AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W163.1434315.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren amXXXX Staatangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2013, Zl. 12 11.332-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2014, zu Recht erkannt:
A)
I.
Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II.
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat AFGHANISTAN zuerkannt.
III.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis 07.07.2016 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
I.1. Verfahrensgang
1. Der damals minderjährige und unbegleitete Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach unrechtmäßiger und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.08.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestellt.
Am selben Tag fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.
2. In weiterer Folge wurde der BF am 13.02.2013 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Wien (im Folgenden: BAW) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.
3. Das Bundesasylamt hat mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, zugestellt am 22.03.2013, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und den BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
4. Gegen den oben im Spruch angeführten Bescheid richtet sich die beim Bundesasylamt fristgerecht eingelangte und mit 05.04.2013 datierte Beschwerde des BF an den Asylgerichtshof. Darin wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben oder abzuändern.
Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Asylgerichtshof am 15.04.2013 vom Bundesasylamt vorgelegt.
5. Das mit 01.01.2014 zuständige Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 02.12.2014 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF persönlich teilnahm. Ein Vertreter des mit 01.01.2014 zuständigen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nahm an der Verhandlung nicht teil.
Das BFA als belangte Behörde beantragte schriftlich die Abweisung der Beschwerde.
I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)
Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:
a) Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei
1. Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Provinz Wardak (Afghanistan). Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Pashtu.
2. Der BF ist nicht verheiratet, nicht verlobt und hat keine Kinder. Der BF hat 12 Jahre die Schule besucht und in Kabul abgeschlossen. Die Mutter sowie die jüngeren Geschwister des BF leben im Geburtsort des BF in Afghanistan und werden von einem Onkel väterlicherseits, der in Kabul lebt, finanziell unterstützt. Dieser Onkel väterlicherseits unterstütze auch den BF, bis dieser die Schule in Kabul abgeschlossen hatte und selbsterhaltungsfähig war. Seit seiner Ausreise aus Afghanistan hatte der BF keinen direkten Kontakt zu seiner Familie.
3. Der BF hat Afghanistan Mitte des Jahres 2012 verlassen und ist über den Iran, die Türkei, Griechenland und weitere im unbekannte Länder bis nach Österreich gereist, wo er nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise am 26.08.2012 den gegenständlichen Antrag gestellt hat.
4. Das Vorbringen des BF zu einer möglichen Gefährdung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat ist nicht glaubhaft und wird daher dieser Entscheidung nicht als maßgebender Sachverhalt zugrunde gelegt.
Festgestellt wird, dass der BF in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft ist noch jemals inhaftiert wurde und auch mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme hatte. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.
Festgestellt wird jedoch, dass eine Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat Afghanistan derzeit nicht zumutbar erscheint und die Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde.
b) Zur Lage im Herkunftsstaat
Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante
Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur allgemeinen Lage in Afghanistan ist fallbezogen festzustellen:
Die allgemeine Sicherheitslage hat sich seit der Verkündung der Wahlergebnisse ein wenig stabilisiert. Für afghanische Verhältnisse kann man sogar von einer Verbesserung sprechen. Solange sich die neue Regierung aber noch nicht formiert hat und die Ministerien noch nicht neu besetzt sind, kann davon ausgegangen werden, dass radikale Gruppierungen nach wie vor durch Anschläge, speziell gegen Regierung und ISAF (International Security Assistance Force), die Lage destabilisieren wollen, um die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis zu stellen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).
Die Motive der Gruppierungen in Afghanistan sind einerseits politisch/religiös, andererseits rein wirtschaftlich bedingt. Die Maßnahmen der neuen Regierung wurden von der Zivilbevölkerung positiv aufgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass Gruppierungen, die die Handlungsunfähigkeit der Regierung unter Beweis stellen wollen, diesen Winter vermehrt Aktionen setzen werden. Mit nächstem Jahr wird auch ISAF in RSM (Resolut Support Mission) umfunktioniert und auf internationaler Seite eine massive Truppenreduktion eingeleitet. Auch das kann noch einmal zu einer Verschärfung der Lage führen. Sollte die Masse der Bevölkerung nicht ausreichend informiert werden, wird von radikalen Gruppen versucht werden, die planmäßige Reduktion der Truppen als Rückzug auf Grund des massiven Drucks gegen die IC (International Coalition) zu verkaufen. Trotzdem ist die Anzahl der Anschläge im Gesamten leicht rückgängig, ihre "Qualität" hat aber zugenommen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014).
