BVwG L506 1433981-1

BVwGL506 1433981-18.2.2017

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:L506.1433981.1.00

 

Spruch:

L506 1433981-1/63E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriel über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2013, Zl. 1212.303-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.10.2014, am 17.03.2016 und am 24.10.2016 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, ein irakische Staatsangehörige, Angehörige der arabischen Volksgruppe sunnitischen Glaubens, stellte am 09.09.2012 (AS 25) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Hiezu wurde sie am 10.09.2012 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und erklärte sie im Zuge dessen, sie sei aufgrund der Bedrohung ihres Mannes durch schiitische Milizeinheiten im Jahr 2006 nach Syrien geflüchtet und hätten sie sich gemeinsam bis März 2012 in Syrien aufgehalten. Aufgrund einer Erbschaftsangelegenheit sei ihr Mann im Jahr 2012 in den Irak zurückgekehrt, er sei jedoch an der Grenze festgenommen worden. Nachdem sich die Lage in Syrien verschlechtert habe, habe auch die Beschwerdeführerin beschlossen, in den Irak zurückzukehren. In Bagdad habe sie dann erfahren, dass ihr Mann in Haft sei und habe sie zu diesem Kontakt aufgenommen, ihn jedoch nicht sehen dürfen. Durch den Anwalt ihres Mannes sei ihr nahegelegt worden, das Land zu verlassen, da eine Entführung durch die schiitische Milizeinheit zu befürchten sei. Sie habe daraufhin die Ausreise, die durch ihren Schwager organisiert worden sei, angetreten. Der Cousin ihres Mannes sei unter Saddam Hussein in dessen Palast tätig gewesen. An der Grenze sei ihr Mann mit diesem verwechselt worden, weshalb man ihn festgenommen habe. Man habe die Beschwerdeführerin entführen, misshandeln und vergewaltigen wollen, um ihren Mann unter Druck zu setzen. Ihre Kinder seien hoffentlich nicht in Gefahr. Bei den Schiiten sei es eine gute Tat, eine sunnitische Frau zu vergewaltigen. Im Rückkehrfall fürchte sie, entführt zu werden.

2. Im Zuge der Einvernahme der Beschwerdeführerin am 16.01.2013 vor dem Bundesasylamt (BAA) erklärte diese im Wesentlichen, sie seien im Jahr 2006 nach Syrien geflüchtet und stamme ihr Mann aus einer wohlhabenden Familie. Im Jahr 2012 seien ihre Schwiegereltern ermordet worden. Am 20.03.2012 sei ihr Mann in den Irak zurückgekehrt und habe ihr der Fahrer, mit dem ihr Mann zurückgekehrt sei, mitgeteilt, dass man diesen an der Grenze festgenommen habe; sie habe keine Informationen über ihren Mann erhalten und sei sie selbst im Mai 2012 in den Irak zurückgekehrt. Sie habe einen Anwalt engagiert und über diesen erfahren, dass ihr Mann noch lebe. Ihr Mann sei in der Haft geschlagen worden. Sie habe nach ihrer Rückkehr in ihrem Elternhaus in einer schiitischen Gegend gewohnt und hätten die Nachbarn über ihren Mann und sie Bescheid gewusst. Ihr Mann habe in einem der Schlösser von Saddam gearbeitet und hätten im Jahr 2007 die Schiiten ihr Haus gewollt und sei ihre Familie in eine andere Gegend verzogen; viele der früheren Nachbarn hätten zu den Milizen gehört; die Schiiten würden gern sunnitische Frauen missbrauchen und habe sie immer Angst gehabt, wenn sie ihre Nachbarn gesehen habe, weshalb sie ihre Familie in das Haus ihres Bruders nach XXXX, in einer sunnitischen Gegend, gebracht habe. Einer aus der schiitischen Gegend sei plötzlich vor dem Haus gestanden und habe ihr die Mutter geraten, dieses nicht zu verlassen. Sie hätten auch nicht gewusst, warum man ihren Mann inhaftiert habe und habe der Anwalt später erzählt, dieser sei zur Festnahme ausgeschrieben gewesen. Man habe ihren Mann aufgrund der Ähnlichkeit des Namens mit dem Cousin von Saddam Hussein verwechselt und ihn festgenommen.

Der Anwalt habe gemeint, dass man möglicherweise auch sie festnehmen werde und seien auch die Kinder bedroht, weswegen die Kinder nunmehr in einer anderen Gegend leben würden und wisse sie nicht, ob ihr Mann noch am Leben sei.

Es habe eine Absprache zwischen dem Anwalt, ihrem Mann und der Gefängnisleitung gegeben, wonach man zuerst die Beschwerdeführerin und die Kinder und dann deren Mann außer Landes bringen solle. Die drei Kinder hielten sich nunmehr bei verschiedenen Verwandten der Beschwerdeführerin auf.

3. Mit Bescheid des BAA vom 18.03.2013 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), dieser gem. § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dieser eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 17.03.2014 erteilt (Spruchpunkt III.)

Das BAA stellte fest, dass sich der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Fluchtgrund nicht als glaubhaft darstelle und könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsland bedroht werde.

Die Erstbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Lage im Irak.

Beweiswürdigend hielt das BAA im Wesentlichen fest, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu den Ausreisegründen nicht glaubwürdig seien, da die behauptete anhaltende Haft des Ehegatten der Beschwerdeführerin nicht schlüssig und glaubhaft erscheine.

Infolge der derzeitig im Irak vorherrschenden schlechten allgemeinen Sicherheitslage seien der Beschwerdeführerin jedoch der Status der subsidiär Schutzberechtigten und gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen gewesen.

4. Mit Verfahrensanordnung des BAA vom 18.03.2013 wurde gemäß § 66 Abs. 1 AsylG der Beschwerdeführerin amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

5. Am 07.02.2013 langte beim BAA ein psychiatrischer Befund des transkulturellen Zentrums XXXX ein, wonach die Beschwerdeführerin an einer Anpassungsstörung leide.

6. Am 14.02.2013 langte beim BAA eine Aufenthaltsbestätigung der Landesnervenklinik XXXX die Beschwerdeführerin betreffend ein, in der der Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom XXXX in stationärer Pflege bestätigt wurde; ferner wurde ein Arztbrief vom 09.02.2013 vorgelegt, in dem die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, depressive Störung, eine suizidale Krise sowie eine Eisenmangelanämie enthalten sind. In einem brachte die Beschwerdeführerin diverse Dokumente in Vorlage (AS 87-102).

7. Der bekämpfte Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 19.03.2013 ordnungsgemäß zugestellt. Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides richtet sich die am 27.03.2013 beim BAA eingelangte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin führte im Wesentlichen aus, sie habe hinsichtlich des Aufenthaltsortes ihrer Kinder wahrheitsgemäße Angaben gemacht und seien diese zum Zeitpunkt der Erstbefragung bei der Großmutter gewesen und zum Zeitpunkt der Einvernahme der Beschwerdeführerin bei drei verschiedenen Familienmitgliedern untergebracht worden, der Aufenthaltsort ihrer Tochter würde sich auch jetzt immer wieder verändern, da sie aufgrund ihrer angeborenen Sehbehinderung eine Belastung sei. Sie habe ihr Heimatland aufgrund der Entscheidung ihrer Familie verlassen müssen und sei es ihr nicht möglich gewesen, eine sicherer Fluchtroute zu finden, auf welche sie ihre Kinder ohne Angst um deren Leib und Leben mitnehmen hätte können. Zu den Problemen ihres Mannes könne sie keine konkreteren Angaben machen als jene, die sie bereits getätigt habe und habe sie mit ihrem Mann nicht über dessen Geschäfte gesprochen. Zudem führte die Beschwerdeführerin aus, sie könne erst durch die Inanspruchnahme vieler Therapieeinheiten ohne Scham über die individuelle Verfolgung, die sie erleiden habe, sprechen. Ihr Mann sei noch immer in Haft und gebe es kein funktionierendes Rechtssystem im Irak. Die Erpressung inhaftierter Personen sei üblich und wird Männern dabei mit der Vergewaltigung der Ehefrau gedroht. Schon aufgrund der Schutzlosigkeit der Frauen von inhaftierten Männern komme es zu Übergriffen und bedeuten solche eine Schande für die gesamte Familie. Sie habe auch keinen staatlichen Schutz in Anspruch genommen, da das Rechtssystem im Irak nicht funktioniere. Auch hätten mehrfach Personen nach ihr gefragt und hätten mit ihr sprechen wollen. Ihre Brüder hätten die Gefahr erkannt und sie dazu veranlasst, schnellstmöglich das Land zu verlassen. Die Feststellungen der Behörde in diesem Bereich seien äußerst mangelhaft und sei der Sachverhalt auch rechtlich unrichtig beurteilt worden, wobei wesentliche Punkte nicht beachtet worden bzw. in der Einvernahme nicht näher nachgefragt worden sei und habe sich die Behörde nicht mit den nachgereichten medizinischen Unterlagen auseinandergesetzt. Die diagnostizierte Traumatisierung spreche für die Glaubwürdigkeit der Angaben und die Existenz wohlbegründeter Furcht. Da im Irak kein funktionierendes Rechtsschutzsystem in Anspruch genommen werden könne, sei es der Beschwerdeführerin nicht weiter möglich, sich dort aufzuhalten. In einem beantragte die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Beschwerde wurden Bestätigungen hinsichtlich des psychischen Zustandes der Beschwerdeführerin beigelegt (psychiatrischer Befund, Arztbrief, Therapieplanpsychotherapeutische Stellungnahme).

8. Am 03.04.2013 langte die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Asylgerichtshofes ein.

9. Am 23.04.2013 langte beim Asylgerichtshof eine psychotherapeutische Stellungnahme hinsichtlich der Beschwerdeführerin ein und wurde am 06.05.2013 eine aktuelle Meldebestätigung durch die Beschwerdeführerin beim Asylgerichtshof vorgelegt.

10. Am 21.05.2013 langte die Bevollmächtigung des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin ein und wurde in einem um Aktenübersendung des Aktes nach Wien zwecks Akteneinsicht ersucht.

11. Am 06.08.2013 langte beim Asylgerichtshof ein Ersuchen um rasche Entscheidung sowie ein Entlassungskurzbrief der psychiatrischen Abteilung des XXXX vom Juni 2013 zur schlechten psychischen Verfassung der Beschwerdeführerin ein.

12. Am 07.08.2013 langte die Vollmachtsauflösung hinsichtlich der bestehenden Vollmacht beim Asylgerichtshof ein.

13. Am 24.02.2014 langte der Akt aufgrund des behaupteten Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung und der daraus resultierenden Unzuständigkeitseinrede der Akt bei der Gerichtsabteilung L514 des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

14. Am 14. 10. 2014 langte eine Bevollmächtigung der österreichischen Caritaszentrale durch die Beschwerdeführerin ein.

15. Mit Schriftsatz vom 20.10.2014 beantragt die Vertretung der Beschwerdeführerin die Einvernahme ihres Ehegatten. Es wurde mitgeteilt, dass dieser die Beschwerdeführerin am 22.10.2014 zur mündlichen Verhandlung begleiten werde.

15. Am 22.10.2014 wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt.

16. Am 27.10.2014 und am 03.11.2014 langten beim Bundesverwaltungsgericht die Übersetzungen der im Verfahren vorgelegten Dokumente ein.

17. Mit Schreiben vom 12.11.2015 wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts gemäß

§ 45 (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Parteien des Verfahrens Länderfeststellungen zur Situation im Irak zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt.

Die Beschwerdeführerin gab keine Stellungnahme dazu ab.

18. Die Beschwerdeführerin brachte einen Ambulanzbericht der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXXX vom 20.11.2015 mit der Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung und schwere depressive Episode", sowie einen Arztbrief aus dem Jahr 2013, eine psychotherapeutische Stellungnahme, einen psychiatrischen Befund aus dem Jahr 2013 in Vorlage.

19. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 18.11.2015 wurde der gegenständliche Akt der bisherigen Gerichtsabteilung abgenommen und nunmehr der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugeteilt, wo dieser am 14.12.2015 einlangte.

20. Am 25.01.2016 langte hg. eine Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.01.2016 ein, wonach die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischer Belastungsstörung und einer schweren depressiven Episode leide und den Gerichtstermin am 02.02.2016 nicht wahrnehmen könne.

21. Mit dem hg. eingeholten Gutachten von DDr. XXXX vom 15.07.16, einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie wurde die Verhandlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt.

22. Am 22.10.2014, 01.03.2016 (die Beschwerdeführerin ist nicht erschienen), 17.03.2016 und 24.10.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 7 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen. Zudem wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu den ihr mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zum Irak abzugeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 75 Abs. 17 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu Ende zu führen.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes richtet, der vor dem 31.12.2013 erlassen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idF BGBl 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-G bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

1.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 75 Absatz 19 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013 sind alle mit Ablauf des 31. Dezember beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

§ 75 Abs. 20 AsylG normiert, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. § 75 Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 21 Absatz 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

2. Sachverhalt

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Sie stammt aus XXXX und lebte ab dem Volksschulalter mit ihrer Familie in Bagdad. Nach ihrer Heirat im Jahr 1995 zog die Beschwerdeführerin zu ihrem Ehegatten und dessen Eltern in das Stadtviertel XXXX. Der Ehe entstammen drei gemeinsame Kinder. Die Mutter, zwei Brüder sowie zwei Schwestern sind nach wie vor im Irak aufhältig. Der Vater der Beschwerdeführerin ist bereits verstorben.

Die Beschwerdeführerin hat bis 2005 als Arabisch Lehrerin gearbeitet. Danach war sie nicht mehr berufstätig. Im Jahr 2006 ist sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten und den drei gemeinsamen Kindern nach XXXX gezogen und kehrte im Mai 2012 mit ihren Kindern wieder in den Irak zurück. Ihr Ehegatte kehrte bereits im März 2012 in den Irak zurück. Im März 2012 wurde der Gatte der Beschwerdeführerin aufgrund einer Namensverwechslung inhaftiert und am 20.03.2013 aus der Haft entlassen.

Die Beschwerdeführerin ist seit 01.03.2013 Mitglied im Verein XXXX in Österreich.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner psychischen Erkrankung.

Die Beschwerdeführerin ist die Ehegattin von XXXX sowie die Mutter von XXXX, XXXXund XXXXderen Beschwerden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen wurden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin vor der Ausreise aus dem Irak einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr in den Irak pro futuro der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre.

