European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00201.23Z.0305.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die im Oktober 1989 geschlossene Ehe wurde im Juni 2019 aus gleichteiligem Verschulden der Parteien geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 9. 1. 2018 aufgehoben.
[2] Die Parteien sind jeweils Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 54 mit einer Gesamtfläche von knapp 30 ha. Diese Liegenschaft steht vor allem deshalb im Zentrum des Verfahrens, weil sich auf ihr auch die Hofstatt des landwirtschaftlichen Betriebs, der von beiden Parteien geführt wird, befindet, in die wiederum die ehemalige Ehewohnung eingegliedert ist. Im Alleineigentum des Mannes stehen noch weitere Liegenschaften, die (außer mehreren Wohnungen in einer Landeshauptstadt) im Rahmen der Landwirtschaft genutzt und bewirtschaftet werden. Vorrangig vertritt die Frau die Ansicht, der gesamte landwirtschaftliche Betrieb sei aufgrund der eingegliederten Ehewohnung in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, während nach Ansicht des Mannes nur die Ehewohnung isoliert miteinzubeziehen sei.
[3] Mit Notariatsakt/Übergabsvertrag vom 13. 6. 1990 hatten die Parteien von den Eltern der Frau die Landwirtschaft, insbesondere die Liegenschaft EZ 54, je zur Hälfte zu einem (bislang nicht gezahlten) Übergabspreis von 250.000 ATS und gegen Leistung eines vereinbarten Ausgedinges übergeben erhalten. Die Eltern der Frau wollten, dass jeder „die Hälfte bekommt“. Als Ausgedinge wurde der Mutter der Frau (der Vater ist bereits verstorben) das ausschließliche „Wohnungsrecht“ am „Stüberl neben der Küche“ eingeräumt. Damit sind vereinbarungsgemäß bestimmte weitere Nutzungsrechte verbunden. Auf der Liegenschaft EZ 54 ist zugunsten der Mutter der Frau neben dem „Wohnungsrecht“das Veräußerungsverbot einverleibt.
[4] Die Mutter der Frau lebt seit über 20 Jahren nicht mehr auf der übergebenen Liegenschaft. Sie stimmt nur der Übertragung des Hälfteanteils des Schwiegersohns an ihre Tochter zu, nicht jedoch der Übertragung des Hälfteanteils der Tochter an den Mann. Sie wäre in diesem Zusammenhang auch mit der Löschung des Veräußerungsverbots auf dem Hälfteanteil des Mannes einverstanden.
[5] Mit Flurbereinigungsübereinkommen vom November 2008 erwarben die Eheleute aus ehelichem Vermögen um 30.000 EUR das Grundstück 1693 (S* 13), das nunmehr Bestandteil der EZ 54 ist.
[6] Das Grundstück 1693 (S* 13) wurde von den Parteien gekauft, um Einnahmen für den landwirtschaftlichen Betrieb zu lukrieren. Das vormals äußerst sanierungsbedürftige Gebäude wurde von ihnen in ein Wohnhaus mit fünf Wohneinheiten und einer kleinen Garage umgebaut. Eine dieser Wohnungen wird seit 2018 von der Frau bewohnt. Die weiteren Wohnungen sind (teilweise) vermietet und stehen teilweise (wenn auch nur für kurze Zeit) leer. Die infrastrukturelle Versorgung erfolgt teilweise vom Grundstück 1688 (S* 15) aus. Die Abtrennung des Grundstücks S* 13 von der sonstigen Liegenschaft EZ 54 ist nur schwer möglich. Die Zufahrt erfolgt wie auch die Stromzufuhr über das Grundstück 1688. Auch der Brunnen sowie die Senkgrube befinden sich auf dem Grundstück 1688. Die Heizung für sämtliche Gebäude wird „zusammen gesteuert“.
[7] Die Lagerhallen der Liegenschaft EZ 54 sind (teilweise) vermietet, ebenso eine über einem Stallgebäude befindliche Wohnung. Der Großteil der Mieteinnahmen wurde und wird vom Mann vereinnahmt und den betrieblichen Konten zugeführt. Teile der Mieterlöse (hinsichtlich der Liegenschaft S* 13) werden in Absprache mit dem Mann an die Frau ausgezahlt.
[8] Das eheliche Wohnhaus und die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebs der Parteien (S* 15 und S* 28) umfassen (insgesamt) fünf Gebäude. Das Wohnhaus S* 15 hat eine Wohnfläche von knapp 300 m2. Darin befindet sich ein kleines Büro mit 2 bis 3 m², das für landwirtschaftliche Angelegenheiten verwendet wurde.
[9] Die Betriebskosten für sämtliche Gebäude der EZ 54 werden vom Mann gezahlt.
[10] Die Frau war Zeit ihres Lebens (beinahe ausschließlich) am Bauernhof tätig und betreibt seit Jahren eine Hühnerzucht. Der Mann ist seit vielen Jahren bei einem Unternehmen für Tierernährung beschäftigt. Etwa 1994 wurde der landwirtschaftliche Betrieb von Milchvieh‑ auf die Geflügelhaltung umgestellt. In weiterer Folge wurden Gründe dazu gepachtet, sodass – vor der Scheidung der Parteien – rund 80 ha bewirtschaftet wurden; nunmehr werden rund 60 bis 65 ha bewirtschaftet, davon etwa 30 ha Wald, 30 ha Acker und 5 ha Grünland. Neben seiner Tätigkeit als Angestellter betreibt der Mann die Ackerwirtschaft des landwirtschaftlichen Betriebs. Beide Parteien sind Betriebsführer des landwirtschaftlichen Betriebs.
[11] An AMA‑Förderungen für die Landwirtschaft erhielt der Mann in den Jahren 2018 bis 2021 näher festgestellte Beträge von jährlich rund 20.000 EUR ausgezahlt.