Im Zeitraum 1.6.-15.8.2014 registrierte die UNO landesweit 5.456 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies bedeutet eine Steigerung von 10,7% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres und von 18,7% zu 2012. Jedoch bedeuten diese Zahlen auch einen Rückgang von 12,6% im Vergleich zu 2011. Die erhöhte Zahl der Vorfälle ist auf Operationen unter Führung der ANSF zurückzuführen, die sich auf die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen konzentrierten, und auf die andauernde "Khaibar"-Offensive der Taliban, aber auch auf Versuche der Rebellen, den Wahlprozess zu stören. Während des Berichtszeitraumes machten bewaffnete Zusammenstöße 47,3% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle aus, während 29,1% auf IEDs zurückzuführen sind. Im gleichen Zeitraum wurden 36 Selbstmordattentate registriert, was, verglichen mit 32 Selbstmordattentaten im vorigen Berichtzeitraum, einen geringen Anstieg bedeutet. 2013 wurden im gleichen Zeitraum 33 Selbstmordattentate registriert. Insgesamt wurden von 1.6.-15.8.2014 211 Attentate und 30 Attentatsversuche registriert, was einen Anstieg von 7,1% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 bedeutet (UN GASC 9.9.2014).
Im Zeitraum 1.3.-31.5.2014 verzeichnete die UNO landesweit 5.864 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf die Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan, speziell jene Vorfälle, die eine Rolle in festgelegten Aktivitäten und Programmen spielen. Dies deutete eine Steigerung von 22% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2011 an. Bewaffnete Zusammenstöße machten 45% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die hohe Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle ist hauptsächlich der Wahlzeit zuzuschreiben, was auf die Räumungsoperationen der afghanischen Sicherheitskräfte und Versuche der Taliban den Wahlprozess zu stören, zurückzuführen ist. Vorfälle im Süden, Südosten und Osten des Landes machten 3.917 aller Vorfälle während des Berichtszeitraumes aus. Nennenswert ist speziell der Anstieg im Osten, wo mehrere al-Qaida Zweige, wie z.B. Tehrik-e-Taliban Pakistan, Lashkar-e-Tayyiba, Lashkar-i-Jhangvi und Islamic Movement of Uzbekistan regelmäßig Angriffe auf die afghanischen Sicherheitskräfte durchgeführt haben, parallel zu den Bemühungen der Taliban und dem bewaffneten Flügel Hezb-e Islami (UN GASC 18.6.2014).
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiterhin volatil. Die Vereinten Nationen (UNO) registrierten 20.093 sicherheitsrelevante Vorfälle im Jahr 2013, es ist damit nach 2011 das gewaltreichste Jahr seit dem Fall der Taliban. 70% dieser Angriffe wurden im Osten, Südosten und speziell im Süden registriert. Bewaffnete Zusammenstöße und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung (IED) machten 75% aller Vorfälle aus. Bewaffnete Zusammenstöße sind im Vergleich zu 2012 um 51% gestiegen. Die afghanischen Sicherheitskräfte haben bewiesen, dass sie fähig sind Gebiete gegen Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente zu verteidigen und Territorien zurückzuerobern, wenn auch unter signifikanten Opferzahlen (UN GASC 7.3.2014).
Zwischen 1.1. und 30.6.2014 registrierte die UNAMA 4.853 zivile Opfer (1.564 Tote und 3.289 Verletzte) - dies deutet einen Anstieg um 17% bei getöteten bzw. um 28% bei verletzten Zivilisten. Es wurde damit ein Anstieg von 24% im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2013 verzeichnet. Zum ersten Mal seit 2009 wurden mehr Zivilisten in Bodenkämpfen und Kreuzfeuer zwischen regierungsfeindlichen Elementen und den ANSF getötet oder verletzt, als durch andere Taktiken. In den vergangenen Jahren wurde die Mehrzahl der Zivilisten durch IEDs getötet oder verletzt (UNAMA 7.2014).
Konflikt-bedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2014 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. Die UNAMA verzeichnete 1.071 minderjährige Opfer (295 Kinder starben und 776 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 34% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2013. Es gab 440 weibliche Zivilopfer, davon wurden 148 Frauen getötet und 292 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 24% gegenüber 2013 (UNAMA 7.2014).
Laut UNAMA waren 74% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 9% regierungsfreundlichen Kräften (8% den ANSF, und 1% internationalen militärischen Kräften), 12% aufgrund von Bodenkämpfen zwischen regierungsfeindlichen Kräften und den ANSF. UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer explosiven Munitionsrückständen des Krieges zu und die übrigen 1% grenzübergreifenden Bombardements von Pakistan nach Afghanistan (UNAMA 7.2014).
Im Gegensatz zu den ersten sechs Monaten des Jahres 2009 (599), verdoppelte sich die Zahl der von regierungsfeindlichen Elementen getöteten Zivilisten auf 1.208 im Jahr 2014. Während sich die Zahl der von regierungsfreundlichen Kräften getöteten Zivilisten halbierte - von 302 auf 158. Dies ist auf die Luftoperationen der internationalen militärischen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 7.2014).
Die Intensivierung von Bodenkämpfen in bevölkerungsreichen Gegenden führte zu hohen Opfern bei Frauen und Kindern. Die Zahl der minderjährigen Opfer aufgrund von Bodenkämpfen verdoppelte sich auf 520 (112 Kinder starben und 408 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 110%. Bodenkämpfe führten zu 256 weiblichen Zivilopfer (64 Frauen starben und 192 wurden verletzt). Dies ist im Gegensatz zu 2013 eine Steigerung von 61% (UNAMA 7.2014).
