BVwG W120 1426001-1

BVwGW120 1426001-113.4.2015

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W120.1426001.1.00

 

Spruch:

W120 1426001-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian EISNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, auch XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. März 2012, Zl 11 08.387-BAL, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen

Bescheides wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 122/2013, iVm § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 144/2013, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG iVm § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 13. April 2016 erteilt.

III. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 1 und 5 VwGVG aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 164/2013, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am 3. August 2011 um 23:20 Uhr in dem zwischen Wien Westbahnhof und Hamburg verkehrenden Zug EN490 auf deutschem Staatsgebiet von Polizeibeamten der Polizeiinspektion Fahndung Passau aufgegriffen. Da der Beschwerdeführer weder ein gültiges Grenzübertrittspapier noch einen schengenwirksamen Aufenthaltstitel für Deutschland vorweisen konnte, bestand für die dortigen Polizeibeamten in Bezug auf den Beschwerdeführer der Verdacht der illegalen Einreise bzw. des illegalen Aufenthaltes. Deshalb wurde der Beschwerdeführer von den Polizeibeamten in Gewahrsam genommen und am 4. August 2011 im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung vom Polizeihauptmeister der Bundespolizeiinspektion Freyung (Deutschland) einvernommen.

Im Duktus der Einvernahme gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sein Vater vom Halbonkel des Beschwerdeführers mit einer Schaufel erschlagen, der Halbonkel daraufhin festgenommen und zwei Tage nach seiner Festnahme wieder freigelassen worden sei, die Mutter des Beschwerdeführers erneut Anzeige erstattet habe und der Halbonkel auch den Beschwerdeführer umbringen habe lassen wollen. Nach Anzeigeerstattung durch die Mutter des Beschwerdeführers sei dieser wieder festgenommen und zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. In weiterer Folge habe er der Mutter des Beschwerdeführers eine Nachricht zukommen lassen, in welcher er ihr mitgeteilt habe, dass er den Beschwerdeführer töten lassen werde, wenn sie ihre Anzeige nicht zurückziehe. "Wenn er [= der Halbonkel des Beschwerdeführers] schon nicht davor zurückschreckt seinen Halbbruder [= den Vater des Beschwerdeführers] zu töten, hatte ich die Angst, dass er auch nicht zögert mich zu töten." Aufgrund dessen haben die Mutter des Beschwerdeführers und sein Onkel mütterlicherseits beschlossen, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen solle.

Da die Polizeibeamten der Bundespolizeiinspektion Freyung Zweifel an dem vom Beschwerdeführer angegebenen Alter hatten, wurde eine medizinische Altersfeststellung (Röntgenaufnahme der linken Hand) veranlasst. Dem Röntgenbefund vom 4. August 2011 des Klinikums Passau ist zu entnehmen, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer "ein abgeschlossenes Längenwachstum bzw. ein Knochenalter von mindestens 18 Jahren vor[liege]."

Gemäß Art 2 Abs 2 des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Rücknahme von Personen an der Grenze (Rückübernahmeabkommen) vom 16. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer am 5. August 2011 in das österreichische Bundesgebiet überstellt. In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am selben Tag den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005.

In seiner Erstbefragung am 5. August 2011 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Bezirkspolizeikommandos Schärding gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er Moslem und ledig sei, aus der Provinz XXXX stamme, seine Mutter in Afghanistan lebe und sein Onkel die Ausreise aus Afghanistan organisiert habe.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass aufgrund einer Familienfeindschaft, ausgelöst durch eine Erbschaft, der Vater des Beschwerdeführers vom Halbonkel des Beschwerdeführers umgebracht worden sei. Der Halbonkel des Beschwerdeführers habe diesem in weiterer Folge angekündigt, ihn ebenfalls umzubringen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte der Beschwerdeführer, von Angehörigen des Halbonkels umgebracht zu werden. Ergänzend führte er diesbezüglich aus, dass er "Vorm Staat [...] keine Angst [habe]."

Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 9. August 2011 bestätigte der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi und seines Rechtsberaters die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Dem Beschwerdeführer wurde zudem der Röntgenbefund vom 4. August 2011 des Klinikums Passau zur Kenntnis gebracht und eine diesbezügliche Kopie ausgefolgt.

Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 28. September 2011 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi an, dass er vier Jahre in die Schule gegangen sei und erklärte sich zur Durchführung einer multifaktoriellen Untersuchung zur medizinischen Altersdiagnose bereit. Es wurde dem Beschwerdeführer überdies mitgeteilt, dass "der zuständige Jugendwohlfahrtsträger [= Bezirkshauptmannschaft Wels-Land], der in Österreich die Rechte von Minderjährigen bei Absenz eines Erziehungsberechtigten wahrnimmt", hierüber in Kenntnis gesetzt werde.

Da die belangte Behörde Zweifel an dem vom Beschwerdeführer angegebenen Alter hatte, wurde eine medizinische Altersschätzung veranlasst. Dem gerichtsmedizinischen Gutachten des XXXX in 4800 Attnang-Puchheim vom 18. Oktober 2011 ist zu entnehmen, dass sich aus einer multifaktoriellen Untersuchung am 12. Oktober 2011 (Befragung und körperliche Untersuchung, Röntgenbild der linken Hand und Computertomographie der brustbeinnahen Schlüsselbeinregion, Panoramaröntgen des Gebisses und zahnärztliche Untersuchung) ergebe, dass sich der Beschwerdeführer "zum Untersuchungszeitpunkt v. 12.10.2011 zumindest in seinem 20. Lebensjahr befand."

Mit Schreiben vom 4. November 2011 der belangten Behörde wurde dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers das obgenannte Gutachten übermittelt und diesem die Möglichkeit der Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme eingeräumt. Zudem wurde in diesem Schreiben mitgeteilt, dass aufgrund des Gutachtens und aller in diesem Zusammenhang stehenden Unterlagen von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werde.

Mit E-Mail vom 8. November 2011 teilte der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass "wir als zuständiger Jugendwohlfahrtsträger dem med. Sachverständigengutachten von Herrn XXXX vom 12.10.2011 aus eigener Wahrnehmung nichts hinzuzufügen haben".

In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 15. November 2011 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi an, dass er Tadschike und Sunnite sei, er in der Ortschaft Chesme Ghaladad, Bezirk Kuhestan, Provinz XXXX, gelebt habe, er als einzige Verwandte in Afghanistan noch seine Mutter und seinen Onkel habe, zu diesen seit seiner Ausreise jedoch kein Kontakt bestehe, seine Mutter in seinem Heimatdorf und sein Onkel in Kabul gelebt haben und er bis vor seiner Ausreise aus Afghanistan vor ca. zehn Monaten seinem Vater bei der Landwirtschaft geholfen habe. In Österreich besuche er einen Deutschkurs. Er verneinte jemals in Afghanistan Probleme mit den Behörden sowie aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seines Religionsbekenntnisses gehabt zu haben. Er sei weder politisch tätig gewesen noch habe er sonstige Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation gehabt. Zudem habe er nie an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen in Afghanistan aktiv teilgenommen, jedoch habe er mit seinem Halbonkel Probleme gehabt, da dieser sein "Feind" sei und mit den Taliban zusammenarbeite.

Beim Ausfüllen der Datengruppe des Asylwerberinformationssystemes (AIS) gab der Beschwerdeführer am selben Tag an, dass sein Vater vor "ca. 1-1,5 Jahren" verstorben sei.

