verfolgungsgefahr ausgehend von Dritten gerade wegen dieser politischen Tätigkeit blieben demgegenüber aber nur bruchstückhaft und unsubstantiiert.

 

So haben sich die beiden BF im Einzelnen zwar auf einen Vorfall im Jahr 2009, einen weiteren Vorfall im Jahr 2011 und einen weiteren im Jahr 2014 bezogen. Der Behauptung einer individuellen Verfolgung durch die Hisbollah, die im Libanon ihrer Aussage nach ja auch über eine gute Vernetzung verfüge, im Zusammenhang mit den behaupteten Vorfällen in den Jahren 2009 und 2011 stand jedoch schon der Verbleib im Libanon bis zur Ausreise im Jahr 2015 entgegen, wäre doch vielmehr anzunehmen, dass dies nicht der Fall gewesen wäre, wenn die BF schon damals tatsächlich der behaupteten Bedrohung durch die Hisbollah ausgesetzt gewesen wären.

 

Der von den BF behauptete Angriff der Hisbollah auf ihr Heimatdorf im Jahr 2014 wurde insbesondere aufgrund des dazu vorgelegten medialen Berichtes von der belangten Behörde per se als glaubhaft angesehen. Bei diesem Vorfall waren die BF jedoch ihrer Aussage nach gar nicht anwesend, sondern in XXXX gewesen. Der belangten Behörde war daher insoweit zu folgen, als nicht nachvollziehbar wurde, weshalb gerade die damals ortsabwesenden BF wegen der behaupteten Tötung von Hisbollah-Mitgliedern bei diesem Vorfall durch damals anwesende Dorfbewohner von der Hisbollah verfolgt werden sollten. Die BF waren nicht in der Lage dies auf plausible Weise darzulegen.

 

Auch soweit sie einen als Flucht auslösend geschilderten Überfall auf sie im Jahr 2015 behaupteten, war diese Darstellung im Hinblick auf den von den BF dargelegten Ablauf des Ereignisses nicht nachvollziehbar und dieses damit in dieser Form auch nicht als glaubhaft feststellbar. Im Rahmen der Erstbefragung hatten sie insbesondere noch davon gesprochen, dass sie bei einem Spaziergang auf offener Straße von Unbekannten beschossen worden seien. In der Einvernahme vor der belangten Behörde sprachen die BF demgegenüber davon, dass es sich bei den Attentätern wohl um Mitglieder der Hisbollah gehandelt habe, wiewohl sie diese sohin als bloße Vermutung zu wertende Aussage mit keinen Beweisen oder hinreichend substantiierten Angaben untermauern konnten.

 

Schlüssig war auch die Beweiswürdigung der belangten Behörde insoweit, als es nicht als plausibel anzusehen war, dass die BF einerseits auf einer "schwarzen Liste" der Hisbollah und damit im Visier der Organisation gestanden seien, die ihrer Aussage nach auch die Flughäfen im Libanon kontrolliere, und sie dennoch legal und problemlos über den Flughafen in XXXX und durch die dortigen Kontrollen hindurch ausreisen konnten. Ebenso war nicht als plausibel anzusehen, dass es eine im Libanon so mächtige Organisation wie die Hisbollah nicht zuwege gebracht habe, bei einem tatsächlichen Verfolgungsinteresse die BF an ihrem Wohnsitz anzutreffen, während sie dem Vorbringen nach stets nur auf die übrigen Familienmitglieder getroffen sei, wie auch ein Anschlag auf das Büro des BF1 gerade zu einem Zeitpunkt ausgeführt worden sei, zu dem er schon gewohnheitsmäßig nie anwesend gewesen sei.

 

Der belangten Behörde war auch insoweit zu folgen, als es die BF verabsäumten, das behauptete Bedrohungsszenario zumindest im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit Beweisen zu untermauern zu versuchen. Gerade angebliche Droh-SMS auf einem früheren Mobiltelefon wären dazu geeignet gewesen. Die Erklärung, dass dies aufgrund eines neuen Nutzungsvertrags mit einer anderen Betreibergesellschaft nicht möglich sei und auch keine Kopien dieser SMS existieren würden, überzeugte nicht, zumal dies nicht gegen eine Verwahrung der Beweisquelle durch die BF gesprochen hätte, und wurde sie berechtigter Weise als Schutzbehauptung bewertet. Die von den BF vorgelegten Fotos, auf denen sie gemeinsam mit libanesischen Politikern zu sehen seien, belegten lediglich ein auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestelltes politisches Engagement. Eine als Beweis genannte Telefonnummer war nicht objektiv zuordenbar und hatte daher per se keinen Beweiswert. Ein als Beweis vorgelegtes Schreiben der "Zukunftsbewegung", welcher die beiden BF angehörten, wurde zu Recht als Gefälligkeitsschreiben bewertet, war doch angesichts der offenbar guten Kontakte des BF1 innerhalb dieser Partei davon auszugehen, dass ihm ein seinen Wünschen entsprechendes, wenn auch inhaltlich nur allgemein gehaltenes, Bestätigungsschreiben ausgestellt wurde.

