OGH 1Ob53/17a

OGH1Ob53/17a26.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers P***** I*****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin S***** H*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in Linz, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 28. September 2016, GZ 21 R 232/16s‑29, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 4. Juli 2016, GZ 1 Fam 9/15k‑25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00053.17A.0426.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Umfang einer Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin von 9.750 EUR bereits in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die eheliche Gemeinschaft der Streitteile wurde im Juni 2013 aufgehoben. Strittig ist allein noch die Frage, inwieweit von der Antragsgegnerin im Zeitraum Juni 2013 bis April 2016 bezogene Mieteinnahmen aus einer während der ehelichen Lebensgemeinschaft erworbenen, in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft bei der Ermittlung der Aufteilungsmasse bzw der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sind. Das Erstgericht hat dazu festgestellt, die Antragsgegnerin habe im genannten Zeitraum „um Steuern bereinigte“ Mieteinnahmen in Höhe von 23.800 EUR gehabt. Es sei unstrittig, dass von den Mieteinnahmen ein monatlicher Betrag von ca 700 EUR verbleibe.

Der Antragsteller, der seinen Antrag auf eine Ausgleichszahlung noch in der Höhe von (insgesamt) 21.675 EUR aufrecht hält, vertritt den Standpunkt, die Mieteinnahmen der Antragsgegnerin, die zur Tilgung des von ihr zum Ankauf der Liegenschaft aufgenommenen Kredits verwendet worden seien, seien als ein ihr aus der ehelichen Errungenschaft zukommender Vorteil zu berücksichtigen.

Die Antragsgegnerin wandte dagegen ein, eine Berücksichtigung der Mieteinnahmen komme nicht in Betracht, zumal ansonsten auch die von ihr allein geleisteten Kreditrückzahlungen zu berücksichtigen wären; die Raten seien höher als die Mieteinnahmen.

Das Erstgericht erkannte die Antragsgegnerin schuldig, dem Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 21.675 EUR zu leisten. Es ging dabei vom aktuellen Wert der Liegenschaft von (unstrittig) 203.000 EUR aus und brachte davon die zum 17. 6. 2013 auf der Liegenschaft haftenden Kreditverbindlichkeiten in Abzug, woraus sich ein aufzuteilender Wert von 35.550 EUR ergebe. Zu diesem Betrag seien noch die „um die Steuern bereinigten“ Mieteinnahmen nach dem Zeitpunkt der Aufhebung der Lebensgemeinschaft (23.800 EUR) hinzuzurechnen. Von dem somit insgesamt aufzuteilenden „Betrag“ von 59.350 EUR stehe die Hälfte dem Antragsteller zu. Da dieser von der Antragsgegnerin aus dem Erlös einer Lebensversicherung bereits 8.000 EUR erhalten habe, berechne sich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 21.675 EUR.

Das Rekursgericht setzte die Ausgleichszahlung auf 9.750 EUR herab, wies das Mehrbegehren des Antragstellers ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs letztlich für zulässig. Warum das Erstgericht die Mieteinnahmen aus der Zeit nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft hinzugerechnet habe, sei für das Rekursgericht nicht nachvollziehbar. Da es sich um keine aufzuteilenden ehelichen Ersparnisse handeln könne, seien diese doch erst nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft lukriert worden, seien die Mieteinnahmen außer Betracht zu lassen. Es schlage auch nicht zu Gunsten des Antragstellers durch, dass damit Kreditrückzahlungen geleistet wurden, stehe die Liegenschaft doch im Alleineigentum der Antragsgegnerin, die somit berechtigt gewesen sei, die „Miete“ allein zu vereinnahmen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil im Hinblick auf die Entscheidung 1 Ob 57/11f doch nicht auszuschließen sei, dass auch bei einem Alleineigentum an der Liegenschaft und ausschließlicher Finanzierung durch einen Ehegatten die Mieteinnahmen aus dem Zeitraum von der Auflösung der Lebensgemeinschaft bis zur Aufteilungsentscheidung als Erträgnisse aus den ehelichen Ersparnissen der Aufteilung unterliegen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, und – im Sinne einer Aufhebung – auch berechtigt.

Zutreffend verweist der Revisionsrekurswerber darauf, dass nicht nur die Liegenschaft selbst, die während der ehelichen Gemeinschaft erworben wurde, in die Aufteilungsmasse fällt, sondern auch die bis zum für die Bewertung maßgeblichen (stRsp RIS‑Justiz RS0057644 [T2]) Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung zugeflossenen Mieteinnahmen als „Ausfluss des aufzuteilenden Vermögens“. Der Fachsenat für Aufteilungssachen erkennt in ständiger Judikatur, dass auch Wertsteigerungen aufzuteilender Vermögensgegenstände zwischen dem Zeitpunkt der Auflösung der Gemeinschaft und der Aufteilungsentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen und beiden vormaligen Ehegatten gleichermaßen zugutekommen, sofern sie ohne weiteres Zutun eines der Streitteile – etwa durch bloße Steigerungen der Grundstückspreise – eingetreten sind (RIS‑Justiz RS0057644). Dies gilt gleichermaßen für solche Erträgnisse, die ohne nennenswerte Mühe aus der gemeinschaftlichen Sache von einem Ehegatten bezogen werden, wie etwa Früchte (Erträgnisse) einer während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbenen Liegenschaft (1 Ob 57/11f = SZ 2011/44). Derartige Einkünfte sind nun der Antragsgegnerin ohne nennenswerte Mühe aus der der Aufteilung unterliegenden Liegenschaft zugeflossen. Es ist nicht ersichtlich, warum diese anders behandelt werden sollten als sonstige Kapitalerträge. Bestünde der aufzuteilende Vermögensgegenstand etwa in einem Sparbuch oder in einem (inhaltlich sonst unveränderten) Wertpapierdepot, wären ebenfalls die Werte zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung heranzuziehen, wenn sich diese gegenüber dem Wert zum Zeitpunkt der Aufhebung der Gemeinschaft (durch Kursänderungen, aber auch durch Dividenden oder Zinsen) erhöht haben.