Zu seinen Fluchtgründen erneut befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Halbonkel den Vater des Beschwerdeführers im März/April 2010 umgebracht habe. Die Tötung des Vaters sei die Folge eines Streites zwischen seinem Halbonkel und seinem Vater über das von deren Vater geerbte, der Landwirtschaft gewidmete, Grundstück gewesen. Im Zuge dieses Streites habe der Halbonkel den Vater des Beschwerdeführers mit einer Schaufel umgebracht. Dies habe der Beschwerdeführer jedoch nicht mit eigenen Augen gesehen. Dorfbewohner haben ihn von diesem Umstand in Kenntnis gesetzt. In weiterer Folge sei der Halbonkel aus dem Heimatdorf geflüchtet und die Mutter des Beschwerdeführers habe Anzeige erstattet. Der Halbonkel sei in weiterer Folge verhaftet und nach 1-2 Tagen aus dem Gefängnis wieder entlassen worden. Der Halbonkel habe sofort nach seiner Freilassung der Mutter des Beschwerdeführers über Dorfbewohner ausrichten lassen, dass er sie und den Beschwerdeführer töten werde, falls sie die Anzeige nicht zurückziehe. Eine Woche später sei er beim Beschwerdeführer und dessen Mutter selbst erschienen und habe diesen erneut persönlich mit deren Tod gedroht, falls die Mutter des Beschwerdeführers die Anzeige nicht zurückziehe. Andere Dorfbewohner haben seiner Mutter geraten "nichts gegen [s]einen Halbonkel zu unternehmen, weil er mit den Taleban zusammen[ge]arbeitet [habe] und [sie] Probleme bekommen" werden. Weiters sei dem Beschwerdeführer und seiner Mutter geraten worden, dass diese aus deren Heimatdorf "weggehen" sollen. Die Dorfbewohner haben sich vor dem Halbonkel des Beschwerdeführers gefürchtet, weil dieser mit den Taliban zusammengearbeitet habe. Zudem habe der Onkel mütterlicherseits dem Beschwerdeführer und dessen Mutter geraten, Afghanistan zu verlassen. Die Mutter des Beschwerdeführers habe schließlich erneut Anzeige erstattet, der Halbonkel sei erneut festgenommen und dann wieder freigelassen worden. Während des Aufenthaltes des Halbonkels im Gefängnis, habe der Onkel mütterlicherseits den Beschwerdeführer nach Kabul verbracht und dessen Schleppung von Afghanistan nach Pakistan organisiert. Der Beschwerdeführer habe eine Weile in Pakistan verbracht, bis er dann schließlich weiter nach Europa gereist sei. Die Mutter des Beschwerdeführers habe sich eine Flucht aus Afghanistan finanziell nicht leisten können.

Auf welche Weise der Halbonkel des Beschwerdeführers mit den Taliban zusammengearbeitet habe und wie sich die Zusammenarbeit ausgewirkt habe, wisse der Beschwerdeführer nicht. Der Vater des Beschwerdeführers habe "solange [sich der Beschwerdeführer] erinnern" könne, immer mit dem Halbonkel Probleme gehabt, da dieser gegen die Teilung der geerbten Grundstücke gewesen sei und diese sich uneinig bezüglich der Bewässerung gewesen seien. Der Beschwerdeführer sei auch oft in seiner Kindheit von seinem Halbonkel geschlagen worden.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er von seinem Halbonkel umgebracht zu werden, und zwar "wegen des Grundstückes und weil er weiß, dass ich weiß, dass er der Mörder meines Vaters ist. Meine Rache fürchtet er nicht, da er ja eine mächtige Person ist."

Mit Verfahrensanordnung vom 30. März 2012 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs 1 AsylG 2005 ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Mit Bescheid vom 30. März 2012 wies die belangte Behörde sowohl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §§ 3 Abs 1 iVm 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §§ 8 Abs 1 iVm 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab und wies den Beschwerdeführer darüber hinaus gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.). In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer einer aktuellen und konkreten Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe nicht ausgesetzt gewesen und dies zukünftig auch nicht zu erwarten sei sowie, dass im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art 2 bzw. Art 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde.

Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 10. April 2012, bei der belangten Behörde eingelangt am 11. April 2012, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen zur Gewährung von Asyl erfülle und ihm zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen wäre. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Schreiben vom 17. April 2012, beim Asylgerichtshof eingelangt am 25. April 2012, übermittelte der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung, in welcher dieser moniert, dass die dem Bescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen keine Feststellungen über die Gefährdungslage von Personen, die ins Blickfeld der bzw. in Auseinandersetzungen mit den Taliban geraten seien, enthalten und die herangezogenen Informationen bezogen auf das Entscheidungsdatum zumeist über ein Jahr alt seien.

Mit Schreiben vom 26. September 2012 übermittelte der Verein Menschenrechte in 4020 Linz im Auftrag des Beschwerdeführers eine mit 18. Juni 2012 datierte Bestätigung des Vereins Begegnung Arcobaleno in 4020 Linz über die Teilnahme am Deutschkurs für AsylwerberInnen - Stufe 1, eine mit 22. März 2012 datierte Bestätigung des Vereins Begegnung Arcobaleno in 4020 Linz über die Teilnahme am Alphabetisierungskurs - Stufe 2, ein mit 22. Dezember 2011 datiertes Zeugnis über die erfolgreiche Teilnahme am Deutsch-Aufbaukurs mit 40 Lehreinheiten und ein mit 18. Oktober 2011 datiertes Zeugnis über die erfolgreiche Teilnahme am Deutsch-Grundkurs mit 80 Lehreinheiten.

Der Beschwerdeführer richtete ein mit 11. Dezember 2012 datiertes Schreiben an den Asylgerichtshof, in welchem er um kurze Information hinsichtlich einer voraussichtlichen zeitlichen Verfahrensperspektive ersuchte. Gleichzeitig mit diesem Schreiben übermittelte er eine mit 11. Dezember 2012 datierte Bestätigung des Vereins Begegnung Arcobaleno in 4020 Linz über die Teilnahme am Deutschkurs für AsylwerberInnen - Stufe 2.

Aufgrund eines Ansuchens des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verfahrensdauer des Beschwerdeverfahrens richtete die Volksanwaltschaft ein Schreiben an den Präsidenten des Asylgerichtshofes, der den damals verfahrenszuständigen Richter mit Schreiben vom 8. Jänner 2013 über diesen Umstand informierte.

Mit Schreiben vom 19. März 2013, beim Asylgerichtshof eingelangt am 25. März 2013, übermittelte der Beschwerdeführer die zweite Beschwerdeergänzung, in welcher ausgeführt wurde, dass die Verfolgungssituation des Beschwerdeführers aus einer Familienstreitigkeit um Landbesitz herrühre und aus der Ermordung des Vaters nach traditioneller afghanischer Auffassung nicht nur das Recht, sondern darüber hinaus die Verpflichtung der Familie des Opfers, den Mord durch Blutrache zu rächen, resultiere. Müsste der Beschwerdeführer nach Afghanistan zurückkehren, wäre er mit größter Wahrscheinlichkeit lebensbedrohlicher Verfolgung und einer unzumutbaren Lebenssituation ausgesetzt.

Weiters übermittelte der Beschwerdeführer mit der Beschwerdeergänzung die unter den Punkten I. 15. und I. 16. dieses Erkenntnisses bereits erwähnten Schriftstücke sowie eine mit 4. Februar 2013 datierte Bestätigung des Vereins Begegnung Arcobaleno in 4020 Linz über die Teilnahme an diversen Deutschkursen, ein Schreiben der Volkshochschule in 4020 Linz vom 5. März 2013, in welchem bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer für drei Vorbereitungskurse für den Hauptschulabschluss angemeldet sei, ein Schreiben der Dris. Heidemarie Pfoser, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie in 4600 Wels, mit welchem diese den Beschwerdeführer zu einem CT des Cerebrums zuweist, ein Schreiben des Dris. med. Thomas Falkner, Facharzt für Radiologie in 4600 Wels, in welchem festgestellt wird, dass der cerebrale CT-Befund beim Beschwerdeführer unauffällig sei, und eine Vollmacht vom 30. Jänner 2013, in welchem der Verein ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch in 1170 Wien sowie Novin Mojarrad, Martina Ehrlich und Dr. Günter Klodner vom Beschwerdeführer ua bevollmächtigt werden, diesen im Asylverfahren zu vertreten und an ihn gerichtete Schriftstücke entgegenzunehmen.

