BVwG W149 2110874-1

BVwGW149 2110874-112.8.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W149.2110874.1.00

 

Spruch:

W149 2110874-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Rita-Maria KIRSCHBAUM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2015, Zl. 1021740502/150263934, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 144/2013, (AsylG 2005) der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festfestgestellt, dass damit XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG, BGBl Nr. 1/1930 idF BGBl I Nr. 52/2012, (B-VG) nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

Nachdem der Vater der minderjährigen Beschwerdeführerin illegal nach Österreich eingereist und ihm mit Bescheid des Bundesasylamts vom 05.01.2013, Zl. 12 05.880-BAT, subsidiärer Schutz zuerkannt worden war, reiste die minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Somalia, gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren vier minderjährigen Geschwistern mit einem österreichischem Visum in Österreich ein.

Sie stellte am 13.03.2015 vor Beamten der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST über ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Verfahren der Beschwerdeführerin wurde am selben Tag durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte in Österreich zugelassen und es erfolgte die Erstbefragung der Mutter der Beschwerdeführerin.

Am 08.06.2015 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, unter Beteiligung einer Dolmetscherin in der Sprache Somalisch niederschriftlich einvernommen.

Am 22.06.2015 langte eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin beim Bundesamt ein.

2. Angefochtener Bescheid

Mit Datum vom 30.06.2015 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, (im Folgenden: Bundesamt) den Bescheid, FZ. 1021740502/150263934, der Mutter der Beschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreterin durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt am 03.07.2015 (im Folgenden: angefochtener Bescheid).

Der Antrag der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 "idgF", bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 3 leg. cit. der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr wurde gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. eine Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.06.2016 erteilt (Spruchpunkt III).

Zur Begründung bezüglich der Nichtgewährung von Asyl führte das Bundesamt unter Verweis auf den Bescheid der Mutter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass ihre Mutter für die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe und sie für sich selbst keine individuelle und konkrete Verfolgung habe glaubhaft machen können.

Subsidiärer Schutz sei gewährt worden, da dies aufgrund der Gewährung des subsidiären Schutzes für die Mutter der Minderjährigen gesetzlich vorgesehen sei, und die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung sei dementsprechend erfolgt.

Mit Verfahrensanordnung vom 01.07.2015 wurde der Beschwerdeführerin ein Rechtsberater für eine allfällige Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Beschwerde und Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Mit Fax vom 16.07.2015 legte die Beschwerdeführerin über ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids beim Bundesamt ein.

Zur Begründung führte die Mutter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass weibliche Genitalverstümmelung in Somalia üblich sei und dagegen kein ausreichender staatlicher Schutz bestehe. Sie sei bereits gezwungen gewesen, ihre ältere minderjährige Tochter Beschneiden zu lassen. Die Beschwerdeführerin wäre daher in Somalia davon in nächster Zeit unmittelbar betroffen.

Die Beschwerde langte am 20.07.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 03.08.2015 wurden der Beschwerdeführerin über ihre gesetzliche Vertretung und der belangten Behörde die unter 0 angeführten Länderinformationen samt Quellenangabe zur Stellungnahme binnen einer Woche übermittelt. Gleichzeitig wurde angeboten, in die zugrundeliegenden Quellen Einsicht zu nehmen.

Weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde hat bis dato keine Stellungnahme abgegeben.

Die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG) geregelt.

Gemäß § 6 BVwGG und § 2 VwGVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einzelgesetzlicher Regelungen liegt für das gegenständliche Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht damit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide einer Behörde wegen Rechtswidrigkeit (Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 1991/51, idF BGBl I Nr. 33/2013, (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Behörde in dem Verfahren vor dem dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hatte oder anzuwenden gehabt hätte.

Verfahrensrechtliche Bestimmungen der genannten Art finden sich vor allem im Bundesgesetz über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, BGBl. Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 144/2013,

(BFA-VG).