[12] Im April 2014 kaufte der Mann mit „ehelichem Gebrauchsvermögen“ das Waldgrundstück EZ 181. Im November 2011 kaufte er aus ehelichem Vermögen die Liegenschaft EZ 1156 mit dem darauf befindlichen Waldgrundstück. Zur selben Zeit erwarb er aus „ehelichem Gebrauchsvermögen“ die Liegenschaft EZ 320 mit einem darauf errichteten Gebäude. Im September 2013 erwarb er aus „ehelichem Gebrauchsvermögen“ die Liegenschaft EZ 1355 (Waldgrundstück). Im April 2014 kaufte der Mann aus „ehelichem Gebrauchsvermögen“ das Waldgrundstück EZ 248. Sämtliche dieser Liegenschaften werden im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt und bewirtschaftet.
[13] Keine der Parteien ist auf die Weiterbenützung des ehelichen Wohnhauses (S* 15) zur Sicherung der Lebensbedürfnisse angewiesen.
[14] Der Mann kaufte aus „ehelichem Gebrauchsvermögen“ während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft vier Eigentumswohnungen in einer Landeshauptstadt, die er vermietet. Seit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft lukriert er die Mieteinnahmen allein. Für den Ankauf der in der Landeshauptstadt befindlichen Wohnungen hat er keine „außerehelichen“ Vermögenswerte verwendet.
[15] Der Mann lebt seit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im früheren ehelichen Wohnhaus in S* 15, die Frau hingegen in der Dachgeschosswohnung der benachbarten Liegenschaft S* 13.
[16] Die Frau kümmerte sich um den Haushalt, um die zwei – mittlerweile volljährigen – Kinder und um die Buchführung. Beide Parteien investierten ungefähr gleich viel eigene Arbeitsleistung in den landwirtschaftlichen Betrieb samt Sanierungsarbeiten. Die Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebs ist hauptsächlich auf die Initiative des Mannes zurückzuführen.
[17] Die Fraubegehrte im Juni 2019 die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse und modifizierte ihren Antrag im weiteren Verfahren. Zusammengefasst und für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz brachte sie dazu vor, die Objekte S* 15 und S* 13 seien nicht der von den Parteien betriebenen Landwirtschaft zuzuzählen und unterlägen damit jedenfalls der Aufteilung. Auch die restliche Liegenschaft EZ 54 unterliege der Aufteilung, weil diese faktisch untrennbar mit S* 15 und 13 verbunden sei. Die Vermietung von Teilen des Objekts S* 13 sei nicht als Unternehmen zu qualifizieren.
[18] Die Versorgung aller Gebäude auf der EZ 54 mit Wasser, Strom und Wärme erfolge gemeinsam. Sofern technisch überhaupt realisierbar, sei eine Realteilung mit hohem Aufwand und laufenden Kosten verbunden. Eine landwirtschaftliche Hofstelle sei faktisch immer eine Einheit, was sich in den verschiedensten Ausprägungen zeige. Im konkreten Fall bestünden gemeinsame Freiflächen und eine Grundstücksüberbauung zwischen der Ehewohnung auf Grundstück 1688 und dem Grundstück 1693. Zudem wäre bei einer Realteilung eine neue Verkehrserschließung notwendig, und die Hühnerzucht der Frau ließe sich aufgrund der erforderlichen Ausbringung von Mist nicht ohne landwirtschaftliche Flächen betreiben. Die Hühnerzucht erfordere ihre regelmäßige persönliche Anwesenheit und ein Wohnen in der Nähe der Tiere. Sie könne die Hühnerzucht nur dort ausüben und diese sei ihre einzige Einkommensquelle. Eine Teilung der EZ 54, die das gemeinsame Wohnen und Arbeiten der Parteien zur Folge habe, sei auch aufgrund der bestehenden Spannungen und der tiefgreifenden emotionalen Differenzen unzumutbar. Die gesamte Liegenschaft samt den darauf befindlichen Gebäuden sei ihr auch deswegen zuzuweisen, weil ihre verbotsberechtigte Mutter einer Übertragung ihres Hälfteeigentums an den Mann durch das Gericht nicht zustimmen würde. Umgekehrt würde ihre Mutter einer Übertragung des Hälfteeigentums des Mannes an sie zustimmen.
[19] Die Liegenschaft sei auch deshalb ihr zuzuweisen, weil diese von ihren Eltern stamme. In der Landwirtschaft sei sie seit dem Schulabschluss beschäftigt und seit 1992 alleinige Betriebsführerin gewesen. Ihre Mutter stimme als Berechtigte aus dem Ausgedinge einer Pflege durch den Mann nicht zu. Sie könnte auch im Zusammenhang mit ihrem „Wohnungsrecht“ keinesfalls mit dem Mann in einem gemeinsamen Haushalt leben.
[20] Mit dem landwirtschaftlichen Betrieb seien weiteres Gebrauchsvermögen und Ersparnisse verbunden. So seien ihr „Zahlungsansprüche“ der A* (AMA) zuzuweisen. Außerdem gebühre ihr ein Ausgleichsanspruch für weitere im Eigentum des Mannes stehende Grundstücke/Wälder. Letztere seien zumindest im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen, weil sie aus gemeinsamem Ehevermögen angeschafft worden seien. Weiterskämen ihr Ausgleichsansprüche zu, weil der Mann Einnahmen aus Holzschlägerungen allein vereinnahmt habe.
[21] Schließlich gebühre ihr ein Ausgleich für vom Mann vereinnahmte Mieterlöse aus der Vermietung von Objekten auf der EZ 54.