Mit Schreiben vom 29. März 2013, beim Asylgerichtshof eingelangt am 2. April 2013, legte der Beschwerdeführer eine mit 27. März 2013 datierte Bestätigung des Vereins Begegnung Arcobaleno in 4020 Linz über die Teilnahme am Deutschkurs für AsylwerberInnen - Stufe 3 vor.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2013, beim Asylgerichtshof eingelangt am 19. Juli 2013, übermittelte der Beschwerdeführer erneut die bereits vorlegten, und unter den Punkten I. 15., I. 16., I. 18. und I. 19. dieses Erkenntnisses erwähnten Unterlagen, sowie eine "Tazkira im Original, aus der sich die Übereinstimmung der im Zulassungsverfahren getätigten Altersangabe (1389: 15 Jahre) er[gebe]", eine "Bestätigung der Polizei im Original betreffend die Ermordung [des] Vaters [des Beschwerdeführers] durch den Onkel" sowie eine "Bestätigung von weiteren Personen im Original betreffend die Ermordung [des] Vaters [des Beschwerdeführers] durch den Onkel."

Mit E-Mail vom 22. Juli 2013 wurde vom Asylgerichtshof die Übersetzung der Originaldokumente in Auftrag gegeben.

Mit beim Asylgerichtshof am 18. August 2013 eingelangten Schreiben übermittelte die Übersetzerin die diesbezüglichen Übersetzungen.

Der Übersetzung der Tazkira ist ua zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer "Dem äußeren Anschein nach 15 Jahre im Jahr 1389 = 2010" gewesen sei.

Die Übersetzung der Bestätigung der Polizei betreffend die Ermordung des Vaters des Beschwerdeführers besagt ua Folgendes: "[...] Mein Ehegatte namens XXXX wurde am 25.12.1389 = 16.03.2011 von seinem Stiefbruder namens XXXX getötet. Der genannte XXXX ist ein Mitglied der Taliban. Mein Sohn, XXXX wird von dieser Person verfolgt und bedroht. Aus diesem Grund und aus Angst ist er aus dem Land ausgereist und geflüchtet. Hiermit habe ich Ihnen den gesamten Verlauf mitgeteilt und bitte Sie daher um die Bestätigung des Todes meines Ehemannes zu dem bestimmten Datum seitens des genannten XXXX. [...] Es wurde Einsicht genommen. 23.11.1391 = 12. Februar 2013 An die verehrte Direktion Es wird um dringende Ermittlungen im Zusammenhang mit der Festnahme im Verfahren des Genannten gebeten. [...] Die Angaben des Antragstellers entsprechen der Wahrheit.

Unterschrift: unleserlich Siegel: unleserlich."

Der Übersetzung der Bestätigung von weiteren Personen betreffend die Ermordung des Vaters des Beschwerdeführers durch den Onkel ist ua folgender Wortlaut zu entnehmen: "Wir, die Antragsteller, Bewohner des Dorfes XXXX im Distrikt XXXX, Provinz XXXX, Bewohner des genannten Gebietes, Volksvertreter des Ortes sowie Mullah des Ortes geben [...] bezüglich des Todes des XXXX folgendes an: Der Verstorbene wurde am 25.12.1389 = 16. März 2011 von seinem Stiefbruder namens XXXX ermordet. [...] Der Grund für die Ermordung durch seinen Stiefbruder war die Meinungsverschiedenheit über das Grundstück. Nach der Ermordung des Genannten, flüchtete sein einziger Sohn aus dem Heimatland und er ist bis dato nicht zurückgekehrt. [...] Verehrte, wir die Dorfbewohner des Dorfes XXXX bestätigen die Aussage der Frau XXXX. [...]"

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2013, beim Asylgerichtshof eingelangt am 4. Oktober 2013, legte der Beschwerdeführer eine mit 24. September 2013 datierte Bestätigung der Volkshochschule in 4020 Linz über Anmeldung zu zwei Vorbereitungskursen bezüglich seines Hauptschulabschlusses und ein Schreiben der Volkshochschule in 4020 Linz vom 26. August 2013 über den Beginn eines Lehrgangs zum Nachholen des Hauptschulabschlusse im Jänner 2014 vor.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2014 wurde von Seiten des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht nachgefragt, ob in nächster Zeit ein mündlicher Verhandlungstermin im vorliegenden Fall vorgesehen sei. Die diesbezügliche Auskunft wurde vom Bundesverwaltungsgericht telefonisch erteilt.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 teilte die Landespolizeidirektion Oberösterreich mit, dass der Beschwerdeführer beschuldigt werde, im Zuge einer Rauferei einen anderen verletzt zu haben.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Juli 2014 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in Afghanistan verständigt. Dem Beschwerdeführer wurde in diesem Schreiben die Möglichkeit eingeräumt, hierzu innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Zudem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb dieser Frist bekanntzugeben, ob sich an seiner Gefährdungslage oder seiner persönlichen (privaten) Situation in Österreich bzw. allenfalls an seinem Gesundheitszustand seit Antragstellung gravierende Veränderungen ergeben haben.

In der hg am 31. Juli 2014 eingelangten Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich und seiner vorgebrachten (asylrelevanten) Gefährdungslage keine Änderungen ergeben hätten. Angesichts der in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers vorliegenden Sicherheitslage möge das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen. Der Stellungnahme beigelegt war ein mit 11. Juli 2014 datiertes "Empfehlungsschreiben" der XXXX.

Mit hg am 18. August 2014 eingelangtem Schreiben übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvolut an diversen Deutschkursbestätigungen und bereits vorgelegten ärztlichen Bestätigungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist volljährig, führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur muslimischen Glaubensrichtung. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Farsi.

Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig iSd § 2 Abs 3 AsylG 2005 und hat in Österreich keine Verbrechen begangen.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz XXXX geboren und lebte dort bis kurz vor seiner Ausreise im Frühjahr 2011 aus Afghanistan. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. In Afghanistan lebte der Beschwerdeführer mit seiner Mutter in seiner Heimatprovinz. Der Beschwerdeführer verfügt bis auf seine Mutter und einen Onkel mütterlicherseits, der drei Kinder hat und in Kabul lebt, über keine weiteren sozialen und familiären Kontakte in Afghanistan.

In Afghanistan besuchte der Beschwerdeführer vier Jahre die Schule und half seinem Vater bei der Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer hat seit seiner Ausreise zu seiner Familie keinen Kontakt mehr.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er verfügt über keine Berufsausbildung. Er nahm bzw. nimmt in Österreich an zahlreichen Deutschkursen und an Kursen zwecks Erlangung des Hauptschulabschlusses teil. In Afghanistan hat er keine beruflichen Perspektiven.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat

1.2.1. Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013).

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3. September 2012). Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012).

1.2.2. Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt unvorhersehbar, die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts (UNAMA-Midyear Report aus Juli 2013). Im Jahr 2013 stieg die Zahl der Verluste unter den Zivilisten um 14% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die steigende Zahl der Toten und Verletzten revidiert den Rückgang im Jahr 2012 und steht im Einklang mit den hohen Rekordzahlen von Zivilopfern im Jahr 2011 (UNAMA-Annual Report aus Februar 2014). Der Rückgang der Zahl der Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Jahr 2012 war als taktische Reaktion der Aufständischen auf den Rückzug der internationalen Truppen und keineswegs als Verlust an operationeller Fähigkeit interpretiert worden (ANSO Quarterly Report aus Juni 2012). Schon im Frühjahr 2013 waren die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Vergleich zum Vorjahr um 47% angestiegen. Zudem nahmen militärische Konfrontationen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und afghanischen Sicherheitskräften, in denen vermehrt Zivilisten ums Leben kamen, in den ersten sechs Monaten 2013 zu (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Konstant bleibt jedenfalls eine bewusste Verlagerung der Angriffsziele von internationalen Truppen zu afghanischen Zielen (ANSO Quarterly Report aus April 2013).