Wardak
Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt, zu den Distrikten der Provinz Wardak zählen: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud und Hisa-i-Awal Bihsud. Kabul und Logar liegen im Osten der Provinz (Maidan) Wardak, Bamyan im Westen und Nordwesten, Ghazni im Süden und Südwesten, sowie die Provinz Parwan im Norden (Pajhwok o.D.u).
Wardak zählt zu den relativ volatilen Provinzen in Zentralafghanistan, wo regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische in manchen Bezirken aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 28.9.2014; vgl. Khaama Press 6.5.2014; WP 5.4.2014). Wardak, eine Schlüsselprovinz, war in den letzten Jahren Ort der gewalttätigsten Kämpfe zwischen der NATO und den Taliban (BBC 20.10.2014). Die Provinz wird als Taliban-Hochburg gesehen (WP 5.4.2014; vgl. WSJ 5.4.2014).
Laut einem öffentlichen afghanischen Vertreter, hat das afghanische Militär die Kontrolle über die Provinz Wardak (BBC 20.10.2014).
Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die Zahl regierungsfeindlicher Angriffe in der Provinz Wardak um 12% gestiegen. Im Jahr 2013 wurden 429 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014).
Die UNAMA hat auch weiterhin den lokalen Dialog gefördert, um interethnische Spannungen zu entschärfen und Vertrauen innerhalb der Gemeinschaften aufzubauen. Unter anderem in der Provinz Wardak. Teilgenommen haben lokale Regierungsbeamte, traditionelle Stammesführer und die Zivilgesellschaft (UN GASC 7.3.2014).
Rückkehrfragen:
Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10.01.2012, S. 28)
Rückkehrer können vor allem dann auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 31.03.2014, S. 5 )
Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik die sich jedoch dabei stellt, ist dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.
(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service¿s fact finding mission to Kabul, vom 29.05.2012)
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen mehr als 31 Millionen Menschen. Davon sind 42 Prozent Pashtunen, 27 Prozent Tajiken, 9 Prozent Hazara, 9 Prozent Usbeken, 4 Prozent Aimaken, 3 Prozent Turkmenen, 2 Prozent Balochen und 4 Prozent gehören zu anderen kleineren ethnischen Gruppen (CIA 7.1.2014 vgl. CRS 22.11.2013). In der neuen Verfassung Afghanistans von 2004 werden Pashtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Pahsai, Nuristanis, Aimaken, Araber, Kirgisen, Qilbash, Gujuren, Brahuin und andere ethnische Gruppen erwähnt, die ein Recht auf die afghanische Staatsbürgerschaft haben. Aber auch die Sprache der ethnischen Gruppen wurde in die neue Verfassung aufgenommen (MRGI 07.2012).
Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 04.06.2013 vgl. englische Übersetzung der Verfassung UNPAN 2004).
Die Pashtunen als die größte Gruppe leben Großteils im Süden und Südosten des Landes, aber auch in allen anderen Teilen des Landes. Die Minderheit der Hazara lebt überwiegend in der Mitte des Landes (Hazarajat) und in Kabul, die Minderheit der Usbeken im Norden wie auch die turkmenische Minderheit, jene der Aimaken im Westen, der Belutschen im Westen und Nordwesten des Landes; und die nuristanische Minderheit überwiegend im Osten von Afghanistan (MRGI 07.2012).
Interethnische Ehen, im Speziellen zwischen Pashtunen und anderen Gruppen, haben die ethnischen Unterschiede zwischen den Gemeinschaften verwischt. Es gibt auch interethnische Beziehungen zwischen Tadschiken und mongolischen und turkmenischen MigrantInnen und zwischen Hazara und Usbeken (MRGI 07.2012).
Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50 Prozent der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass spezielle soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindert. Nichtsdestotrotz, beschwerten sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu Beamtenjobs staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 19.04.2013).
II. Beweiswürdigung
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
II.1. Zum Verfahrensgang
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesasylamtes und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.
II.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei
1. Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum und zum Geburtsort stützen sich auf die Angaben des BF vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Der BF hat im Verfahren keine Dokumente zu seiner Identität vorgelegt, weshalb die Feststellungen ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren gelten.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Pashtu.
2. Die Feststellungen zum Zeitpunkt des Verlassens seines Herkunftsstaates und seiner Situation in Afghanistan, stützen sich auf die Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise in Österreich stützt sich auf die Tatsache, dass der BF in Umgehung der die Einreise regelnden Vorschriften ohne die erforderlichen Dokumente in Österreich einreiste.