2.2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

1. Politische Lage

Die letzten nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, gewann der ehemalige Premierminister Nouri al-Maliki. Da es auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen Maliki gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Es wird ihm unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitisch-feindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen wie dem IS beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015). Maliki‘s Nachfolger ist der ebenfalls schiitische Parteikollege Haidar al-Abadi (beide gehören der schiitischen Dawa-Partei an), der eine Mehrparteienkoalition anführt, und der mit dem Versprechen angetreten ist, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015). Allerdings gelang es Abadi bislang nicht, politische Verbündete für seine Reformpläne (insbesondere die Abschaffung des konfessionell-ethnischen Proporzes) zu finden. Er hat mit dem besonders Iran-freundlichen Ex-Premier Maliki (nunmehr Vorsitzender der Dawa-Partei) einen starken Widersacher innerhalb seiner Partei. Ein Problem Abadis ist auch die Macht der schiitischen Milizen, von denen viele vom Iran aus gesteuert werden (s. Abschnitt 3.1.). Diese Milizen - eher lose an die irakische Armee angeschlossen - sind für Abadi einerseits unverzichtbar im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (Standard 5.1.2015), gleichzeitig wird deren Einsatz von der sunnitischen Bevölkerung aber als das "Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub" gesehen. Die Sunniten fürchten das skrupellose Vorgehen dieser Milizen - einige betrachten den IS sogar als das geringere Übel und dulden die Extremisten daher in ihren Gebieten (ÖB Amman 5.2015). In der Tat unterscheiden sich einige der mit der Zentralregierung in Bagdad verbündeten schiitischen Milizen hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen kaum vom IS (Rohde 9.11.2015). Die US-Regierung (sowohl die Bush-, als auch die Obama-Regierung), die auch mit der Badr-Miliz zusammengearbeitet hat, hat vor den Gewaltexzessen der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitische Bevölkerung die Augen verschlossen, und hat damit den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten angetrieben (Reuters 14.12.2015). Die aufgestaute Wut der Sunniten - auch darüber, dass sie niemanden mehr in der Regierung haben, der mit machvoller Stimme für sie sprechen könnte, trägt in Kombination mit dem Vorgehen der schiitischen Milizen dazu bei, dass sich viele Sunniten radikalisieren oder sich einfach aus Mangel an Alternativen unter die Kontrolle des IS begeben (Qantara 17.8.2015).

Zwölf Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 ist der Irak ein Staat ohne Gewaltmonopol, ohne Kontrolle über große Teile seines Territoriums oder seiner Grenzen, dessen Souveränität zunehmend vom Iran ausgehöhlt wird (Standard 4.12.2015). Nach 2003 ist der Irak (gemeinsam mit Syrien) zum Spiel- und Schlachtfeld konkurrierender regionaler

und globaler Interessen zwischen Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, den USA und neuerdings auch Russland geworden (Rohde 9.11.2015), wobei sich das Kräfteverhältnis der beiden wichtigsten Verbündeten der irakischen Regierung - die USA auf der einen Seite und der Iran auf der anderen - zunehmend zu Gunsten des Iran verschiebt. Der eher schwache Premierminister Abadi versucht es beiden Verbündeten recht zu machen: Damit die USA ihn aus der Luft unterstützen, muss er versuchen, die iranisch-assoziierten schiitischen Milizen vom Schlachtfeld fernzuhalten (Standard 4.12.2015).

Unter großem öffentlichem Druck und nach Demonstrationen tausender Menschen vor dem schwer bewachten Regierungsviertel in Bagdad hat Abadi Ende März 2016 angekündigt, sein altes Kabinett durch eine Regierung unabhängiger Technokraten zu ersetzen. Bisher waren alle Minister mit politischen Gruppen verbunden. Die neuen sollen nun laut Abadi auf Basis von Professionalität, Effizienz und Integrität ausgewählt werden (Spiegel 31.3.2016). Jedoch scheint das neue Kabinett zu zerbröckeln, bevor es überhaupt zur Abstimmung kommt. Die meisten Parteien stemmen sich gegen den drohenden Machtverlust (SK 8.4.2016).

Quellen:

2.1.Kurdische Autonomieregion (Kurdistan Region-Iraq: KRI)

Innerhalb der autonomen Kurdenregion im Norden Iraks verhärten sich die politischen Fronten. Die Feindseligkeiten zwischen den drei großen irakisch-kurdischen Parteien Kurdish Democratic Party (KDP), Goran und Patriotic Union Kurdistan (PUK) nehmen zu. Grund dafür ist unter anderem die Wirtschaftskrise und die weit verbreitete Korruption und

Vetternwirtschaft, die im Kurdengebiet vorherrschen (Reuters 26.10.2015). Die kurdische Regionalregierung ist seit längerer Zeit nicht mehr in der Lage die Gehälter der Beamten und Peschmerga auszubezahlen, oder tut dies mit monatelangen Verspätungen (Rudaw 20.10.2015, vgl. Deutschlandfunk 8.12.2015). Darüber hinaus sorgt der Streit um die Präsidentschaft Masoud Barzanis für Spannungen, dessen (bereits außertourlich verlängerte) Amtszeit im August 2015 abgelaufen ist, sich aber nach wie vor im Amt befindet (Reuters 26.10.2015, vgl. Ekurd 16.1.2016, Ekurd 14.2.2016). Darüber hinaus haben die Waffenlieferungen des Westens und anderer Verbündeter an die Kurden den Effekt, dass die kurdische Politik insgesamt zwar an Bedeutung gewinnt, sich jedoch dadurch die Spannungen zwischen den kurdischen Fraktionen erhöhen. KDP und PUK, jene beiden kurdischen Parteien, die in den 1990iger Jahren bewaffnete Konflikte gegeneinander austrugen und erst in der jüngeren Vergangenheit zu einer friedlichen Koexistenz und gemeinsamen Regierungsbildung gefunden haben, sind durch ihre jeweiligen Bündnisse mit mächtigen - teilweise gegensätzlichen - Partnern gespalten: Die KDP mit Masud Barzani, dem Präsidenten der KRG (Kurdish Regional Government) wird vorrangig vom Westen unterstützt und steht der Türkei nahe, während die PUK vorrangig vom Iran unterstützt wird und der türkischen PKK, sowie der irakischen Regierung in Bagdad nahesteht. Beide Parteien haben ihre jeweils eigenen Militäreinheiten (Peschmerga), die im Kampf gegen den IS oftmals in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. (Crisis Group 12.5.2015). Die Newcomer-Partei Goran, die erst seit Juni 2014 mit in der kurdischen Regionalregierung sitzt, und mit dem Versprechen angetreten ist, gegen den Nepotismus und die Korruption der beiden Altparteien vorzugehen, besitzt keine eigenen Militäreinheiten und ist auch wirtschaftlich nicht gut vernetzt, sodass sie auf Grund fehlenden Einflusses ihre Versprechen nicht umsetzen kann, und in der gegenwärtigen Situation - obwohl zweitstärkste Partei hinter der KDP – politisch und insbesondere militärisch keine herausragend große Rolle spielt (Bauer 2015).

Im Oktober 2015 verschärfte sich die innerkurdische Krise und es kam in mehreren Städten der Autonomiegebiete zu Protesten gegen Barzani und die KDP (Standard 13.10.2015). Der Premierminister der kurdischen Regionalregierung (ein Neffe des Präsidenten der Region Kurdistan) Nechirvan Barzani (KDP) entließ fünf Goran-Minister aus der Regierung. Der der Goran angehörende Parlamentspräsident Yussuf Mohammed wurde mit einer Gruppe Goran-Abgeordneter auf seinem Weg ins Parlament nach Erbil von Sicherheitskräften gestoppt. Goran-Mitglieder beschuldigten die KDP eines "Putsches gegen Rechtsstaat und Demokratie". Die PUK kritisierte das KDP-Vorgehen gegen Goran. Die KDP wirft ihrerseits Goran vor, Demonstranten aufgehetzt zu haben, die die KDP-Büros stürmten und in Brand setzten. In Suleymaniya war es im letzten Quartal des Jahres 2015 zu Protesten gegen die Regionalregierung und Ausschreitungen mit mehreren Toten gekommen, der direkte Anlass waren die oben erwähnten ausstehenden Gehälter. Insbesondere die zweitstärkste Partei

Goran hatte sich bei diesen Protesten gegen die Regionalregierung (insbesondere gegen die KDP) gewandt. (Standard 13.10.2015).

Das Verhältnis zwischen der von der KDP dominierten kurdischen Regionalregierung mit Sitz in Erbil und der irakischen Zentralregierung in Bagdad ist gleich durch mehrere Themenbereiche stark belastet: Der Konflikt um die sogenannten "umstrittenen Gebiete" südlich der KRI, die sowohl die Kurden, als auch die irakische Zentralregierung für sich beanspruchen, hat sich durch die Übernahme der Kontrolle über die ölreiche Stadt Kirkuk durch die Kurden im Juni 2014 noch einmal intensiviert. Damit verbunden ist auch der Öl-Streit, bei dem es darum geht, wer die Rechte zur Ausbeutung der Ölressourcen in der KRI hat. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden und die von der Zentralregierung als provokant erachtete Unabhängigkeitsrhetorik Masud Barzanis tragen auch nicht zur Besserung der Stimmung zwischen Bagdad und Erbil bei (Bauer 2015).

Zusätzlich gibt es noch einen Konflikt zwischen dem irakischen Präsidenten Abadi und der Türkei betreffend der Wiedererrichtung/des Ausbaus türkischer Militärbasen im Nordirak. Diese hat Masud Barzani, der mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan befreundet ist, der türkischen Regierung zugebilligt (Standard 13.12.2015).

Quellen:

2.2. "Islamischer Staat"

Der IS (der "Islamische Staat") baut innerhalb seiner Einflussgebiete pseudo-staatliche Strukturen auf. So gibt es beispielsweise einen "Diwan" (vergleichbar mit einem Ministerium) für natürliche Ressourcen, einschließlich der Verwertung von Antiquitäten. Ein anderer Diwan behandelt die "Verwertung" von Kriegsbeute, einschließlich SklavInnen (The Daily Star 29.12.0215). Unterstützung bekommt der IS von einigen ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei. Die Organisation Jaysh Rij?l a?-?ar?qa an-Naqshabandiya (Army of the Men of the Naqshbandi Order, auch Naqshabandi Order genannt - kurz JRTN) und andere ähnliche Ex-Baathistische Gruppen stimmen zwar nicht mit der Ideologie des IS überein, unterstützen diesen zum Teil aber als eine Organisation, die die irakische Regierung bekämpft (CRS 9.2015). Frühere Geheimdienstagenten, Kommandanten von Spezialeinheiten und Parteifunktionäre des Saddam-Regimes zählen zu den führenden Mitgliedern des IS und waren auch maßgeblich bei seinem strategischen Aufbau beteiligt (Qantara 13.7.2015).

Es gibt eine strenge Religionspolizei (Welt 21.9.2015), ein IS-Regierungskabinett, den IS-Militärrat sowie den Schura-Rat, in dem die IS-Kleriker sitzen, die gleichzeitig als oberste Richter fungieren. Eine Trennung zwischen Religion und Staat existiert nicht. Die IS-Ideologie ist offizielle Staatsdoktrin. Der IS hat seine Gebiete in Provinzen aufgeteilt, diese wiederum in Bezirke. Jede Provinz wird von einem IS-Gouverneur regiert. Dabei nutzt der IS die ihm unterstellte zivile Verwaltung, einen eigenen Sicherheitsapparat samt Geheimdienst sowie eigene Gerichtshöfe. Die Bezirke haben ebenfalls eigene Verwaltungs- und Sicherheitsorgane sowie Richter. Der Islamische Staat bezeichnet Abu Bakr al-Baghdadi als seinen Kalifen und Anführer. Zumindest nach außen ist Baghdadi das Gesicht der Organisation. Die Finanzierung des IS findet über viele verschiedene Quellen statt. Die wichtigsten sind:

Zwangspfändungen, Versklavung, Zwangsprostitution, Lösegeld, Einkommensteuer, Zoll, Kulturraub, Ölschmuggel sowie die Übernahme von Strom- und Wasserversorgern. Teilweise zahlt die irakische Regierung die Gehälter der in IS-Gebiet lebenden Staatsbediensteten noch aus – wovon der IS profitiert (Spiegel 2.12.2015). Teilweise setzt der Staat die Zahlungen der Gehälter aber aus, und versucht damit dem IS zu schaden, macht damit aber gleichzeitig die dort lebende Bevölkerung erst recht vom IS abhängig (Al Arabiya 23.12.2015).

Die Anführer des IS haben langjährige Erfahrung im Untergrund. Während der US-Besatzungszeit mussten sie sich verstecken und sie wissen daher auch, wie man die Überwachungsmethoden der US-Amerikaner austrickst (Spiegel 2.12.2015).

Quellen:

3. Sicherheitslage

Seit der US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 ist ein starker Anstieg der Todeszahlen zu beobachten, der sich insbesondere ab dem Jahr 2012 noch einmal verstärkt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Todeszahlen im Irak (in Dunkelrot) bis zum Jahr 2014.

(VOH 17.11.2015)

Im Jahr 2014 war der Konflikt im Irak der zweit-tödlichste (nach Syrien) weltweit. Es wurden laut der österreichischen Botschaft in Amman 21.073 Todesopfer verzeichnet. Damit haben sich die Opferzahlen im Irak verglichen zu 2013 (9.742 Todesopfer) mehr als verdoppelt. Auch die Anschlagskriminalität im Irak erreichte, vor allem durch die Taten des IS, 2014 einen Höhepunkt. Die Anzahl der IrakerInnen, die 2014 Opfer von Anschlägen wurden, erreichte ein Ausmaß wie zuvor nur in den berüchtigten Bürgerkriegsjahren 2006/2007: über 12.000 tote und 23.000 verletzte ZivilistInnen (ÖB Amman 5.2015).

Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der getöteten Zivilisten im Irak (inkl. Zivilpolizisten) für die Monate Jänner bis Dezember 2015 sowie die Anzahl der getöteten Iraker insgesamt. Demnach wurden im Jahr 2015 12.740 Iraker getötet, 7.515 davon waren Zivilisten (inklusive Zivilpolizei). 14.855 Zivilisten (inkl. Zivilpolizei) wurden verletzt. UNIRAQ wurde bei der Erfassung der Opferzahlen behindert, die Zahlen sollten daher als Minimumangaben gesehen werden. Sofern man anhand dieser Zahlen auf die Sicherheitslage im Irak schließen kann, hat sich die diese im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr 2014 gebessert. Verglichen mit dem Jahr 2013 war die Sicherheitslage im Jahr 2015 schlechter. In der folgenden Grafik finden sich die Mindestzahlen für das Jahr 2015:

Quelle: Daten: UNAMI (Jänner bis Dezember 2015), Grafik:

Staatendokumentation

Für den Monat Februar 2016 berichtet UNAMI, dass zumindest 670 Iraker getötet und 1.290 verletzt wurden. Darunter waren 410 getötete Zivilisten (einschließlich Bundespolizei, Sahwa Zivilschutz, Leibwächter, Polizei für den Schutz von Gebäuden und Anlagen, sowie Feuerwehr) und 1.050 verletzte. Die Provinz Bagdad war (im Monat Februar 2016) mit zumindest 277 getöteten Zivilisten dabei am stärksten betroffen, ebenfalls stark betroffen waren Diyala (40 getötete Zivilisten), Nineweh (42 getötete Zivilisten) und Kirkuk (29 getötete Zivilisten). Auf Grund der unübersichtlichen und volatilen Sicherheitslage können laut UNAMI die zu Anbar dokumentierten Zahlen (4 getötete und 126 verletzte Zivilisten) besonders stark von den tatsächlichen Zahlen abweichen (UNAMI 2.2016). Im März 2016 wurden nach der Zählung von Iraq Body Count (IBC) 1.073 Zivilpersonen getötet. Nach der UN Assistance Mission for Iraq (UNAMI) gab es 575 zivile Todesopfer und 1.196 Verletzte im März 2016. Weiter wurden 544 Mitglieder der irakischen Armee, Peshmerga-Kämpfer und andere Verbündete (ohne Opferzahlen der Anbar-Operationen) getötet und 365 verletzt. Die am stärksten betroffene Provinz war im März abermals Bagdad mit 1.029 (259 Tote, 770 Verletzte) zivilen Opfern. In der Provinz Nineweh gab es 133 Tote und 89 Verletzte, in der Provinz Babil 65 Tote und 141 Verletzte, in der Provinz Kirkuk 34 Tote und 57 Verletzte, in der Provinz Diyala elf Tote und in der Provinz Salahuddin sechs Tote und einen Verletzten (Mindestzahlen) (BAMF 4.4.2016).

Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren – ebenfalls vom IS verübten – Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (National 6.3.2016).

Die am meisten gefährdeten Personengruppen sind neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparats, sogenannte "Kollaborateure", aber auch Mitarbeiter von Ministerien (AA 18.2.2016, s. auch Abschnitt 8).

Insgesamt kann die Sicherheitslage im Irak im Jahr 2015 als weiterhin höchst instabil bezeichnet werden. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich weitgehend auf die Provinzen Anbar, Ninewah und Salah al-Din. Die irakische Regierung und die KRG konzentrierten sich weiterhin darauf, territoriale Fortschritte gegen den IS zu machen (UN Security Council 26.10.2015).

Der Aufstieg der zahlreichen konfessionellen Milizen und sonstigen bewaffneten Organisationen und Gruppen geht insbesondere auf den Bürgerkrieg von 2005 bis 2007 zurück. Heute stehen sich v.a. der aus Al-Qaida hervorgegangene "Islamische Staat", die schiitischen Milizen und die kurdischen Peschmerga gegenüber. Die schiitischen Milizen in ihrer Gesamtheit werden als militärisch stärker als die irakische Armee eingeschätzt (Standard 18.11.2015), und einige davon machen sich massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig (RSF 18.4.2015, vgl. HRW 20.9.2015, vgl. Rohde 9.11.2016). Neben deren gewaltsamen Übergriffen auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gibt es auch schiitische Milizen, die - ähnlich wie islamistische sunnitische Gruppen - gegen (nach deren Definition) "un-islamisches" Verhalten vorgehen und z.B. Bordelle, Nachtclubs oder Alkoholgeschäfte attackieren (Washington Post 21.1.2016). Die Peschmerga kämpfen zwar an der Seite der Zentralregierung, beschränken sich jedoch auf die Verteidigung der kurdischen Gebiete gegen den IS (Rohde 9.11.2015), gleichzeitig befinden sie sich aber

auch in einem gespannten Verhältnis zu den schiitischen Milizen (Deutschlandfunk 5.12.2015). All diese Akteure sind mit externen Mächten liiert, allen voran Iran, Saudi-Arabien, Türkei oder den USA (Rohde 9.11.2015). Die USA sind mit einigen tausend US-Soldaten im Irak präsent und haben vor, ihre Präsenz mit weiteren Bodentruppen auszubauen. (Spiegel 2.12.2015, vgl. FAZ 24.10.2015, vgl. Focus 9.3.2016). Die von den USA angeführte Koalition gegen den IS hat im Irak seit Beginn ihrer Luftangriffe im August 2014 mehr als 6.800 Luftschläge durchgeführt (auf der folgenden Karte in blau dargestellt). Die Karte zeigt außerdem, welche Gebiete vom IS kontrolliert werden, bzw. in welchen Gebieten der IS die Möglichkeit hat, frei zu operieren – schraffiert dargestellt (BBC 29.2.2016):

Quelle: BBC (29.2.2016)

Die folgende Karte zeigt, welche Gebiete im Irak von welchen militärischen Organisationen/Milizen kontrolliert werden:

Quelle: ISW (9.2.2016)

Laut einer Untersuchung des in den USA ansässigen Instituts IHS Jane's habe der IS im Jahr 2015 in Syrien und Irak insgesamt mehr Land eingebüßt als erobert. Insgesamt soll die Miliz etwa 14 Prozent ihres Territoriums eingebüßt haben. Zu den Verlusten im Irak zählten die Stadt Tikrit und die Raffinerie von Baiji. Zudem haben die Extremisten die Kontrolle über einen Teil einer Schnellstraße zwischen Raqqa in Syrien und Mossul im Irak verloren, was logistische Schwierigkeiten mit sich bringe. Erobert hat der IS im Irak die Provinz Anbar, sowie deren Hauptstadt Ramadi [letztere wurde in der Zwischenzeit wieder zurückerobert] (Standard 22.12.2015).

Im November 2015 eroberten die irakisch-kurdischen Peschmerga gemeinsam mit Einheiten der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihres syrischen Ablegers YPG und mit Unterstützung durch amerikanische Luftschläge die Stadt Sinjar vom IS zurück (NZZ

13.11.2015). (In der Folge dessen kam es dort zwischenzeitlich zu Zusammenstößen zwischen jesidischen Kämpfern und Einheiten der KDP-Peschmerga (Ekurd 26.11.2015).)

Den Kurden gelang es auch, den IS aus Dörfern in der Nähe von Kirkuk zu vertreiben (NTV 11.9.2015). Gleichzeitig benutzen die Kurden den Krieg gegen den IS aber auch, um in den ohnehin lange umstrittenen Gebieten kurdische Fakten zu schaffen (unter anderem auch mit der Übernahme der Stadt Kirkuk im Sommer 2014), Araber werden zum Teil vertrieben (20Minuten 8.2015, vgl. Deutschlandfunk 15.7.2015). Umgekehrt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, wo Teile der sunnitischen Bevölkerung den vorrückenden Peshmerga in den Rücken fallen und mit dem IS zusammenarbeiten. Es herrscht Misstrauen auf beiden Seiten, bei den Kurden, sowie den Arabern (20Minuten 8.2015).

Im Dezember 2015 gab Abadi die Rückeroberung der Stadt Ramadis bekannt, die im Mai in die Hände des IS gefallen war. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg (Standard 29.12.2015). In dem ein Jahr andauernden Kampf gegen den IS in Ramadi, wurde die Stadt völlig zerstört (Haaretz 18.1.2016).

Stammeskämpfer haben die am 19.02.16 begonnenen Gefechte gegen den IS in Falluja eingestellt, nachdem der IS Angaben der Armee zufolge mehr als 100 Bewohner der Stadt als Geiseln gefangen genommen hatte. Angaben des Verwaltungschefs zufolge soll es sich um rund 60 Gefangene handeln. Die Stämme befürchteten, dass die Geiseln hingerichtet würden (BAMF 22.2.2016). Ende März 2016 begannen irakische Truppen (mit Unterstützung durch US-Luftangriffe) mit einer Großoffensive auf die vom IS besetzte Großstadt Mossul, der zweitgrößten Stadt Iraks, die nach wie vor vom IS gehalten wird (Standard 24.3.2016).

Quellen:

vietnam-usa-schickt-immer-mehr-soldaten-in-den-irak_id_4743099.html, Zugriff 10.3.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4031:casualty-figures-for-the-month-of-june-2015-in-iraq-continue-to-be-on-the-high-side&Itemid=633&lang=en

, July:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4111:casualty-figures-for-the-month-of-july-2015&Itemid=633&lang=en , August:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4230:un-casualty-figures-for-the-month-of-august-in-grievous-increase&Itemid=633&lang=en , Sept.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4344:un-casualty-figures-for-the-month-of-september-2015&Itemid=633&lang=en , Oct.:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4454:un-casualty-figures-for-the-month-of-october-2015&Itemid=633&lang=en , Nov.

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4610:un-casualty-figures-for-the-month-of-november-2015&Itemid=633&lang=en , Dez.

http://reliefweb.int/report/iraq/un-casualty-figures-month-december-2015 , Jan.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5147:un-casualty-figures-for-the-month-of-january-2016&Itemid=633&lang=en , Feb.2016

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=5284:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2016&Itemid=633&lang=en

3.1.Die wichtigsten im Irak operierenden militärischen Akteure und Milizen

Iraqi Security Forces (ISF)

Den ISF kommt nach dem Abzug der Streitkräfte der Koalition ab 2011 eine besonders gewichtige Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit im Irak zu. Die ISF haben drei Hauptzweige: die irakische Armee, die irakische Polizei und die National Police.

Die ISF sind zum Teil infiltriert von schiitischen Arabern, während sunnitische Araber in den ISF unterrepräsentiert sind (ISW o.D.a). Teilweise wurden schiitische Milizen, die für ihr brutales Vorgehen gegen Sunniten bekannt sind (s. Abschnitt 8., sowie 8.2.), auch in die ISF integriert, was die Sunniten Iraks mit besonderer Sorge sehen.

Die ISF verübten aber auch selbst Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.b). Darüber hinaus haben die ISF das Problem, dass es im Land schiitische Milizen gibt, die zusammengenommen sogar als militärisch stärker als die ISF eingeschätzt werden (Standard 18.9.2015).

Insbesondere im Sommer 2014 machten die ISF keine gute Figur und überließen dem IS kampflos große Gebiete des Landes - unter anderem die Stadt Mossul (Spiegel 15.6.2014). Zehntausende irakische Soldaten verließen im Juni 2014 ihre Posten und flüchteten. Viele aus Angst vor dem IS, viele meinten, sie hätten den Befehl dazu bekommen. Es fehlte unter anderem an einer starken Führung, sowie an fehlender Motivation, zweiteres wohl auch, weil sich viele nicht mit der Politik des damaligen Präsidenten Maliki identifizieren konnten. Die ursprünglich 400.000 Mann starke Armee, die mit US-Hilfe aufgebaut worden war, wird nunmehr auf 85.000 aktive Soldaten geschätzt. Das Verteidigungsministerium hatte die Zahl offenbar hochgespielt, man spricht in diesem Zusammenhang von "Geistersoldaten". Abadi gab im November 2014 zu, dass es 50.000 solcher Geistersoldaten gab (Global Security o.D.).

Schiitische Milizen

of Iraq, einer schiitischen Partei. Ihr Anführer Hadi al-Amiri ist einer der Hardliner, wenn es darum geht, schiitische Milizen dazu zu benutzen, um von Sunniten bewohnte Gebiete zurückzuerobern (CRS 31.12.2015).

Sunnitische Milizen

Ungefähr 100.000 irakische Sunniten sind bekannt als "Sons of Iraq" (auch "Awakening" oder "Sahwa" genannt). Es handelt sich um bewaffnete Männer, die während der Jahre 2003-2006 das US-Militär im Irak bekämpften, aber sich danach mit den US-Streitkräften gegen Al Qaida Iraq (den Vorläufer des IS) verbündeten. Ihnen wurde zugesagt, dass sie in die ISF integriert werden sollen, aber nur ein Teil wurde letztlich tatsächlich eingegliedert. Die übrigen wurden in Checkpoints eingesetzt, und erhielten ein geringes Gehalt, wurden aber nicht formell eingegliedert. Als Ergebnis dessen waren einige dieser Kämpfer desillusioniert und Berichten zufolge schlossen sich einige (Zahlen sind nicht bekannt) dem IS an (CRS 31.12.2015).

Kurdische Kämpfer

Dahuk und Erbil präsent. Darüber hinaus kontrollieren sie größere Gebiete (außerhalb der autonomen Region) im Norden der Provinz Ninewah.

Es gibt seit langem Bestrebungen zur Zusammenführung der KDP-Peschmerga und der PUK-Peschmerga zu einer einheitlichen Armee. Eine effektive und vollständige Vereinigung ist jedoch auf Grund der Konkurrenzsituation und des Misstrauens gegeneinander nicht erfolgt (CMEC 16.12.2015).

Quellen:

3.2.Bagdad

Bagdad ist fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Bei vielen der verübten Anschläge sind religiöse oder politische Motive zu vermuten. Einer der tödlichsten Anschläge des Jahres 2015 fand am 13. August statt, bei dem eine Bombe auf einem Markt in der Gegend um Jameela im Osten Bagdads detonierte, zumindest 45 Zivilisten in den Tod riss und 72 weitere verletzte (UN Security Council 26.10.2015). Am 27.2.2016 kam es zu einem Doppel-Selbstmordanschlag im schiitisch dominierten Viertel Sadr City (Bagdad) mit 70 Todesopfern. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Doppelanschlag (Reuters 29.2.2016). Bei einem weiteren – ebenfalls vom IS verübten – Selbstmordanschlag am 6.3.2016 südlich der Stadt Bagdad starben 47 Menschen (NG 6.3.2016).

Es gab in Bagdad Entführungen und erzwungene Vertreibungen, die von bewaffneten - mit der Regierung verbundenen - Gruppen verübt wurden, sowie Zusammenstöße zwischen den ISF und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, beziehungsweise zwischen bewaffneten schiitischen Gruppen selbst. Nach einer Stellungnahme, die von sunnitischen Lehrern herausgegeben wurde, haben Regierungstruppen und schiitische Milizen in vielen Vierteln Bagdads Sunniten gewaltsam vertrieben (UK Home Office 11.2015). Laut Human Rights Watch sprachen v.a. in den Provinzen Bagdad und Diyalah kriminelle Banden, die laut sunnitischen Opfern mit den irakischen Sicherheitskräften und den schiitischen Milizen verbunden sind, Drohungen aus und verübten Morde, die nicht untersucht wurden (HRW 27.1.2016). Die für Menschenrechtsverletzungen bekannte schiitische Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq hat in Bagdad großen Einfluss, insbesondere in den Vierteln/Bezirken Kadhimiya, Rusafa, Yarmouk, A’amel, 9 Nissan, Dora und Sha'ab. Zum Teil ist die Miliz in Bagdad

einflussreicher als die örtliche Polizei. Übergriffe auf benachbarte sunnitische Viertel kommen vor (ISW 12.2012, vgl. FIS 29.4.2015).

Die vielen nach Bagdad strömenden Binnenflüchtlinge verschärfen die Spannungen in Bagdad noch zusätzlich. Es kommt zu Vertreibungen von Binnenflüchtlingen, sowie zu Drohungen, Morden und Entführungen (UNAMI 13.6.2015). Iraks Hauptstadt ist in zunehmendem Maße religiös gespalten und in schiitische und sunnitische Viertel geteilt, wobei die schiitisch dominierten Viertel stark zunehmen. Gemischte Viertel gibt es immer

weniger. Die folgenden Karten von 2003, 2010 und 2015 veranschaulichen dies:

Quelle: National Geographic (o.D.)

Quelle: Izady 2016

Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad 12.909 Gewalt-Opfer unter der Zivilbevölkerung, davon kamen 3.736 Personen ums Leben und 9.173 wurden verletzt. Die Region Bagdad war diesbezüglich zahlenmäßig - verglichen mit den übrigen Provinzen Iraks - am stärksten betroffen. Dies gilt auch für die ersten beiden Monate des Jahres 2016, in denen in der Region Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet und

1.623 Zivilisten verletzt (UNIRAQ 1.-12.2015).

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (13.6.2015): Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-

11dec2014-30april2015.pdf, Zugriff 22.3.2016

http://reliefweb.int/report/iraq/iraq-un-casualty-figures-april-2015-enar

, May: http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51021 , June:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4031:casualty-figures-for-the-month-of-june-2015-in-iraq-continue-to-be-on-the-high-side&Itemid=633&lang=en

, July:

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=4111:casualty-figures-for-the-month-of-july-2015&Itemid=633&lang=en , August:

3.3. Kurdisches Autonomiegebiet (KRI)

Die Sicherheitslage in den autonomen Kurdengebieten ist verglichen mit der Situation im übrigen Irak gut (RI 2.11.2015).