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 der Grundrechte-Charta der EU nicht entgegenstehen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG ist der Sachverhalt als nicht geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten unrichtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 02.03.2006, 2003/20/0317 mwN; in diesem Sinne jüngst VwGH 28.5.2014, 2014/20/0017 und 0018).

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vor-liegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Vor-aussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).

In Anlehnung an diese Judikatur ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes auch die Bedeutung und Notwendigkeit einer Verhandlung für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung sowie für die Lösung von Rechtsfragen maßgeblich, weshalb eine mündliche Verhandlung im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren auch regelmäßig unterbleiben kann, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua).

Sowohl gemäß der oben erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben.

Die Beschwerdeführerin und der belangten Behörde wurde nämlich im Wege der Übermittlung und Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu den neu in das Verfahren eingeführten aktuellen Länderinformationen betreffend die hier entscheidungserhebliche Situation von Mädchen in Somalia (traditionelle Genitalverstümmelung) ausreichend Gelegenheit gegeben, zu dieser - im Verfahren vor der Behörde unzureichend bzw. gar nicht erörterten Frage - Stellung zu nehmen. Weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde ist den Feststellungen entgegengetreten. Von einer mündlichen Verhandlung wäre somit keine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlage zu erwarten gewesen.

II. Sachverhalt

1. Beweismittel

Das Bundesverwaltungsgericht hat für die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts folgende Beweismittel verwendet:

1.1. Parteivorbringen (durch die gesetzliche Vertretung)

Zur Person hat die Mutter der Beschwerdeführerin erklärt, die Beschwerdeführerin heiße XXXX , geboren XXXX . Sie sei Staatsangehörige von Somalia und stamme aus Mogadischu. Sie gehöre der Volksgruppe der Sheikhal an. Die Mutter sei Analphabetin.

Zum Fluchtgrund hat die Mutter der Beschwerdeführerin erklärt, in Somalia sei Genitalverstümmelung weit verbreitet und werde an fast allen Mädchen praktiziert. Auch bei ihrer ältesten Tochter sei eine Genitalverstümmelung gegen ihren Willen durchgeführt worden und sie befürchte dasselbe für die Beschwerdeführerin.

1.2. Länderinformationen

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im vorliegenden Verfahren neben den im angefochten Bescheid angeführten auf folgende Quellen in Bezug auf die Situation von Frauen in Somalia bezogen:

* BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (04.11.2014):

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, mit Verweisen ua. auf:

Länderexperte (anonymisiert) Somalia (18.6.2014)

MV - Migrationsverket/Lifos (20.1.2014): Säkerhetssituationen i södra och centrala Somalia, Rapport från utredningsresa till Nairobi, Kenya i oktober 2013

UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (10.4.2014): Human Rights and Democracy Report 2013 - Section XI: Human Rights in Countries of Concern - Somalia

WHO - World Health Organization (2012): Child Health in Somalia - Situation Analysis

* EASO - European Asylum Support Office (August 2014): Country Information Report, South and Central Somalia, Country Overview

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (Oktober 2014):

Asylländerbericht - Somalia

* UKHO - UK Home Office (April 2014): Country Information and Guidance - Somalia

Die Quellen kommen - insoweit dies entscheidungsrelevant ist - im Wesentlichen zu folgenden Ergebnissen:

Weibliche Genitalverstümmelung [FGM (Female Genital Mutilation)] ist in ganz Somalia nach wie vor weit verbreitet. Früher lag sie bei rund 99% der Mädchen und Frauen, die Quote ist mittlerweile jedoch etwas zurückgegangen. Nach UNICEF Daten aus 2013 sind 98% der Frauen und Mädchen in Somalia beschnitten, wobei 63% der Beschnittenen die weitreichendsten Form (pharaonische Beschneidung/Infibulation) erleiden. Zunehmend wird aber die etwas weniger schwerwiegende sogenannte "Sunna-Beschneidung" (WHO Typ II) angewendet, die auch gesetzlich erlaubt ist.