3. Die Feststellungen zu seiner Familiensituation in Afghanistan stützen sich auf die Angaben des BF vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
4. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat, das sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt, aus den Ausführungen in der Beschwerde sowie im Besonderen aus den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergibt, aus folgenden Erwägungen als nicht glaubhaft:
Der BF brachte im Verfahren vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar übereinstimmend vor, wegen seiner Botentätigkeit für eine afghanische Firma namens XXXX, die auch für amerikanische Firmen gearbeitet hätte und wegen der Handlungen seines Vaters zu Talibanzeit einer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, vermochte dabei aber nicht, im Rahmen des behaupteten Sachverhaltes ausreichend substanziierte, widerspruchsfreie und plausible und damit auch insgesamt als glaubhaft zu bewertende Angaben zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat zu machen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.12.2014 brachte der BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und seiner Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen (Fluchtgründe) Folgendes vor (RI:
Einzelrichter; BF: Beschwerdeführer; D: Dolmetscher):
"(...)
RI: Sie haben vor dem Bundesasylamt angegeben, Sie hätten ca. eineinhalb Jahre für die Firma XXXX gearbeitet. Haben Sie mit dieser Arbeit unmittelbar nach Abschluss der Schule begonnen?
BF: Ja, ich habe glaube ich, damals von einem Jahr gesprochen. Das war nach der Beendigung der Schule.
RI: Damals haben Sie angegeben eineinhalb Jahre, das ergibt sich aus der Aktenseite 57.
RI: Gab es einen konkreten Grund, warum Sie damals Afghanistan verlassen haben?
BF: Diese Firma, bei der ich gearbeitet habe, glaube ich hat mit den Amerikaner und den ISAF-Truppen zu tun. Ich weiß es aber nicht genau. Ich habe für diese Firma Unterlagen und Papier hin und her gebracht. Ich habe deswegen Probleme bekommen. In unserer Gegend werden jene Leute, die für solche Firmen arbeiten getötet. Ich wurde selbst auch bedroht. Die Dorfbewohner haben mich gewarnt und haben gesagt, dass das gegen die Scharia sei, wenn ich dort arbeite. Aus diesem Grunde musste ich Afghanistan verlassen.
RI: Sie geben an, bedroht worden zu sein: schildern Sie mir diese Bedrohung.
BF: Die Leute in unserem Heimatdorf sind sehr gläubig. Sie haben solche Leute wie mich, die für ähnliche Firmen gearbeitet haben, getötet. Sie haben gemeint, dass ich ungläublig geworden sei und auch für Ungläubige arbeite.
RI: Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie konkret bedroht wurden und was bei dieser Bedrohung vorgefallen ist.
D gibt an, dass der BF nocheinmal diesen Sachverhalt wiederholt.
BF: Ich wurde einmal von solchen Personen, die mich gewarnt hatten, unterwegs angehalten und mitgenommen. Sie haben mich aus einem Fahrzeug geholt und mitgenommen, meine Augen verbunden. Ich weiß nicht, wo sie mich hingebracht haben.
RI: Wenn Sie sagen, dass Sie von solchen Personen die Sie gewarnt hätten, angehalten worden wären, dann würde das ja bedeuten, dass diese Leute aus Ihrem Heimatdorf sind?
BF: Ich habe diese Leute nicht erkannt, sie waren vermummt und sie haben mir auch meine Augen verbunden.
RI: Wenn diese Leute vermummt waren, wieso wissen Sie dann, dass es sich dabei um jene Personen handelte, die Sie zuvor gewarnt hatten?
BF: Solche Leute gibt es nicht einen, sondern es gibt mehrere Gruppierungen. Diese Leute, die mich aus dem Auto geholt haben, waren bewaffnet. Das müssen solche Leute sein, wie die, die mich gewarnt haben.
RI: Woher wußten diese Leute, dass Sie für die Firma XXXX arbeiteten?
BF: Die Leute haben mich erkannt. Die Dorfbewohner haben auch mit solchen Leuten Kontakt. Sie mussten ihnen gesagt haben, dass sie solche Leute wie mich anhalten.
RI: Das würde ja bedeuten, dass diese Leute gezielt nach Ihnen gesucht hätten und Sie gekannt hätten?
BF: Die Leute wollten, dass ich mit der Arbeit bei dieser Firma aufhöre. Solche Leute wie ich, die bei solchen Firmen gearbeitet haben, wurden gewarnt und aufgefordert, nicht mehr für diese Firma zu arbeiten. Wenn man diesen Aufforderungen nicht folgt, werden solche Leute mitgenommen und getötet. Ich wurde auch mehrmals aufgefordert, bei dieser Firma nicht mehr zu arbeiten. Weil ich das ignorierte, mussten diese Leute den anderen gesagt haben, dass man mich anhält und mitnimmt.
RI: Schildern Sie mir noch einmal genau, wie das mit dieser Anhaltung war.
BF: Ich war in einem Reisebus, einem 303. Ich weiß nicht genau, wo wir angehalten wurden. Mit mir sind sechs oder sieben andere Personen, die ich nicht kannte, aus dem Bus geholt worden. Die anderen sind von mir getrennt worden. Sie haben meine Hände und meine Augen verbunden. Ich bin ca. eine halbe Stunde mit ihnen zu Fuß maschiert. Sie haben danach mich und meine Taschen durchsucht. Sie haben nichts Wichtiges bei mir gefunden. Hätten sie etwas Wichtiges bei mir gefunden, hätten sie mich gleich umgebracht. Sie wollten mich einschüchtern, haben mich mit Fußtritten traktiert. Ich konnte dort nicht sprechen, weil ich soviel Angst hatte. Danach haben sie mich freigelassen.