Immer wieder finden jedoch vereinzelte Anschläge statt. Verübt werden diese oft von kurdischen IS-Kämpfern. Neben den tausenden Kurden, die den IS bekämpfen, haben sich einige hundert dem IS angeschlossen. Viele sind in Schläferzellen innerhalb der KRI organisiert und verüben vereinzelte Anschläge (Al Arabiya 17.9.2015). Laut Iraq Body Count wurden zwischen Anfang Jänner und Ende September 2015 in den drei Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimaniya bei 11 Vorfällen 28 Menschen getötet. Im (gesamten) Jahr 2014 waren es nach derselben Quelle 15 Vorfälle mit 36 getöteten Menschen (Iraq Body Count 30.9.2015).

Darüber hinaus kommt es auf Grund der Spannungen zwischen den irakisch-kurdischen Parteien vermehrt zu Demonstrationen, teilweise sogar mit einigen Todesopfern (Standard 13.10.2015).

Auf Grund des Konfliktes zwischen der Türkei und der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK kommt es im Nordirak auch immer wieder zu türkischen Kampfeinsätzen gegen die PKK, die in den Bergen Nordiraks Stützpunkte betreibt. Dabei werden auch immer wieder kurdische Kämpfer, vereinzelt auch Zivilisten getötet (Hürriyet Daily News 7.8.2015, vgl. Reuters 19.9.2015 und Reuters 1.8.2015). Im Jänner 2016 zerstörte die Türkei im Zuge von Luftschlägen im Nordirak einige Lager und Unterkünfte der PKK (MIMO 13.1.2016). Laut einer Pressemeldung [von welcher Presse wird im Bericht nicht ewähnt], die sich auf irakische Medienberichte beruft, hat die türkische Luftwaffe am 17.02.16 abermals Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak bombardiert (BAMF 22.2.2016).

www.derstandard.at/2000023698931/Barzani-Partei-wirft-Gegner-aus-Regierung-und-Parlament , Zugriff 15.1.2016

3.4. Die mehrheitlich von Schiiten bewohnten südlichen Provinzen Iraks

Die südlichen Provinzen Iraks (Karbala, Babil, Wasit, Najaf, Qadissiya, Missan, Thi-Qar, Muthanna und Basrah) befinden sich unter der Kontrolle der irakischen Streitkräfte (ISF). Jedoch ist der Staat bei der Kontrolle stark auf mehrere schiitische Milizengruppen angewiesen, die in einigen Gebieten eigenmächtig agieren (IDMC 30.6.2015). Im überwiegend schiitischen Gebiet im Süden Iraks wurden im Jahr 2014 427 Personen getötet (schließt Zivilisten und Militärs ein)(UK Home Office 11.2015). Im Jahr 2015 wurden von Iraq Body Count in Basra 90 zivile Todesfälle durch Gewalt dokumentiert (Mindestzahlen), im [spärlich besiedelten Gebiet] Muthanna sechs, im [spärlich besiedelten Gebiet Najaf] einer, in Qadissiya einer, in Missan 27, in Wassit 11, in Thi-Qar 17 und in Babil ca 270 [in dieser Quelle fanden sich keine Angaben zur Provinz Karbala](IBC 2015). In diesen Provinzen (ausgenommen Babil, s.u.) gab es keine direkten Konfrontationen mit dem IS. Die Gewalt hat sich hier auf sporadische terroristische Angriffe beschränkt. Eine Ausnahme stellt die Provinz Babil dar, in der der IS versuchte, Bagdad vom Süden her anzugreifen (CEDOCA 29.5.2015). In der Provinz Babil kam es während des Jahres 2015 darüber hinaus vermehrt zu Morden und Entführungen durch schiitische Milizen (USDOS 14.10.2015).

Ein Papier des UNHCR, datiert mit Oktober 2014 besagt, dass sich der aktuelle Konflikt im Irak hauptsächlich auf die Provinzen im Zentral- und Nordirak konzentriert, dass aber auch

die südlichen Provinzen mit sicherheitsrelevanten Vorfällen konfrontiert sind, einschließlich Bombenanschlägen, gezielte Entführungen, religiös motivierte Vergeltungsanschläge gegen Individuen (auch Mitgliedern politischer Parteien, religiösen und ethnischen Führungsfiguren, Regierungsangestellten und Fachkräften). Immer wieder finden Entführungen von Sunniten statt (UK Home Office 11.2015).

Dadurch, dass der irakische Staat Ende 2014 große Teile der Armee und der Polizei aus den südlichen Provinzen abgezogen hatte, verschlechterte sich die Sicherheitslage zuletzt in diesen Provinzen. Die Kriminalität steigt, es kommt vermehrt zu blutigen Zusammenstößen zwischen schiitischen Klans, zu Entführungen und Lösegelderpressungen. Der zunehmende Einfluss der schiitischen Milizen verschlimmert die Situation zusätzlich. Die Regierung hat im Jänner 2016 eine Armee-Division und eine Polizeitruppe in die südliche Stadt Basra geschickt, um die dortige Bevölkerung zu entwaffnen, und gegen die konkurrierenden, sich gegenseitig bekämpfenden schiitischen Klans vorzugehen (Reuters 15.1.2016, vgl. Al- Arabiya 9.1.2016, vgl. New Arab 7.1.2016). Die großen Stammesverbände in den Provinzen Basrah und Thi-Qar besitzen leichte und mittelschwere Waffen und bekämpfen sich in Abwesenheit von Rechtsstaatlichkeit gegenseitig (Al-Monitor 2.3.2016). Auch das Institute for the Study of War berichtete Anfang des Jahres 2016 von der zunehmenden Instabilität in Basra, die von den rivalisierenden schiitischen Gruppen (darunter auch die Organisation Asa’ib Ahl al-Haqq) nutzen, um an Einfluss zu gewinnen. Das Institut berichtete auch von der stark ansteigenden Kriminalität und Gewalt in Basra (ISW 11.1.2016).

In den südlichen Provinzen kommt es darüber hinaus häufig zu Protesten, die sich gegen Regierungskorruption, Mangel an öffentlichen Dienstleitungen, die häufigen Stromausfälle und die schlechte Wasserqualität richten. Dabei seien Berichten zufolge Demonstranten bedroht worden (UNAMI 19.1.2016).

Im Süden des Landes finden sich sunnitische Gemeinden eher nur vereinzelt und vorwiegend in spärlich besiedelten ländlichen Gebieten (Columbia University 2014). Diese in den südlichen Provinzen lebende sunnitische Minderheit ist immer wieder Mord, Entführungen und Bedrohungen ausgesetzt (USDOS 14.10.2015).

Anm.: Zu den Zugangsbeschränkungen für IDPs im Süden / in den Süden Iraks siehe Abschnitt 11.

Quellen:

Jaffal),

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-basra-tribes-fightingdisarmament.html , Zugriff 18.3.2016

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Anm.: Dieser Abschnitt ist nur relevant für Gebiete, in denen das staatliche Rechtssystem greift. Dies ist in Teilen des Landes nicht oder nur eingeschränkt der Fall (in vom IS besetzten Gebieten, oder teilweise in einigen von schiitischen Milizen dominierten Gebieten).

Das Strafjustizwesen wies laut Amnesty International weiterhin gravierende Mängel auf. Der Justiz fehlte es an Unabhängigkeit. Die Verfahren waren systematisch unfair, insbesondere solche, in denen Anklage wegen terroristischer Straftaten erhoben wurde und die Todesstrafe verhängt werden konnte. Gerichte sprachen Angeklagte aufgrund von "Geständnissen" schuldig, die unter Folter erpresst worden waren, und die teilweise bereits vor Prozessbeginn von staatlichen Fernsehsendern ausgestrahlt wurden (AI 24.2.2016). Der irakische Staat verhängt Todesstrafen aufgrund von Geständnissen, die durch Folter erzwungen wurden (RFE/RL 5.11.2015). Rechtsanwälte, die Terrorismusverdächtige verteidigten, wurden von Sicherheitsbeamten bedroht und eingeschüchtert und von Milizen tätlich angegriffen. Der IS und andere bewaffnete Gruppen attackierten und töteten weiterhin Richter, Rechtsanwälte und Justizbedienstete. Im Juli 2015 verurteilte das Zentrale Irakische Strafgericht in Bagdad 24 mutmaßliche IS-Mitglieder zum Tode. Die Männer waren für schuldig befunden worden, im Juni 2014 mindestens

1.700 Militärkadetten des Militärstützpunkts Camp Speicher in der Nähe von Tikrit in der Provinz Salah al-Din getötet zu haben. Vier weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Gerichtsverhandlung dauerte nur wenige Stunden und stützte sich weitgehend auf "Geständnisse", die nach Angaben der Angeklagten während ihrer Untersuchungshaft unter Folter erpresst worden waren, sowie auf ein Video des Massakers, das der IS zuvor in Umlauf gebracht hatte. Die Angeklagten bestritten ihre Beteiligung an den Tötungen. Einige gaben an, zum Tatzeitpunkt nicht in Tikrit gewesen zu sein. Keiner der Angeklagten hatte einen Rechtsbeistand seiner Wahl. Alle wurden von Rechtsanwälten vertreten, die das Gericht ernannt hatte. Diese plädierten zwar für milde Urteile, stellten aber die Beweise oder die Zulässigkeit der "Geständnisse" nicht in Frage (AI 24.2.2016).

Laut Bericht des Auswärtigen Amtes findet die Verfolgung von Straftaten nur unzureichend statt. Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über eine sogenannte "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten (AA 18.2.2016).

Quellen:

5. Sicherheitsbehörden

Anm.: Zu den irakischen Sicherheitskräften (ISF), sowie zu den (teilweise von der Regierung beauftragten) schiitischen Milizen, und den wichtigsten im Irak agierenden militärischen Kräften s. Abschnitt 3.1.

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Folter und unmenschliche Behandlung werden von der irakischen Verfassung in Art. 37 ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die "Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman and Degrading Treatment or Punishment (CAT)" unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren eingesetzt. Es kommt immer wieder zu systematischer Anwendung von Folter bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u.a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz überwiesen, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 18.2.2016).

Vernehmungsbeamte folterten Häftlinge, um Informationen zu erpressen und "Geständnisse" zu erzwingen, die später vor Gericht gegen sie verwendet wurden. Einige Häftlinge sollen infolge der Folter gestorben sein. Im April 2015 bestätigte ein Mitglied des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses, dass nach wie vor Häftlinge gefoltert und erpresste "Geständnisse" vor Gericht verwendet würden. Der UN-Ausschuss gegen Folter warf der Regierung vor, Foltervorwürfe nicht zu untersuchen, und forderte bessere Schutzmaßnahmen gegen Folter (AI 24.2.2016). Auch die Bertelsmann-Stiftung berichtet davon, dass Beamten des irakischen Innenministeriums Gefangene (straffrei) zu Tode folterte. Unter der Regierung von Ex-Premierminister Maliki hatte es eine Untersuchung des irakischen "Ministerium für Menschenrechte" [seit August 2015 abgeschafft], die ergeben hatte, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2013 20 von 117 Todesfällen in Haft die Folge von Folter waren (BI 2016).

Nach glaubwürdigen Berichten von Human Rights Watch kommt es in Gefängnissen der Asayisch (kurdische Geheimpolizei) in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige, z. B. durch Schläge mit Kabeln, Wasserschläuchen, Holzstöcken und Metallstangen, durch das Halten von Gefangenen in Stresspositionen über längere Zeiträume, tagelanges Fesseln und Verbinden der Augen sowie ausgedehnte Einzelhaft. Die Haftbedingungen sind insgesamt sehr schlecht (AA 18.2.2016).

In den Abschnitten 8.1. sowie 8.2. finden sich weitere Informationen zu diesem Themenbereich.

Quellen:

7. Korruption

Auf dem Corruption Perception Index 2015 liegt der Irak auf Rang 161 (von 168) (Transparency International 2015). Es gab im Jahr 2015 zahlreiche Demonstrationen gegen Korruption: Zu den Demonstrationen im Juli und August 2015, bei denen tausende Menschen gegen die Korruption im Land protestierten, s. Abschnitt 8. Im März 2016 kam es abermals zu Demonstrationen mit tausenden Menschen vor dem Regierungsviertel in Bagdad. S. Abschnitt 6. Darüber hinaus finden sich einige Informationen zur Korruption in der Autonomen Kurdenregion in Abschnitt 2.1., sowie Informationen zur Korruption im Rechtssystem in Abschnitt 4.

Quelle:

8. Allgemeine Menschenrechtslage

Staatliche Stellen sind nach wie vor für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich und trotz erkennbarem Willen der Regierung Abadi nicht in der Lage oder bereit, die in der Verfassung verankerten Rechte und Grundfreiheiten zu gewährleisten. Derzeit ist es staatlichen Stellen zudem nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Dies geht nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen sowie den Vereinten Nationen einher mit Repressionen, mitunter auch extralegalen Tötungen sowie Vertreibungen von Angehörigen der jeweils anderen Konfession (AA 18.2.2016).

Auch laut Amnesty International sind sowohl Sicherheitskräfte der Regierung, regierungstreue Milizen, als auch die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) für Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Regierungstruppen waren

für wahllose Angriffe auf Gebiete unter IS-Kontrolle verantwortlich und verübten außergerichtliche Hinrichtungen. Die Menschenrechtslage habe sich im Jahr 2015 weiter verschlechtert. Alle Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen sowie andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverstöße. Berichten zufolge setzten sowohl die "Einheiten der Volksmobilisierung" (al-Hashd al-Shaabi) (v.a. bestehend aus von der Regierung legitimierten schiitischen Milizen) als auch der "Islamische Staat" Kindersoldaten ein.

Im Juli und August 2015 beteiligten sich in Bagdad, Basra und anderen Städten tausende Menschen an Straßenprotesten gegen staatliche Korruption, Engpässe in der Strom- und Wasserversorgung und die Unfähigkeit der Behörden, grundlegende Versorgungsleistungen sicherzustellen. Mindestens fünf Personen wurden getötet, als die Sicherheitskräfte exzessive Gewalt einsetzten, um die Demonstrationen aufzulösen. In den darauffolgenden Wochen wurden mehrere Anführer der Proteste in Bagdad, Nassiriya und Basra von Unbekannten getötet. Der Innenminister behauptete, die Tötungen stünden nicht in Zusammenhang mit den Demonstrationen. Es blieb jedoch unklar, ob die Behörden die Vorfälle gründlich untersuchten.

Es kommt weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren.

Im Zuge der Rückeroberung von Gebieten, die der IS im Jahr 2014 erobert hatte, kommt es auch zu Repressionen durch kurdische Peschmerga, durch schiitische und auch sunnitische Milizen insbesondere gegen Angehörige (anderer) sunnitischer Stämme, die der Kollaboration mit dem IS bezichtigt werden (AA 18.2.2016).

