OLG Wien 33R135/24a

OLG Wien33R135/24a16.1.2025

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch *** in der Markenschutzsache der Antragstellerin A *** gegen den Antragsgegner B *** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 323487 über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.5.2024, WM 10097/2023-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0009:2025:03300R00135.24A.0116.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

 

Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:

 

Ältere Marke des Antragstellers

Jüngere Marke des Antragsgegners

UM 017758244 (Wortmarke)

AT 323487 (Wortmarke)

REVOPUR

RENOPUR

Waren/Dienstleistungen:

Klasse 2

Farben; Firnisse; Lacke; Färbemittel.

Klasse 6

Baumaterialien aus Metall; Fußböden aus Metall; Verkleidungsteile aus Metall für Bauzwecke.

Klasse 17

Bauwerks- und Dachabdichtungen; Bewegungs- und Dehnungsfugen und Dichtungen für diese; Dichtungsstreifen; Klebebänder und Klebestreifen, jeweils für Bauzwecke; vorgenannte Waren ausschließlich zur Verwendung für Bauwerke im Außen- und Innenbereich.

Klasse 19

Baumaterialien (nicht aus Metall); Beschichtungsmaterialien für Bauzwecke, nicht aus Metall; Profilleisten, nicht aus Metall für Bauzwecke; Verkleidungsteile für Bauten, nicht aus Metall; Fußböden, nicht aus Metall.

Klasse 27

Fußbodenbeläge [Oberböden]; Fußbodenisolierbeläge.

Klasse 37

Dichtungsarbeiten; Dämmungsarbeiten; Dachdeckerarbeiten; Fußbodenlegearbeiten; Maler-, Lackierer- und Tapezierarbeiten; Isolierbau.

Klasse 40

Gebäudeentfeuchtung.

Waren/Dienstleistungen:

Klasse 19

Baumaterialien und Bauelemente, nicht aus Metall; Türen, Tore, Fenster und Fensterabdeckungen, nicht aus Metall; Holz und Holzimitate.

Klasse 20

Anrichten [Möbel]; Antike Möbel; Arbeitsplatten [Möbelteile]; Aufbewahrungsschränke [Möbel]; Bänke [Möbel]; Bekleidungsschränke; Bücherregale; Einbaumöbel; Esstische; Gartenmöbel aus Holz; Haushaltsmöbel; Holzmöbel; Küchenmöbel.

Klasse 37

Bau-, Montage- und Abbrucharbeiten.

Klasse 40

Abbeizen; Abbeizen von Holzgegenständen; Abbeizen von Möbeln; Abschleifen; Abschleifen von Oberflächen; Anfärben.

Anmeldedatum: 1.2.2018

Registrierungsdatum: 30.8.2018

Priorität (Anmeldedatum): 16.1.2023

  

Die Antragstellerin brachte in ihrem Widerspruch vor, dass zwischen der jüngeren Marke und der älteren Marke Verwechslungsgefahr bestehe. Die damit bezeichneten Waren und Dienstleistungen seien ident oder hochgradig ähnlich.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr. Die Marken unterschieden sich wesentlich in klanglicher Hinsicht; schon geringe Abweichungen könnten die Gefahr von Verwechslungen beseitigen. Den beiden Marken lägen unterschiedliche Fassungen der Nizza-Klassifikation zugrunde; die von den jeweiligen Marken erfassten Waren und Dienstleistungen gehörten entweder unterschiedlichen Klassen an oder ähnelten einander gar nicht.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch teilweise statt und hob die Registrierung der jüngeren Marke zum Teil auf. Während sie die Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Waren der Klasse 20 verneinte, bejahte sie sie in Bezug auf alle Waren und Dienstleistungen der Klassen 19, 37 und 40.