Der Eingriff findet bei mehr als 80% im Alter zwischen fünf und neun Jahren statt; in 10% zwischen neun und vierzehn Jahren; und in 7% zwischen null und vier Jahren.

Unbeschnittene Frauen sind in der somalischen Gesellschaft allgemein sozial stigmatisiert. Generell stößt eine Mutter, die ihre Tochter nicht beschneiden lassen will, vor allem in ländlichen Gebieten auf erhebliche Probleme. Auch in urbanen Gebieten kann es zu großem sozialen Druck kommen, damit die Tochter beschnitten wird. Einige Familien - vor allem gebildete städtische - haben die FGM-Tradition allerdings bereits aufgegeben. Auch die Gesundheitsbehörden in Somaliland, UN Organisationen und NGOs bekämpfen die Verbreitung von FGM. Allerdings hat sich die Tradition in der Gesellschaft kaum verändert - sie ist dort tief verwurzelt.

In einigen Landesteilen ist FGM bzw. nur deren drastischste Formen gesetzlich verboten worden. Dennoch wird diese Bestimmung in der Praxis nicht umgesetzt, da es eine weite Verbreitung von FGM in ganz Somalia und einen starken kulturellen Rückhalt dieser Praxis in der Bevölkerung gibt.

In den von der radikal-muslimischen al Shabaab beherrschten Gebieten ist FGM verboten und kommt dort auch nur noch selten vor. Auch die Gruppe al Islah und andere Islamisten setzen sich gegen FGM ein. Allerdings erwarten Mädchen und Frauen unter deren Herrschaft andere weitreichende Formen von Gewalt und Diskriminierung.

Somalia ist auch allgemein einer der schlimmsten Orte der Welt für Frauen und Mädchen. Während die vorläufige Verfassung gleiche Rechte von Männern und Frauen vorsieht, erfahren Frauen und Mädchen im täglichen Leben schwerwiegende Ungleichheiten und Diskriminierung. Nach traditionellem Somali Recht bleibt vor allem sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt häufig unbestraft.

Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in der gesamten Region als schwach bis nicht gegeben gesehen werden.

1.3. Sonstige Beweismittel

* Auf den Namen XXXX , geb. XXXX , in Mogadischu ausgestellter somalischer Reisepass;

* von der österreichischen Botschaft in Addis Abeba ausgestelltes Visum.

2. Sachverhalt nach Beweiswürdigung

Das Bundesverwaltungsgericht stellt nach Würdigung der unter 0 angeführten Beweismittel folgenden Sachverhalt fest.

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin heißt XXXX , geboren XXXX , und ist (jetzt) vier Jahre alt. Sie ist Staatsangehörige Somalias, gehört der Volksgruppe der Sheikhal an. Sie stammt aus Mogadischu. Ihre Mutter ist Analphabetin. Die Beschwerdeführerin hat drei jüngere Brüder, die (jetzt) acht, sieben und sechs Jahre alt sind sowie eine Schwestern im Alter von (nunmehr) elf Jahren.

Die Beschwerdeführerin ist in einem Alter, in dem in Somalia üblicherweise eine Genitalverstümmelung vorgenommen wird. Bei der Schwester der Beschwerdeführerin wurde eine solche bereits gegen den Willen der Mutter durchgeführt.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund des mit dem österreichischen Visum vorliegenden somalischen Reisepasses fest.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen und jenen ihrer Familie vor der Flucht ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Mutter der Beschwerdeführerin in deren Asylverfahren, das als solches von der belangten Behörde auch nicht in Frage gestellt wurde.

Die Feststellung zum Fluchtgrund ergibt sich aus dem Vorbringen der Mutter im Verfahren der Beschwerdeführerin, das durch die Länderinformationen (0) bestätigt wird.