Journalisten mussten 2015 weiterhin unter extrem gefährlichen Bedingungen arbeiten. Sie waren Drohungen und tätlichen Angriffen durch Sicherheitskräfte ausgesetzt und mussten befürchten, vom IS und anderen bewaffneten Gruppen verschleppt und getötet zu werden. Im April 2015 erklärte der Innenminister, die negative Berichterstattung der Medien über die Sicherheitskräfte behindere den Kampf gegen den IS (AI 24.2.2016).

Auf dem Weltpressefreiheitsindex 2014 belegt der Irak Platz 153 von 180 und liegt damit nur unwesentlich besser als am absoluten Tiefpunkt von Platz 158 im Jahr 2008. Zudem war der Irak im Jahr 2014 das viert-tödlichste Land für Journalisten – was insbesondere mit Gewaltakten an Journalisten durch den IS zusammenhängt (ÖB Amman 5.2015).

Abgesehen von Journalisten gibt es eine Reihe anderer Personengruppen, die besonders gefährdet sind: Besonders gefährdete gesellschaftliche Gruppen sind Polizisten, Soldaten,

Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats sowie sogenannte "Kollaborateure" sind besonders gefährdet. Auch Mitarbeiter der Ministerien sowie Mitglieder von Provinzregierungen werden regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten. Neben Autobomben kommen dabei häufig schallgedämpfte Waffen zum Einsatz. Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (meist Angehörige von Minderheiten), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, Friseure und medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Anschlägen. Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Baath-Partei Saddam Husseins ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet [oder im Dienst des IS – s. Abschnitt 2.2.], häufig auf Grund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft. Laut der UN-Mission haben viele von ihnen weder Zugang zu Anwälten noch Kontakt zu ihren Familien (AA 18.2.2016).

Quellen:

8.1. Islamischer Staat

Der IS begeht im Irak massive Menschenrechtsverletzungen. Das Iraqi Observatory for Human Rights berichtet von 7.700 Exekutionen, die der IS im Irak durchgeführt haben soll. Ungefähr 2.100 davon fanden in der IS-Hochburg Mossul statt, 1.900 in der Provinz Anbar. 250 in der Provinz Diyala und 110 in der Provinz Kirkuk. Dabei sind bei diesen Zahlen weitere tausende Opfer des IS noch nicht berücksichtigt, die z.B. im Zuge von Selbstmordattentaten getötet wurden. Ebenfalls nicht in diesen Zahlen berücksichtigt sind die ungefähr 5.000 Jesiden, die im August 2014 in der Provinz Sinjar vom IS getötet wurden, während sie versuchten dem IS zu entkommen. Es kann vermutet werden, dass die Todeszahlen in Wahrheit noch wesentlich höher sind als die bereits sehr hohen hier dokumentierten Zahlen.

Der IS wendet besonders grausame Methoden der Folter und Exekution an, wie z.B. Steinigungen, Enthauptungen, Herunterwerfen von Gebäuden oder das Benutzen von Kindern, um die Exekution zu vollziehen (Ibitimes 24.9.2015).

Insbesondere die jesidische Bevölkerung ist von Genozid, Vergewaltigungen, Folterungen und Mord betroffen, wie das US Holocaust Memorial Museum in seinem Bericht schreibt.

e 13.11.2015). Auch andere ethnische und religiöse Minderheiten wie beispielsweise die Schabak und die Turkmenen sind von massiven Menschenrechtsverletzungen betroffen (ÖB Amman 5.2015). Christen, Jesiden, Turkmenen und Schabak sind von massiven Vertreibungen von Seiten des IS betroffen (FAZ 15.11.2015).

8.2.Regierung, ISF, schiitische Milizen

Die laut Human Rights Watch außer Kontrolle geratenen schiitischen Milizen (HRW 20.9.2015) begehen breit angelegte und systematische Menschenrechtsverletzungen (AI 24.2.2016, HRW 27.1.2016). Es werden Zivilisten werden aus ihren Häusern vertrieben, gekidnappt, willkürlich verhaftet, gefoltert und in einigen Fällen in Massenexekutionen getötet. Insbesondere in jenen Gebieten, die die Milizen vom IS zurückerobern, wird die sunnitische Bevölkerung pauschal schikaniert. V.a. die Miliz Asa’ib Ahl Al Haqq ist hier besonders hervorzuheben (HRW 15.2.2015, vgl. BTI 2016). Von den schiitischen Milizen wurden ganze Dörfer systematisch zerstört, sie wurden geplündert, niedergebrannt, oder gesprengt (HRW 27.1.2016). Von April bis Dezember 2015 sind alleine in der Provinz Salah al-Din zumindest 718 Sunniten von Kämpfern schiitischer Milizen entführt worden (Reuters 14.12.2015). Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, dass sich einige der schiitischen Milizen teilweise hinsichtlich ihres reaktionären Gesellschaftsbildes und ihrer Brutalität gegenüber Andersgläubigen, kritischen JournalistInnen und Menschen mit anderer sexueller Orientierung kaum vom IS unterscheiden (Rohde 9.11.2015).

Auch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) selbst verübten Attacken auf zivile sunnitische Gebiete (ISW o.D.).

Quellen:

8.3.Kurdisches Autonomiegebiet und die von den Kurden besetzten Gebiete

Das kurdische Autonomiegebiet ist vergleichsweise deutlich weniger von der konfessionell geprägten Gewalt betroffen, die im Rest von Irak vorherrscht (USDOS 25.6.2015). Die bewaffneten Milizen der beiden kurdischen Parteien KDP und PUK agieren jedoch teilweise in Eigenregie und verletzten im Laufe ihrer Geschichte immer wieder die Menschenrechte ohne strafrechtliche Konsequenzen. Bei Protesten gegen die KDP im Oktober 2015 feuerten KDP-Offiziere Berichten zufolge Schüsse auf Demonstranten ab. Dabei kam es auch zu Todesfällen (AI 21.10.2015).

Das kurdische Gebiet im Irak gerät wegen seiner Behandlung von sunnitischen Arabern, aber auch von Jesiden zunehmend in Kritik. Die meisten Araber und Jesiden sind zwar froh darüber, in Kurdistan untergekommen zu sein, jedoch werden diese Gruppen zum Teil stark diskriminiert (Huffington 10.2015). Es wird von Drohungen und Schikanen gegenüber den jesidischen IDPs berichtet, sowie auch von gewaltsamen Vorfällen in diesem Zusammenhang (UNHCR 3.2016). Und es gibt zunehmende Feindseligkeiten gegenüber sunnitischen Arabern, da viele verdächtigt werden, mit dem IS zu kooperieren (Reuters 20.10.2015). Der durch die Flüchtlingswellen entstehende enorme Bevölkerungszuwachs in der Autonomieregion belastet die lokalen Dienstleistungen und die Infrastruktur, beeinträchtigt die Bereitstellung grundlegender Dienste und bringt die wirtschaftliche Kapazität der kurdischen Regionalregierung an ihre Grenzen (IOM 31.8.2015). Siehe dazu auch Abschnitt 11.1.

Bei Verhören von Terrorverdächtigen kommt es teilweise zur Anwendung von Folterpraktiken (s. Abschnitt 6).

In den von den kurdischen Streitkräften eroberten Gebieten (z.B. Kirkuk) kommt es zu Vertreibungen von Arabern. Von den Kurden wurden tausende Häuser von Arabern zerstört, um zu verhindern, dass diese zurückkehren (BBC 20.1.2016).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1445428287_mde1427112015english.pdf , Zugriff 15.1.2016

9. Todesstrafe

Das Verhängen der Todesstrafe, deren Vollzug, allgemeiner Missbrauch, Vergewaltigung und Folter sind im Irak sehr häufig. Der irakische Staat hat seit Ende 2013 in etwa 240 Personen exekutiert,

1.700 Personen verbleiben in der Todeszelle (Stand 5.11.2015). Der irakische Staat verhängt auch Todesstrafen aufgrund von Geständnissen, die durch Folter erzwungen wurden (RFE/RL 5.11.2015). Im September 2015 verurteilte ein Gericht in Bagdad die drei Brüder Ali, Shakir und Abdel-Wehab Mahmoud Hameed al-'Akla wegen Terrorismus zum Tode, weil sie 2010 einen Mann enthauptet haben sollen. Alle drei Angeklagten gaben an, Sicherheitskräfte hätten sie während ihrer monatelangen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gefoltert und dazu gezwungen, die Tötung ihnen unbekannter Personen zu "gestehen". Die meisten Todesurteile ergingen gegen sunnitische Männer, die wegen Verstößen gegen das Antiterrorgesetz von 2005 schuldig gesprochen worden waren. Im Juni 2015 stimmte das Kabinett einer Änderung der Strafprozessordnung zu, wonach der Justizminister künftig Hinrichtungsbefehle unterzeichnen kann, wenn der Präsident nicht innerhalb von 30 Tagen darüber befindet. Im darauffolgenden Monat unterzeichnete Präsident Masum mindestens 21 Todesurteile (AI 24.2.2016).

In der Region Kurdistan-Irak wurde nach dem Fall des Regimes Saddam Hussein die Todesstrafe abgeschafft, später aber zur Bekämpfung des Terrorismus wieder eingeführt. Am 12. August 2015 wurden erstmals seit 2008 wieder drei Menschen hingerichtet (AA 18.2.2016).

Anm.: Zu den von schiitischen Milizen, bzw. den vom IS durchgeführten extralegalen Exekutionen s. die Abschnitte 8.1. und 8.2.

Quellen:

10. Frauen/Kinder

Die Stellung der Frau hat sich im Vergleich zur Zeit des Saddam-Regimes teilweise deutlich verschlechtert. Die prekäre Sicherheitslage und wachsende fundamentalistische Tendenzen in Teilen der irakischen Gesellschaft haben negative Auswirkungen auf das Alltagsleben und die politischen Freiheiten der Frauen. Vor allem im (schiitisch dominierten) Südirak werden islamische Regeln, z. B. Kleidervorschriften (Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten), stärker eingefordert. Muslimische und christliche Frauen werden zunehmend unter Druck gesetzt, ihre Freizügigkeit und Teilnahme am öffentlichen Leben einzuschränken. Der IS hat in den von der Terrororganisation kontrollierten Gebieten das nach Meinung der Terrororganisation ‚richtige‘ islamische Recht angewandt, was zu Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen Frauen, Kinder und Homosexuelle geführt hat. Frauen dort sind Berichten zufolge Opfer von Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung (auch in Mehr-Ehen) und werden in ihrem Bewegungsradius starkeingeschränkt. In Mosul herrscht Beobachtern zufolge für Frauen Verschleierungszwang (Niqab) (AA 18.2.2016). In den vom IS kontrollierten Gebieten wurden Frauen und Mädchen als Sklavinnen verkauft, mit IS-Kämpfern zwangsverheiratet und im Falle einer Weigerung getötet. Im März 2015 tötete der IS dem Vernehmen nach mindestens neun schiitische Frauen, die der Minderheit der Turkmenen angehörten, weil sie sich geweigert hatten, IS-Kämpfer zu heiraten, nachdem der IS zuvor ihre Ehemänner getötet hatte (AI 24.2.2016). In Teilen des stark patriarchalisch strukturierten Nordirak kommt es immer noch zu Genitalverstümmelung bei Frauen (AA 18.2.2016).

Art. 29 und 30 der Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur

UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten.

Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte, die entweder sie selbst oder Familienmitglieder betrafen, stark traumatisiert. Kinder und Jugendliche werden von bewaffneten Gruppen rekrutiert und verrichten dort Informanten- und Botendienste, nehmen aber auch an Kampfhandlungen teil. Zahlreiche Jugendliche sind nach Angaben der Vereinten Nationen wegen Terrorvorwürfen angeklagt oder verurteilt. Es fehlt außerdem an Jugendstrafanstalten; laut IKRK werden jugendliche Häftlinge allerdings mittlerweile meist getrennt von erwachsenen Straftätern inhaftiert, ihnen wird oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt.

Die Sicherheitslage, die Einquartierung von Binnenvertriebenen und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, so dass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren deutlich gefallen ist, besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig.

Der Beginn des Schuljahres im Herbst 2015 musste in Regionen, in denen besonders viele Binnenflüchtlinge aufgenommen und in Schulen untergebracht wurden, um mehrere Wochen

verschoben werden. Besonders dramatisch ist die Lage der binnenvertriebenen Kinder, die in Notunterkünften untergekommen sind und derzeit keine Aussicht auf einen regelmäßigen Schulbesuch haben (AA 18.2.2016).

Berichten zufolge setzten sowohl die Einheiten der Volksmobilisierung (hauptsächlich bestehend aus schiitischen Milizen) als auch der IS Kindersoldaten ein (AI 24.2.2016).

Quellen:

11. IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit

Der Irak ist seit über einem Jahrzehnt Schauplatz enormer Vertreibungswellen. Innerhalb der letzten beiden Jahre hat sich dies auf Grund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Zentral- und Südirak noch einmal massiv verschärft (RI 2.11.2015). Seit Januar 2014 sind geschätzte 3,2 Millionen Menschen zu Internvertriebenen (IDPs) geworden (Stand 1. Jänner 2016). Über 10 Millionen Menschen sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen (UNOCHA 4.1.2016). Außerdem befinden sich im Irak rund 245.000 syrische Flüchtlinge (WFP 15.12.2015).

Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und dem IS führten dazu, dass fast 3,2 Mio. Menschen aus den Provinzen Anbar, Niniveh und Salah al-Din ihre Heimat verließen und in anderen Teilen des Landes Schutz suchten. Viele flohen in die Region Kurdistan oder in andere Provinzen. Einige der Binnenvertriebenen wurden mehr als einmal vertrieben. Im Mai 2015 flohen etwa 500.000 Menschen aus der Provinz Anbar, nachdem der IS die Provinzhauptstadt Ramadi eingenommen hatte. Vielen von ihnen wurde eine Aufnahme in Bagdad von den Behörden verwehrt. Die humanitären Bedingungen für die Binnenvertriebenen waren nach wie vor hart; in vielen Fällen hatten sie keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen. Einige Vertriebene sollen in der kurdischen Stadt Sulaimaniyah von der dortigen Bevölkerung tätlich angegriffen und verletzt worden sein. Andere, die in die Region Kurdistan geflohen waren, wurden inhaftiert, weil man sie verdächtigte, mit dem IS in Verbindung zu stehen.