Angesprochen würden davon sowohl die Allgemeinheit als auch Unternehmer/Fachkreise; es sei von einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad auszugehen. Die unter den jeweiligen Marken eingetragenen Waren und Dienstleistungen seien klassenübergreifend und unabhängig von der bei der Registrierung jeweils geltenden Fassung des Nizzaer Abkommens miteinander zu vergleichen; unter bestimmten Umständen könnten auch Waren und Dienstleistungen ähnlich sein, wenn etwa im Zuge von Dienstleistungen die betreffende Ware angeboten oder verwendet werde. Die Auflistung diverser Baumaterialien und Bautätigkeiten in (teilweise) unterschiedlichen Klassen schließe hier die Verwechslungsgefahr nicht aus, weil diese Waren und Dienstleistungen über dieselben Vertriebskanäle oder in denselben Verkaufsstätten im Baugewerbe angeboten würden und/oder in einer unmittelbaren wirtschaftlichen Beziehung zueinander stünden, so etwa die von der jüngeren Marke erfassten Türen, Tore, Fenster und Fensterabdeckungen (nicht aus Metall) einerseits und die unter der älteren Marke eingetragenen Profilleisten (nicht aus Metall, für Bauzwecke), Verkleidungsteile (für Bauten, nicht aus Metall) und Fußböden (nicht aus Metall) andererseits; oder einerseits die Bau-, Montage- und Abbrucharbeiten der jüngeren Marke und andererseits die Dichtungs-, Dämmungs-, Dachdecker-, Fußbodenlege-, Maler-, Lackierer- und Tapezierarbeiten der älteren Marke. Tätigkeiten der Gebäudeentfeuchtung (ältere Marke) gehörten zum Baugeschäft ebenso wie Dienstleistungen im Bereich des Abbeizens und Abschleifens von Oberflächen sowie des Anfärbens (jüngere Marke); die letztgenannten Tätigkeiten ergänzten sich wiederum mit den Maler- und Lackiererarbeiten der älteren Marke, etwa bei der Sanierung von Fenstern, Türen, Möbeln, Fußböden etc. Die unter der älteren Marke eingetragenen Farben und Lacke kämen zudem bei Anfärbearbeiten, wie sie die jüngere Marke erfasst, zum Einsatz.

Der Zeichenvergleich ergebe darüber hinaus – mit der Ausnahme eines Buchstabens – (schrift-)bildliche Identität; in klanglicher Hinsicht stimmten jeweils die erste und die letzte Silbe miteinander überein; sprachrhythmisch würden beide Marken jeweils auf der ersten Silbe betont. Unter weiterer Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie des Umstandes, dass die jüngere und die ältere Marke den beteiligten Verkehrskreisen sowohl in visueller Form (in Baumärkten mit Selbstbedienung und Fachgeschäften mit eingehender Beratung oder als Werbung im Internet oder in Printmedien) als auch auf akustische Weise (Radiospots) begegneten, sei in einer Gesamtbewertung die Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss dahin abzuändern, dass der Widerspruch auch betreffend die Registrierung der jüngeren Marke für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 19, 37 und 40 abgewiesen wird.

Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Soweit sich der Antragsgegner zunächst auf seine bisherige Eingabe beruft, ist ihm die Unzulässigkeit dieses Verweises entgegenzuhalten, weil jede Rechtsmittelschrift einen in sich geschlossenen selbständigen Schriftsatz darstellt und nicht durch die Bezugnahme auf den Inhalt anderer in derselben oder einer anderen Sache erstatteten Schriftsätze ersetzt oder ergänzt werden kann (RS0007029, vgl auch RS0043616, RS0043579).

2. Auf den von der Rechtsabteilung damit abgetanen Nichtbenutzungseinwand, dass die Benutzungsschonfrist der älteren Marke zum gemäß Art 47 Abs 2 UMV maßgeblichen Prioritätstag der jüngeren Marke noch nicht abgelaufen war, kommt der Antragsgegner in seinem Rekurs nicht zurück. Der Einwand bleibt folglich außer Betracht, weil das Rekursgericht – auch im Außerstreitverfahren – bei Vorliegen mehrerer selbstständig zu beurteilender Rechtsfragen an eine Beschränkung der Rechtsmittelgründe gebunden ist (vgl RS0043317; RS0043338, insb [T17, T18]).