 

Auch soweit die Behörde vermeinte, dass selbst bei einer hypothetischen Wahrunterstellung einer vormaligen Bedrohung der BF durch die Hisbollah in ihrem Heimatdorf eine landesweite Bedrohung vor der Ausreise nicht gegeben war, wie der unbeeinträchtigte Aufenthalt der BF für ca. sieben Monate im Norden des Landes indizierte, war ihr im Hinblick auf die Schlüssigkeit dieser Argumentation zu folgen.

 

2.3.5. In der Beschwerde wurde das Fluchtvorbringen der BF in seinen Eckpunkten wiederholt. Es wurde aber auch dort nicht auf nachvollziehbare Weise dargelegt, weshalb gerade die BF im Zusammenhang mit dem Angriff der Hisbollah auf ihr Heimatdorf im Jahr 2014 von dieser verfolgt werden sollten. Sondern wurde wiederum lediglich ausgeführt, dass die BF zwar zu diesem Zeitpunkt Mitglieder der "Zukunftsbewegung" waren, sich allerdings nicht im Heimatdorf aufhielten. Zudem sei die "Zukunftsbewegung" selbst nicht eine bewaffnete, sondern eine friedliche Bewegung, und seien bei dem Angriff auf das Dorf gleichgesinnte, jedoch bewaffnete Gruppen aus anderen Dörfern zur Unterstützung herbeigeeilt, was wiederum konterkarierte, dass gerade die BF wegen der angeblichen Tötung von Hisbollah-Mitgliedern gesucht worden seien.

 

Soweit in der Beschwerde darauf verwiesen wurde, dass entfernte Verwandte des BF1 mit diesem ausgereist und auch sie bedrohte Anhänger der Zukunftsbewegung seien, ergab eine Einsichtnahme des erkennenden Gerichts in die erstinstanzlichen Entscheidungen in diesen Fällen, dass sich auch diese bei der Erstbefragung auf gänzlich anderslautende Ausreisegründe stützten, um sich dann in der Einvernahme vor der belangten Behörde auf den vom BF1 ins Treffen geführten Vorfall im November 2014 und Probleme in diesem Zusammenhang als Fluchtgründe zu stützen. Dies verstärkte jedoch den Gesamteindruck, dass alle Antragsteller einschließlich des BF1 eine tatsächliche Begebenheit offenbar bloß benützten um damit ein gesteigertes, wenn auch nicht glaubhaftes Vorbringen zu einer angeblichen individuellen Bedrohung zu konstruieren.

 

Zum erstmals in der Beschwerde behaupteten Sachverhalt, dass der BF1 ca. sechs Monate zuvor einen Anruf erhalten habe, wonach er gerichtlich verurteilt worden sei und sein Name nun "am Flughafen aufscheinen" würde, ist festzuhalten, dass ungeachtet der Frage nach der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens dieses vor dem Hintergrund des Neuerungsverbotes des § 20 BFA-VG im gegenständlichen Verfahren unbeachtlich war. Denn weder hatte sich der Sachverhalt, der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des BFA maßgeblich geändert, noch ergaben sich konkrete Anhaltspunkte für eine Mangelhaftigkeit des vom BFA durchgeführten Verfahrens, noch wäre hervorgekommen, dass der BF1 vor der Bescheiderlassung nicht in der Lage gewesen wäre diesen neuen Sachverhalt vorzubringen. Der BF1 wäre daher angehalten gewesen, diesen erst in der Beschwerde behaupteten Sachverhalt gleich nach Kenntnisnahme vorzubringen, zumal ihm dieser im Sinne seiner eigenen Angaben bereits seit sechs Monaten bekannt gewesen sei und er auch über das Neuerungsverbot und seine Mitwirkungspflicht aufgeklärt worden war. Im Übrigen hat er entgegen seiner Ankündigung auch bis dato keine Kopie dieses angeblich gegen ihn erlassenen Urteils vorgelegt, was schon maßgebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Behauptung des BF1 als solche erweckt hätte, ebenso wie der Umstand, dass er sich mit 03.05.2017 für eine freiwillige Rückkehr unter Gewährung von Rückkehrhilfe angemeldet hatte, zumal eine solche vom BF1 wohl kaum in Betracht gezogen worden wäre, wenn er tatsächlich wie behauptet von der Inhaftierung aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung bedroht gewesen wäre.