Auch wenn somit den Argumenten im Revisionsrekurs grundsätzlich Berechtigung zukommt, ist die Sache noch nicht endgültig spruchreif, zumal die Vorinstanzen keine ausreichenden Feststellungen zu den „Nettomieteinnahmen“ der Antragsgegnerin getroffen haben. Das Erstgericht spricht davon, dass ihr „nach Abzug der Abgaben“ von den monatlichen Mieteinnahmen in Höhe von 800 EUR ein Betrag von ca 700 EUR verbleibe. Aus den weiteren Ausführungen, die insbesondere auf das Vermögensbekenntnis der Antragsgegnerin verweisen, lässt sich vermuten, dass mit den erwähnten „Abgaben“ allein die Umsatzsteuer gemeint ist, die auch in der weiters erwähnten „Aufstellung ON 13“ als Abzugspost angeführt ist. Es können aber nur jene Erträge der Aufteilung unterliegen, die der Antragsgegnerin tatsächlich „netto“ zur Verfügung stehen. Ebenso wie etwa bei Zinseinkünften die KESt abzuziehen wäre, wäre hier zu prüfen, inwieweit die Mieteinnahmen der Einkommensteuer unterliegen und letztlich durch deren Abzug geschmälert werden. Dazu hat die Antragsgegnerin in ihrem Rekurs moniert, das Erstgericht habe zu Unrecht die „Bruttoeinnahmen“ zur Aufteilungsmasse hinzugerechnet. Aus der ihrem Vermögensbekenntnis angeschlossenen Lohnabrechnung ergibt sich, dass sie (zumindest) seit 9. 9. 2013 Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in einer solchen Höhe bezieht, dass sie auch Lohnsteuer zu entrichten hat. Damit stellen ihre monatlichen Mieteinkünfte in Höhe von rund 700 EUR nicht ihr einziges Einkommen dar und unterliegen damit einer konkreten Einkommensteuerpflicht.

Das Erstgericht wird diesen Gesichtspunkt im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und letztlich zu ermitteln haben, inwieweit die festgestellten Mieteinkünfte durch die Verpflichtung zur Entrichtung von Einkommensteuer vermindert werden. Lediglich der letztlich verbleibende Betrag wird bei der neuerlichen Bemessung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sein. Weil unstrittig ist, dass die Antragsgegnerin im fraglichen Zeitraum die gesamten Mieteinkünfte zur Rückzahlung der auf der Liegenschaft lastenden Kreditverbindlichkeiten verwendet hat, somit die insofern aus der Liegenschaft als Teil der ehelichen Ersparnisse erflossenen Erträgnisse zur Tilgung konnexer Verbindlichkeiten im Sinne des § 81 Abs 1 Satz 1 EheG dienten, erscheint es zur Gewährleistung einer angemessenen Teilhabe beider Ehegatten an dem dadurch bewirkten Vermögenszuwachs geboten, auch im Hinblick auf die Bewertung der Schulden auf den Kreditsaldo zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung abzustellen, da erst mit dieser die Vermögenssphären endgültig getrennt werden. Sollte die (bisher ungeprüfte) Behauptung der Antragsgegnerin zutreffen, sie habe über den (reinen) Zinsertrag hinaus auch eigene Mittel für die Rückzahlungen verwendet, werden diese bei der (dann fiktiven) Saldoermittlung auszuscheiden sein. Maßgeblich ist dann jener Wert, der sich zum Entscheidungszeitpunkt ergäbe, wenn auf den bei Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft bestehenden Kreditsaldo lediglich Rückzahlungen in Höhe der (reinen) Mieterträge im oben dargelegten Sinn geleistet worden wären.

Zur Klarstellung ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sämtliche übrigen ursprünglichen Streitpunkte bereits erledigt sind und sich die Entscheidung auf die Höhe der zu berücksichtigenden Mieteinkünfte (und der zusätzlichen Kreditrückführungen) zu beschränken hat; lediglich auf eine allfällige Veränderung des Liegenschaftswerts zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt wäre Bedacht zu nehmen.

Im Hinblick auf die verzeichneten Kosten ist ein Vorbehalt auszusprechen, weil die Sache noch nicht iSd § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG endgültig erledigt ist.

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