Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1971 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Afghanistan, reiste am 22. November 1997 zusammen mit ihrem Ehegatten in das Bundesgebiet ein und beantragte am 24. November 1997 Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26. November 1997 gab sie an, von 1980 bis 1987 in Kabul zur Schule gegangen zu sein und danach bis 1994 in Odessa, Ukraine, ein Medizinstudium absolviert zu haben. Danach habe sie bis zu ihrer Ausreise im September 1997 in Kabul gelebt. Sie habe Afghanistan verlassen, weil sie dort auf Grund ihres Studiums in der Ukraine Probleme bekommen könnte. Personen, die in der Ukraine studiert hätten, seien nunmehr mit der Todesstrafe bedroht. Ihr Ehegatte habe nur ihretwegen Afghanistan verlassen.
Mit Bescheid vom 26. November 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Es wertete die geltend gemachte Bedrohung als bloß "subjektiv empfundene Furcht" und nahm außerdem an, die Beschwerdeführerin sei schon in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen.
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, sie habe gegen das "Weltbild der Frau der Taliban" verstoßen und gehöre zu den gefährdeten Gruppen in ihrer Heimat. Auf Grund ihrer Ausbildung gehöre sie "einem intellektuelleren Frauenkreis als durchschnittlich in Afghanistan" an. Bei Beschäftigung mit der Situation der Frau in Afghanistan und dem Weltbild der Taliban sei die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides unverständlich.
Die belangte Behörde führte am 25. Februar 1999 und am 15. April 1999 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, zu deren Beginn die Beschwerdeführerin angab, der Hauptgrund ihrer Ausreise sei gewesen, dass sie in Afghanistan trotz ihres Studienabschlusses keine Beschäftigungsmöglichkeit habe. Frauen dürften in Afghanistan derzeit nicht arbeiten, sie dürften das Haus nicht verlassen und würden geschlagen. Ein "menschenwürdiges Leben" in Afghanistan sei derzeit nicht möglich. Wenn man "ein menschenwürdiges Leben nicht führen" könne, könne man "unter diesen Umständen dort nicht mehr leben".
Im Zuge ihrer weiteren Befragung durch die belangte Behörde gab die Beschwerdeführerin u.a. an, sie habe es als ausgebildete Frau als sehr schwierig empfunden, zu Hause bleiben zu müssen. Die Rechte der Frau würden überhaupt nicht anerkannt. Sie habe studiert, um danach in ihrer Heimat arbeiten zu können und diese Möglichkeit jedoch nicht gehabt. Ihr Vater habe ein Lebensmittelgeschäft betrieben, von dem auch sie gelebt habe. Sie wisse nicht, ob er das Geschäft noch habe. Nach dem Abschluss ihres Studiums im Jahr 1994 habe sie die Ukraine binnen ein oder zwei Wochen verlassen müssen. In Afghanistan sei die Lage damals noch nicht so schlecht gewesen. 1997 habe sie in Afghanistan geheiratet und sei deshalb (zunächst) noch dort geblieben. Sie sei nicht geschlagen worden, weil sie das Haus nicht verlassen habe. Witwen, die gezwungen seien, für Einkäufe aus dem Haus zu gehen, würden auf der Straße geschlagen. Die Beschwerdeführerin sei aber zu Hause geblieben. Einmal sei sie auf Grund ihrer Ausbildung von Nachbarn um eine Geburtshilfe gebeten worden. Sie habe festgestellt, dass eine normale Entbindung nicht möglich sei und die Patientin unbedingt in ein Krankenhaus müsse. Diese habe aber auf Grund eines Vorfalls, bei dem eine Frau auf dem Weg ins Krankenhaus gezwungen worden sei, auf der Straße zu entbinden, und gestorben sei, Angst gehabt und versucht, zu Hause zu entbinden. Mutter und Kind seien dabei gestorben. Die Beschwerdeführerin sei vor ihrer Ausreise "noch nicht" von den Taliban zu Hause aufgesucht worden. Sie habe aber gehört, dass diese Absicht bestanden habe, weil sie in der Ukraine studiert habe und Mitglied der Demokratischen Volkspartei Afghanistans gewesen sei (was die Beschwerdeführerin auch durch Vorlage ihrer Mitgliedskarte unter Beweis stellte). Die große Mehrheit der afghanischen Studenten in der Sowjetunion sei der Partei beigetreten. Parteiaufgaben habe die Beschwerdeführerin - abgesehen von der Aufgabe, unter den afghanischen Studenten im Ausland neue Mitglieder zu gewinnen - nicht gehabt. Aus der Sicht der Taliban seien alle, die in der ehemaligen Sowjetunion studiert hätten, Kommunisten.