[22] Der Mann trat dem Aufteilungsantrag entgegen und brachte im Wesentlichen vor, die Ehewohnung sei von der restlichen Liegenschaft EZ 54 abgrenzbar. Nur die Ehewohnung unterliege der Aufteilung und nicht die gesamten restlichen Gebäude, Grundstücke und Sachen der Landwirtschaft, weil diese als Unternehmen zu qualifizieren seien. Eine Abgrenzung der Ehewohnung wäre sowohl baulich mit verhältnismäßig geringem finanziellen Aufwand als auch in rechtlicher Hinsicht jederzeit möglich. Er würde die Trennungskosten übernehmen.
[23] Die restlichen Grundstücke (Wälder) seien nur deshalb angekauft worden, um die Landwirtschaft zu vergrößern und seien damit dem Betrieb zugehörig, sodass sie nicht aufzuteilen seien. Das Objekt S* 13 sei angekauft und adaptiert worden, um mit den Mietzinsen den Gewinn der Landwirtschaft zu erhöhen. Auch S* 13 sei daher dem Unternehmen zugehörig. Ungeachtet davon sei er Initiator für die Modernisierung und den Umbau der Landwirtschaft gewesen. Beide Parteien hätten die EZ 54 von den Eltern der Frau übergeben bekommen. Die Ehewohnung sei ihm zuzuweisen, weil er in der Wohnung wohne und als Betriebsführer das in der Ehewohnung integrierte Büro benötige, um die Landwirtschaft zu führen.
[24] Das Erstgericht übertrug den Hälfteanteil des Mannes an der EZ 54 an die Frau, sodass diese Alleineigentümerin der Liegenschaft würde. Es verpflichtete die Frau zu einer Ausgleichszahlung (in drei Teilbeträgen) von über 1,8 Mio EUR an den Mann und ordnete die Einverleibung einer Hypothek zu Gunsten des Mannes in Höhe der Ausgleichszahlung auf der Liegenschaft EZ 54 an. Weiters verpflichtete sie den Mann, die Liegenschaft EZ 54 binnen drei Monaten nach Rechtskraft zu räumen. Diverse Mehrbegehren der Parteien wies es ab.
[25] Die Liegenschaft EZ 54 sei in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, weil die Übergeber diese eindeutig an beide Parteien gewidmet hätten. Anders als ein landwirtschaftlicher Betrieb, der ein Unternehmen sei, zähle die Ehewohnung zum ehelichen Gebrauchsvermögen. Bei nicht eindeutiger Abgrenzbarkeit zwischen Wohn‑ und Unternehmensräumlichkeiten sei die Ehewohnung als Ganzes (samt unternehmerisch genutztem Bereich) in die Aufteilung einzubeziehen. Bei Trennbarkeit sei eine Teilung des (restlichen) unternehmerischen Bereichs nur im (streitigen) Teilungsverfahren durchsetzbar. Ein verdinglichtes Veräußerungsverbot verhindere grundsätzlich die gerichtliche Übertragung des Eigentumsrechts.
[26] Die auf dem Grundstück 1688 befindliche Ehewohnung (S* 15) sei durch die gemeinsame Infrastruktur mit den anderen Flächen des landwirtschaftlichen Betriebs verbunden. Bei landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung bestehe eine enge Verknüpfung zwischen Wohn‑ und Arbeitsbereich. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen dem Grundstück 1693 und der Ehewohnung sei ebenso nicht möglich, weil die Zufahrt sowie die Strom‑ und Heizungsversorgung über das Grundstück 1688 erfolge. Im Übrigen wäre die Aufteilung einer Hofstatt unzweckmäßig.
[27] Die Schaffung einer eigenständigen Versorgung mit Strom, Wasser und Wärme zähle zu den aufwendigsten und kostspieligsten baulichen Maßnahmen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb erfordere ständige, gemeinsam abzustimmende Verwaltungsmaßnahmen „auf kurzem Weg“. Im Ergebnis sei das Grundeigentum und nicht bloß das Benützungsrecht an den Grundstücken 1688 und 1693 in die Aufteilungsmasse einzubeziehen.
[28] Die restlichen Grundstücke der EZ 54 stünden nicht in untrennbarem Zusammenhang mit der Ehewohnung und seien teilweise erst nach Auflösung der Lebensgemeinschaft angekauft worden, weshalb sie nicht der Aufteilung unterlägen. Dem Grundsatz der Behandlung des Grundbuchskörpers als Ganzes folgend wirke sich das Veräußerungsverbot der Mutter der Frau aber auf die gesamte Liegenschaft aus, zumal diese nur einer Übertragung des gesamten Hälfteanteils vom Mann an die Frau zustimme. Im Ergebnis sei damit die gesamte Liegenschaft der Frau zuzuweisen.
[29] Die vom Mann allein erworbenen Liegenschaften – ausgenommen die Wohnungen in der Landeshauptstadt – seien eindeutig dem Betrieb zuzuordnen, weshalb sie im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG von der Aufteilung auszunehmen seien. Gleiches gelte für die landwirtschaftlichen Geräte und Maschinen sowie für Ansprüche in Verbindung mit den einbehaltenen Förderungen, aus Holzschlägerungen oder aus der Vermietung der Wohnungen S* 13 und 28.
[30] Die Vermietung der Wohnungen des Mannes in der Landeshauptstadt sei nicht als Unternehmen zu qualifizieren. Die Wohnungen fielen daher in die Aufteilungsmasse, ebenso nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Mieterlös nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft.
[31] Die EZ 54 sei beiden Parteien übergeben worden, sodass der Frau nicht deshalb mehr an der Aufteilungsmasse zustehe, weil die Liegenschaft von ihren Eltern stamme. Insgesamt sei ein Aufteilungsschlüssel im Verhältnis 1 : 1 angemessen.
[32] Gegen diese Entscheidung richteten sich Rekurse beider Parteien, wobei der Mann eine erste Version des Rechtsmittels zurückgezogen und am selben Tag eine neue Version eingebracht hatte.
[33] Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Parteien Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu.
[34] Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, der Mann habe nur eine nicht gewollte Version seines Rekurses zurückgezogen und die gewollte Version noch am selben Tag eingebracht. Sein Rekurs sei daher zulässig.