2.2. Zur entscheidungsrelevanten Situation von Mädchen in Somalia

In Somalia ist die weibliche Genitalverstümmelung nach wie vor weit verbreitet und teilweise gesetzlich erlaubt. Es herrscht ein großer sozialer Druck auf die Familien, ihre Mädchen genital verstümmeln zu lassen, und es gibt praktisch kaum Möglichkeiten, sich dieser Praxis zu entziehen. Lediglich in den von der radikal-muslimischen Al-Shabaab beherrschten Gebieten ist die Praxis untersagt und findet kaum statt. In diesen Gebieten drohen somalischen Mädchen jedoch andere schwerwiegende Diskriminierungen und Bedrohungen.

Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht als Beweismittel zugrunde gelegten Länderberichten zu Situation von Mädchen in Somalia (0).

Die dazu herangezogenen Quellen erscheinen dem Bundesverwaltungsgericht hinreichend seriös, ausgewogen und aktuell.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Anwendbares Recht

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Nach § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 ist dieses Gesetz auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

2. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde wurde gemäß § 22 Abs. 12 AsylG 2005 fristgerecht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingereicht und es bestehen auch sonst keine Gründe gegen die Zulässigkeit der Beschwerde.

3. Gewährung von Asyl - Spruchpunkt A

3.1. Rechtmäßigkeit des Verfahrens vor dem Bundesamt

Das Bundesverwaltungsgericht stellt zunächst fest, dass das Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Beurteilung des Antrags auf Gewährung von Asyl (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005) im Wesentlichen rechtmäßig durchgeführt wurde.

Der Beschwerdeführerin wurde durch die Erstbefragung und die Einvernahme ihrer Mutter als gesetzliche Vertreterin - alle jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

Allerdings ist zu beachten, dass das Bundesamt trotz eindeutiger Hinweise keine Sachverhaltsermittlungen in Bezug auf eine asylrelevante Verfolgung als Mädchen vorgenommen hatte. Die Behörde hat es vielmehr vollständig unterlassen, die Mutter zur Lebenssituation der Beschwerdeführerin zu befragen und damit den Grundsatz der amtswegigen Ermittlungen und des Parteiengehörs (§ 18 AsylG 2005, § 37 AVG) verletzt.

Der Mutter der Beschwerdeführerin wurde jedoch vom Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit gegeben, zu einschlägigen Länderinformationen Stellung zu nehmen, sodass die Verfahrensfehler als geheilt betrachtet werden können (siehe VwGH 30.09.1958, 338/56; VwGH 18.10.1989, 88/03/0151; VwGH 03.09.2001, 99/10/0011).

3.2. Inhalt und Auslegung von § 3 Abs. 1 AsylG

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des AsylG 2005 ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Wenn ein minderjähriges Kind, für das ansonsten keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden, selbst keine Furcht - etwa vor geschlechtsspezifischer - Verfolgung zum Ausdruck gebracht hat, so muss dennoch die Angabe eines Elternteils, es habe das Herkunftsland (auch) wegen der Zukunft der Kinder verlassen und wolle, dass diese hier eine Bildung erhalten, als ein zumindest in Grundzügen erstattetes Vorbringen im Hinblick auf ein asylrelevante Verfolgung angesehen werden (VfGH vom 20.06.2012, Zl. 1986-1990/11-17).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet.

Als einer der GFK-Gründe, die für die asylrelevante Verfolgungsgefahr in Frage kommen, gilt die Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Der VwGH legt den Begriff weit aus und anerkennt, dass es sich hierbei um einen Auffangtatbestand handelt, der sich in weiten Bereichen mit den anderen GFK-Gründen überschneidet, jedoch weiter gefasst ist (VwGH vom 20.10.1999, 99/01/0197; vom 31.05.2011, 200/20/0496; 26.06.2007, 2007/01/0479 mwN). Dies ergibt sich auch aus den UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz.