Nach dem Vorhalt von Ausführungen zur Verfolgung von Anhängern des früheren kommunistischen Regimes durch die Taliban aus einem in einem anderen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten sowie die Behandlung von Frauen durch die Taliban betreffender Teile eines UNHCR-Berichtes vom Jänner 1999 und eines Berichtes des US-Departement of State vom Februar 1999 gab die Beschwerdeführerin abschließend an, sie hätte in Afghanistan ihrem Beruf als Ärztin nicht nachgehen können, ohne ihr Leben zu riskieren. Dass die in den Berichten angesprochene Möglichkeit, nunmehr in Afghanistan als Ärztin (für weibliche Patienten) tätig sein zu können, für sie bestehe, bezweifle sie. Diese Gelegenheit werde vorrangig Ärztinnen geboten werden, die in Kabul und nicht wie die Beschwerdeführerin in der Ukraine studiert hätten und nicht Parteimitglieder gewesen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Sie unterzog den Fall nach einer ausführlichen Wiedergabe des Vorbringens der Beschwerdeführerin und der ihr in der Berufungsverhandlung vorgehaltenen Berichtsteile einer rechtlichen Würdigung unter drei Gesichtspunkten. Was zunächst die geltend gemachte Unmöglichkeit der Berufsausübung betreffe, an der nach der Berichtslage "jedoch zu zweifeln" sei, so werde damit keine asylrelevante Intensität erreichende Verfolgung geltend gemacht, zumal im Fall der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich sei, inwiefern mit der "Beeinträchtigung der freien Berufsausübung" im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine "massive Bedrohung der Lebensgrundlage" verbunden sei. Die Beschwerdeführerin habe ihren Lebensunterhalt bis zu ihrer Ausreise mit Hilfe ihres Vaters bestreiten können und könne im Falle der gemeinsamen Rückkehr auf den von ihrem Ehegatten zu leistenden Unterhalt zählen. Zur Befürchtung einer Verfolgung wegen des Studiums in der Ukraine und wegen der wenig prominenten Parteimitgliedschaft der Beschwerdeführerin sei auszuführen, dass das Ermittlungsverfahren "keine Anhaltspunkte dafür" erbracht habe, dass die Beschwerdeführerin "allein" wegen ihrer Parteimitgliedschaft asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte. Es deute nämlich nichts darauf hin, dass die Beschwerdeführerin sich an Tötungsdelikten oder Folterungen der kommunistischen Machthaber beteiligt habe, was nach dem herangezogenen Gutachten Ursache für Racheakte oder Vorwand für staatliche Verfolgung sein könnte. Schließlich habe das Ermittlungsverfahren drittens auch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass es der Beschwerdeführerin aus innerer Überzeugung unmöglich sein würde, sich angepasst zu verhalten, und sie daher Gefahr laufe, sich den Anordnungen der Taliban zu widersetzen (gemeint: und den dafür drohenden Sanktionen ausgesetzt zu sein). Die Beschwerdeführerin habe sich vielmehr - nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban - ein ganzes Jahr lang zu Hause aufgehalten und nicht die Aufmerksamkeit der Taliban auf sich gezogen. Dass sie "gehört" habe, es hätte die Absicht bestanden, sie wegen ihrer Parteimitgliedschaft zu Hause aufzusuchen, sei vage und "hinsichtlich des angegebenen Motivs durch die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen widerlegt". Auf Grund des Umstandes, verheiratet zu sein, werde die Beschwerdeführerin - anders als etwa eine Witwe - auch nicht gezwungen sein, für Einkäufe das Haus zu verlassen, was die Gefahr physischer Misshandlung auf der Straße nach sich zu ziehen geeignet wäre. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl seien daher "(schon) in Ansehung der von den Taliban beherrschten Teile Afghanistans" nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Dem angefochtenen Bescheid ist nicht schlüssig entnehmbar, warum der Beschwerdeführerin - zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Anfang Juni 1999 - wegen ihres Studiums in der ehemaligen Sowjetunion und ihrer Parteimitgliedschaft seitens der Taliban keine Verfolgung gedroht haben sollte. Das Sachverständigengutachten, auf das sich die belangte Behörde in dieser Hinsicht ausschließlich bezieht, befasst sich - nach einem einleitenden, von der belangten Behörde nicht herangezogenen Teil über die problematische Quellenlage - in dem Abschnitt, der in der Verhandlung erörtert wurde und im angefochtenen Bescheid wiedergegeben ist, mit der Frage der Verfolgung ehemaliger Mitglieder der kommunistischen Partei zunächst in Bezug auf die Zeit zwischen dem Sturz des kommunistischen Regimes und der Machtergreifung durch die Taliban. Die Aussage, es habe persönliche Racheakte, aber keine "gezielte Unterdrückungs- und Verfolgungspolitik" gegeben, findet sich in diesem Abschnitt des Gutachtens. In Bezug auf die Taliban wird ausgeführt:
"Insbesondere seit den Modernisierungsmaßnahmen des kommunistischen Regimes stand die Kabuler Gesellschaft für die Taliban als Synonym für unislamisches Verhalten. Daraus resultiert, dass das Taliban-Regime besonders hart gegen die Bevölkerung Kabuls vorgeht. Ein wichtiger Aspekt zur Beurteilung der Lage der Kommunisten unter den Taliban liegt in der Tatsache begründet, dass die Kommunisten während ihrer Herrschaft hunderttausende Afghanen kompromittiert hatten, d.h. sie haben mit den Kommunisten kollaborieren müssen, sogar die Parteimitgliedschaft erwerben müssen. Wollen die Taliban alle diese Menschen, von denen ein Bruchteil ins Ausland geflüchtet ist, vernichten, umerziehen oder auf Grund des Krieges gegen die Opposition nur gegen diejenigen vorgehen, die als 'Unterstützer' der oppositionellen Kräfte wie Massoud gelten? Hauptproblem für die Kommunisten ist, dass, wenn sie persönlich Befehle zur Ermordung und Folterung erteilt haben oder selber an Folterungen teilgenommen haben, sie Gefahr laufen von ihren ehemaligen Opfern oder deren Verwandten erkannt zu werden und entweder direkt angegriffen oder ermordet zu werden oder aber bei den Taliban angezeigt werden, was für Taliban eine willkommene Sache sein kann, um einen 'Kommunisten' zur Rechenschaft zu ziehen."
Die im Fall der Beschwerdeführerin maßgebliche Frage, ob bloße Mitläufer des kommunistischen Regimes mit Verfolgung zu rechnen hätten, wird - anders als die belangte Behörde anzunehmen scheint - nicht im letzten Satz dieser Ausführungen beantwortet, sondern im vorangegangenen Fragesatz ausdrücklich offen gelassen. Die belangte Behörde hätte zu diesem Thema daher andere, geeignetere Unterlagen heranziehen müssen. Da von einer Widerlegung des "angegebenen Motivs" durch den Sachverständigen aus dem gleichen Grund keine Rede sein kann, berührt dies auch die Beweiswürdigung zur Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe gehört, dass sie auf Grund ihres Studiums in der Ukraine und wegen ihrer früheren Parteimitgliedschaft von den Taliban aufgesucht werden solle.
2. In Bezug auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Maßnahmen der Taliban gegen die afghanischen Frauen hat die belangte Behörde sich zunächst auf einen Auszug aus einem UNHCR-Bericht vom Jänner 1999 gestützt (Update to the Background Paper on Refugees and Asylum Seekers from Afghanistan), der an entscheidender Stelle aber auf vorangegangene, von der belangten Behörde nicht herangezogene Teile desselben Berichtes verweist ("As described earlier ..."). Diese früheren Teile des Berichtes enthalten Einzelheiten der - schon zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides - allgemein bekannten Vorgangsweisen der Taliban gegenüber Frauen, auf die sich die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor der belangten Behörde bezogen hat (vgl. insbesondere die Seiten 13 f, 16 f, 18 und 20 f des Volltextes). Auf Seite 21 des Berichtes - der unter den speziell gefährdeten Gruppen in dem daran anschließenden, von der belangten Behörde zitierten Abschnitt an erster Stelle die Frauen behandelt -
werden "educated Afghan women" als besonders gefährdete Gruppe erwähnt. Von "extremen Maßnahmen zur Beschneidung der Rechte der Frauen" ist allerdings auch in dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Berichtsteil die Rede. Zur Arbeitsmöglichkeit für Frauen im medizinischen Bereich, auf die sich die belangte Behörde mit ihren diesbezüglichen "Zweifeln" an den Befürchtungen der Beschwerdeführerin bezieht, wird ausgeführt, es handle sich dabei um eine Erklärung von Vertretern des Taliban-Regimes, die mit "certain restrictions" verbunden sei. Schon im übernächsten Satz des Berichtes wird ausgeführt, es bestehe ein signifikanter Unterschied zwischen dem, was offiziell erklärt werde, und dem, was in Wirklichkeit geschehe.