RI: Warum haben sie Sie freigelassen?
BF: Sie haben mich nicht erkannt und haben auch nichts Wichtiges bei mir gefunden, dass darauf hindeuten könnte, dass ich es bin, der für die Firma XXXX arbeitet.
RI: Einen anderen Grund, warum Sie freigelassen wurden, gab es nicht?
BF: Sie bei mir einige Karten gefunden, worauf unter anderem Telefonnummern gestanden sind. Sie haben jemanden angerufen, ich weiß nicht wen. Danach fragten sie mich, ob ich diese Person bin. Aus Angst konnte ich kaum sprechen. Sie haben mir danach Fußtritte gegeben und mich freigelassen.
RI: Was waren das für Karten, die bei Ihnen gefunden wurden?
BF: Ich weiß es jetzt nicht mehr. Es waren Karten mit Adressen und Telefonnummern wo ich hinfahren sollte.
RI: Wieviel Zeit ist vergangen, zwischen Ihrer Verbringung an diesen, Ihnen unbekannten Ort, und Ihrer Freilassung nach dem Telefonat?
BF: Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich hatte solche Angst gehabt. Ich konnte vor Angst nicht einmal weinen, geschweige denn reden.
RI: Können Sie mir es ungefähr sagen? War es ein halber Tag, war es eine halbe Stunde?
BF: Ich weiß es wirklich nicht. Ich will nicht einfach irgendetwas sagen.
RI: Es ist mir nicht plausibel, dass Sie nicht ungefähr angeben können, wie lange Sie angehalten wurden.
BF: Ich hatte soviel Angst gehabt, dass ich nicht wußte, was mit mir dort passiert. Ich schätze es etwa 30 oder 50 Minuten.
RI: So genau wollte ich das gar nicht von Ihnen wissen. Ich wollte nur wissen, ob es ein paar Stunden waren, oder mehr oder weniger.
BF: Wie gesagt, es könnten ungefähr 30 bis 50 Minuten gewesen sein.
RI: Wie lange haben Sie bei dieser Firma gearbeitet, bis Sie aus diesem Bus geholt wurden?
BF: Etwas über neun Monate.
RI: Wie lange haben Sie nach diesem Vorfall bei der Firma XXXX gearbeitet?
BF: Danach nicht mehr.
RI: Wie ich Sie zuvor schon aufmerksam machte, haben Sie vor dem Bundesasylamt angegeben, eineinhalb Jahre bei dieser Firma XXXX gearbeitet zu haben. Wenn Sie ungefähr neun Monate nach Beginn dieser Arbeit angehalten worden wären und danach nicht mehr dort gearbeitet haben, ergibt sich ein zeitlicher Widerspruch. Entweder hätten Sie nur ungefähr neun Monate dort gearbeitet, oder Sie hätten nach diesem Vorfall noch einmal neun Monate gearbeitet, denn nur so ergäbe sich eine Gesamtarbeitszeit von eineinhalb Jahren.
BF: Ich habe tatsächlich so lange gearbeitet, wie ich heute gesagt habe. Vor dem Bundesasylamt musste ich einen Fehler gemacht haben, oder es musste dort ein Fehler gemacht worden sein.
RI: Vor dem Bundesasylamt haben Sie den Vorfall in diesem Bus anders geschildert. Sie haben angegeben, Sie wären durchsucht worden, dabei hätte man Ihren Dienstausweis gefunden, danach hätten Sie Probleme bekommen und wären von unbekannten Leuten zu einem unbekannten Ort gebracht worden. Heute haben Sie dies anders geschildert. Gibt es einen Grund dafür?
BF: Ich habe heute schon angegeben, dass bei mir einige Karten gefunden wurden. Ich weiß nicht mehr, welche Karten gefunden wurden. Sie haben daraufhin auch telefoniert.
RI: Hatten Sie damals einen Dienstausweis von der Firma XXXX?
BF: Es war keine wichtige Karte. Es war nur eine Karte, mit der ich in die Firma gehen konnte.
RI: Hatten alle Mitarbeiter so eine Karte?
BF: Von anderen weiß ich es nicht. Ich war ein einfacher Arbeiter dort.
RI: Ich habe Sie heute gefragt, wie lange Sie von diesen Unbekannten angehalten worden waren, und Sie sagten schließlich, Sie würden glauben zwischen 30 und 50 Minunten. Vor dem Bundesasylamt haben Sie angegeben, Sie wären eine Nacht und einen Tag lang festgehalten worden. Welche dieser Angaben ist nun korrekt?
BF: Nachdem sie mich freigelassen haben, hatte es lange gedauert, bis ich unser Haus gefunden habe. Ich bin am späteren Nachmittag aus dem Bus geholt worden. Zu Hause angekommen bin ich erst am nächsten Tag. Vielleicht habe ich das so gemeint.