Die Geschlechtszugehörigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH vom Begriff der sozialen Gruppe jedenfalls umfasst (VwGH vom 31.01.2002, 99/20/04978; vom 03.07.2003, 2000/20/0071 mwN). Dies gilt insbesondere für Frauen, wenn diese gerade wegen ihres Geschlechts Verfolgungen der geforderten Intensität ausgesetzt sind.

Weibliche Genitalverstümmelung kann eine Verfolgung im Sinne der GFK darstellen (VwGH vom 24.06.2010, 2007/01/1199; AsylGH vom 22.11.2011, A3 263.844-1/2009; UN High Commissioner for Refugees, UNHCR: Guidance Note on Refugee Claims relating to Female Genital Mutilation, Mai 2009).

Auch die Zugehörigkeit zu einem Familienverband kann das GFK-Merkmal der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe erfüllen, wenn ein Familienmitglied beharrlich gerade wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie verfolgt werden könnte (VwGH vom 28.09.2009, 2008/19/1027).

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit aufgrund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN).

Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430).

3.3. Anwendung des § 3 Abs. 1 AsylG auf den vorliegenden Sachverhalt

Das Bundesamt hat verkannt, dass der Beschwerdeführerin Asyl gemäß § 3 AsylG 2005 zu gewähren ist, da sie Flüchtling gemäß Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK ist.

Es liegt nämlich in ihrer Person eine wohlbegründete Furcht vor, als minderjähriges somalisches Mädchen aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von privater Seite ohne Aussicht auf staatlichen Schutz verfolgt zu werden.

Wie oben 0 festgestellt, gehört die Familie der Beschwerdeführerin nämlich nicht zu jenem kleinen Kreis gebildeter Personen, die die FGM-Tradition aufgegeben haben, es wird vielmehr ein entsprechender sozialer Druck auf die Eltern der Beschwerdeführerin ausgeübt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt im vorliegenden Fall nicht, dass die minderjährige Beschwerdeführerin von sich aus keine konkrete Furcht vor Verfolgung als Mädchen in Somalia geltend gemacht hat.

Nach der unter 0 angeführten Judikatur des VfGH ist dem Vorbringen eines Elternteils, das geltend macht, man habe den Herkunftsstaat (auch) um der Zukunft der Kinder willen verlassen, jedoch zumindest in Grundzügen zu entnehmen, dass ein möglicherweise asylrelevantes Vorbringen im Hinblick auf eine Verfolgung minderjähriger Kinder erstattet wurde. Im vorliegenden Fall hat die Mutter der Beschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreterin ausdrücklich eine solche vorgebracht.

Zudem kommt es nach der dort angeführten Judikatur auch nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. In Bezug auf Kinder ist laut UNHCR (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR: Guidance Note on Refugee Claims relating to Female Genital Mutilation, Mai 2009) zudem zu beachten, dass diese uU. (hier: gerade aufgrund ihrer verfolgungsrelevanten Sozialisation) keine erkennbare Furcht zeigen. In diesem Fall sollte lt. UNHCR eine Entscheidung unabhängig von der konkreten Furcht des Kindes anhand der objektiven Einschätzung des Risikos für das Kind im Herkunftsstaat vorgenommen werden.

Die objektive Furcht liegt im gegenständlichen Fall in jener, als minderjähriges somalisches Mädchen einer schweren Verstümmlung durch die traditionelle Beschneidung unterworfen zu sein, die einer Verfolgung gleichkommt.

Im vorliegenden Fall knüpfen die die Beschwerdeführerin in Somalia erwartenden Eingriffe somit auch an in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK festgelegte Gründe, nämlich an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesverwaltungsgericht daran, dass nach der oben 0 angeführten Judikatur eine Verfolgung von somalischen Mädchen als Opfer von Gruppenverfolgung vorliegt, da hier eine Summe von Vorschriften in Verbindung mit der Art ihrer Durchsetzung von insgesamt so extremer Natur ist, dass die Diskriminierung das Ausmaß einer Verfolgung im Sinne der GFK erreicht, sodass es auf zusätzliche Unverhältnismäßigkeiten im Falle des Zuwiderhandelns und mithin darauf, ob vom konkret betroffenen Asylwerber ein Zuwiderhandeln zu erwarten wäre, nicht ankommt.