IOM dokumentierte für den Zeitraum 1.Jänner 2014 bis 3.Dezember 2015

3.195.390 internvertriebene Iraker (532.565 Familien). In den Provinzen Bagdad und Anbar befinden sich mit jeweils 18 Prozent die größten Anteile dieser IDPs, in Dahuk 13 Prozent, Kirkuk 12, Erbil 10, Ninewa 7 und in Suleimaniya 5 Prozent. Bis Dezember 2015 seien Berichten zufolge 458.358 Personen zu ihrem Herkunftsort zurückgekehrt (IOM 18.12.2015). Die folgende Grafik zeigt die Herkunftsregionen der IDPs in Prozent:

(Quelle: IOM 3.2016)

Die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringerem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) haben zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämpften Gebieten aufgenommen. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen kam es jedoch zeitweise zur Schließung von Provinzgrenzen. So wurde z.B. im Mai 2015 Flüchtlingen, besonders jungen Männern, aus Anbar der Zugang nach Bagdad verwehrt (AA 18.2.2016). Es gab Berichte, dass IDPs aufgrund ihrer Identität oder Herkunft der Zugang zu sicheren Gebieten versperrt wurde, wodurch sie potentieller Gefahr ausgesetzt wurden. In zahlreichen Gebieten waren IDPs Einschränkungen der Bewegungsfreiheit ausgesetzt, die gegen internationale Standards verstoßen. Der für diese Einschränkungen angegebene Grund ist zumeist die

Furcht vor militanten Gruppen, die in Checkpoints eindringen oder Schläferzellen aufbauen könnten. Seit Jänner 2015, als der IS in Anbar erstmals aktiv wurde, wurden Berichte von Menschen, die an Checkpoints festgehalten wurden und daran gehindert wurden, bestimmte Provinzen des Irak zu betreten, immer häufiger. Es gibt regelmäßige Berichte von Zugangssperren in von der irakischen Regierung kontrollierte Gebiete, sowie auch in unter der Kontrolle der Autonomieregion Kurdistan stehende Gebiete. Laut OCHA sind zahlreiche Checkpoints für IDPs geschlossen, zuletzt v.a. im Süden von Sulaymaniyah und in der Provinz Kirkuk. Im Süden verhindern die Zugangsbeschränkungen das Vorankommen von sunnitischen IDPs in die vorwiegend schiitischen Provinzen. Das betrifft viele Familien aus Anbar, die z.B. nach Bagdad, Karbala und Basra wollen. Generell gibt es starke Einschränkungen der Bewegungsfreiheit aufgrund von konfessionellen Spannungen, insbesondere in Bagdad und Salah al-Din, und dies beeinträchtigt die Möglichkeit der Menschen, Zugang zu Versorgungsleistungen und Unterstützung zu finden (IRIN 19.5.2015).

Laut UK Home Office hängen die beobachteten Zugangsbeschränkungen meist mit bestimmten Kriterien zusammen, wie der Zusammensetzung der Familie, dem religiösen und ethnischen Hintergrund, dem Herkunftsort, dem Alter, in der betreffenden Provinz und dem Mangel an Aufnahmekapazitäten (Home Office 11.2015, bzgl. des Kriteriums Alter: UNAMI 13.7.2015). Männern, die älter sind als 18 Jahre, ist beispielsweise die Einreise in die Provinz Qadisiya verwehrt worden, während die Provinzen Najaf und Wassit im Berichtszeitraum Dezember 2014 – April 2015 gar keinen neuen IDPs Einlass gewährten (UNAMI 13.7.2015). Die Provinz Babil (Anm.: auch Babylon) hat ab Mai 2015 ebenfalls keine IDPs mehr eingelassen (IOM 11.2015). Die Kriterien, die an solchen Zugangs-Checkpoints gelten, müssen nicht unbedingt klar definiert sein oder können sich plötzlich ändern. Eine häufig angewandte Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das sogenannte "Sponsorensystem". Personen, die in eine Provinz einreisen wollen, müssen einen Sponsor (eine Referenzperson, die im Zielgebiet lebt) vorweisen (Home Office 11.2015). Ein solches Sponsorensystem wird z. B. angewendet auf IDPs aus Anbar, die nach Bagdad flüchten wollen, sowie für viele IDPs, die in die kurdische Autonomieregion flüchten wollen (Home Office 11.2015) [Anm.: Für die Kurdenregion hat es diesbezüglich Änderungen gegeben, s. dazu Abschnitt 11.1.]. Im November 2015 berichtete auch IOM, dass die Bewegungsmöglichkeiten der Flüchtlinge nun noch mehr eingeschränkt seien, da die meisten Provinzen ein neues Gesetz angenommen hätten, das Binnenvertriebene dazu verpflichte, bei der Ankunft einen lokalen Bürgen vorzuweisen (IOM 11.2015).

Selbst wenn der Zugang gewährt wird, kann es für IDPs zusätzliche Anforderungen geben, um sich bei den lokalen Behörden zu registrieren (Home Office 11.2015). Der UNHCR berichtete bereits im Oktober 2014, dass speziell im Süden des Irak Binnenvertriebene von Provinz zu Provinz reisen, um Behörden zu finden, die sie registrieren, damit sie Zugang zu

Leistungen wie z.B. Grundversorgung, Bildung und Bargeldversorgung erhalten. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Fortbewegungsfreiheit der IDPs zusätzlich durch Unsicherheit (auch auf Grund konfessioneller Spannungen) und laufende militärische Operationen eingeschränkt ist. Der Großteil der Verbindungswege wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert (UNHCR 10.2014). Zum Teil werden IDP-Familien nur dann durch einen Checkpoint gelassen, wenn sich die erwachsenen Männer bereit erklären den paramilitärischen Einheiten der Volksmobilisierung (PMU) beizutreten (UNAMI 13.7.2015).

Die Ankunft von IDPs in einem bestimmten Gebiet verschärft immer auch die Spannungen zwischen den ethno-religiösen Gruppen (Home Office 11.2015).

In den Gebieten, die die Kurden vom IS zurückerkämpft haben, insbesondere in den von den Kurden neu besetzten Gebieten werden arabische IDPs von kurdischen Sicherheits-/Streitkräften zu tausenden in sogenannten Sicherheitszonen festgehalten. Sie werden davon abgehalten, in ihre Wohngebiete zurückzukehren, während die kurdischen IDPs zurückkehren dürfen. Teilweise werden auch gezielt Häuser von Arabern zerstört, damit diese nicht zurückkehren. Außerdem kommt es vor, dass Araber von KRI-Streitkräften ohne Anklage für längere Zeit inhaftiert werden (HRW 25.2.2015).

Auch für die Stadt Kirkuk und Umgebung liegen Berichte vor, denen zufolge Sunniten von Kurden aus ihren Gebieten vertrieben werden (Deutschlandfunk 15.7.2015).

Die IDPs leben in gemieteten Unterkünften, unfertigen Gebäuden, Notunterkünften, oft ohne adäquate Ernährung, Wasserversorgung oder medizinische Versorgung. Von den 3,2 Millionen IDPs befinden sich in etwa 2,3 Millionen im Zentral- und Südirak (RI 2.11.2015). Das World Food Programme setzte sich das Ziel, 2,2 Millionen Vertriebene und vom Konflikt betroffene Personen im Irak mit einer monatlichen Essensration zu versorgen. Auf Grund der Zugangsbeschränkungen musste das Word Food Programme seine Hilfsleistungen zurückstufen und versorgt nun lediglich 1,5 Millionen Menschen jeden Monat (WFP 1.12.2015). Das World Food Programme war auf Grund von Unterfinanzierung dazu gezwungen, die Essensrationen um bis zu 50 Prozent zu verringern, was dazu führt, dass viele Familien, die bisher versorgt waren, nun ebenfalls unter Nahrungsmittel-Unsicherheiten leiden (UN News Service 27.11.2015).

In den nicht-kurdischen Gebieten erreicht die humanitäre Hilfe die Menschen weitaus seltener als in der kurdischen Autonomieregion teilweise, weil es an Information mangelt, welche Güter/Leistungen benötigt werden und wie diese dorthin transportiert werden sollen, und teilweise, weil gewaltsame Konflikte es den humanitären Organisationen praktisch unmöglich machen, in diesen Gegenden zu operieren (RI 2.11.2015).

Neben dem IS sind auch die Preisfluktuationen und die reduzierte Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Nahrungsmittelproduktion im Irak lahm gelegt ist, was die Lage der 2,4 Millionen Iraker, die an unsicherer Nahrungsmittelzufuhr leiden, verschärft (UN News Service 27.11.2015).

Ein UN-Beobachter hat bereits im Mai 2015 die irakischen Behörden für ihr Versagen, den fast 3 Millionen IDPs im Irak adäquate Unterstützung und Schutz zu bieten, massiv kritisiert (IRIN 19.5.2015).

Beispiele für die Rückkehr von Flüchtlingen, die vor dem Terror des IS geflohen waren, gibt es auch. So sind seit der Rückeroberung von Tikrit im vergangenen März durch schiitische Freiwilligenmilizen und die irakische Armee zwei Drittel der einst 200.000 – überwiegend sunnitischen – Einwohner in die Stadt zurückgekehrt (FAZ 15.11.2015).

Quellen:

LITTLE AID AND FEW OPTIONS,

http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&docid=563868d14&skip=0&query=displace&coi=IRQ , Zugriff 15.1.2016

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

Conflict in Iraq: 11 December 2014 - 30 April 2015, 13. Juli 2015

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1436959266_unami-ohchr-4th-pocreport-

11dec2014-30april2015.pdf , Zugriff 15.1.2016

http://www.ecoi.net/local_link/313757/452054_de.html , Zugriff 15. 1.2016

11.1. Humanitäre Lage sowie Zugang zur Autonomieregion Kurdistan

Der mit Abstand größte Teil der IDPs flüchtet in die vergleichsweise sichere kurdische Autonomieregion (Home Office 11.2015). Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht. Durch den Zustrom von Binnenvertriebenen ist die Region Kurdistan-Irak an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit angelangt. Mehr als 900.000 Binnenflüchtlinge sind allein seit Anfang des Jahres 2014 nach Kurdistan-Irak geflohen. Hinzu kommen mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge (AA 18.2.2016).

Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend, u.a. auf Grund des beschränkten Zugangs zu Jobs und wirtschaftlichen Möglichkeiten, was dafür verantwortlich ist, dass viele gezwungen sind, auf den Körper schädigende Hunger-Bewältigungsstrategien umzustellen. Der Bevölkerungszuwachs erhöht den Druck auf die bereits beschränkten Ressourcen und die aufnehmenden Gemeinden. IDP-Familien müssen meist mehrmals innerhalb von Kurdistan übersiedeln, um Arbeit zu finden und ihre Familien ernähren zu können. (UN News Service 27.11.2015).

Die Bevölkerung der Autonomieregion hat sich durch die Flüchtlingswellen um 28 Prozent erhöht. Der kurdischen Regierung (KRG) gelingt es durch diese Situation kaum, den 1,6 Millionen Flüchtlingen und IDPs, die Zuflucht in der Autonomieregion gesucht haben, Unterstützung, Ansiedelungsmöglichkeiten und Schutz bieten zu können. Auch das Gesundheitssystem ist überlastet (HRC 10.2015).

Der Zugang in die KRI kann für IDPs jedoch äußerst schwierig sein und hängt vom religiösen und ethnischen Profil der jeweiligen Personen ab. Die Möglichkeit, Zutritt zur KRI zu bekommen, indem man einen Bürgen vorweist, der in der KRI lebt (diese Regelung gab es v. a. für Araber, Turkmenen und Schabakis), wurde weitgehend wieder abgeschafft, weil dieses Bürgen-System offenbar vorwiegend zu einem Geschäft für Menschen innerhalb der KRI wurde, die gegen Geld als Bürgen auftraten. Seit November 2014 wurde die Aufnahme (über den Landweg) von turkmenischen und arabischen IDPs in die KRI weitgehend gestoppt, abgesehen von jenen, die bereits im Besitz von KRI-Aufenthaltsgenehmigungen sind. Bezüglich Personen, die Minderheiten wie z.B. der jesidischen Minderheit angehören, scheint es so zu sein, dass der Zutritt zur KRI im Normalfall gewährt wird. Die Zugangsbeschränkungen zur KRI folgen keinem konsistenten Muster/ keiner konsistenten Politik und können sich laufend ändern. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses UNHCR-Berichts (März 2016) ist es arabischen, turkmenischen und christlichen IDPs im Normalfall möglich, über den Flughafen in Erbil oder jenen in Sulaymaniyah in die KRI zu gelangen. Araber oder Turkmenen sind (in der KRI) wesentlich häufiger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, als beispielsweise Jesiden. Araber haben regelmäßig das Problem, dass ihre Papiere konfisziert werden, was ihre Bewegungsfreiheit stark einschränkt (UNHCR 3.2016).

Für nicht aus der KRI stammende Kurden kann es durchaus möglich sein, in die KRI zu übersiedeln/zu flüchten. Das hängt von den besonderen Umständen und der Reiseroute ab. Sie können einen 10-Tages-Besuchsaufenthalt in der KRI beantragen, den sie danach für weitere 10 Tage verlängern können. Falls sie Arbeit finden, können sie länger bleiben, sofern sie sich bei den Behörden registrieren und Details ihres Arbeitgebers preisgeben. Es gibt keine Hinweise, dass die Behörden der KRI pro-aktiv Kurden aus der KRI ausweisen, deren Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist (UK Home Office 11.2015).

Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1448438071_iraq-cig-security-situation-nov-15.pdf , Zugriff 4.1.2016

12. Grundversorgung/Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht stetig und in allen Landesteilen gewährleisten. Irak besitzt kaum eigene Industrien. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über vier

Millionen Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" gleichen die Lebensbedingungen von 57 Prozent der städtischen Bevölkerung im Irak denen von "Slums". Es gibt Lebensmittelgutscheine für Bedürftige. Die UN-Mission ermittelte schon im Juni 2013, dass vier Millionen Iraker unterernährt sind. Etwa ein Viertel der 36 Mio. Iraker lebt unterhalb der Armutsgrenze (2 US-Dollar/Tag).

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und

teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Seit dem Spätsommer 2015 hat Irak mit einem Cholera-Ausbruch zu kämpfen (laut Zahlen der Vereinten Nationen 1.600 Erkrankte Ende Oktober 2015) (AA 18.2.2016).

Berichten des UNHCR zufolge sollen in der vom IS kontrollierten Stadt Falluja (Provinz Anbar), rund 70 Kilometer westlich von Bagdad, mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung, ungeeigneter, giftiger Nahrung und fehlender Medikamente gestorben sein (BAMF 22.2.2016).

Informationen zu der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage/Ressourcenlage in der Autonomen Kurdenregion finden sich auch in den Abschnitten 2.1. und 11.1., darüber hinaus finden sich einige weitere Informationen zur Grundversorgung im übrigen Irak im Abschnitt 8.

Quellen:

13. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 18.2.2016).

Im Kontrollgebiet des IS hinderten IS-Kämpfer Menschen daran, das Gebiet zu verlassen um andernorts medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen (AI 22.2.2016). Die medizinische Versorgung in den IS-kontrollierten Gebieten ist sehr schlecht: In der vom IS kontrollierten Stadt Falluja beispielsweise sind mindestens 76 Menschen aufgrund mangelhafter Ernährung und fehlender Medikamente gestorben sein. 65 von ihnen hätten nicht mit den notwendigen Medikamenten versorgt werden können. UNHCR zufolge können aufgrund der IS-Kontrolle keine Helfer in die Stadt gelangen. Infolge der Blockade sind - medizinischen Kreisen zufolge - in den vergangenen Wochen (Stand 22.2.2016) rund 200 Menschen gestorben (BAMF 22.2.2016).

Quellen:

https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1457944432_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2015-18-02-2016.pdf , Zugriff 17.3.2016

3. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesasylamtes, beinhaltend unter anderem die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt sowie den Beschwerdeschriftsatz;

* Mündliche Verhandlung am 22.10.2014, 01.03.2016 (nicht erschienen), 17.03.2016 und 24.10.2016;

* Mündliche Verhandlung des Ehegatten am 10.11.2015;

* Einsicht in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin;

* Einsicht in die von der Beschwerdeführerin und ihrem Gatten vorgelegten Urkunden:

XXXX 3.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.