[35] Das Veräußerungsverbot zu Gunsten der Mutter der Frau bilde ein Hindernis für eine Disposition über die Eigentumsverhältnisse der Liegenschaft durch das Gericht im Aufteilungsverfahren. Die verbotsberechtigte Mutter erteile keine vorbehaltlose Zustimmung zur Übertragung, sodass das zu ihren Gunsten verbücherte Veräußerungsverbot weiterhin eine Übertragung der Eigentumsanteile daran verhindere.
[36] Selbst bei Ausblendung des Veräußerungsverbots komme eine Verfügung über die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft EZ 54 und an den sonstigen landwirtschaftlichen Liegenschaften nicht in Betracht. Die Ehewohnung (S* 15) füge sich nicht nur in die Hofstatt des landwirtschaftlichen Betriebs ein, sondern bilde auch grundbücherlich in Form einer einzigen Einlagezahl und sogar einer einzigen Grundstücksnummer eine Einheit mit der Hofstatt. Dass die Ehewohnung mit dem restlichen landwirtschaftlichen Betrieb und mit dem Objekt S* 13 über eine in verschiedener Art ausgeprägte gemeinsame Versorgung mit Wasser, Strom und Wärme verfüge, bedeute nicht, dass die gesamte Hofstatt und S* 13, sohin die Grundstücke 1688 und 1693, der gerichtlichen Aufteilung unterlägen. Das Rekursgericht folge der Rechtsansicht zu 7 Ob 509/94, dass die Teilung einer Einlagezahl durch die Schaffung eines eigenen Grundbuchskörpers für das Wohngebäude im Aufteilungsverfahren ohne Rücksicht auf die Teilung des übrigen im Miteigentum stehenden und zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Teils des Liegenschaftsbesitzes unzweckmäßig sei. Dadurch würde der landwirtschaftliche Betrieb nicht mehr über ein Wohnhaus verfügen. In der Landwirtschaft gebe es aber regelmäßig eine enge Berührung von Wohn‑ und Arbeitsbereich. Eine Abschreibung von S* 15 vom restlichen– vitalen – landwirtschaftlichen Betrieb wäre damit der erste Schritt einer Zerschlagung des Betriebs. Dass eine solche dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, sei nicht nur aus § 82 Abs 1 Z 3 EheG, der dem Schutz der Unternehmen diene, abzuleiten, sondern auch aus dem Anerbengesetz, mit dem die soziale Bedeutung forst‑ und landwirtschaftlicher Betriebe zum Ausdruck gebracht werde. Auch faktische Gründe sprächen gegen eine Realteilung, wäre doch eine eigenständige Versorgung mit Strom, Wasser und Wärme notwendig. Zudem müssten Geh‑, Fahr‑ und möglicherweise Leitungsrechte eingeräumt werden. Auch mit Blick auf den Trennungsgrundsatz wäre aufgrund der dann weiterhin bestehenden unmittelbaren örtlichen Nähe zwischen der Ehewohnung und dem landwirtschaftlichen Betrieb nichts gewonnen. Eine Realteilung durch Schaffung eines eigenen Grundbuchskörpers für die ehemalige Ehewohnung scheide damit aus.
[37] Denkbar sei, dass nur die Benützung der Ehewohnung geregelt werde. Im Sinn von § 87 Abs 1 EheG könne das Aufteilungsgericht insofern einen alleinigen Benützungstitel für einen der Eheleute schaffen.
[38] Im Aufteilungsverfahren sei nicht über die Eigentumsanteile der Liegenschaften, auf welchen die Landwirtschaft betrieben werde, zu verfügen. Die im Alleineigentum des Mannes stehenden Liegenschaften, die im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt und bewirtschaftet würden, unterlägen daher nicht der Aufteilung. Auch S* 13 und damit das Grundstück 1693 sei als Unternehmen zu qualifizieren und damit nicht Bestandteil der Aufteilungsmasse.
[39] Bei (Einnahmen aus) Holzschlägerungen handle es sich um Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb, die nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft angefallen seien. Dabei handle es sich nicht um Einkünfte, die ohne weiteres Zutun einer der Parteien eingetreten seien, weshalb diese Einkünfte außer Acht zu lassen seien.
[40] Die an den Mann in den Jahren 2018 bis 2021 ausgezahlten AMA‑Förderungen stünden im engen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb. Maßgeblich sei, ob eine Umwidmung der grundsätzlich betrieblichen Einkünfte zu privatem Vermögen stattgefunden habe. Dazu bedürfe es im fortzusetzenden Verfahren entsprechender Feststellungen.
[41] Für die vom Mann während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft aus ehelichem Vermögen angeschafften Grundstücke, die landwirtschaftlich genutzt würden, stehe der Frau kein Ausgleichsanspruch nach § 91 Abs 2 EheG zu. Dies deshalb, weil „Teile einer Landwirtschaft, die nicht die Ehewohnung betreffen – auch bloß wertmäßig – von der Aufteilung ausgenommen bleiben“. In die Aufteilungsmasse fielen demgegenüber die Wohnungen in der Landeshauptstadt.
[42] Eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 zwischen den Parteien sei nicht zu beanstanden.
[43] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Einbeziehung einer Ehewohnung als Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs in das Aufteilungsverfahren eine höchstgerichtliche Klarstellung erforderlich sei. Zudem liege zur Frage, ob auch in der gegenständlichen Konstellation das Veräußerungsverbot der Mutter der Frau einer Einbeziehung der Liegenschaft in die Aufteilungsmasse entgegenstehe, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Rechtliche Beurteilung
[44] Der dagegen von der Frau erhobene Revisionsrekurs, der vom Mann nicht beantwortet wurde, ist zur Klarstellung der Anwendung des § 91 Abs 2 EheG im Zusammenhang mit den im Alleineigentum des Mannes stehenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücken zulässig. Er ist im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.