RI: Sie haben heute gesagt, Sie hätten vor Angst nicht weinen und reden können, als Sie angehalten wurden, und die Unbekannten hätten aufgrund der Adressen, die Sie bei sich gehabt hätten, mit jemanden telefoniert. Vor dem Bundesasylamt haben Sie dies anders dargestellt. Sie haben angegeben, Sie hätten selbst mit Ihrer Firma telefoniert. Mit welchem Mitarbeiter Ihrer Firma Sie telefoniert hätten, wüßten Sie nicht, aber dieser Mitarbeiter hätte Ihnen gesagt, dass er mit den Unbekannten sprechen werde, und dann seien Sie freigelassen worden. Wie sind diese unterschiedlichen Angaben zu erklären?
BF: Ich weiß nicht mehr, aufgrund dieser Kopfverletzung, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.
RI: Woran können Sie sich nicht mehr erinnern?
BF: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich damals beim Bundesasylamt gesagt habe.
RI: Gibt es einen Grund, warum Sie beim Bundesasylamt nicht die Wahrheit angegeben hätten?
BF: Ich habe immer die Wahrheit gesagt. Bei meiner Einvernahme beim Bundesasylamt hatte ich gesundheitliche Probleme. Ich hatte nicht richtig gehört und hatte auch Probleme mit meinem Sehvermögen. Ich war krank, als ich einvernommen wurde.
RI: Sind Sie, außer dieser Anhaltung, die Sie heute geschildert haben, sonst je in Haft gewesen oder angehalten worden?
BF: Heute weiß ich es nicht mehr. Ich weiß, dass ich mehrmals gewarnt worden bin. An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern.
RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
BF: Ich kann nach Afghanistan nicht mehr zurückkehren. Damals hatte ich soviel Angst, dass ich aus Angst nicht einmal weinen konnte. Mittlerweile mussten sie es erfahren haben, dass ich nicht mehr dort bin. Würde ich zurückkehren, würde es für sie ein Fest sein. Sie würden mich nicht mehr am Leben lassen.
RI: Wer konkret würde Sie nicht mehr am Leben lassen?
BF: Die Dorfbewohner und die jenigen, die mich gewarnt haben. Durch meine Abwesenheit ist es für sie jetzt nachgewiesen, dass ich es gemacht habe, und sie würden mich nicht mehr am Leben lassen.
RI: Aus Ihren Angaben vor dem Bundesasylamt ergibt sich, dass Sie ein völlig unbedeutender Arbeitnehmer, ein Bote dieser Firma waren, von der Sie nicht einmal wissen, welche Geschäfte die Firma genau betrieb, warum sollte irgendjemand ein Interesse an Ihnen haben?
BF: Diesen Personen ist es unwichtig, welche Stellung man in dieser Firma hat. Es reicht ihnen, wenn man für diese arbeitet. Das ist für sie verboten.
RI: Gibt es sonst noch jemand konkreten, von dem für Sie im Falle einer Rückkehr, eine Gefahr ausgehen könnte?
BF: Ausserdem wurde mein Vater auch im Dorf von den Dorfbewohnern nicht gut angesehen. Er hat in der Talibanzeit irgendetwas gemacht, mit Grundstücken oder anderen Sachen, genaues weiß ich nicht. Wegen dieser Taten meines Vaters droht mir auch Gefahr. Bei Paschtunen ist das so, wenn einmal Probleme zustande kommen, würde das sehr lange dauern.
RI: Können Sie sich erinnern, wie alt Sie waren, als Ihr Vater verschwunden ist?
BF: Ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war.
RI: Sind Sie damals schon zur Schule gegangen, oder war das bevor Sie zur Schule gingen?
BF: Ich weiß es nicht.
RI: Können Sie sich überhaupt noch an Ihren Vater erinnern?
BF: Sehr wenig.
RI: Können Sie sich daran erinnern, dass Sie jemals gemeinsam mit Ihrem Vater etwas unternommen haben?
BF: Nein."
Vage und zum Teil widersprüchlich waren die Angaben des BF zum Geschäftsfeld jener Firma, für die er als Bote tätig gewesen sei. Sprach er bei der Erstbefragung am 26.08.2012 noch davon, die Firma hätte amerikanische Waren transportiert, gab er bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.02.2013 an, es habe sich um eine Baufirma gehandelt, für die er Unterlagen von einem Ort zu einem anderen Ort transportiert hätte. Um welche Unterlagen es sich gehandelt hätte, vermochte der BF nicht anzugeben.
Widersprüchliche Angaben tätigte der BF zur Frage, wie die Taliban auf ihn aufmerksam geworden wären. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.02.2013 gab der BF an, er sei mit einem öffentlichen Bus unterwegs gewesen, angehalten und durchsucht worden. Als man seinen Dienstausweis gefunden hätte, hätte er Probleme bekommen. Im Widerspruch dazu gab der BF bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.12.2014 an, er sei gemeinsam mit sechs oder sieben Personen aus dem Bus geholt worden, man hätte ihn durchsucht, aber nichts Wichtiges gefunden, sonst wäre er gleich umgebracht worden.