Im gegenständlichen Fall ist jedenfalls zu erwarten, dass die noch sehr junge, nicht selbst erhaltungsfähige Beschwerdeführerin einer solchen Verfolgung als Angehörige der sozialen Gruppe der Mädchen ausgesetzt wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt - wie oben 0 angeführt - auch von privaten Personen oder Gruppierungen ausgehender Verfolgung asylrechtliche Relevanz zu, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, Schutz zu gewähren.

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt unter 0 ergibt, besteht in Somalia nach wie vor weder ein funktionierender Polizei- noch ein funktionierender Justizapparat. Für die Beschwerdeführerin ist damit nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie im Herkunftsstaat keinen ausreichenden Schutz vor den zu erwartenden Übergriffen Privater finden kann.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres jungen Alters noch vollständig auf ihre Eltern bzw. ihre Mutter angewiesen wäre, die - insbesondere in Anbetracht von deren geringem Bildungsgrad (0) - gerade nicht als solche angesehen werden können, die der Beschwerdeführerin unter dem sozialen Druck in Somalia die notwendige Unterstützung gewähren könnten. Dies geht auch aus dem Umstand hervor, dass sich die Mutter in der Vergangenheit nicht erfolgreich gegen die Genitalverstümmelung der älteren Schwester der Beschwerdeführerin zur Wehr setzen konnte.

Eine etwaige Furcht der Beschwerdeführerin, es könne ihr bei einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung drohen, erscheint dem Bundesverwaltungsgericht daher als "wohlbegründet" im Sinne der maßgeblichen Rechtsgrundlagen und deren Auslegung durch die Judikatur.

3.4. Innerstaatliche Fluchtalternative

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf Asyl abzuweisen, wenn in einem Teil des Herkunftsstaates des Asylwerbers vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und dem Asylwerber zugemutet werden kann, sich in diesem Teil aufzuhalten (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der GFK niedergelegten Gründen vorliegen kann.

Gemäß Abs. 2 ist bei der Prüfung auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Für die Beschwerdeführerin besteht in Bezug auf die besagte Verfolgungsgefahr einer Genitalverstümmelung keine innerstaatliche Fluchtalternative iSd. § 11 AsylG 2005, da sie diesbezüglich im gesamten Staatsgebiet Somalias im Wesentlichen der gleichen - unter 0 festgestellten - Situation ausgesetzt wäre.

Insoweit sich aus den genannten Feststellungen ergibt, dass in den von der radikal-muslimischen al Shabaab beherrschten Gebieten die Genitalbeschneidung von Mädchen und Frauen verboten und unter dem Druck der Machthaber kaum mehr durchgeführt wird, ist zu bemerken, dass die innerstaatlichen Fluchtalternative gemäß auch zumutbar sein muss und dies unter Beachtung der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen ist (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Im gegenständlichen Fall ist vor dem Hintergrund des unter 0 angeführten Sachverhaltes jedenfalls nicht von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen, da die Beschwerdeführerin als Mädchen unter der Herrschaft der radikal-islamischen al Shabaab anderen schweren Verfolgungen und Diskriminierungen ausgesetzt wäre.

4. Unzulässigkeit der Revision - Spruchpunkt B

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dadurch, dass im gegenständlichen Fall einerseits die Glaubwürdigkeit des konkreten Fluchtvorbringens und andererseits die in der Person der Beschwerdeführerin gelegenen individuellen Umstände iVm der allgemeinen Lage in Somalia im Mittelpunkt standen, ist eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung des vorliegenden Verfahrens nicht gegeben.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die zu 0 angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes) noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

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