[45] 1. Die Frau vertritt im Revisionsrekurs die Auffassung, dass der (zweite) Rekurs des Mannes unzulässig gewesen sei, weshalb das Rekursgericht zu Unrecht darüber entschieden habe. Das trifft nicht zu:
[46] 1.1. Der Mann erhob um 18:02 Uhr im elektronischen Rechtsverkehr Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss. Um 18:25 Uhr erklärte er in einer Eingabe: „Der Rekurs wird zurückgezogen“. Elf Minuten später, um 18:36 Uhr, brachte er den Rekurs neuerlich – nunmehr in der gewollten Version – ein. Er führte dazu aus: „Der Rekurs [...] wird erneut aufgrund eines Formgebrechens eingebracht.“
[47] 1.2. Das Rekursgericht erachtete unter Bezugnahme auf die Entscheidung zu 3 Ob 241/19s die vom Mann eingebrachten Schriftsätze nicht isoliert, sondern sah die beiden Rekurse unter Außerachtlassung des (unnötigen) Zwischenschritts der (offensichtlich nicht gewollten) Zurückziehung des ersten Rekurses als Einheit an. Beim zeitlich später eingebrachten Rekurs des Mannes handle es sich um die eigentlich gewollte Version seines Rekurses und auch nur dieser sei inhaltlich zu behandeln.
[48] 1.3. Auf die Zurücknahme eines Rekurses ist auch im Verfahren außer Streitsachen die Bestimmung über die Zurücknahme der Berufung (§ 484 ZPO) analog anzuwenden (RS0110466; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 54 Rz 8 mwN).Mehrere Rechtsmittelschriftsätze einer Partei gegen dieselbe Entscheidung sind als einheitliches Rechtsmittel zu behandeln, wenn sie am selben Tag bei Gericht einlangen (RS0041666 [T40, T53]). Die Zurückziehung eines Rechtsmittelschriftsatzes mit der Erklärung, er sei irrtümlich zu früh versendet worden, kann nicht als Rücknahme im Sinn des § 484 ZPO gewertet werden, die zum Verlust des Rechtsmittels führt (3 Ob 241/19s). Gleiches gilt für den gegenständlichen Fall, dass der Mann seinen Rekurs zunächst ohne nähere Begründung zurückzieht und ihn elf Minuten später (in der gewollten Version) erneut mit der Erklärung einbringt, dieserfolge „aufgrund eines Formgebrechens“. Auch in diesem Fall kann nicht von der Zurückziehung eines Rechtsmittelschriftsatzes gesprochen werden. Mit dem zweiten Rechtsmittelschriftsatz sollte in Wahrheit nur der erste verbessert werden. Damit liegt die von der Frau behauptete Nichtigkeit infolge meritorischer Entscheidung über den Rekurs des Mannes nicht vor.
[49] 2. Die Landwirtschaft – hier insbesondere die Liegenschaft EZ 54 – fällt nicht in die Aufteilung.
[50] 2.1. Die Eheleute erhielten die Liegenschaft EZ 54 mit Übergabsvertrag vom 13. 6. 1990 von den Eltern der Frau je zur Hälfte in ihr Eigentum übertragen. Sie verpflichteten sich zur Zahlung eines Übergabspreises von 250.000 ATS, der tatsächlich nicht geleistet wurde. Die Mutter der Frau erhielt ein „Wohnungsrecht“ am „Stüberl neben der Küche“, das sie tatsächlich nicht nützt. Zudem verpflichteten sich die Eheleute zur Erbringung von bestimmten Ausgedingeleistungen an die Übergeber. Der Vater der Frau ist bereits verstorben. Für die Mutter ist auf der Liegenschaft EZ 54 ein Veräußerungsverbot einverleibt. Auf der Liegenschaft betreiben beide Parteien als Betriebsführer eine Landwirtschaft. Die Frau betreibt eine Hühnerzucht und der Mann die Ackerwirtschaft.
[51] 2.2. Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist ein Unternehmen im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG und daher grundsätzlich von der Aufteilung ausgenommen (RS0057537 [T4, T5]; RS0057595). Sachen, die zu einem Unternehmen gehören, unterliegen nach dieser Bestimmung nicht der Aufteilung. Entscheidend ist, ob und welche Grundstücke (im Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft) dem landwirtschaftlichen Betrieb gewidmet waren und ob eine selbständig organisierte Erwerbsgelegenheit vorlag (1 Ob 107/18v [Punkt 3.] mwN; vgl RS0057537 [T7]; RS0057720). Das gilt im konkreten Fall sowohl für die EZ 54 als auch für die allein dem Mann gehörenden, ebenfalls der Landwirtschaft gewidmeten Liegenschaften.
[52] 2.3. Das nunmehr zur EZ 54 gehörende Grundstück 1693 (S* 13) ist nicht anders zu beurteilen:
[53] Entscheidend dafür, ob ein Grundstück „zu einem Unternehmen gehört“ (§ 82 Abs 1 Z 3 EheG) ist die Widmung des Eigentümers zu Zwecken eines Unternehmens (RS0057521). Die Parteien haben das Grundstück 1693 während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft aus ehelichem Vermögen gekauft, um Einnahmen für den landwirtschaftlichen Betrieb zu erzielen. Das sanierungsbedürftige Gebäude wurde von ihnen in ein Wohnhaus mit fünf Wohneinheiten und einer kleiner Garage umfunktioniert. Eine Wohnung bewohnt – seit der Trennung der Parteien im Jahr 2018 – die Frau. Die weiteren Wohnungen sind (teilweise) vermietet. Der Großteil der Mieteinnahmen wird vom Mann vereinnahmt und den betrieblichen Konten zugeführt. Teile der Mieterlöse erhält auch die Frau ausgezahlt.