3.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität der Beschwerdeführerin sowie hinsichtlich ihrer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und des Datums ihrer Asylantragstellungen in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt und der vorgelegten Identitätsdokumente.

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen der Beschwerdeführerin gründen sich auf deren in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren und den vorgelegten Dokumenten (Universitätszeugnis vom 19.08.2007, Heiratsurkunde, Ehevertrag).

Dass die Beschwerdeführerin von 2006 bis 2007 in XXXX aufhältig war, geht aus den diesbezüglich widerspruchsfreien Angaben der Beschwerdeführerin sowie aus dem vom Ehegatten vorgelegten syrischen Mietvertrag hervor.

Die Feststellung zur Inhaftierung und Freilassung des Gatten der Beschwerdeführerin resultiert aus den diesbezüglichen Angaben des Gatten der Beschwerdeführerin, welche in dessen Verfahren für glaubwürdig befunden wurden.

Dass die Beschwerdeführerin an keiner psychischen Erkrankung leidet, geht aus dem psychiatrisch/neurologischen Sachverständigengutachten vom 15.07.2016 hervor. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem amtswegig eingeholten Gutachten der genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, welche gleichzeitig allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige ist.

Die umfangreichen Ausführungen im Gutachten gingen fundiert auf die jeweiligen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes an die Gutachterin ein. Das in sich stimmige Gutachten beruht auf dem Studium der vorliegenden Unterlagen (Aktenauszug aus dem Asylverfahren), einer psychiatrischen und neurologischen Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie auf einer psychologischen Testung derselben.

Dass die Beschwerdeführerin Mitglied im Verein XXXX in Österreich ist, geht aus der Bestätigung vom 13.11.2014 hervor.

3.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin begründete ihren Antrag auf internationalen Schutz in der Erstbefragung vor dem BAA damit, dass man sie entführen, misshandeln und vergewaltigen hätte wollen, um ihren Ehegatten unter Druck zu setzen. Dieser sei wegen einer Namensverwechslung im Irak inhaftiert worden.

In der Einvernahme vor dem BAA vermeinte sie jedoch, dass sie Angst gehabt habe, wie ihr Ehegatte inhaftiert zu werden. Ihr Rechtsanwalt habe ihr dies mitgeteilt und hätten die Gefängnisleitung, der Anwalt sowie ihr Ehegatte vereinbart, dass zuerst die Beschwerdeführerin aus dem Land gebracht werden sollte. Zudem sei sie ihm Jahr 2012 in eine Schiitengegend zurückgekehrt. Schiiten würden gerne sunnitische Frauen missbrauchen und habe sie deshalb immer Angst gehabt, wenn sie Nachbarn gesehen habe. Sie sei daher auch zu ihrem Bruder in eine sunnitische Gegend gezogen. Einmal sei dann plötzlich einer aus der schiitischen Gegend vor dem Haus ihres Bruders gestanden und habe eine Zigarette geraucht.

In der mündlichen Verhandlung am 22.10.2014 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Name bei den Milizen, welche ihren Ehegatten festgenommen hätten, vermerkt sei und es sein könne, dass sie als Ehegattin erpresst oder bedroht werde. Nach ihrer Rückkehr in den Irak im Jahr 2012 in ihr Elternhaus habe sie das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Damals habe es viele Spione gegeben, weshalb sie zu ihrem Bruder gezogen sei. Bis zu ihrer Ausreise im September 2012 sei ihr jedoch nichts passiert, obwohl sie gewusst habe, dass sie stets beobachtet und verfolgt werde. Nicht nur ihr Anwalt, sondern auch ihr Bruder habe ihr mitgeteilt, dass sie verhaftet werden sollte. Dieser habe erfahren, dass ein "Geheimdienstler" schiitischen Nachbarinnen erzählt habe, dass sich die Beschwerdeführerin in Acht nehmen solle. Zudem sei das Haus ihres Bruders beobachtet worden, weshalb sie gewusst habe, dass sie gesucht werde.

In der mündlichen Verhandlung am 24.10.2016 vermeinte die Beschwerdeführerin, dass sie Angst gehabt habe, wegen der Inhaftierung ihres Ehegatten ebenfalls inhaftiert zu werden. In so einem Fall sei es üblich, die Frauen vor deren Ehemännern zu vergewaltigen, um diese zu einem Geständnis zu zwingen.

Zunächst fällt bei Gesamtbetrachtung der Angaben der Beschwerdeführerin auf, dass die Beschwerdeführerin unterschiedliche Ausreisegründe nennt. So spricht sie in der Erstbefragung unter anderem noch davon, dass sie Angst vor einer Entführung und Vergewaltigung gehabt habe, behauptete zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, dass sie Angst gehabt habe, inhaftiert zu werden.

In der Einvernahme vor dem BFA stützt sie ihre Ausreisemotivation dann vorwiegend auf die Angst, wie ihre Ehegatte inhaftiert zur werden und thematisiert erstmals, dass sie auch beobachtet worden sei.

In der mündlichen Verhandlung am 22.10.2014 vermeinte sei wiederum, es könne sein, dass sie erpresst oder bedroht werde, weil ihre Name bei den Milizen bekannt sei und führte sie in der mündlichen Verhandlung am 24.10.2016 ihre Angst erneut auf eine mögliche Inhaftierung zurück.

Die Beschwerdeführerin variiert ihr Vorbringen somit von der Angst einer Entführung und Vergewaltigung, über die Möglichkeit, wie ihr Ehegatte inhaftiert zu werden, bis hin zur Erpressung, was bereits darauf hindeutet, dass es sich um ein konstruiertes Vorbringen handelt bzw. sie nie in einer Situation war, in der sie tatsächlich Angst vor etwaigen Übergriffen haben musste.

Dies zeigt sich auch darin, dass Umstände, die individuell und konkret die Beschwerdeführerin betreffen, und auf eine konkrete Verfolgung hindeuten, nicht festgestellt werden können.

Die Beschwerdeführerin behauptete in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2015 selbst, dass ihr von ihrer Rückkehr in den Irak im März 2012 bis zur Ausreise im September 2012 nichts passiert sei und stützte sie ihre Vermutung, verfolgt zu werden, auf Aussagen ihres Anwaltes und ihres Bruders.

Die Beschwerdeführerin vermochte auch nicht nachvollziehbar darzutun, aus welchen Gründen von einer Person, welche ihren Angaben zufolge vor dem Haus eine Zigarette rauchte, eine solche Gefahr ausgegangen wäre, dass sie den Irak verlassen hätte müssen. Ihre diesbezüglichen Aussagen erschöpften sich in vagen Verweisen darauf, dass sie das "Gefühl" gehabt habe, beobachtet zu werden.

Die Beschwerdeführerin tätigte darüber hinaus keinerlei konkrete Aussagen zu einer möglichen, ihr drohenden Verfolgung und beschränkte sich jeweils darauf auszuführen, nur vom Hörensagen (Anwalt und Bruder) gewusst zu haben, dass sie ebenfalls verhaftet werden sollte. Dass es jemals zu einer Konkretisierung der befürchteten Inhaftierung oder zu einem versuchten oder tatsächlichen Übergriff (Entführung, Erpressung, Vergewaltigung) gekommen wäre, wurde dagegen nicht behauptet. Es ist somit weder näher ausgeführt, was unter dem "Gefühl, beobachtet zu werden" zu verstehen wäre, noch lässt sich die Absicht einer Umsetzung der behaupteten möglichen Verfolgungshandlungen aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ableiten, weil es zu keinerlei Übergriffen gekommen war. Die bloß vage, nicht näher konkretisierte Befürchtung, erpresst, vergewaltigt, misshandelt oder inhaftiert zu werden, ist nicht geeignet, eine Verfolgungsbehauptung zu begründen, weil es sich bei diesen Ausführungen um keine konkreten Angaben handelt, aus welchen eine Gefährdung für die Beschwerdeführerin in dem Sinn abgeleitet werden könnte, dass ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Beschwerdeführerin konkret und unmittelbar drohte (vgl. zur Unmittelbarkeit VwGH 26.02.2002, 2000/20/0517, und zur Intensität VwGH 31.01.2002, 99/20/0531).

Die Beschwerdeführerin leitet ihre Ausreisegründe allein von den seitens ihres Gatten geltend gemachten ausreisekausalen Vorkommnissen ab. Diesbezüglich wird auf die begründenden Ausführungen im Erkenntnis den Gatten der Beschwerdeführerin betreffend, verwiesen.

Dazu sei noch angemerkt, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin seinen Angaben zufolge im Irak aufgrund einer Namensverwechslung inhaftiert war und nach der Aufklärung dieses Missverständnisses wieder freigelassen wurde. Dies wird auch durch den vom Ehegatten vorgelegten Entlassungsschein des Obergerichtes XXXX bestätigt.

Die Namensverwechslung wurde aufgeklärt, der Gatte der Beschwerdeführerin wurde entlassen und hatte trotz mehrmaliger Kontrollen keine weiteren Probleme.

Eine Inhaftierung aufgrund der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit des Gatten der Beschwerdeführerin wurde im diesbezüglichen Verfahren für unglaubwürdig befunden und wird auf die entsprechende Beweiswürdigung im Erkenntnis des BVwG den Gatten der BF betreffend verwiesen.

Ansonsten ist noch darauf zu verweisen, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin nach seiner Haftentlassung seinen Angaben zufolge keine weiteren Probleme gehabt hat, obwohl er häufig Personenkontrollen unterzogen wurde, bei denen er seinen Ausweis und seinen Entlassungsschein vorgezeigt hat (diesbezüglichen wird auf die näheren Ausführungen im Erkenntnis des BVwG zum Ehegatten XXXXder Beschwerdeführerin verwiesen). Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin – wie bereits dargelegt – schon bisher keine Probleme gehabt hat, ist angesichts dessen auch aktuell nicht zu befürchten bzw. zu prognostizieren, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in den Irak Probleme aufgrund der zurückliegenden Inhaftierung ihres Ehegatten haben könnte.

Die Asylentscheidung ist ihrem Wesen nach doch eine Prognoseentscheidung und als solche auf eine in der Zukunft (für den Fall einer Rückkehr in den Heimatstaat) bestehende Verfolgungsgefahr gerichtet (vgl. dazu auch Michigan Guidelines on Well-Founded Fear, Pkt. 4, www.refugeecaselaw.org/fear.asp )).

Hinsichtlich der vom Ehegatten vorgebrachten Erpressung im Jahr 2006, aufgrund der die gesamte Familie nach XXXX geflüchtet ist und von der die Beschwerdeführerin ihren Angaben zufolge auch erst in XXXX erfahren habe ist festzuhalten, dass es sich dabei um eine rein kriminelle Handlung gegenüber ihrem Ehegatten gehandelt hat, die in keinem Zusammenhang mit der Beschwerdeführerin steht. Die Beschwerdeführerin wurde weder von dem Erpresser kontaktiert noch hat dieser sie in irgendeiner Form bedroht, was auch daran ersichtlich ist, dass die Beschwerdeführerin erst in XXXX durch ihren Ehegatten über die Erpressung in Kenntnis gesetzt wurde. Die Erpressung richtete sich somit ausschließlich an den Ehegatten der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin führte in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2015 auch aus, dass sie im Jahr 2006 aufgrund der schlechten Sicherheitslage nach XXXX gegangen sei.

Hinsichtlich der behaupteten Erpressung des Gatten der Beschwerdeführerin durch Mitglieder der Miliz im Jahr 2006 und im Jahr 2013 ist auf die Ausführungen im Erkenntnis des Gatten der Beschwerdeführerin zu verweisen und ist insbesonders hervorzuheben, dass die Angaben des Gatten zu einer neuerlichen Bedrohung durch die Miliz nach seiner Haftentlassung im Jahr 2013 im diesbezüglichen Erkenntnis des BVwG aufgrund von Divergenzen im diesbezüglichen Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert wurden und zu den diesbezüglichen Vorfällen im Jahr 2006 festgehalten wurde, dass es diesen hinsichtlich der Ausreise des Gatten der Beschwerdeführerin im Jahr 2014 am notwendigen zeitlichen Konnex mangle.

Die Beschwerdeführerin hat somit in einer Gesamtschau keine gegen sie persönlich gerichteten aktuellen und konkretenVerfolgungshandlungen behauptet und somit auch keine zielgerichteten ethnisch motivierten existenzbedrohenden Gefährdungen vorgebracht.

Angesichts dieser Erwägungen gelangt das BVwG zu dem Ergebnis, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass sie einer asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt war.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den behördlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender Länderdokumentationsunterlagen. Die Länderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurde nicht in qualifizierter Form entgegengetreten.

3.5. Zur Beschwerde der Beschwerdeführerin

Insofern in der Beschwerde darauf verwiesen wird, die belangte Behörde hätte zumindest feststellen müssen, dass die Abschiebung der BF gem. § 8 AsylG nicht zulässig sei, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin bereits im behördlichen Verfahren Subsidiärschutz gewährt wurde, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen ins Leere gehen.

Insofern auf die seitens des BFA konstatierten Ungereimtheiten hinsichtlich des Aufenthaltes der Kinder der Beschwerdeführerin bezug genommen wurde, ist darauf zu verweisen, dass sich die hg. Beweiswürdigung nicht darauf stützt, weshalb nicht weiter auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde eingegangen wird.

Wenn die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ausführt, sie könne erst durch die Inanspruchnahme vieler Therapieeinheiten ohne Scham über die individuelle Verfolgung, die sie im Herkunftsstaat habe erleiden müssen, sprechen, so wurde die Beschwerdeführerin in der hg. Verhandlung dezidiert danach gefragt, was sie mit dieser Ausführung in der Beschwerde meinte und erklärte sie dazu, sie habe damit gemeint, dass sie ihre Kinder hierher bringen wollte, weshalb sie dies so ausgedrückt habe.

Die Beschwerdeführerin traf auch Angaben hinsichtlich der Inhaftierung ihres Mannes und wurde von der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben des Gatten der Beschwerdeführerin ausgegangen, jedoch ergibt sich pro futuro aus den dargelegten Gründen keine asylrelevante Gefährdung für den Gatten der Beschwerdeführerin oder für diese selbst, die diesbezüglich äußerte, es werde den Männern gedroht, dass die Ehefrau vergewaltigt werde.

Insofern die Beschwerdeführerin erklärte, es sei mehrfach nach ihr gefragt worden, so ist dazu zum einen zu bemerken, dass die Beschwerdeführerin diese Angabe erstmals im Verfahren tätigte und dazu in der hg. Verhandlung befragt diese Angabe nicht substantiierte, sondern vielmehr die Gegenfrage stellte "Was sollte ich alles sagen, ich war so betroffen, weil meine Kinder weit weg von mir waren. Mein Mann war verhaftet." und kann aus dieser Angabe der Beschwerdeführerin nicht geschlossen werden, dass tatsächlich nach dieser gefragt wurde. Im Lichte der Beweiswürdigung im Erkenntnis des BVwG den Gatten der Beschwerdeführerin betreffend, wonach neuerliche Probleme im Jahr 2013/2014 mit einem Angehörigen der Miliz, der den Gatten der BF im Jahr 2006 erpresst habe, als unglaubwürdig zu qualifizieren ist, kann auch den diesbezüglichen Angaben der BF hinsichtlich des Fragens nach ihrer Person keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden.