Mittlerweile betrifft der Konflikt, der sich zuvor auf den Süden und Osten des Landes konzentrierte, die meisten Landesteile, insbesondere den Norden, aber auch Provinzen, die zuvor als die stabilsten im Land gegolten hatten. Die zwölf Provinzen mit den insgesamt meisten Sicherheitsvorfällen im Jahr 2012 waren Helmand, Kandahar und Urusgan (südliche Region), Ghazni, Paktika und Khost (südöstliche Region), Nangarhar und Kunar (östliche Region), Herat und Farah (westliche Region) und Kabul und Wardak (Zentralregion). Die südliche, die südöstliche und die östliche Region entwickelten sich zu einem zunehmend zusammenhängenden Kampfgebiet. In den Provinzen Kandahar, Kunar, Nangarhar, Logar und Wardak kam es im Jahr 2012 zu einem deutlich höheren Grad an Sicherheitsvorfällen als 2011 (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

1.2.2.1. Sicherheitslage im Raum Kabul:

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Dennoch verüben die Taliban (einschließlich das Haqqani-Netzwerk) in Kabul weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe und demonstrieren, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden können, was anscheinend darauf abzielt, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher "Geldgeber" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten (Ruttig, After the "operational pause" vom 2. Juni 2013).

Am 10. Juni 2013 griffen Angehörige der Taliban das NATO-Hauptquartier im militärischen Teil des Flughafens in Kabul an und lieferten den afghanischen Sicherheitskräften ein rund vierstündiges Gefecht; am Tag darauf verübten Taliban einen Anschlag auf den Obersten Gerichtshof in Kabul (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Am 16. November 2013 steuerte ein vor Sicherheitskräften flüchtender Selbstmordattentäter in Kabul sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in ein Militärfahrzeug und tötete vier Zivilisten, einen Polizisten und einen Soldaten; 22 Personen wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich nahe des Zeltes der am 21. November 13 beginnenden Großen Stammesversammlung (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. November 2013). Am 11. Dezember 2013 sprengte sich ein Selbstmordattentäter am Flughafen der Hauptstadt Kabul in unmittelbarer Nähe eines Bundeswehr-Konvois in die Luft (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Dezember 2013). Am 27. Dezember 2013 wurden bei einem mutmaßlichen Selbstmordanschlag auf einen Konvoi internationaler Truppen im Osten Kabuls mindestens 3 ausländische Soldaten und weitere Zivilisten getötet (Radio Free Europe vom 27. Dezember 2013). Am 17. Jänner 2014 töteten drei Angreifer bei einem Anschlag auf ein bei Ausländern beliebtes Lokal insgesamt 21 Menschen, darunter 13 Ausländer: Ein Attentäter sprengte sich vor dem gut gesicherten Eingang in die Luft, zwei weitere stürmten in das gut besuchte Lokal und schossen wahllos um sich (Bericht der APA vom 18. Jänner 2014).

1.2.2.2. Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Im Süden und Osten finden die meisten extra-legalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107% bzw. 114% massiv anstiegen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3. September 2012). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81% an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250% anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21% im Vergleichszeitraum des Vorjahres (ANSO Quarterly Report aus April 2013).

Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127% (ANSO Quarterly Report aus April 2013). Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen DorfbewohnerInnen, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014). Von der Verschlechterung der Sicherheitslage in den umliegenden Provinzen sind auch die Zufahrtsstraßen zu den (von Hazara bewohnten und an sich weniger stark von den Unruhen betroffenen) Distrikten Jaghori, Jaghatu und Malistan betroffen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11. November 2011). Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013). Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013).

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014). Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187% im Vergleich zum Vorjahr erhöht (ANSO Quarterly Report aus April 2013). Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu (ANSO Quarterly Report aus April 2013); Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind (UNAMA-Annual Report aus Februar 2014).

1.2.2.3. Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72% in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014). Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert (Der Spiegel, Abzug aus Afghanistan vom 6. Oktober 2013).

Exkurs: Blutrache

Gemäß alt hergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Akte der Vergeltung die Mitglieder einer anderen Familie. In Hinblick auf Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Pashtunwali verwurzelt. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Vergehen wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführungen oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss sich die Rache grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben würde, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Exkurs: Dokumente

Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden offenkundig ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach 23 Jahren Bürgerkrieg lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption. Unter den soeben genannten Gesichtspunkten besteht kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten. Im Visumverfahren werden teilweise gefälschte Einladungen oder Arbeitsbescheinigungen vorgelegt. Nach Erkenntnissen des Dokumentenberaters am Flughafen Kabul werden durch die hohe Prüfqualität der Kontrollbeamten immer weniger gefälschte Reisedokumente vorgelegt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Gemäß UNHCR, mit Verweis auf einen Zeitungsartikel von The Guardian vom 18.01.2012 mit dem Titel "Boom time for Afghanistan's people smugglers", sind in Afghanistan die verschiedensten Arten von gefälschten Dokumente im Umlauf. Laut der IOM ist es gängige Praxis in Afghanistan Dokumente fälschen zu lassen. Die IOM ist in den Jahren bereits auf viele derartige Dokumente gestoßen. Wie die Menschen in den Besitz dieser Dokumente kommen, ist der IOM nicht bekannt.

Die CPAU gab bekannt, dass es möglich ist, in Afghanistan alle Arten von falschen Dokumenten zu erhalten, und zwar Ausweise, Geburtsurkunden, Führerscheine, Heiratsurkunden, Drohbriefe der Taliban und sogar Zeitungsartikel. Da es teuer und gefährlich ist (Risiko von der lokalen Polizei erwischt zu werden), in Afghanistan an derartige Dokumente zu kommen, tendieren die Menschen dazu, diese bei Agenturen in Pakistan, welche diese herstellen und dann nach Afghanistan übersenden, zu bestellen. In der Stadt Peshawar in Pakistan gibt es einen Straßenmarkt namens Ghesseh-Khani (Bedeutung= Straßenerzähler), wovon eine große Anzahl der durch Afghanen verwendete gefälschte Dokumente stammen. Die CPAU spricht auch davon, dass es Agenturen gibt, die sich offiziell "Reiseveranstalter" nennen und deren Job es ist, "asylum stories" und deren Richtigkeit untermauernde Dokumente Afghanen, welche beabsichtigen in den westlichen Ländern um Asyl anzusuchen, als Paket anbieten.

Auch die UNAMA nimmt an, dass auf dem Schwarzmarkt in Afghanistan alle Arten von gefälschten Dokumenten erhältlich sind (Danish Immigration Service, Afghanistan - Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process vom Mai 2012).

1.2.3. Menschenrechte:

Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden, können willkürlichen Festnahmen (inklusive Inhaftierung ohne Anklage) sowie Misshandlungen durch internationale Truppen oder durch afghanische Behörden ausgesetzt sein (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Entführungen, die entweder politisch oder finanziell motiviert sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Regierungsfeindliche Kräfte greifen systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. Zu den primären Zielen solcher Anschläge zählen u.a. politische Führungskräfte, Lehrer und andere Staatsbedienstete, ehemalige Polizisten und Zivilisten, die der Spionage für regierungstreue Kräfte bezichtigt werden. Auch afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, werden von Taliban bedroht und angegriffen. In Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, nutzen regierungsfeindliche Kräfte Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzen, sind gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt und getötet oder bestraft zu werden (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Personen, denen Verstöße gegen die Scharia - wie Apostasie, Blasphemie, freiwillige, gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch - vorgeworfen werden, sind nicht nur der Gefahr ihrer Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt. Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013). UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

1.2.4. Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Art. 34 der afghanischen Verfassung gestattet die Meinungs- und Pressefreiheit. Jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung eingeschränkt (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013).