Die belangte Behörde hat aber auch - vergleichsweise ausführlicher - aus dem Afghanistan betreffenden "Report on Human Rights" des US-Department of State für das Jahr 1998 zitiert. Der im Bescheid wiedergegebene Berichtsteil spricht davon, dass Frauen von den Taliban unter dem Vorwand ("pretext") des Verstoßes gegen die Bekleidungsvorschriften geschlagen würden, und er behandelt ausführlich die von den Taliban verordnete, fast vollständige Einstellung der medizinischen Versorgung von Frauen sowie deren Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der weiblichen Bevölkerung. Daran anschließend wird nochmals auf die Bekleidungsvorschriften und die oft willkürlichen, öffentlichen körperlichen Züchtigungen im Zusammenhang mit behaupteten Verstößen dagegen, auf das Verbot, ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen das Haus zu verlassen, auf näher beschriebene Regelungen im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und auf das Verbot, Moscheen und andere Anbetungsstätten zu betreten, eingegangen.
3. In der Behandlung dieses - im Gegensatz zur Verfolgung ehemaliger Mitglieder der kommunistischen Partei im angefochtenen Bescheid somit insgesamt recht ausführlich dokumentierten - Aspektes des Sachverhaltes ist der belangten Behörde zunächst darin beizupflichten, dass sie sich den Zugang zur Prüfung der daraus abzuleitenden Verfolgungsgefahr im Sinne der gemäß § 7 AsylG maßgeblichen Genfer Flüchtlingskonvention nicht durch Überlegungen zum vermeintlichen Erfordernis einer "Staatlichkeit" der Verfolgung und durch die Prüfung dieses vermeintlichen Kriteriums in Bezug auf die Herrschaft der Taliban in Afghanistan erschwert hat. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es nicht auf eine "Staatlichkeit" der Verfolgung, sondern auf das Fehlen staatlichen Schutzes ankommt. Wenn davon die Rede ist, im Falle nichtstaatlicher Verfolgung müsse der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sein, Schutz zu gewähren (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 99/20/0509), so bezieht sich das auf die Subsidiarität des asylrechtlichen Schutzes gegenüber einem solchen des Herkunftsstaates (vgl. nur beispielsweise die Bezugnahme auf das Asylrecht "als Ausgleich für fehlenden staatlichen Schutz" im hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2000/01/0098). Das Erfordernis einer funktionierenden "Staatsgewalt" im Herkunftsstaat als Voraussetzung asylrechtlichen Schutzes kommt darin nicht zum Ausdruck.
Die belangte Behörde hat in Bezug auf die von ihr festgestellten Maßnahmen der Taliban gegenüber Frauen auch nicht die Ansicht vertreten, es fehle an einem Zusammenhang mit einem Konventionsgrund. Einer solchen Ansicht könnte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht beigetreten werden. Richteten sich die zu erörternden Maßnahmen der Taliban gegen die Frauen insgesamt oder gegen bestimmte Gruppen der weiblichen Bevölkerung, so war dies (abgesehen von der im Fall der Beschwerdeführerin auch in Betracht zu ziehenden früheren Parteimitgliedschaft und von politischen Komponenten einer nach Ansicht der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht zu erwartenden Verfolgung wegen Widersetzlichkeit; vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409) unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu würdigen (vgl. dazu aus der neueren hg. Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0497, und vom 26. Februar 2002, Zl. 98/20/0544, jeweils mit weiteren Nachweisen; zur Verfolgung wegen des Geschlechtes auch das UNHCR-Arbeitspapier von Rodger Haines, Gender-Related Persecution (2001), sowie die dort zitierte Entscheidung der Refugee Status Appeals Authority New Zealand vom 16. August 2000, Refugee Appeal No. 71427/99, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