Auch die Umstände, wie er freigekommen wäre, schilderte der BF widersprüchlich. Vor dem Bundesasylamt gab der BF an, er hätte eine Karte mit einer Telefonnummer seiner Firma bei sich gehabt, er hätte dort angerufen und mit jemandem gesprochen, er wisse aber nicht mehr, mit wem. Diese Person hätte ihn aufgefordert, das Telefon den Unbekannten weiterzureichen, diese Person hätte dann mit den Unbekannten gesprochen und der BF sei freigelassen worden. Im Widerspruch dazu gab der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er hätte aus Angst kaum sprechen können und die Unbekannten hätten die Nummer auf der Karte, die er bei sich gehabt hätte angerufen und mit jemandem aus der Firma gesprochen.
Widersprüchlich waren auch die Angaben des BF zur Dauer der Anhaltung durch die Unbekannten. So gab er vor dem Bundesasylamt am 13.02.2013 an, er sei einen Tag und eine Nacht lang festgehalten worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.12.2014 gab der BF im Widerspruch dazu an, die Anhaltung habe 30 bis 50 Minuten gedauert und vermochte auf Vorhalten den Widerspruch nicht aufzuklären. Mit der Behauptung, sein Rückweg habe einen Tag und eine Nacht gedauert, vermochte der BF nicht zu überzeugen, zumal er ausdrücklich angegeben hatte, einen Tag und eine Nacht festgehalten worden zu sein.
Die widersprüchlichen Angaben wurden den BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgehalten. Wenn der BF in diesem Zusammenhang auf eine von ihm im Bundesgebiet erlittene Kopfverletzung (bei Nässe ausgerutscht, siehe Befund der Neurologischen Abteilung des Landesklinikum Wiener Neustadt vom 11.11.2012) verweist, vermag er damit seine widersprüchlichen Angaben zwischen dem Verfahren vor dem Bundesasylamt und dem Bundesverwaltungsgericht nicht erklären, zumal sich aus dem Befund keinerlei Hinweise darauf ergeben, die erklären würden, dass der BF krankheitsbedingt widersprüchliche Angaben macht. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Einvernahme vor dem Bundesasylamt in ausführlicher Weise erfolgte. Der BF hat auf konkrete Frage angegeben, beim Bundesasylamt die Wahrheit angegeben zu haben. Wenn der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht den Kernbereich seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abweichend schildert, vermittelt der BF den Eindruck, dass es sich nicht um ein tatsächlich erlebtes Geschehen handelte sondern um eine konstruierte Geschichte und der BF nicht mehr in der Lage war, sein gedankliches Konstrukt in Details übereinstimmend wiederzugeben.
Nicht stimmig waren die Angaben des BF zum zeitlichen Zusammenhang der Anhaltung durch Unbekannte und seiner Ausreise. So gab der BF einerseits an, er habe eineinhalb Jahre für die Firma gearbeitet und die Anhaltung hätte nach neun Monaten seiner Tätigkeit stattgefunden. Dies würde bedeuten, dass der BF nach dieser Anhaltung noch neun Monate weiter bei dieser Firma gearbeitet hätte, weshalb nicht plausibel ist, dass der BF dass die Anhaltung Grund für die Ausreise des BF gewesen sei.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Als der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gefragt wurde, ob es sonst noch jemanden gäbe, von dem eine Gefahr für den BF ausgehe, gab der BF oberflächlich und vage an, sein Vater sei im Heimatdorf nicht gut angesehen gewesen, er hätte in der Talibanzeit "irgendetwas gemacht, mit Grundstücken oder anderen Sachen", Genaues wisse er nicht, aber es drohe im wegen der Taten seines Vaters auch Gefahr. Da der BF auf weitere Fragen nicht in der Lage war dies näher zu konkretisieren und angab weder zu wissen, wie alt er gewesen sei, als sein Vater verschwunden sei, noch ob er damals schon zur Schule gegangen sei und sich überhaupt sehr wenig an seinen Vater erinnern könne vermochte der BF eine drohende Verfolgung wegen der - ohnehin nicht konkretisierten - Taten seines Vaters nicht glaubhaft zu machen. Dies umso mehr, als seine Geschwister seinen Angaben zufolge nach wie vor im Heimatdorf leben würden und er sich bis zu seiner Ausreise auch immer wieder dort aufgehalten hat. Auch wenn der BF zum Zeitpunkt dieser Taten (Herrschaft der Taliban 1996 bis 2001) aufgrund seines damaligen Alters über keine eigenen Wahrnehmungen verfügen sollte, so ist es doch lebensfremd, dass er bis zu seiner Ausreise nicht mitbekommen hätte, wer aus welchem Grund konkret gegen ihn vorgehen sollte, wenn eine Verfolgungsgefahr aus diesem Grund tatsächlich bestanden hätte bzw. bestehen sollte.