[54] Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass das Grundstück 1693 (S* 13) betrieblich genützt wird und – vergleichbar einer Privatzimmervermietung (RS0057537 [T6]) – als Unternehmen, das der Landwirtschaft dient, gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG von der Aufteilung ausgenommen ist, ist zutreffend. Die Vermietung der Wohnungen im Haus S* 13 erfolgt gerade, um Einnahmen für den landwirtschaftlichen Betrieb zu erzielen. Damit liegt eine eindeutige Zweckwidmung und eine unternehmerische Tätigkeit beider Parteien vor. Entgegen der Ansicht der Frau liegt insofern keine private Vermietungstätigkeit der Parteien vor.
[55] 2.4. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Landwirtschaft und damit insbesondere die EZ 54 nicht der Aufteilung unterliegt, trifft daher zu. Auf das zugunsten der Mutter der Frau einverleibte Veräußerungsverbot kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
3. Das Bauernhaus der Landwirtschaft im Aufteilungsverfahren:
[56] 3.1. Die Ehegatten bewohnten auf der zur Landwirtschaft gehörigen EZ 54 ein Wohnhaus, das als Ehewohnung verwendet wurde (S* 15). Nach dem Auszug der Frau wird die Ehewohnung weiterhin vom Mann bewohnt. Er strebt ihre Zuweisung an.
[57] 3.2. Die Frau geht ebenso wie das Rekursgericht davon aus, dass für die ehemalige Ehewohnung eine Realteilung durch Schaffung eines eigenen Grundbuchkörpers und dessen Abtrennung vom aufrechten landwirtschaftlichen Betrieb nicht möglich ist. Das Rekursgericht erachtete – der Entscheidung zu 7 Ob 509/94 folgend – zwar nicht die Verfügung über die Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ 54 für zulässig, jedoch könnte – was einer näheren Überprüfung bedürfe – das Nutzungsrecht an der Ehewohnung einer Regelung unterzogen werden. Im Sinn von § 87 Abs 1 EheG könnte ein allfälliger Benützungstitel für eine der Parteien an der Ehewohnung geschaffen werden.
[58] 3.3. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt ein Haus, das als Bestandteil eines landwirtschaftlichen Unternehmens auch als Ehewohnung in Benützung beider Parteien stand, der Aufteilung (RS0057479 [T2]), während die übrigen Teile der Liegenschaft – auch bloß wertmäßig – von der Aufteilung ausgenommen bleiben (1 Ob 133/17s [Punkt 1.]; 1 Ob 107/18v [Punkt 6.], jeweils mwN). Dass die Ehewohnung der Aufteilung unterliegt, bedeutet aber nicht zwingend, dass für sie ein eigener Grundbuchskörper geschaffen und das Eigentum einem der früheren Eheleute zugewiesen werden müsste. Gerade dann, wenn eine Abtrennung – wie hier – nicht möglich ist, kommt auch die Begründung eines Benützungsrechts in Betracht. Die diesbezügliche Auffassung des Rekursgerichts trifft daher zu.
[59] 3.4. Zugunsten der Mutter der Frau ist auf der Liegenschaft EZ 54 das Veräußerungsverbot einverleibt. Ein Veräußerungsverbot schließt in der Regel ein Belastungsverbot in sich (RS0010795). Dieses schließt die Begründung eines dinglichen Nutzungsrechts an der Liegenschaft oder an einem Liegenschaftsanteil aus, wenn die verbotsberechtigte Mutter nicht zustimmt (Jesser‑Huss in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 87 EheG Rz 51 mwN; LG Wels 21 R 274/08f, EFSlg 120.336).
[60] Verdinglichte Belastungs‑ und Veräußerungsverbote hindern jedoch nur die Verbücherung verbotswidriger Verfügungen (RS0010739 [T2]), die obligatorische Wirkung des Verpflichtungsgeschäfts bleibt davon unberührt (6 Ob 97/21i [Punkt 1.3] mwN). Bestandverträge – mit denen obligatorische Nutzungsrechte an einer Liegenschaft begründet werden – bedürfen nach der Rechtsprechung von vornherein nicht der Zustimmung des Verbotsberechtigten (6 Ob 524/86, SZ 59/42; RS0010781; 5 Ob 36/89; 3 Ob 116/92; ebenso Oberhammer/Scholz‑Berger in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 364c Rz 15; anders zu Mietverträgen, die dem Kündigungsschutz nach dem MRG unterliegen Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 364c Rz 4 [Stand 1. 1. 2023, rdb.at]; zum Meinungsstand der Lehre Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364c ABGB Rz 68 f). Auch andere obligatorische Nutzungsrechte werden daher zumindest dann ohne Zustimmung des Verbotsberechtigten vereinbart werden können, wenn sie nicht Folgen haben, die dem Zweck des Verbots zuwiderlaufen. Diese Wertung kann auf die Begründung obligatorischer Rechte im Aufteilungsverfahren übertragen werden.
[61] Im vorliegenden Fall sollte das Veräußerungsverbot offenkundig der Erhaltung des Familienbesitzes dienen. Dieser Zweck würde durch ein bloß obligatorisches Nutzungsrecht des Mannes (also eines Miteigentümers) an einem vergleichsweise geringen Teil der Liegenschaft keinesfalls gefährdet. Zumindest in einem solchen Fall kann das Aufteilungsgericht daher auch ohne Zustimmung der verbotsberechtigten Dritten gemäß § 87 Abs 1 Satz 1 EheG die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnis an der Ehewohnung anordnen (generell in diesem Sinn T. Guggenberger, Die Ehewohnung in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2019] 120).