4. Die belangte Behörde hat allerdings gemeint, sich auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Maßnahmen der Taliban gegen Frauen nur mit der "Beeinträchtigung der freien Berufsausübung" beschäftigen zu müssen, und davon ausgehend - unter Hinweis auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Asylgesetzen - die asylrelevante Intensität der Benachteiligungen verneint. Im Ergebnis scheint die belangte Behörde die Auffassung zu vertreten, es sei der Beschwerdeführerin aus asylrechtlicher Sicht zuzumuten, ihr restliches Leben - abgesehen von Ausgängen in Begleitung eines Angehörigen männlichen Geschlechtes - zu Hause und ohne Ausübung des von ihr erlernten oder eines anderen Berufes zu verbringen. In der Gegenschrift wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin übersehe offenbar, dass sie ihren Antrag "vornehmlich auf - asylrelevante Intensität nicht erreichende - wirtschaftliche Gründe gestützt" habe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde u.a. vorgebracht hat, in Afghanistan sei ihr unter den Taliban kein "menschenwürdiges Leben" möglich. Die Behandlung dieses Argumentes erforderte die Bedachtnahme auf die Gesamtheit der von der belangten Behörde festgestellten, bei der Entscheidung über den Asylantrag aber auch ohne besonderen Hinweis der Beschwerdeführerin zu berücksichtigenden Maßnahmen der Taliban gegen Frauen. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Bezugnahme der belangten Behörde auf eine "Beeinträchtigung" der "freien" Berufsausübung dem Sachverhalt, ausgehend von den nur bezweifelten Angaben der Beschwerdeführerin und den allgemein bekannten Fakten, auch unter dem isolierten Gesichtspunkt der vom Taliban-Regime geschaffenen Arbeitsbedingungen für Frauen nicht gerecht wird und das diesbezügliche Vorgehen der Taliban mit den in der Vorjudikatur beurteilten Fällen nicht vergleichbar ist. Die Beschwerdeführerin hat das von ihr geltend gemachte Verbot einer Berufsausübung auch nicht als "wirtschaftlichen" Nachteil, sondern als Verbot einer sinnvollen, ihrer Persönlichkeit und Ausbildung entsprechenden Lebensgestaltung ins Treffen geführt.
5. Betrachtet man die von der belangten Behörde festgestellten Eingriffe der Taliban in die Lebensbedingungen der afghanischen Frauen in ihrer Gesamtheit, so kann aber kein Zweifel bestehen, dass hier einer der Fälle vorliegt, in denen eine Summe von Vorschriften gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in Verbindung mit der Art ihrer Durchsetzung von insgesamt so extremer Natur ist, dass die Diskriminierung das Ausmaß einer Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention erreicht. In dieser Hinsicht ist abgesehen von anderen bizarren Aspekten des von den Taliban errichteten - und in der Praxis als Grundlage für willkürliche Gewaltanwendung benützten - Regelwerks vor allem auf die systematische Behinderung der medizinischen Versorgung hinzuweisen, die zumindest im Umkreis der zuvor auch der weiblichen Bevölkerung zugänglichen Einrichtungen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens bedeutete. Schon das Fehlen der auch nur den Mindestanforderungen der Menschlichkeit entsprechenden Ausnahmen von den verordneten Regeln in Bezug auf den jederzeit möglichen Bedarf nach einer ärztlichen Behandlung kennzeichnet den Verfolgungscharakter dieser Form von Repression. Der zusätzlichen Betroffenheit etwa infolge fehlender Mittel zum Unterhalt oder durch das Fehlen männlicher Angehöriger, um sich "ausführen" lassen zu können oder Lebensmittel ins Haus zu bringen, bedarf es dazu nicht mehr. Erreichen die diskriminierenden Regeln selbst die asylrechtlich erforderliche Verfolgungsintensität, so kommt es auch auf zusätzliche Unverhältnismäßigkeiten im Falle des Zuwiderhandelns und mithin darauf, ob vom konkret betroffenen Asylwerber ein Zuwiderhandeln zu erwarten wäre, nicht an (vgl. u.a. in diesem Sinn etwa auch Haines, a.a.O., Absatz 34, und das von Pamela Goldberg und Karen Musalo erstattete, im Internet zugängliche Gutachten vom 11. August 1998 im Verfahren einer afghanischen Staatsangehörigen vor dem US Board of Immigration Appeals, Matter of N.Q. (auch: N.Z.); zur Verfolgung durch Kumulation diskriminierender Maßnahmen etwa die zuvor zitierte neuseeländische Entscheidung und das Arbeitspapier des UNHCR, Auslegung von Artikel 1 des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (2001), Absatz 17; aus der hg. Rechtsprechung zum Erfordernis einer "Gesamtschau" nur beispielsweise das Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/20/0423).
Hätte sich die belangte Behörde in einer ganzheitlichen Würdigung der festgestellten Beeinträchtigungen der Frage gestellt, ob der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der von den Taliban gegen Frauen getroffenen Maßnahmen "Verfolgung" drohte, so hätte die belangte Behörde daher zu einer anderen Beurteilung gelangen müssen.
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. April 2002
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