 

2.3.6. Insgesamt gesehen wurde der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben, der immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die belangte Behörde hat auch die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und teilt das hier entscheidende Gericht auch die tragenden Erwägungen der Beweiswürdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. In gegenständlicher Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der nicht vom Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG umfasst ist.

 

In einer Gesamtbetrachtung dieser Erwägungen war sohin in Übereinstimmung mit der Einschätzung der belangten Behörde zum Ergebnis zu gelangen, dass die BF die behaupteter Weise für die Ausreise ursächlichen Ereignisse nicht glaubhaft darzustellen vermochten und ihnen aus diesen Gründen daher auch bei einer Rückkehr keine Verfolgungsgefahr drohen würde.

 

2.3.7. Die Annahme, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch insoweit keiner gravierenden Bedrohung ausgesetzt wären, als sie etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützt sich darauf, dass es sich bei beiden um grundsätzlich arbeitsfähige Menschen handelt, welche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit für ihren Unterhalt sorgen können, zumal sie nicht zuletzt auch bereits vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat jeweils einer beruflichen Tätigkeit nachgingen bzw. über berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten. Auch die Möglichkeit einer verwandtschaftlichen Unterstützung durch Verwandte vor Ort stünde den Beschwerdeführern angesichts entsprechender Anknüpfungspunkte zur Verfügung.

 

Es ergaben sich bis zuletzt auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer aktuellen schweren psychischen oder physischen Erkrankung der Beschwerdeführer. Eine Schussverletzung des BF2 wurde den vorgelegten medizinischen Unterlagen entsprechend versorgt und liegt aktuell auch kein Behandlungsbedarf vor. Bei Diabetes und Bluthochdruck handelt es sich per se um keine lebensbedrohlichen Erkrankungen, wobei im Übrigen den Länderfeststellungen der belangten Behörde zufolge die ärztliche Versorgung im Libanon als insgesamt zufriedenstellend anzusehen ist.

 

Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Libanon stellen sich in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang. Insbesondere stellt sich die allgemeine Lage im Libanon auch nicht dergestalt dar, dass jeder Rückkehrer schon alleine aufgrund seiner Anwesenheit im Lande einer substantiellen Gefahr ausgesetzt wäre, und konnten die Beschwerdeführer auch keinen individuellen Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen vor Ort herstellen. Als notorisch war anzusehen, dass im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer aktuell auch kein landesweiter bewaffneter Konflikt ausgetragen wird, der eine gravierende Gefährdung indizieren würde.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

 

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG.

 

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

 

Zu A)

 

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

 

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

 

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

1.2. Die belangte Behörde kam – wie oben im Einzelnen ausgeführt wurde – zu Recht zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführer nicht in der Lage waren mit ihrem Vorbringen glaubhaft zu machen, dass sie einer landesweiten individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat durch Angehörige der Hisbollah ausgesetzt waren oder für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wären.

 

Im gegenständlichen Fall waren daher auch nach Ansicht des BVwG die Voraussetzungen für eine Asylgewährung in Form der Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grunde nicht gegeben.

 

1.3. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen Spruchteil I der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

 

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

 

2.2. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex:

"Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

 

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

2.3. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für die Beschwerdeführer nicht vorliegen:

 

Dass diese im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat oder außergewöhnliche gesundheitliche Einschränkungen, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegen ebenso nicht vor, wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde.

 

Der VfGH fasste in seinem Erkenntnis vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9 die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK zusammen und verweist insbesondere auf D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06.

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Dass eine in diesem Sinne relevante Erkrankung bei den BF vorläge, konnte wie oben dargelegt wurde nicht festgestellt werden.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die Beschwerdeführer somit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht ihnen im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte noch bestünde die Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gg. Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z.1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend, und geht auch das BVwG in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat aus.

 

2.4. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.1. § 10 AsylG 2005 lautet:

 

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

 

§ 57 AsylG 2005 lautet:

 

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

 

§ 9 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

 

Art. 8 EMRK lautet:

 

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

§ 58 AsylG 2005 lautet:

 

(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

 

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

 

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

 

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

 

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

 

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

 

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

 

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

 

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

 

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

 

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

 

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

 

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

 

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

 

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

 

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

 

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

 

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

 

§ 52 FPG lautet:

 

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

 

§ 55 FPG lautet:

 

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

 

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

 

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

 

3.2. Die gegenständlichen Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz wurden vom BFA zu Recht gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen. Die Einreise von BF1 und BF2 in das Gebiet der europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer der nunmehr abgeschlossenen Verfahren. Ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet mehr vor und fallen sie damit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.