Sollten jedoch Fragen nach der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Gatten gestellt worden sein, so kann daraus pro futuro auf keine asylrelevante Verfolgung der Beschwerdeführerin geschlossen werden, da der Gatte der BF nach seiner irrtümlichen Inhaftierung aufgrund einer Namensgleichheit nach der Haftentlassung seinen Angaben zufolge keine daraus resultierenden Probleme mehr hatte, weshalb in weiterer Folge auch Probleme für die Beschwerdeführerin, die solche auf das ausreiskausale Vorbringen ihres Gatten stützt, nicht erkannt werden können.

In der Beschwerde wird auch thematisiert, dass die Beschwerdeführerin traumatisiert sei, was für die Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens spreche.

Daraus ist jedoch im Hinblick auf die Ausführungen in der hg. Beweiswürdigung nichts zu gewinnen, und ist davon auszugehen, dass die – lt. fachärztlichem Gutachten nunmehr nicht mehr existenten - psychischen Probleme der Beschwerdeführerin zwar für diese eine bedauerliche Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes darstellten, jedoch nicht mit den von ihr dargestellten Ausreisegründen in Zusammenhang gebracht werden können und können die Grund für die psychische Beeinträchtigung mannigfach – wie beispielsweise etwa die Inhaftierung des Gatten, die anfängliche Trennung von den Kindern, die allgemeine Sicherheitslage, das Verlassen der Heimat – sein.

Wenn in der hg. Verhandlung seitens der Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Verweis auf die hg. Länderfeststellungen, welche der Beschwerdeführerin zusammen mit der Ladung übermittelt wurden, zu den Punkten Rechtsschutz/Justizwesen und Korruption sowie aufgrund der langen Abwesenheit aus dem Irak nicht sichergestellt werden könne, dass der Mann der Beschwerdeführerin und diese selbst nicht willkürlich verhaftet werden können, ist nochmals festzuhalten, dass der Gatte der Beschwerdeführerin nach seiner Haftentlassung mehrmals einer Personenkontrolle unterzogen wurde und keinerlei weitere Probleme mit den irakischen Behörden hatte. Weshalb solche Probleme in Zukunft im Falle einer Rückkehr zu befürchten seien, ist auch aus den Länderinformationen nicht ableitbar, zumal kein ersichtlicher Zusammenhang mit den darin enthaltenen Ausführungen zur Thematik Rechtsschutz/Justizwesen besteht, da das Verfahren des Gatten der Beschwerdeführerin abgeschlossen ist und kann aus den länderkundlichen Feststellungen ebensowenig abgeleitet werden, dass Personen, die längere Zeit aus dem Irak abwesend sind, willkürlich verhaftet werden. Ebensowenig kann prognostiziert werden, dass schiitische Milizen Andersgläubige generell und systematisch verfolgen, sondern wird in den länderkundlichen Feststellungen festgehalten, dass Übergriffe auf benachbarte sunnitische Viertel vorkommen, doch kann daraus nicht auf eine asylrelevante Gefährdung der Beschwerdeführerin und ihrer Familie geschlossen werden und ist in diesem Zusammenhang auch auf Pkt. 4.2.3. des gegenständlichen Erkenntnisses zu verweisen.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

4.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

4.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

4.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

4.2.2. Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt wurde, war die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen nicht in der Lage, gemessen an den oben wiedergegebenen Maßstäben als glaubhaft darzustellen, dass sie vor der Ausreise einer asylrelevanten individuellen Verfolgung aus den von ihr behaupteten Gründen ausgesetzt war, weshalb diese vorgetragenen fluchtkausalen Angaben der Beschwerdeführerin zu einer Gefährdung ihrer Person aufgrund der Probleme ihres Gatten gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

4.2.3. Im Übrigen ergibt sich aus den länderkundlichen Informationen zum Irak auch kein maßgeblicher Hinweis auf eine systematische Verfolgung der arabisch sunnitischen Bevölkerungsgruppe im gesamten Staatsgebiet und ist eine schwierige allgemeine Lage der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft oder Volksgruppe für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur sunnitischen Religion bzw. zur arabischen Volksgruppe bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).

4.2.4. Insofern die Beschwerdeführerin in der hg. mündlichen Verhandlung behauptete, sie sei nicht mehr gewillt, im Falle einer Rückkehr ein Kopftuch zu tragen, ist festzuhalten, wie folgt:

Die obzitierte Aussage der Beschwerdeführerin begründet für den Fall ihrer Rückkehr in den Irak nicht die Gefahr asylrelevanter Verfolgung. Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass vor allem im (schiitisch dominierten) Südirak islamische Regeln wie z.B. Kleidervorschriften (Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten) stärker eingefordert werden, woraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden kann, dass im gesamten Staatsgebiet des Irak eine strenge Kleiderordnung für Frauen gilt.

Allgemein kann zu in einem Staat herrschenden Bekleidungsvorschriften festgehalten werden, wie folgt:

Bei den an die Nichtbeachtung der Bekleidungsvorschriften anknüpfenden Maßnahmen handelt es sich zunächst lediglich um eine - unpolitische - Ahndung eines Verstoßes gegen die öffentliche Moral. Die Bekleidungsvorschriften haben ihre Ursache in den in einem Staat herrschenden strengen, vor allem die Frauen betreffenden Moralvorstellungen. Sie dienen der Aufrechterhaltung äußerlicher Formen der Frömmigkeit bzw. der öffentlichen Moral und haben deshalb ordnungs- oder strafrechtlichen Charakter. Daher sind diese Maßnahmen unter asylrechtlichen Aspekten hinzunehmen, auch wenn sie im Gegensatz zur Werteordnung der Bundesrepublik Österreich und nicht im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 7 B-VG stehen. Sie stellen sich weder als Eingriff in die asylrechtlich geschützte Religionsausübung noch als geschlechtsspezifische Verfolgung im Sinne des Asylrechts dar.

Sie betreffen zudem grundsätzlich alle Bewohner(innen) eines Landes gleichermaßen, sodass die Ahndung eines Verstoßes gegen derartige Verhaltensvorschriften regelmäßig keine den Betroffenen "aus der staatlichen Rechts- und Friedensordnung" ausgrenzende politische Verfolgung" ist.

Das Asylrecht soll zudem nicht jedem, der in seiner Heimat benachteiligt wird, die Möglichkeit eröffnen, seine Heimat zu verlassen oder dorthin nicht zurückkehren zu müssen, weil er in Österreich eine bessere Lebenssituation vorfindet. Vielmehr ist eine Rechtsgutbeeinträchtigung von asylerheblicher Intensität erforderlich. Bei Eingriffen, die nicht unmittelbar das Leben, die Gesundheit und die physische Bewegungsfreiheit betreffen, ist das erst der Fall, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben. (vgl. Erkenntnis d. VwGH vom 22.06.1994, Z. 93/01/0443; VwGH vom 15.09.1994, Zl. 94/19/0389; VwGH 11.11.1987, 87/01/0136).

Im Lichte dieser Rechtsprechung stellen sich auch die strengen Bekleidungsvorschriften und die sonstigen Diskriminierungen, welche die Frauen generell in islamischen Ländern nicht als asylerheblich dar. So ist mit den hieraus folgenden Einschränkungen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit noch nicht ein menschenunwürdiges Dasein verbunden, das eine Frau in eine den Schutz des Asylrechts nach sich ziehende ausweglose Lage bringt.

Ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Aufenthaltes in Österreich inzwischen im Falle der Rückkehr in den Irak mit der dortigen Rolle der Frau und insbesondere mit den Bekleidungsvorschriften zusätzlich Probleme hätte, ist unerheblich. Es ist ihr zuzumuten, sich hiermit abzufinden. Denn diese Moralanschauungen sind ihr nicht fremd und sie hat sie in der Vergangenheit beachtet. Sie ist immerhin im Irak geboren und hat dort einen großen Teil ihres Lebens verbracht. Es ist daher auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin - zumal unter dem Eindruck der ihr anderenfalls drohenden Sanktionen - nicht bereit wäre, sich den Moralanschauungen ihres Heimatstaates wieder anzupassen. (siehe hierzu auch das Urteil des schweizerischen Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.12.2008, D-4984/2008 sowie die Judikatur der deutschen Gerichte:

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.08.2006 2 K 2689/06.A; BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1989 - 9 B 258.88 -, InfAuslR 1989, 216, zur Verurteilung eines Iraners zu 100 Peitschenhieben, weil er sich mit seiner Freundin verbotenerweise in der Öffentlichkeit gezeigt hat; OVG NRW, Urteil vom 17. Dezember 1992 - 16 A 10941/90 -, juris Rechtsprechung Nr. MWRE181639300, zur Diskriminierung von Frauen durch Bekleidungsvorschriften u.a. im Iran; vgl. auch Hess. VGH, Urteil vom 27. Januar 1992 - 13 UE 567/89 -, juris Rechtsprechung Nr. MWRE104719200; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 17. Dezember 1992, a.a.O.; OVG Koblenz, Beschluss vom 17. Mai 2002 - 6 A 10217/02 -, NVwZ-Beilage 2002, 100, zur vergleichbaren Situation in Afghanistan; vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 16. Februar 2006 - 14 A 62/99 -, zu dem Fall einer seit 30 Jahren im Ausland lebenden Iranerin).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass sich die Situation von Frauen im Irak und deren Ungleichbehandlung gegenüber Männern als unbefriedigend darstellen mag, jedoch kann dies nicht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhaltes bzw. einer Asylgewährung für die Beschwerdeführerin führen. Die von ihr geltend gemachten Benachteiligungen welche sie hinsichtlich von Kleidungsvorschriften als Frau zu erdulden hat, sind nämlich von ihrer Intensität her indessen nicht asylrelevant. Vielmehr handelt es sich dabei in Anbetracht aller Umstände um relativ geringfügige Einschränkungen im Alltag, von welchen alle Frauen im Irak in vergleichbarer Lage ebenso betroffen sind.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt zusammengefasst keineswegs die Ernsthaftigkeit der subjektiven Befürchtungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer persönlichen Situation und der Nichteinhaltung der Kleidervorschriften, kommt aber zum Schluss, dass diese aus objektiver individueller Sicht (auf die es hier, mangels einer Gruppenverfolgung primär ankommt) keine asylrelevante Gefährdung darstellen.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt wird oder ihr deswegen Schutz verweigert würde.

Der Ausdruck "soziale Gruppe", der als Auffangtatbestand in die Genfer Flüchtlingskonvention eingefügt wurde, wurde in Lehre und Rechtsprechung durchaus unterschiedlich definiert. In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde einerseits auf die Definition des UNHCR abgestellt, derzufolge eine soziale Gruppe in der Regel Personen mit ähnlichem Hintergrund, ähnlichen Gewohnheiten oder ähnlichem sozialen Status umfasst (vgl. Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, S. 219, aber auch den Gemeinsamen Standpunktes des Rates der Europäischen Union vom 4.3.1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffes des "Flüchtling" in Art. 1 des Genfer Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge), wobei aber - unter Hinweis auf das genannte Handbuch des UNHCR - darauf hingewiesen wird, dass hinter der angesprochenen Regelung die Erwägung stehe, dass die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe Anlass zu Verfolgung sein kann, wenn kein Vertrauen in die Loyalität der Gruppe der Regierung gegenüber bestehe oder wenn die politische Ausrichtung, das Vorleben oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Mitglieder der Gruppe oder auch schon allein die Existenz der Gruppe an sich als Hindernisse für die Politik der Regierung angesehen werden

(vgl. VwGH 18.12.1996, Zl. 96/20/0793).

Andererseits wies der Verwaltungsgerichtshof auf die Definition des kanadischen Obersten Gerichtshofes (Supreme Court) hin, nach der eine soziale Gruppe iSd GFK folgende drei Personenkreise umfasse:

Personen, die ein gemeinsames angeborenes oder unabänderliches Merkmal wie Geschlecht, sprachliche Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung aufweisen; Personen, die freiwillig aus Gründen verbunden sind, die für ihre Menschenwürde derart fundamental sind, dass sie nicht gezwungen werden sollten, diese Verbindung aufzugeben und schließlich Personen, die durch einen früheren freiwilligen Zustand verbunden sind, der aufgrund seiner historischen Dauer nicht geändert werden kann (vgl. die in Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 1996, p. 359 f., wiedergegebenen Fälle, insbesondere den Fall Canada v. Ward).

Auf diese Definitionen nimmt - zumindest zum Teil - auch Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 ("Statusrichtlinie") - auf den im Übrigen § 2 Abs. 1 Z 12 Asylgesetz 2005 verweist - Bezug, wenn er in seiner lit. d eine bestimmte soziale Gruppe folgendermaßen umschreibt: "Eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe wenn - die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.

Je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland kann als eine soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Ausrichtung gründet. Als sexuelle Ausrichtung dürfen keine Handlungen verstanden werden, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten als strafbar gelten; geschlechterbezogene Aspekte können berücksichtigt werden, rechtfertigen aber für sich allein genommen noch nicht die Annahme, dass dieser Artikel anwendbar ist."

Die Beschwerdeführerin gehört sohin auch keiner sozialen Gruppe der Frauen im Irak an. Es ist zwar richtig, dass Frauen im Irak im allgemeinen einer Diskriminierung bzw. Schlechterstellung gegenüber Männern ausgesetzt sind und dass für alleinstehende Frauen im Irak auch schwierige Lebensbedingungen herrschen. Frauen werden aber nicht allgemein als inferior angesehen. Aufgrund der Heterogenität dieser Gruppe und der unterschiedlichen Situation im Einzelfall kann von einer sozialen Gruppe der wegen ihres Geschlechts im Irak diskriminierten Frauen nicht gesprochen werden.

Die Situation im Irak ist in diesem Zusammenhang differenziert auf den Einzelfall zu betrachten und ist jeder Fall unterschiedlich zu beurteilen, sodass auch eine ausreichend homogene soziale Gruppe nicht vorliegt. Gleiches spricht geschlechtsunabhängig gegen die Annahme einer sozialen Gruppe solcher Personen, die sich gegen die strengen Moralvorstellungen stellen. Insgesamt kann in beiden Konstellationen nicht von einer diesbezüglichen (auch nur relativ) homogenen "Gruppe" von Personen, die eine solche Verfolgung zu gewärtigen hätten, im Rechtssinn gesprochen werden; eine derartig extensive Interpretation würde auch die in Art. 1 Abschn. A Z 2 GFK getroffene Beschränkung der für die Asylgewährung erforderlichen Verfolgungsgründe unterlaufen, respektive ad absurdum führen.

Die Beschwerdeführerin ist keine alleinstehende Frau, sondern verfügt über Familienangehörige im Irak sowie über ihre Kernfamilie in Österreich, deren Verfahren hinsichtlich § 3 AsylG ebenso mit heutigem Tag finalisiert wurden, sodass sich aus den persönlichen Umständen der Beschwerdeführerin keine asylrelevante Gefährdung ergibt.

4.2.5. Auch das Vorliegen eines Nachfluchtgrundes ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Nach den getroffenen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Iraker, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren, nunmehr asylrelevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt wären.

Auch aus der Tätigkeit der Beschwerdeführerin in einem arabischen Verein in Österreich, in dem sie ihren Angaben zufolge als Lehrerin für die arabische Sprache tätig ist, kann keine Rückkehrgefährdung erkannt werden und hat die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch keine solche behauptet.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

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