3. Allgemeines zu den im Rekurs aufgeworfenen Fragen der Zeichenähnlichkeit und der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen:

3.1 Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

3.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (EuGH C‑191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T-599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T-One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).

Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C‑39/97, Cannon/Canon, Rz 17; 4 Ob 111/21h, COLUMBUS/Columbusbräu).

Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C‑39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner aaO 117 mwN bei FN 108).

3.3 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C‑591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher aaO § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner aaO111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (ÖBl 1991, 93, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C‑342/97, Lloyd, Rn 26).

3.4 Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C‑251/95, Sabel/Puma). Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C‑120/04, Thomson life, Rn 28; C‑591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax; 4 Ob 199/18w, Granny‘s; 4 Ob 131/22a, Szigeti; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack&Jones; RS0079033 [T20, T26], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; 4 Ob 48/21v, Smoking; 4 Ob 98/21x, KNABBER NOSSI).

3.5 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden (Schumacher aaO § 30 Rz 10 f mwN). Die Verwechslungsgefahr ist somit eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).

4. In Anwendung dieser Grundsätze teilt das Rekursgericht die Ansicht der Rechtsabteilung, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken mit Blick auf die – hier noch relevanten – Waren und Dienstleistungen, die unter der jüngeren Marke angeboten werden, Verwechslungsgefahr besteht (§§ 35 Abs 5 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG und 500a ZPO):

4.1 Die von beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen beziehen sich auf die Bereiche des Bauens und – indirekt – des Wohnens. Güter und Dienstleistungen für diese Lebensbereiche werden zwar nicht so häufig benötigt wie Waren des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Hygieneartikel udgl), tangieren aber regelmäßig sowohl den Durchschnittsverbraucher, der ein Wohnbedürfnis zu befriedigen hat, als auch (Handwerker-)Fachkreise, die ihren Lebensunterhalt in diesen Branchen verdienen. Damit zusammenhängende Werbung ist im Alltag allgegenwärtig. Das führt zwar noch nicht zu einer bloß flüchtigen Wahrnehmung der maßgeblichen Waren und Dienstleistungen, für deren Inanspruchnahme es zuvor meist einer eingehenden Beratung und/oder Planung bedarf. Dennoch ist auch nicht von einem mehr als durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad der beteiligten Verkehrskreise auszugehen.

4.2 Es ist selbst bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit der Adressaten nicht anzunehmen, dass diese die im Rekurs vorgebrachte begriffliche Originalität der jüngeren Marke – RENOPUR sei eine Fantasie-Kreation aus den Worten „Renovierung“ und „Reparatur“ – als solche wahrnehmen und dadurch unter diesem Wortzeichen vermarktete Güter und Dienstleistungen von jenen zu unterscheiden wissen, die mit der älteren Marke gekennzeichnet sind. Den maßgeblichen Verkehrskreisen werden vielmehr zunächst die identen Anfangs- und Endsilben beider Marken ins Auge springen (vgl Om 17/04, Stolnaya/Stolichnaya, PBl 2005, 57 – der Anfang und das Ende eines Worts besitzen idR einen besonderen Auffälligkeitswert). Des Weiteren können mit der Endsilbe „PUR“ eigenständige, allgemein bekannte Bedeutungen assoziiert werden: zB „rein“, „unverfälscht“, „echt“. Insoweit ist dieser Bestandteil – weil beschreibend – eher schwach, tritt aber aufgrund seiner Positionierung am Ende des Zeichens auch nicht in den Hintergrund und verstärkt damit die Verwechslungsgefahr.