Die bloße und nicht näher begründete Behauptung, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine mögliche Verfolgung wegen des Verhaltens seines Vaters zu Talibanzeit drohen könnte, reicht für die Glaubhaftmachung einer derartigen Gefährdung jedoch nicht aus, sondern es bedarf der Darlegung ausreichend konkreter und individueller Umstände, die den BF betreffen, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch von einer ihn betreffenden Gefährdung ausgehen zu können. Nähere und vor allem übereinstimmende Angaben über mögliche Verfolger und deren genauen Verfolgungsgründe tätigte der BF jedoch im gesamten Verlauf des Verfahrens nicht.
Dieses vage, nicht näher substanziierte und in seiner Gesamtheit nicht kohärente Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um eine mögliche Verfolgung des BF aus (asylrelevanten) Gründen im Fall der Rückkehr nach Afghanistan für maßgeblich wahrscheinlich zu halten,
4. In Gesamtschau der dargelegten Erwägungen kann eine Verfolgung des BF aus asylrelevanten Gründen nicht als maßgeblich wahrscheinlich erachtet werden. Weitere Fluchtgründe von vom BF im gesamten Verfahren nicht vorgebracht und sind auch keine Hinweise darauf im Verfahren hervorgekommen.
II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
1. Die oben getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand 19.11.2014, sowie aus den zitierten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage in Afghanistan:
Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung von anderen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichten aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
2. Die in der mündlichen Verhandlung erörterten Feststellungen und Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden dem Parteien zur Einsicht angeboten und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben oder für eine allfällige schriftliche Stellungnahme eine Frist zu beantragen. Der BF hat zu den Länderfeststellungen weder eine Stellungnahme abgegeben noch eine Frist für eine Stellungnahme beantragt.
3. Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.
III. Rechtliche Beurteilung:
III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
1. Bis Ablauf des 31.12.2013 war der AsylGH gemäß Art. 129c des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 49/2012 (B-VG), zuständig, nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen - bis zum Ablauf des 31.12.2013 das BAA - sowie über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylsachen zu erkennen.
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 des B-VG idF BGBl. I Nr. 164/2013 wird der AsylGH mit 1. Jänner 2014 zum Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dieses hat gemäß § 75 Abs. 19 AsylG alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim AsylGH anhängigen Beschwerdeverfahren (nach Maßgabe des § 75 Abs. 20 AsylG) zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31.12.2013 beim AsylGH anhängig, somit ist das BVwG nunmehr für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Belangte Behörde ist ab 01.01.2014 das BFA als Rechtsnachfolger des BAA.
2. Gemäß § 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGVG) ist das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes durch das VwGVG geregelt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Im gegenständlichen Verfahren sind daher gemäß § 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 144/2013 (BFA-VG), dieses sowie weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 144/2013 (FPG) anzuwenden.
3. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2003 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
4. Gemäß dem zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltenden § 63 Abs. 5 AVG iVm dem zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung geltenden § 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I Nr. 4/2008 idF BGBl. I Nr. 10/2013 (in Folge: AsylGHG), war die Beschwerde von der Partei binnen zwei Wochen beim BAA einzubringen. Dies entspricht auch der heutigen Rechtslage (siehe § 16 Abs. 1 BFA-VG).
Zu Spruchteil A)
III.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
2. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
3.1. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
3.2. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom BF nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.
4. Der BF konnte somit keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen, und ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Es ist folglich davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
III.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides
1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 idF FrÄG 2009 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2009 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG 1997 iVm. § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443;
13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164;
16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).
Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegeben sind:
3.1. Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.
Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im (westlich geprägten) Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.
3.2. Beim BF handelt es sich zwar um einen arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es ist aber maßgeblich zu berücksichtigen, dass der BF aus der Provinz Wardak stammt, wo sich seine Mutter und seine jüngeren Geschwister zuletzt aufhielten.
Wie sich aus den vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Informationen ergibt, ist die Sicherheitslage in Wardak "relativ volatil" mit regelmäßigen Aktivitäten der Taliban in den abgelegenen Distrikten. Die Sicherheitslage in der Provinz Wardak variiert von Distrikt zu Distrikt, muss aber auf Grund der starken Aktivität regierungsfeindlicher Gruppierungen als äußerst angespannt und allgemein als gefährlich bezeichnet werden.
Eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 AsylG 2005), etwa in der Hauptstadt Kabul oder anderen Provinzen, steht dem BF mangels eines sozialen Netzwerks auch nicht zur Verfügung zumal maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF bereits im Jahr 2012 ausgereist ist.
3.3. Im gegenständlichen Fall kann daher unter Berücksichtigung der den BF betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der oben dargelegten persönlichen Verhältnisse des BF und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Sicherheits- und Versorgungslage mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde.
4. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden.
Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
III.3. Zum Spruchpunkt II. (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung)
1. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
2. Im gegenständlichen Fall war der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen (siehe Spruchpunkt II.).
Daher war gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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