[62] 3.5. Die Frau wendet sich gegen die vom Rekursgericht vorgeschlagene Benützungsregelung, weil diese dem Trennungsgrundsatz des § 84 EheG widerspreche. Damit dringt sie nicht durch:
[63] Zwar soll gemäß § 84 EheG die Aufteilung so vorgenommen werden, dass sich die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten künftig möglichst wenig berühren, doch wird hiedurch nicht jeder denkbare Kontakt verboten. Entsprechend den durch § 83 Abs 1 EheG vorgeschriebenen Billigkeitserwägungen muss ausnahmsweise ein gewisser Kontakt auch für die Zukunft dann in Kauf genommen werden, wenn ohne ihn dem Billigkeitsgebot nicht entsprochen werden könnte (7 Ob 699, 700/81, SZ 54/114).
[64] Derzeit wohnt die Frau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mann in der Dachgeschosswohnung S* 13. Beide sind Betriebsführer der Landwirtschaft. Während die Frau den Hühnerbetrieb führt, betreibt der Mann den Ackerbau. Schon dadurch ergeben sich betriebsnotwendig Berührungspunkte der Parteien, die sich nicht auflösen lassen.
[65] Für die Ansicht der Frau, der Trennungsgrundsatz müsse dazu führen, dass die gesamte landwirtschaftlich genutzte Liegenschaft in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen sei, nennt sie keine Rechtsgrundlage. Diese gibt es auch nicht. Folgte man dieser Ansicht, so fielen landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften im Regelfall in die Aufteilungsmasse, weil in der Landwirtschaft tätige Ehepartner typischerweise am Hof leben. § 82 Abs 1 Z 3 EheG wäre damit bei landwirtschaftlichen Unternehmen praktisch nicht anwendbar. Ein solches Ergebnis kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
[66] 3.6. Wenn die Frau ausführt, bei der Landwirtschaft handle es sich um einen Erbhof im Sinn des Anerbengesetzes, sodass die wirtschaftliche Existenzfähigkeit des Hofs und insbesondere auch die Hofstelle als Ganzes erhalten werden müsse, um eine Zerschlagung durch die Folgen der Ehescheidung zu vermeiden, so bietet sich gerade dafür das vom Rekursgericht vorgeschlagene Benützungsrecht eines der Ehegatten an der früheren Ehewohnung gegen Leistung einer entsprechenden Ausgleichszahlung an.
4. Erträge aus der Landwirtschaft nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft:
[67] 4.1. Die von der Frau behaupteten eigenmächtigen Holzschlägerungen des Mannes betreffen den landwirtschaftlichen Betrieb. Allein durch die Schlägerung des Holzes wird dessen Zubehör‑/Zugehöreigenschaft gemäß § 294 ABGB zur Landwirtschaft nicht aufgehoben. Auf eine Wertminderung der Liegenschaft EZ 54 infolge der Holzschlägerungen ist nicht Bedacht zu nehmen, ist diese doch als Unternehmen von der Aufteilung ausgenommen. Das Rekursgericht qualifizierte Einnahmen aus Holzschlägerungen als Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb, die nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft angefallen sind. Diese sind – zutreffend – im Aufteilungsverfahren außer Betracht zu lassen.
[68] 4.2. Der Mann erhielt in den Jahren 2018 bis 2020 AMA‑Förderungen für die Landwirtschaft ausgezahlt. Die Auszahlungen erfolgten nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft und stehen im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb, was von der Frau im Revisionsrekurs nicht bestritten wird.
[69] Anders als nach dem Sachverhalt der Entscheidung zu 1 Ob 57/11f (SZ 2011/44) handelt es sich dabei nicht um Erträgnisse, die ohne nennenswerte Mühe aus einer gemeinschaftlichen, der Aufteilung unterliegenden Sache von einem Ehegatten bezogen werden, nämlich nicht um Früchte (Erträgnisse) einer während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbenen und der Aufteilung unterliegenden Liegenschaft (ähnlich 1 Ob 53/17a).
[70] Die AMA‑Förderungen stehen vielmehr im Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb und betreffen das Unternehmen, das gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG nicht der Aufteilung unterliegt. Damit sind diese Zahlungen – wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat – nicht aufteilungsrelevant. Die vom Rekursgericht diesbezüglich angeordnete Verfahrensergänzung, ob es (nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft) zu einer Umwidmung der grundsätzlich betrieblichen Einkünfte zu privatem Vermögen gekommen sei, ist daher nicht durchzuführen.
5. Wohnungen des Mannes in der Landeshauptstadt:
[71] 5.1. Der Mann ist Eigentümer von vier Eigentumswohnungen in einer Landeshauptstadt, die er mit ehelichem Vermögen kaufte und vermietet. Seit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft lukriert er die Mieteinnahmen allein.
[72] 5.2. Diese Eigentumswohnungen fallen – wie von den Vorinstanzen zutreffend angenommen – als eheliche Ersparnisse in die Aufteilungsmasse (vgl 1 Ob 112/18d, SZ 2019/37 = RS0132701) und sind (weil die Frau keine Eigentumsübertragung beantragt hat) bei der Bestimmung einer Ausgleichszahlung mit dem – festzustellenden – Wert zum neuen Schluss der Verhandlung zu berücksichtigen. Die – ebenfalls festzustellenden – Erträge dieses aufzuteilenden Vermögens (Mieteinnahmen des Mannes) vom Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bis zur neuen Aufteilungsentscheidung sind zu berücksichtigen (1 Ob 57/11f; 1 Ob 53/17a).
6. Benachteiligungsausgleich nach § 91 Abs 2 EheG:
[73] 6.1. Wurden eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in ein Unternehmen eingebracht oder für ein solches Unternehmen sonst verwendet, so ist der Wert des Eingebrachten oder Verwendeten nach § 91 Abs 2 EheG in die Aufteilung einzubeziehen. Bei der Aufteilung ist jedoch zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung Vorteile entstanden sind.