Staatlichen Medien, wie der Fernsehsender RTA, die Nachrichtenagentur Baghda und die Tageszeitung Anis stehen unter starker inhaltlicher Einflussnahme der Regierung. Daneben gibt es eine Fülle privater Medien, die von großen westlich orientierten und regierungskritischen Medien bis hin zu kleinen Sendern und Zeitungen lokaler Machthaber, von Parteien oder religiösen Strömungen zur Verstärkung ihrer eigenen Propaganda reichen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Politiker, Sicherheitsbeamte und andere Personen in Machtpositionen bedrohten oder misshandelten eine große Anzahl an Journalisten aufgrund ihrer Berichterstattung (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013). Die gewalttätigen Übergriffe gegen Journalisten gingen bis hin zu gezielten Ermordungen. Rasche Ermittlungen und staatsanwaltliche Verfolgung dieser Vorfälle blieben oft nur gute Absicht. Journalisten beklagen zudem eine wachsende Kontrolle des Staates über Berichterstattung betreffend Korruption, Sicherheitsvorfälle, und Aufständische. Sender, die "unislamische" Fernsehsendungen ausstrahlen werden zum Teil dem Staatsanwalt vorgeführt. Strafen reichen bis zum Entzug der Sendelizenz. Unter den afghanischen Journalisten ist daher eine Kultur der Selbstzensur zu beobachten. Einige Journalisten gehen jedoch bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern. Staatspräsident Karzai sprach sich im Oktober 2012 explizit dafür aus, dass das Ministerium für Information und Kultur medial vermittelte Inhalte stärker kontrollieren solle, da "unislamische" Videos und kontroverse Fernsehdebatten das Potential hätten, die Gesellschaft zu entzweien (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Was das (in der afghanischen Verfassung garantierte) Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit anbelangt, gibt es regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind grundsätzlich gewährleistet (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

1.2.5. Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Nach offiziellen Schätzungen sind 84% der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, werden weiterhin durch das geltende Recht diskriminiert (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Hindus und Sikhs werden auch im Alltag diskriminiert und bei der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien bedroht oder angegriffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Christen und Angehörige der Baha'i vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Die afghanische Regierung schützt religiöse Minderheiten vor Übergriffen nicht (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Die Situation der größten religiösen Minderheit des Landes, der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert, ist jedoch noch immer mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert, wobei die Beziehungen zur sunnitischen Mehrheit sich verschlechtert hat (International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20. Mai 2013).

1.2.6. Ethnische Minderheiten:

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt (ÖIF-Länderinfo aus Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird auf ca. 38% Paschtunen, ca. 25%, Tadschiken, ca. 19% Hazara, ca. 6% Usbeken sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u. a.) geschätzt. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013). In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein (Congressional Research Service vom 22. November 2013).

In der Provinz Ghazni errangen Vertreter der Ethnie der Hazara sämtliche Sitze, die im Unterhaus für diese Provinz reserviert waren, was jedoch u.a. auch auf die niedrige Wahlbeteiligung in den paschtunisch besiedelten Distrikten aufgrund der prekären Sicherheitslage zurückzuführen war (D-A-CH-Bericht zur Sicherheitslage aus März 2011). In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

1.2.7. Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Die Afghanische Nationale Polizei (ANP) gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35% der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

1.2.8. Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser.

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

1.2.9. Rückkehrfragen:

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM aus Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11. November 2011).

Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor der Bundespolizeiinspektion Freyung (Deutschland), in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz inklusive Beschwerdeergänzungen, in die vom Beschwerdeführer erstatteten weiteren Schriftsätze und Stellungnahmen inklusive vorgelegter Urkunden sowie in die im Wege des schriftlichen Parteiengehörs übermittelten Länderberichte.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität, Sprachkenntnissen, Herkunft, Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde und in der Beschwerde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Bezüglich der Feststellung der Volljährigkeit des Beschwerdeführers folgt das Bundesverwaltungsgericht dem von der belangten Behörde veranlassten Altersfeststellungsgutachten vom 18. Oktober 2011 bzw. dem Ergebnis des Röntgenbefundes des Klinikums Passau vom 4. August 2011, wonach sich der Beschwerdeführer bereits zum Untersuchungszeitpunkt "zumindest in seinem 20. Lebensjahr" befunden habe bzw. bei ihm "ein Knochenalter von mindestens 18 Jahren vor[liege]."

Zur Altersfeststellung ist auszuführen, dass diese vom Gesetzgeber als wissenschaftliche Möglichkeit zur Feststellung eines Mindestalters normiert wurde, diese wissenschaftlich anerkannt ist und das Bundesverwaltungsgericht daher keinen Grund hat, am Instrument der Altersfeststellung zu zweifeln. Auch die vorgelegten Gutachten sind nachvollziehbar, die fachliche Eignung der untersuchenden Ärzte steht für das Bundesverwaltungsgericht außer Zweifel; trotzdem kann es im Einzelfall zu einer Widerlegung eines Gutachtens zur Altersfeststellung kommen. Allerdings wird diese Widerlegung - so ein Gutachten im Einzelfall nicht in sich widersprüchlich wäre - eines Gutachtens bedürfen, das den gleichen fachlichen Vorgaben entspricht, die das Gesetz dem von amtlicher Seite beigeschafften Gutachten vorschreibt (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 14. Mai 2014, Zl Ro 2014/06/0011; vom 6. Juli 2011, Zl 2008/08/0101; vom 20. Mai 1998, Zl 96/03/0227, sowie vom 17. Februar 1987, Zl 86/07/0266), was im gegenständlichen Fall jedoch nicht erfolgt ist. Es besteht daher kein Grund, nicht von der Richtigkeit des Gutachtens auszugehen.

Seine strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 12. Jänner 2015.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Ausführungen bezüglich der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan basieren auf dessen eigenen, glaubhaften Angaben.

Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass es der Beschwerdeführer nicht vermocht habe, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen.

Vorauszuschicken ist, dass die das Todesdatum des Vaters betreffenden Beweisergebnisse eklatant voneinander abweichen:

Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme am 15. November 2011 vor der belangten Behörde dar, dass sein Halbonkel seinen Vater im 1. Monat 1389 (März/April 2010) umgebracht habe. Zudem gab er beim Ausfüllen der Datengruppe des Asylwerberinformationssystemes (AIS) am selben Tag an, dass sein Vater vor "ca. 1-1,5 Jahren", verstorben sei, demzufolge an einem nicht mehr genau feststellbaren Tag zwischen Mai und November 2010.

Mit Schreiben vom 16. Juli 2013 legte der Beschwerdeführer ua zwei Dokumente vor, nämlich eine "Bestätigung der Polizei im Original betreffend die Ermordung seines Vaters durch den Onkel" und "eine Bestätigung von weiteren Personen im Original betreffend die Ermordung seines Vaters durch den Onkel". Der Übersetzung des erstgenannten Dokuments ist zu entnehmen, dass die Mutter des Beschwerdeführers vor dem "verehrten Herrn Kommandanten des Distriktes ‚XXXX' [...]" angab, dass ihr Ehegatte (= der Vater des Beschwerdeführers) am "25.12.1389 = 16.03.2011" von "seinem Stiefbruder namens XXXX getötet" worden sei. Der Übersetzung des letztgenannten Dokumentes ist zu entnehmen, dass "Bewohner des Dorfes XXXX im Distrikt XXXX, Provinz XXXX" vor dem "verehrten Herrn Volksvertreter des Dorfes ‚XXXX' [...]" angaben, dass der Verstorbene "am 25.12.1389 = 16. März 2011 von seinem Stiefbruder namens XXXX ermordet" worden sei und jene Dorfbewohner "die Aussagen der Frau XXXX bestätigen."

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vom 15. November 2011 von diesem weder in der Einvernahme selbst noch in der Beschwerde und deren weiteren zwei Ergänzungen in keiner Weise bestritten wurden, die 1 1/4 Jahre nach Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides vorgelegten ohne Errichtungsdatum versehenen Dokumente vom Bundesverwaltungsgericht weder auf Echtheit noch auf Richtigkeit überprüft werden können, kommt den vorgelegten Beweismitteln in Hinblick auf die Bedrohung des Beschwerdeführers keine Relevanz zu und war daher den Angaben des Beschwerdeführers in Hinblick auf das Todesdatum des Vaters zu folgen.

Die übrigen Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen folgen zwar im Prinzip einem bestimmten Handlungsverlauf, weichen jedoch in den behördlichen Einvernahmen (vor allem in der Beschuldigtenvernehmung vom 4. August 2011 und der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 15. November 2011) in wesentlichen Punkten insofern eklatant voneinander ab, als man aufgrund der Intensität derartiger Vorfälle davon ausgehen müsste, dass eben diese Details in Erinnerung geblieben sind, sofern das Geschehen tatsächlich stattgefunden hätte.