Das Argument, die jüngere Marke hebe sich deshalb ab, weil sie eine „Wortsinn-Mischung“ aus den Begriffen „Renovieren“ und „Reparatur“ sei, kann im Übrigen genauso für die ältere Marke herangezogen werden; schließlich kommt der darin enthaltene Buchstabe „v“ auch im Wort „Renovieren“ vor; die Silbe „VO“ wäre dann als „Buchstabensturz“ für „ov“ (Renovieren) zu lesen. Insoweit wird im Rekurs sogar eine begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen aufgezeigt, die die Rechtsabteilung verneint hat.

4.3 Damit bleibt es bei der hochgradigen Zeichenähnlichkeit, die auch nicht durch einen größeren Dienstleistungs-/Warenabstand ausgeglichen wird. In erster Linie ist hier wieder auf die zutreffende und detaillierte Analyse der Rechtsabteilung zu verweisen, die damit die vom Rekurs verlangte Abwägung des „Gesamtensembles der Klassen“ bereits vorgenommen hat. Die im Nizzaer Abkommen festgelegte Klassifikation der Waren dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Die Klasseneinteilung ist demnach für die Beurteilung der Ähnlichkeit ohne Belang. Es ist nicht entscheidend, ob die Waren jeweils in derselben Klasse aufscheinen. Auch dürfen Waren und Dienstleistungen nicht bloß deshalb als unterschiedlich angesehen werden, weil sie nach der Nizzaer Klassifikation unterschiedlichen Klassen angehören (Schumacher aaO § 10 Rz 434 f). Zu den maßgeblichen Faktoren für die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit zählen – etwa neben Art, Verwendungszweck und Nutzung – ua auch die Vertriebsstätte und die Vertriebswege. Der Umstand, dass die Waren häufig an denselben spezialisierten Verkaufsstätten abgesetzt werden, kann die Wahrnehmung der zwischen den Waren bestehenden engen Zusammenhänge durch den Abnehmer begünstigen und den Eindruck verstärken, dass ihre Herstellung in der Verantwortung desselben Unternehmens liegt. Die Grundsätze des Warenvergleichs sind auch beim Vergleich zwischen Waren und Dienstleistungen anzuwenden. Diese können beispielsweise ähnlich sein, wenn zwischen ihnen eine enge Verbindung in Bezug auf ihren Verwendungszweck besteht und die Waren in ihrer Funktion die Dienstleistungen ergänzen (Schumacher aaO § 10 Rz 453 ff mwN).

Sowohl die unter der älteren Marke registrierten Waren und Dienstleistungen als auch jene, die von der jüngeren Marke erfasst und vom Rekursverfahren noch betroffen sind, stehen in einer unmittelbaren wirtschaftlichen Beziehung zueinander. Der älteren Marke zuzuordnende Baumaterialien (zB in Klassen 6 und 19) dienen der Ausführung von unter der jüngeren Marke angebotenen (Bau-)Arbeiten (Klasse 37), und vice versa. Produkte der jüngeren Marke, wie etwa Türen, Tore und Fenster (Klasse 19), sowie die Dichtungsarbeiten der älteren Marke (in Klassen 17 und 37) ergänzen einander. Maßnahmen der Gebäudeentfeuchtung (Klasse 40, ältere Marke) und Tätigkeiten des Abbeizens und des Abschleifens (Klasse 40, jüngere Marke) hängen unmittelbar im Rahmen der Sanierung von Bauwerken zusammen. Sämtliche im Rekursverfahren noch zu beurteilende Waren und Dienstleistungen beider Marken könnten außerdem in derselben spezialisierten Vertriebsstätte (zB Baumarkt mit Montageservice für alle dort gekauften Produkte) verkauft oder angeboten werden. Das Publikum wird daher auch davon ausgehen, dass die maßgeblichen Güter und Dienstleistungen auf dasselbe Unternehmen oder zumindest auf wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbundene Unternehmen zurückgehen (vgl 4 Ob 40/22v, GLÜCK).

4.4 Die Entscheidung der Rechtsabteilung bedarf damit keiner Korrektur.

5. Aufgrund der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).

6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880; RS0112739), ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

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