 

Es liegen keine Umstände vor, dass den Beschwerdeführern allenfalls von Amts wegen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wären und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

 

Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung festgehalten, dass den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen war. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101, dargelegt hat, bietet das Gesetz keine Grundlage dafür, in Fällen, in denen - wie hier - eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen wird, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen, weshalb das Vorgehen der belangten Behörde, diese Bestimmung im Spruch nicht anzuführen, korrekt war.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 waren die Entscheidungen daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts eines Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

 

die Bindungen zum Heimatstaat,

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

 

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567;

21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99;

23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

 

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

 

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

 

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

 

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

 

Nach der jüngsten Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi

v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR 16.09.2004, Ghiban / BRD; 07.10.2004, Dragan / BRD; 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH 17.03.2005, G 78/04; EGMR 08.04.2008, Nnyazi / GB). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch Faktoren wie etwa Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration welcher sich durch Intensität der Bindungen zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH 29.09.2007, B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).

 

Gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2010, B 950/10 sind betreffend der Frage der Integration einer Familie in Österreich insbesondere die Aufenthaltsdauer der Familie in Österreich, ein mehrjährigen Schulbesuch von minderjährigen Kindern, gute Deutschkenntnisse und eine sehr gute gesellschaftliche Integration der gesamten Familie zu berücksichtigen.

 

Es ist weiter als wesentliches Merkmal zu berücksichtigen, wenn – anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) – die Integration der Beschwerdeführer während eines einzigen Asylverfahrens (dessen Dauer im durch den Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall sieben Jahre betrug), welches nicht durch eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer und seine Familie geprägt war, erfolgte.

 

Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

3.4. BF1 und BF2 halten sich seit ihrer nicht rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet vor weniger als zwei Jahren hierorts auf.

 

Als Kriterien für die Beurteilung, ob Beziehungen zu Verwandten im Aufnahmestaat im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entsprechen, müssen neben der bloßen Verwandtschaft noch weitere Umstände hinzutreten, etwa besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgehen (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff).

 

Hinsichtlich der in Österreich lebenden Verwandten der BF war in Anbetracht des diesbezüglichen Vorbringens von keiner besonderen Beziehungsintensität zu diesen auszugehen, zumal nicht einmal besondere Kontakte behauptet wurden. Die Gattin des BF1 bzw. Mutter des BF2 sowie drei weitere Kinder aus der Ehe bzw. Geschwister des BF2 halten sich nach wie vor im Libanon auf, wo beide Beschwerdeführer den Großteil des Lebens verbracht haben und sozialisiert wurden.

 

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende maßgebliche Integration der Beschwerdeführer in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht waren nicht erkennbar bzw. wurden solche nicht vorgebracht, wenngleich sie versuchen die deutsche Sprache im Selbststudium zu erlernen. Sie gehen hier keiner legalen Arbeit nach und beziehen für ihren Lebensunterhalt Leistungen der staatlichen Grundversorgung.

 

Hinsichtlich des Umstandes, dass sich die Beschwerdeführer in Österreich bis dato wohl verhalten haben, ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420).

 

Den sohin geringen privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, denen per se ein hoher Stellenwert zukommt, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.

 

Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK gelangte sohin auch das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass die individuellen Interessen der Beschwerdeführer iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gg. Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen würden.

 

3.5. Nach Maßgabe einer im Sinne des § 9 BFA-VG durchgeführten Interessensabwägung ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder in der Beschwerde vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung von Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.

 

4. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Libanon unzulässig wäre.

 

5. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die die Drittstaatsangehörigen bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen der BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.

 

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

6. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und der gesetzten Frist für die freiwillige Ausreise vorlagen, war die Beschwerde gegen den Spruchteil III des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 und 55 Abs. 1 FPG idgF sowie § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abzuweisen.

 

7. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

 

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt, es hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und seine Erwägungen, die zur Abweisung der Anträge geführt haben, im Einzelnen offengelegt. Das erkennende Gericht hat sich in seinen Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung auch den für ihre Entscheidung tragenden Erwägungen der belangten Behörde angeschlossen, einzelne weitere Überlegungen waren lediglich von ergänzender Natur. In der Beschwerde wurden demgegenüber keine maßgeblichen Einwände vorgebracht, die eine weitere Erörterung des Sachverhalts in einer mündlichen Verhandlung vor dem Gericht bedingt hätten (vgl. VwGH, Ra 2014/20/0017 und 0018, v. 28.05.2014).

 

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war.

 

8. Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Insbesondere war die gegenständliche Entscheidung von bloßen Tatsachenfeststellungen abhängig, die anhand von Glaubwürdigkeitserwägungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffen wurden.

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