Zur Illustration wird im Folgenden auf die entscheidungswesentlichsten Angaben eingegangen:

Der Beschwerdeführer gab bei der Beschuldigtenvernehmung vom 4. August 2011 vor der Bundespolizeiinspektion Freyung an, dass sein Halbonkel nach dem Tod des Vaters festgenommen, nach zwei Tagen wiederum freigelassen worden sei, den Beschwerdeführer in weiterer Folge umbringen lassen habe wollen, nach nochmaliger Anzeigenerstattung durch die Mutter des Beschwerdeführers wieder festgenommen, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden sei und der Mutter des Beschwerdeführers eine Nachricht habe zukommen lassen, in welcher er dieser mitgeteilt habe, er werde den Beschwerdeführer töten lassen, wenn diese ihre Anzeige nicht zurückziehe (vgl. AS 9), um dann in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 15. November 2011 zu seinen Fluchtgründen befragt anzugeben, dass der Halbonkel nach seiner Festnahme und anschließender Freilassung dem Beschwerdeführer und dessen Mutter über Dorfbewohner eine Drohung gegen die beiden ausrichten habe lassen und eine Woche später den Beschwerdeführer und dessen Mutter persönlich bedroht habe (vgl. AS 233). Von einer zehnjährigen Haftstrafe sprach der Beschwerdeführer nicht mehr. Vielmehr gab er an, dass die Mutter nach der persönlichen Drohung durch den Halbonkel, diesen erneut angezeigt habe, dieser wieder verhaftet worden sei und der Beschwerdeführer nicht wisse, wie lange der Halbonkel in Haft gewesen, er jedoch wieder freigelassen worden sei und der Onkel des Beschwerdeführers mütterlicherseits diesen dann nach Kabul verbracht habe (vgl. AS 234).

Diesen Widersprüchen ist eindeutig zu entnehmen, dass selbst die "Kerngeschichte" vom Beschwerdeführer nicht einheitlich dargelegt wurde. Den vorgelegten Dokumente, die - wie oben bereits dargelegt -, vom Bundesverwaltungsgericht weder auf ihre Richtigkeit noch auf ihre Echtheit überprüft werden können, kommen im Hinblick auf eine Bedrohung des Beschwerdeführers keine Relevanz zu, da ihnen lediglich zu entnehmen ist, dass die Mutter des Beschwerdeführers und einige Dorfbewohner den Tod des Vaters des Beschwerdeführers angezeigt haben. Zudem ist ihnen weder ein Errichtungsdatum zu entnehmen noch ist das Siegel erkennbar.

Im Übrigen hält die Beschwerde der die Fluchtgründe betreffenden substantiierten und schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde nichts entgegen, zumal nicht einmal der Versuch unternommen wurde, der Beweiswürdigung der belangten Behörde außer durch die Wiederholung und Ergänzungen von Teilen des Vorbringens und Aufstellen von allgemeinen Behauptungen, die weder begründet noch näher ausgeführt wurden, entgegenzutreten.

Dass der Beschwerdeführer die Rache seines Halbonkels nicht fürchtet und daher von diesem auch nicht wegen "vorgreifender" Blutrache verfolgt wird (sondern - bezogen auf die Asylrelevanz - allenfalls aus kriminellen Motiven) ergibt sich aus seiner eigenen Aussage (AS 233) sowie aus seinem bisherigen Vorbringen. Gegenteiliges wird erstmals in der Beschwerde und auch hier nur äußerst vage behauptet.

2.3. Zum Herkunftsstaat

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der ANSO oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zudem wurde den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen durch den Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG legt fest, dass die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit erkennen.

Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 war der Asylgerichtshof gemäß Art 129c B-VG in der bis dahin geltenden Fassung, zuständig, nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen - das war bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 das Bundesasylamt - zu erkennen.

Gemäß Art 151 Abs 51 Z 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1. Jänner 2014 zum Bundesverwaltungsgericht. Dieses hat gemäß § 75 Abs 19 AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren (nach Maßgabe des § 75 Abs 20 AsylG 2005) zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängig, somit ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Nach § 1 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G), BGBl I Nr 87/2012 idF BGBl I Nr 68/2013, besteht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) als eine dem Bundesminister für Inneres unmittelbar nachgeordnete Behörde mit bundesweiter Zuständigkeit.

Gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BFA-G obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des AsylG 2005.

Art 131 Abs 2 B-VG legt fest, dass das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG in Rechtsachen in den Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, erkennt.

Die konkrete Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Fall ergibt sich daher aus Art 131 Abs 2 B-VG iVm §§ 1 und 3 Abs 1 Z 2 BFA-G.

3.2. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).

§ 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I Nr 87/2012 idF BGBl I Nr 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt.

§§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Mit 1. Jänner 2006 ist das AsylG 2005 in Kraft getreten, welches auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz in seiner jeweils geltenden Fassung, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden ist.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I Nr 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer einschlägigen anderslautenden Regelung unterliegt der Beschwerdefall somit der Einzelrichterzuständigkeit.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung:

"Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Absätze 1, 2 und 5 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[...]

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

[...]."

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG fest (vgl. zuvor II. 1. ). Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4. Mündliche Verhandlung

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist -, ungeachtet eines Parteiantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl I Nr 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr C 83 vom 30.03.2010 S, widerspricht.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art 6 EMRK kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR vom 12. November 2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; EGMR vom 8. Februar 2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden). Der Verfassungsgerichtshof hat in Anlehnung an diese Judikatur zu der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft gewesenen Vorgängerbestimmung des § 21 Abs 7 BFA-VG (ex § 41 Abs 7 AsylG 2005) unter Berücksichtigung des Art 47 iVm Art 52 GRC ausgesprochen, dass eine mündliche Verhandlung auch regelmäßig unterbleiben kann, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt. Zudem steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren in Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im erstbehördlichen Verfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 14. März 2012, Zl U 466/11).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Auslegung der in § 21 Abs 7 BFA-VG enthaltenen Lokution "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien maßgeblich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2014, Zlen Ra 2014/20/0017 und 0018).

Sowohl gemäß der oben erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch unter Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 24 Abs 4 VwGVG iVm 21 Abs 7 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben:

Der Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung nachgekommen, der Sachverhalt ist nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt worden, die behördliche Beweiswürdigung wurde in der Rechtsmittelschrift nicht substantiiert bekämpft und in der Beschwerde wurde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet. Es ergaben sich daher keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgebenden Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern. Daran ändert auch ein in der Beschwerde gestellter Antrag nichts, eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 23. November 2006, Zl 2005/20/0406).

Mit der Behauptung, die sich auf die Fluchtgründe beziehenden Angaben des Beschwerdeführers seien entgegen der Auffassung der belangten Behörde "wahr", wird zwar die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides bestritten und begehrt, die Sachverhaltsgrundlage im Hinblick auf die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Sinne der Angaben des Beschwerdeführers festzustellen, jedoch genügt wie im gegenständlichen Fall eine bloße - d.h. nicht konkrete und nicht substantiierte - Bestreitung des Sachverhaltes und der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht, um mit dieser Behauptung durchzudringen und die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu erreichen (vgl. dazu auch die Ausführungen auf den Seiten 35ff).

Zu A) Internationaler Schutz

Zu Spruchpunkt I. (Asylantrag)

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 6. Oktober 1999, Zl 99/01/0279).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19. Oktober 2000, Zl 98/20/0233).

Abgesehen davon, dass den Angaben des Beschwerdeführers aufgrund von Widersprüchen und Ungereimtheiten in wesentlichen Teilen des Vorbringens die Glaubhaftigkeit abzusprechen war, ergibt sich ohnedies aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist; dies selbst bei Annahme des Zutreffens des vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösendes Ereignis im Wesentlichen vor, Afghanistan aufgrund der Ermordung seines Vaters aufgrund einer Familienfeindschaft wegen einer "Erbschaft mit Grund" (vgl. AS 375) verlassen zu haben. Seine Verfolgungssituation resultiere aus einer Familienstreitigkeit um Landbesitz (vgl. Seite 1 der Beschwerdeergänzung vom 19. März 2013). Der Halbonkel des Beschwerdeführers habe zwei Motive, den Beschwerdeführer zu "eliminieren" [(einerseits, um seinen Erbanspruch auf das Grundstück zu sichern und andererseits, um eine Gefährdung durch Blutrache auszuschließen); vgl. Seite 2 der Beschwerdeergänzung vom 19. März 2013].