[74] 6.2. § 91 Abs 2 EheG soll Missbräuche und Manipulationen verhindern und die Interessen des anderen Ehegatten schützen, indem Vermögensverschiebungen in Richtung eines Unternehmens wertmäßig bei der Aufteilung berücksichtigt werden, was immer dann der Fall ist, wenn ein Ehegatte aus dem ehelichen Gebrauchsvermögen oder aus den ehelichen Ersparnissen Investitionen in ein Unternehmen getätigt hat (1 Ob 133/17s [Punkt 5.1.]). Auch Investitionen in ein landwirtschaftliches Unternehmen sind nach § 91 Abs 2 EheG insofern zu berücksichtigen, als sie aus ehelichem Gebrauchsvermögen und ehelichen Ersparnissen stammen (1 Ob 133/17s [Punkt 5.3.]; 1 Ob 107/18v [Punkt 1.]).
[75] § 91 Abs 2 EheG ordnet als Rechtsfolge an, dass in ein Unternehmen eines Ehegatten Eingebrachtes oder für so ein Unternehmen verwendetes eheliches Vermögen wertmäßig in die Aufteilung „einzubeziehen“ ist (RS0058268 [T7]). Jener Nachteil, der dem nicht unternehmerisch tätigen Ehegatten durch die Vermögensverschiebung entstand, soll durch einen größeren Anteil an den aufzuteilenden Vermögenswerten ausgeglichen werden. Allenfalls ist ihm eine höhere Ausgleichszahlung zuzuerkennen (RS0058268 [T1, T6, T10]). Der nach § 91 Abs 2 EheG vorzunehmende Vermögensausgleich hat nach Billigkeitsgesichtspunkten zu erfolgen (1 Ob 113/23h [Rz 36] mwN; vgl RS0058268). Dabei ist gemäß Satz 2 dieser Bestimmung zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung ehelicher Mittel im bzw für ein Unternehmen Vorteile entstanden und die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Mittel aus den Gewinnen des Unternehmens stammten.
[76] 6.3. Der Mann hat mit ehelichem Vermögen die Liegenschaften EZ 181, EZ 248, EZ 320, EZ 1156 und EZ 1355 gekauft. Diese Liegenschaften stehen in seinem Alleineigentum und werden im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt und bewirtschaftet.
[77] Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen könnten diesbezüglich die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch der Frau nach § 91 Abs 2 EheG vorliegen, verwendet doch der Mann die aus ehelichem Vermögen von ihm angeschafften Liegenschaften für den landwirtschaftlichen Betrieb. Zur Beurteilung, in welchem Umfang die Voraussetzungen nach § 91 Abs 2 EheG für die wertmäßige Einbeziehung der Liegenschaften in das Aufteilungsverfahren vorliegen, fehlen Feststellungen, die vom Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sind.
7. Aufteilungsschlüssel von 1 : 1:
[78] 7.1. Die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels ist eine Frage des Einzelfalls (RS0108756 [T1]). Bei der Aufteilung ist in erster Linie auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG; RS0057923). Eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 entspricht bei in etwa gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, wenn nicht gewichtige Umstände im Einzelfall die Aufteilung in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (vgl RS0057501 [T3]). Als Beitrag zur Schaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sind auch die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder sowie jeder sonstige eheliche Beistand zu werten (§ 83 Abs 2 EheG; RS0057651; RS0057969).
[79] 7.2. Nach den Feststellungen haben beide Parteien ungefähr gleich viel eigene Arbeitsleistungen in den landwirtschaftlichen Betrieb samt der Sanierungsarbeiten investiert. Die Frau kümmerte sich außerdem um den Haushalt, die gemeinsamen Kinder und die Buchführung, während der Mann noch unselbständig erwerbstätig war. Er war außerdem der Initiator der Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebs. Wenn die Vorinstanzen von einer Gleichwertigkeit der Beiträge der früheren Ehegatten und demnach einer Aufteilungsquote von 1 : 1 ausgingen, ist diese Beurteilung zutreffend.
[80] 8. Das Rekursgericht hielt zusammengefasst fest, das Erstgericht habe eine neue Entscheidung zu treffen, ob und wem eine Ausgleichszahlung auferlegt werde. Die Frau legt im Revisionsrekurs nicht dar, welche Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu einer allfälligen Wertsicherung sie zur Klarstellung für erforderlich erachtet. Das Rekursgericht hat bereits auf die von der Frau geteilte Rechtsansicht verwiesen, dass eine Wertsicherung dann der Billigkeit entspricht, wenn damit bei besonders langer Verfahrensdauer ein möglicher Kaufkraftverlust und/oder notwendige Finanzierungskosten ausgeglichen werden sollen (RS0106607 [T1, T3]).
[81] Da noch nicht feststeht, dass die Frau überhaupt zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet sein könnte, sind ihre Ausführungen zu ihrer Leistungsfähigkeit nur theoretischer Natur. Darauf ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht näher einzugehen.
[82] 9. Damit hat es zwar im Ergebnis bei der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung zu bleiben, weswegen dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben ist (vgl RS0007094 [T7]).
[83] Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts sind jedoch keine Feststellungen zu den AMA‑Förderungen zu treffen. Hinsichtlich des Veräußerungsverbots ist zu beachten, dass ohne Zustimmung der Mutter der Frau als Verbotsberechtigter die Einräumung eines dinglichen Nutzungsrechts an der Ehewohnung nicht in Betracht kommt, sondern gemäß § 87 Abs 1 Satz 1 EheG nur die Anordnung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses. Hingegen sind Feststellungen zur Beurteilung des Benachteiligungsausgleichs nach § 91 Abs 2 EheG für die vom Mann aus ehelichem Vermögen angeschafften Liegenschaften, die dem landwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, erforderlich. Dazu bedarf es – neben den vom Rekursgericht genannten Punkten (insbesondere zum Wert der Wohnungen in der Landeshauptstadt beim neuen Schluss der Verhandlung) – der Ergänzung des Verfahrens durch das Erstgericht.
[84] 10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)