Hinsichtlich der sich auf den Beschwerdeführer durchschlagenden Bedrohungssituation dessen Vaters aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten könnte ein asylrelevanter Anknüpfungspunkt an die GFK lediglich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gestützt werden.

Dem Beschwerdeführer ist jedoch diesbezüglich entgegenzuhalten, dass der Verfolgungsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe nur in Betracht kommt, wenn die Verfolgung immer wegen einer bereits bestehenden Gruppenzugehörigkeit erfolgt, weshalb sich jene Personen, die erst durch die Verfolgung zu einer Gruppe werden, nicht auf jenen Grund berufen können. Verfolgung aus diesem Konventionsgrund ist daher lediglich dann zu bejahen, wenn die Repression nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen (d.h. sie würden nicht verfolgt, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten) und sich die Anknüpfung an dieses Merkmal oder die auf dem Merkmal basierende konkrete Art der Unterscheidung nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, sondern illegitim erscheint (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005 [2006], 105).

Die Qualifizierung des Beschwerdeführers als Angehöriger der sozialen Gruppe "der in Grundstücksstreitigkeiten verstrickten und in diesem Zusammenhang mit dem Tod von Familienangehörigen konfrontierten Personen" scheitert bereits daran, dass diese Eigenschaft weder ein (im Sinne der obigen Definitionen) besonders geschütztes unveräußerliches Merkmal darstellt, noch den Beschwerdeführer zum Mitglied einer von der Gesellschaft insgesamt hinreichend unterscheidbaren und deutlich identifizierbaren Gruppe macht (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 26. Juni 2007, Zl 2007/01/0479).

Zudem verneinte der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 26. Februar 2002, Zl 99/20/0571, und vom 14. Jänner 2003, Zl 2001/01/0432, ausdrücklich das Vorliegen eines Konventionsgrundes im Zusammenhang mit Erbschafts- und/oder Grundstücksstreitigkeiten.

Aus diesen Erwägungen heraus scheidet die Annahme einer sozialen Gruppe derer, die aufgrund von Erbschafts- bzw. Grundstücksstreitigkeiten verfolgt werden, aus.

Ferner könnte ein asylrelevanter Anknüpfungspunkt an die GFK auf die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "Familie" (vgl. ua die Erkenntnisse des VwGH vom 31. Jänner 2002, Zl 99/20/0497; vom 19. Dezember 2001, Zl 98/20/0312, sowie vom 16. April 2002, Zl 99/20/0483) gestützt werden.

Mit dem Vorbringen einer allfälligen sich auf den Beschwerdeführer durchschlagenden Bedrohungssituation in Bezug auf dessen Vater (der aufgrund der oben erwähnten Erbschafts- bzw. Grundstücksstreitigkeiten getötet worden sei), vermag der Beschwerdeführer jedoch nichts zu gewinnen und ist ihm diesbezüglich Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 19. Dezember 2001, Zl 98/20/0330, sowie vom 24. Juni 2004, Zl 2002/20/0165) können Verfolgungshandlungen gegen Verwandte eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden. Diese Form der "stellvertretenden" (oder - in anderen Fällen - zusätzlichen) Inanspruchnahme für ein Familienmitglied entspricht dem Modell des - oft als "Sippenhaftung" bezeichneten - "Durchschlagens" der Verfolgung eines Angehörigen auf den Asylwerber. Die entsprechende Asylrelevanz wird aus dem Verfolgungsgrund der "sozialen Gruppe" abgeleitet.

Ein solches Durchschlagen der einen Angehörigen treffenden Verfolgung kann jedoch nur dann asylrelevant sein, wenn solche Gründe (wenigstens) in der Person des Angehörigen des Beschwerdeführers vorliegen (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 11. Oktober 2000, Zl 2000/01/0172; vom 21. September 2000, Zl 98/20/0439, vom 20. Jänner 1993, Zl 92/01/0794, sowie vom 5. November 1992, Zl 92/01/0792). Aus den Behauptungen des Beschwerdeführers kann hierfür jedoch kein hinreichend konkreter Anhaltspunkt abgeleitet werden, da er kein Vorbringen erstattet hat, welchem in der Person dessen Vaters gelegener Konventionsgrund zu entnehmen gewesen wäre, zumal der Beschwerdeführer selbst ausführte, dass der Grund des Todes seines Vaters in einem Grundstücksstreit zu erblicken sei (vgl. AS 235: "V. Dann ist es nicht verständlich und nachvollziehbar, dass Ihr Halbonkel sich nicht schon längst die Grundstücke mit Gewalt an sich genommen hat. - A. Solange ich mich erinnern kann, hat mein Vater immer mit seinem Halbbruder Probleme gehabt. Der Halbonkel wollte keine Teilung der Grundstücke, auch beim Aufteilen der Ernte bekamen wir sehr wenig. Mein Halbonkel hatte ja auch Kinder."), Grundstücksstreitigkeiten - wie bereits dargelegt - gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit einem Konventionsgrund stehen und gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, Zl 96/20/0045) eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung keine ist, die den in der GFK genannten Gründen zugeordnet werden kann.

Ferner behauptet der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall eine Verfolgung seinerseits liege darin, dass sein Halbonkel einer vom Beschwerdeführer allenfalls drohenden "Blutrache" wegen Ermordung der Familienangehörigen des Beschwerdeführers vorbeugen möchte und den Beschwerdeführer deshalb umzubringen beabsichtige, weshalb auch hier ein asylrelevanter Anknüpfungspunkt an die GFK lediglich auf eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gestützt werden könnte.

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, Zl 2007/19/0265) ließe sich, träfe es zu, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von den Mördern seines Vaters deshalb verfolgt und allenfalls getötet werden würde, um einer vom Beschwerdeführer zu übenden Blutrache vorzubeugen, ein Zusammenhang mit einem Konventionsgrund nicht ausschließen. In diesem Erkenntnis verwies der Verwaltungsgerichtshof auf sein "zu einer vergleichbaren Konstellation ‚vorbeugender' Verfolgung wegen befürchteter Blutrache" ergangenes Erkenntnis vom 7. Oktober 2008, Zl 2006/19/0706).

Damit ist jedoch lediglich ein Anknüpfungspunkt an die GFK gegeben, der eine Voraussetzung für eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten bilden könnte.

Der Beschwerdeführer gab in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt selbst an "Mein Halbonkel würde mich umbringen. F: Warum? A: Wegen des Grundstücks und weil er weiß, dass ich weiß, dass er der Mörder meines Vaters ist. Meine Rache fürchtet er [gemeint ist der Halbonkel] nicht, da er ja eine mächtige Person ist" (vgl. AS 233). Hiermit schließt der Beschwerdeführer eine vermeintliche Furcht seines Halbonkels vor der allfälligen - vom Beschwerdeführer - drohenden "Blutrache" (und damit einhergehend ein wesentliches Element seines vorgebrachten Asylgrundes) vollkommen aus, weshalb aus dem diesbezüglichen Vorbringen - auch vor dem Hintergrund der vorgenannten höchstgerichtlichen Judikatur - nichts zu gewinnen ist

Weiters ist festzuhalten, dass Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet sind; die wohlbegründete Furcht müsste vielmehr bis zur Ausreise andauern (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 23. Jänner 1997, Zl 95/20/0221). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Beschwerdeführers zu verstehen. Je schwerer der drohende Eingriff, desto geringer ist die erforderliche Gefahrenneigung. Bei schwersten Eingriffen, etwa bei drohenden Eingriffen in Leben, Gesundheit oder Freiheit, ist darauf abzustellen, ob die Verfolgungsgefahr mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Letztlich sind im Asylverfahren lediglich die Gründe zu prüfen, welche unmittelbar zur Ausreise geführt haben.

Da Voraussetzung für die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling das Vorliegen eines Eingriffs ist, der eine solche Intensität erreicht, dass es dem Beschwerdeführer unzumutbar ist, weiter im Heimatstaat zu verbleiben, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten zwei Vorfälle (eine durch Dorfbewohner "ausgerichtete" und eine persönliche Bedrohung seinerseits durch den Halbonkel), die sich mindestens ein Jahr vor der Ausreise (im Jahr 2010) zugetragen haben und daher nicht geeignet sind, einen zeitlichen Konnex zur Ausreise im Frühjahr 2011 herzustellen, daher aufgrund der verstrichenen Zeit zwischen den Vorfällen und der Ausreise auch nicht die erforderliche Aktualität einer Verfolgung angenommen werden kann, somit die zwei Vorfälle aus dem Jahr 2010 nicht dazu geführt haben, dass der Beschwerdeführer so große Angst vor weiteren Drohangriffen und Übergriffen auf sich selbst gehabt hätte, die einer begründeten Furcht entsprechen und es ihm unerträglich gemacht hätten, im Heimatstaat zu bleiben, vermögen die vom Beschwerdeführer behaupteten Vorfälle schon deshalb keine begründete Furcht vor Verfolgung zu begründen, weshalb der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen daher bereits aus diesem Grund keine Asylrelevanz aufzeigen konnte.

Schlussendlich würde es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfolgungshandlung um keine von staatlicher, sondern eine von dritter Seite ausgehende handeln. Unbedingte Voraussetzung der Annahme einer asylrelevanten Verfolgung im Lichte der GFK durch Dritte im Falle einer etwaigen Schutzunwilligkeit und Schutzunfähigkeit des Heimatstaates ist demnach das Vorliegen der Anknüpfung an einen in der GFK normierten Verfolgungsgrund. Da Im konkreten Fall der asylrelevante Anknüpfungspunkt - wie oben bereits dargelegt - fehlt, konnte der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen keine asylrelevante Verfolgungshandlung bzw. -gefahr aufzeigen.

Auch mit seinem Vorbringen, aus der Kooperation des Halbonkels des Beschwerdeführers mit den Taliban resultiere eine asylrelevante Bedrohung für den Beschwerdeführer, vermag der Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da er sich diesbezüglich lediglich auf Mutmaßungen und nicht näher konkretisierte Behauptungen beschränkte. Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde in ausreichender Weise Gelegenheit gegeben, dieses Vorbringen zu konkretisieren, zumal der Beschwerdeführer stets behauptete, Verfolgungshandlungen lediglich von Seiten seines Halbonkels zu befürchten zu haben (vgl. AS 233: "A.: Mein Halbonkel würde mich umbringen."). Er selbst führt dazu (vgl. AS 234 "F. Sie geben immer an, dass der Halbonkel mit den Taleban zusammengearbeitet hätte und mächtig wäre. Wie hat sich das Zusammenarbeiten mit den Taleban ausgewirkt bzw. wie hat Ihr Onkel mit den Taleban zusammengearbeitet.") lediglich aus, "Ich weiß es nicht, ich kann dazu nichts sagen." Auch der verfahrensgegenständlichen Beschwerde sind keine Anhaltspunkte für eine potenzielle Bedrohungs- bzw. Verfolgungssituation des Beschwerdeführers in Hinblick auf die Taliban zu entnehmen.

Eine darüberhinausgehende Verfolgung wurde von Seiten des Beschwerdeführers nicht substantiiert behauptet und war zudem auch für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar. Überdies führte der Beschwerdeführer selbst aus "Vorm Staat habe ich keine Angst" (vgl. AS 27) und verneinte ausdrücklich, jemals Probleme mit den Behörden in der Heimat und aufgrund seines sunnitischen Religionsbekenntnisses und seiner tadschikischen Volksgruppenzugehörigkeit gehabt zu haben. Zudem negierte er, Probleme aufgrund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation gehabt zu haben sowie Mitglied einer politischen Partei und politisch tätig gewesen zu seien (vgl. AS 230).

Ein Eingehen auf das Vorbringen bezüglich der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers erübrigt sich, da dieser im Entscheidungszeitpunkt unstrittiger Weise bereits volljährig ist.

Da somit die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt und daher die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde daher hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Nach Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr 6 und Nr 13 zur EMRK betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Betreffend eine mögliche Verletzung des Art 3 EMRK durch Abschiebung eines Antragstellers in seinen Heimatstaat, ergibt sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die bloße Möglichkeit einer Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, nicht genügt, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 27. Februar 2001, Zl 98/21/0427, sowie vom 20. Juni 2002, Zl 2002/18/0028).

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art 3 EMRK zu gelangen. (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 26. Juni 1997, Zl 95/21/0294, sowie vom 30. Juni 2001, Zl 97/21/0560).

Gemäß § 11 Abs 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf subsidiären Schutz abzuweisen, wenn in einem Teil des Herkunftsstaates des Asylwerbers vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und dem Asylwerber zugemutet werden kann, sich in diesem Teil aufzuhalten (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz vorliegen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG gegeben sind:

Im Fall des Beschwerdeführers liegt nämlich bei einer Rückkehr nach Afghanistan nach wie vor mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jene von der Judikatur (insbesondere auch des EGMR) geforderte Exzeptionalität der Umstände vor, welche seine Abschiebung nach Afghanistan als eine Verletzung von Art 3 EMRK erscheinen ließe.

Zwar handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann, jedoch muss demgegenüber als maßgeblich berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer bereits in jungen Jahren Afghanistan verließ, dort nur seinen Vater bei der Bewirtschaftung des Grundstückes unterstützte und über keine Berufsausbildung verfügt.

Er verfügt daher weder über ausreichende familiäre (zwar leben in Afghanistan seine Mutter und sein Onkel mütterlicherseits, jedoch hatte der Beschwerdeführer seit seiner Ausreise aus Afghanistan keinerlei Kontakt mehr zu ihnen) noch soziale Netzwerke in Afghanistan. Der Beschwerdeführer wäre daher im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, Wohnraum zu suchen.

Die belangte Behörde selbst führte in ihren im angefochtenen Bescheid angeführten Länderinformationen aus, dass in Afghanistan die soziale Absicherung traditionell bei den Familien und Stammesverbänden liegt. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da jenen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (vgl. AS 327).

In Afghanistan stellt sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln - insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt - meist nur unzureichend dar. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 8 Abs 3 iVm § 11 AsylG 2005, etwa in den als verhältnismäßig sicher eingestuften Regionen, zB Kabul, würde dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und des Fehlens eines unterstützenden sozialen oder familiären Netzwerks seinerseits in Afghanistan (vor allem deshalb, weil der Beschwerdeführer ursprünglich aus der Provinz XXXX stammt) und sowie auch in Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. Zwar lebt sein Onkel mütterlicherseits in Kabul, jedoch hat der Beschwerdeführer - wie bereits erwähnt - zu diesem keinen Kontakt mehr.

Die belangte Behörde führte in ihren im angefochtenen Bescheid angeführten Länderinformationen selbst aus, dass eine Ansiedelung in Kabul für mittellose Männer ohne persönliche Anknüpfungspunkte nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist (vgl. AS 328).

Folglich kann daher im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr iSd Art 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der oben dargelegten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde.

Da somit in Afghanistan (und auch in Kabul) für den Beschwerdeführer die reale Gefahr einer existenzbedrohenden Situation iSd oben dargestellten Anforderungen besteht, war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Folglich war dem Beschwerdeführer die im Spruch angeführte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchpunkt III.

Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der damit verbundenen Aufenthaltsberechtigung, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß § 10 Abs 1 AsylG 2005 nicht mehr vor. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, nämlich die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan, war daher gemäß § 28 Abs 1 und 5 VwGVG aufzuheben.

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass sich aus dem Altersfeststellungsgutachten bzw. aus dem Röntgenbefund ergibt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides als volljährig einzustufen war, weshalb die Zustellung des Bescheides rechtswirksam erfolgte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985 idF BGBl I Nr 122/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die oben zitierte Judikatur des VwGH), weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte