BVwG G305 2190021-1

BVwGG305 2190021-13.1.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G305.2190021.1.00

 

Spruch:

G305 2190014-1/6E

 

G305 2190021-1/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1)

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom 23.02.2018, Zl.: XXXX, vertreten durch XXXX, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu

Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

2)

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom 22.02.2018, Zl.: XXXX, vertreten durch XXXX, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu

Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Am 30.10.2015, 17:45 Uhr, stellte der im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.2. Am 01.11.2015, 12:07 Uhr, stellte auch sein im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigter Bruder, XXXX, geb. XXXX, StA.:

Irak (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer oder kurz: BF2) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.3. Am 01.11.2015 wurde der BF1 ab 10:52 Uhr, durch ein Organ der Landespolizeidirektion Salzburg einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich welcher der unverheiratete und kinderlose BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass Anfang Oktober 2015 vier Männer (Schiiten) zu seinem Haus gekommen und bedroht hätten. Weil er Sunnit sei und mit dem IS in Verbindung stehe, sei er von ihnen zum Verlassen des Landes aufgefordert worden. Am selben Tag hätten seine Brüder XXXX und XXXX das Haus verlassen und seien diese nie mehr zurückgekehrt. Dies habe er zum Anlass genommen, den Irak zu verlassen [BF1, AS 11 Punkt 11.]

 

Zur Fluchtroute befragt, gab er an, dass er XXXX mit dem Flugzeug nach XXXX verlassen habe. Von dort aus, sei er mit dem Reisebus in die Türkei gefahren. Der Grenzübertritt sei am 13.10.2015 erfolgt. Sodann sei er nach XXXX (Türkei) weitergefahren und sei er mit dem Schlauchboot nach XXXX (Griechenland) übergesetzt, von wo aus er über die Balkanroute nach Österreich gekommen sei. Der Grenzübertritt sei am 27.10.2015, ca. 22:00 Uhr, erfolgt [BF1, AS 9, Punkt 9.9].

 

1.4. Am 01.11.2015 wurde auch der BF2 ab 12:07 Uhr, einer Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizei XXXX unterzogen, anlässlich der er zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass seit Anfang Oktober 2015 aus der Umgebung Männer (Schiiten) zu seinem Haus gekommen wären und ihn bedroht hätten. Weil er Sunnit sei, sei er zum Verlassen des Landes aufgefordert worden. Er und sein Vater seien für fünf Tage zu einem Onkel gegangen. Wo seine Brüder XXXX und XXXX seien, wisse er nicht. Sie seien auf einmal weggewesen. Die Schiiten würden im Land herrschen, weshalb er dort als Sunnit nicht leben könne [BF2, AS 5, Punkt 11.].

 

Zur Fluchtroute befragt, gab er an, dass er am 15.10.2015 XXXX mit dem Flugzeug nach XXXX verlassen hätte. Von dort aus sei er noch am selben Tag mit einem Reisebus in die Türkei gefahren. Sodann sei er nach XXXX gefahren; von der Küste aus sei er mit dem Schlauchboot nach Griechenland übergesetzt und über die Balkanroute nach Österreich gelangt. Der Grenzübertritt ins Bundesgebiet sei am 27.10.2015, abends, erfolgt [BF2, AS 7; Punkt 9.9].

 

1.5. Am 08.01.2018 wurde der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen, anlässlich der er zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, angab, dass der erste Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates schiitische Milizen gewesen seien. einen Monat vor seiner Ausreise, im September 2015, hätten schiitische Milizen seinen Cousin XXXX getötet, weil sich dieser geweigert hätte, mit ihnen zu kämpfen. Daraufhin hätten sie eine Anzeige bei Gericht machen wollen, doch habe das Gericht abgelehnt und gesagt, dass sie aufpassen sollen. Die schiitischen Milizen hätten von der Anzeige erfahren und seien zu ihnen nach Hause gekommen und hätten sie aufgefordert, entweder das Haus zu verlassen, oder sie würden getötet werden. Deswegen habe er den Herkunftsstaat verlassen. Auch habe er es abgelehnt, Schiit zu werden [BF1, AS 75]. Weiter gab er an, dass er mit den staatlichen Stellen des Herkunftsstaates (Polizei, Militär, Gerichte) oder mit Dritten keine Probleme bzw. Schwierigkeiten gehabt hätte. In seinem Herkunftsstaat sei er politisch nicht tätig gewesen; auch sei er nie in Haft gewesen [BF1, AS 79f].

 

1.6. Anlässlich seiner am 09.01.2018 vor der belangten Behörde erfolgten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF2 an, dass er schon in der Schule nicht durchgekommen wäre, weil er den Vornamen Othman führe. Der Lehrer habe ihm gesagt, dass er nicht durchkommen werde, wenn er nicht Schiit werde. Er habe das abgelehnt. Viele seiner Schulkollegen seien aus diesem Grund getötet worden. Nachdem er sich geweigert hätte, sich den Schiiten anzuschließen, hätten sie seinen Cousin XXXX getötet. Sie hätten eine Anzeige machen wollen, aber der Richter hätte gesagt, er schließe den Akt, bevor sie alle getötet würden. Nachdem die Schiiten davon erfahren hätten, dass sie sie anzeigen wollten, seien in der Nacht vier bewaffnete, maskierte Männer zu ihnen nach Hause gekommen und hätten seinen Bruder geschlagen. Beide Waffen seien auf seinen Bruder und den Vater gerichtet gewesen. Nachdem sie aufgefordert wurden, das Land zu verlassen, hätten sie verstreut das Haus verlassen. Nachgefragt gab er an, dass die gesamte Familie bedroht worden sei. Wann genau die Milizen bei ihm zu Hause gewesen seien, gab er an, dass er sich daran nicht erinnern könne. Er habe in der Folge bei seinem Onkel übernachtet. Daraufhin seien sie gekommen und hätten ihn töten wollen. Da sei er mit seinem Vater zum Flughafen geflüchtet und sie seien nach XXXX geflogen; nach einem eintägigen Aufenthalt seien sie mit dem Bus in die Türkei nach XXXX gefahren [BF2, AS 79]. Er selbst sei nicht geschlagen worden; er habe den Herkunftsstaat wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten verlassen [BF2, AS 81]. Weiter gab er an, dass er mit den staatlichen Stellen des Herkunftsstaates (Polizei, Militär, Gerichte) oder mit Dritten keine Probleme bzw. Schwierigkeiten gehabt hätte. In seinem Herkunftsstaat sei er politisch nicht tätig gewesen; auch sei er nie in Haft gewesen [BF2, AS 83].

 

1.7. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 23.02.2018, Zl. XXXX, dem BF1 am 02.03.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF1 vom 30.10.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung seiner Person in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

 

1.8. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22.02.2018, Zl. XXXX, dem BF1 am 05.03.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF2 vom 30.10.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung seiner Person in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

 

1.9. Gegen die obangeführten Bescheide der belangten Behörde richteten sich die am 15.03.2018 jeweils per Telefax eingebrachten Beschwerdeschriften, in denen ausgesprochen wurde, dass der jeweilige Bescheid "zur Gänze", somit hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. angefochten werde. Gestützt wurden die Rechtsmittel auf die Beschwerdegründe "unrichtige Feststellungen", "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und "unrichtige rechtliche Beurteilung"; überdies wurden sie mit den Anträgen verbunden, a) den Beschwerdeführern Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, b) allenfalls ihnen subsidiären Schutz zu gewähren, c) allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen; d) einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, sich mit der aktuellen Situation im Irak zu befassen, e) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, damit der Beschwerdeführer die vorgeworfene Kritik an seinem Vorbringen widerlegen kann; f) allenfalls die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären; g) allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und h) allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig sei.

 

1.10. Am 22.03.2018 brachte die belangte Behörde die gegen die oben näher bezeichneten Bescheide erhobenen Beschwerden des BF1 und des BF2 samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) zur Vorlage und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

 

1.11. Am 14.12.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erst- und des Beschwerdeführers, sowie eines Dolmetschers für die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien durchgeführt. Anlässlich dieser Verhandlung wurde auch die am 12.11.1970 geborene, österreichische Staatsangehörige XXXXB als Zeugin einvernommen, zumal diese, wie auch der BF1 behaupteten einander nach islamischem Ritus geheiratet zu haben.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der sunnitischen Glaubensrichtung [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5]. Seine Muttersprache ist arabisch.

 

Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

 

Zwar bezeichnet er die am 12.11.1970 geborene XXXX (eine vormals ägyptische Staatsangehörige, die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1995 bzw. 1998 die österreichische Staatsangehörigkeit verliehen bekam) als seine Ehegattin, die er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2018 in einer Moschee in Wien traditionell geheiratet haben will, doch verfügt das Paar über keine Urkunde, die die behauptete traditionelle Eheschließung belegen würde. Feststeht, dass der BF1 und XXXX vor einem Standesamt nicht in den Stand der Ehe traten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5f, 11; Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22 und 23ff]. Dass der BF1 und XXXX verheiratet wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

 

Im Bundesgebiet lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft und ist dort an der Anschrift XXXX, polizeilich gemeldet [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22].

 

Dass er mit XXXX zusammenleben würde, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22; Auskunft aus dem ZMR].

 

Der BF1 hat weder leibliche, noch an Kindesstatt angenommene Kinder [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 6].

 

Im Herkunftsstaat besuchte er von 1995 bis 2003 die Schule in seiner Heimatstadt XXXX, davon sechs Jahre lang die Grundschule und zwei Jahre lang die Mittelschule. In der Folge nahm er in XXXX eine private Ausbildung bei einem Tischler an und arbeitete ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2004 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 als Tischler. Ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 arbeitete er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 auf freiberuflicher Basis in diversen Berufen, sohin als Reinigungskraft und als Verkäufer von Textilien und Elektrogeräten in XXXX. Er war in der Lage, sich mit seinen Einkünften, den eigenen Unterhalt zu sichern und Ersparnisse zu bilden, die er dafür vorgesehen hatte, sich mit einem Tischlereiunternehmen selbständig zu machen. Mit seinen Einkünften trug er im Herkunftsstaat zum Einkommen seiner Kernfamilie bei [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7].

 

1.2. Der BF2 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der sunnitischen Glaubensrichtung [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5]. Seine Muttersprache ist arabisch.

 

Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

 

Er ist unverheiratet und beabsichtigt in nächster Zeit auch keine Eheschließung. Auch er hat weder eigene, noch an Kindesstatt angenommene Kinder [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 17.12.2018, S. 6].

 

Im Bundesgebiet lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft und ist dort an der Anschrift XXXX, polizeilich gemeldet [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22].

 

Im Herkunftsstaat besuchte er von 2007 bis 2015 die Schule in seiner Heimatstadt XXXX, davon sechs Jahre lang die Grundschule und die restliche Zeit das Gymnasium; letzteres brach er jedoch wegen seiner Ausreise im Jahr 2015 vorzeitig ab [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7].

 

1.3. Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie der beschwerdeführenden Parteien besteht aus dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborenen Bruder XXXX und dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborenen Bruder XXXX. Die gemeinsame Mutter der beschwerdeführenden Parteien, XXXX verstarb zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2008 [BF1, AS 5; PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7].

 

Bis zu ihrer Ausreise lebten die beschwerdeführenden Parteien in dem im XXXX, im Bezirk XXXX in der XXXX. Gasse gelegenen Elternhaus, das sich im Eigentum ihres Vaters befindet. Dieses Haus weist eine Grundfläche von ca. 200 m² und befinden sich darin drei Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer, eine Küche und ein Badezimmer. Das Haus hat keinen Garten, jedoch eine ca. 50 m² umfassende Garage, in der der Vater der beschwerdeführenden Parteien seinen Personenkraftwagen und zwei Fahrräder untergebracht hatte [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 9].

 

1.4. Jener Stadtteil, in dem das Elternhaus der beschwerdeführenden Parteien liegt, ist ausschließlich von Arabern besiedelt, wovon sich der überwiegende Teil zum muslimischen Glauben der schiitischen Glaubensrichtung bekennt. In XXXX lebt eine nicht feststellbare Anzahl an Familien, die sich zum muslimischen Glauben sunnitischer Glaubensrichtung bekennen [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 10].

 

Die Familie der beschwerdeführenden Parteien hatten mit jenen Familien, die sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben bekannten, keine Probleme, während der Zweitbeschwerdeführer sich darüber beklagte, dass die Schiiten versucht hätten, ihn zu schikanieren und dass er wegen seines Vornamens von "allen Schiiten" gehasst worden sei. Über weitere, gegen ihn gerichtete Handlungen klagte der BF2 nicht [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 10]. Dass der BF2 wegen seines Vornamens tatsächlich Schikanen ausgesetzt gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden.

 

1.5. Im Herkunftsstaat gehörten weder der BF1, noch der BF2 einer politischen Partei, oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung an [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 8].

 

Mit den Behörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates hatten sie keine Probleme.

 

Dass sie mit der Polizei des Herkunftsstaates oder mit den im Herkunftsstaat aktiven Milizen, insbesondere aus religiösen Gründen, oder wegen des Vornamens des BF2 Probleme gehabt hätten, oder dass sie im Herkunftsstaat vorbestraft wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

 

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer oder der Zweitbeschwerdeführer im Herkunftsstaat politisch tätig gewesen wären. Beide nahmen an keiner bewaffneten Auseinandersetzung teil. Auch waren sie nie Mitglied einer radikalen extremistischen Gruppierung oder einer verbotenen Organisation.

 

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat, die sie zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt um Mitte Oktober 2015 vom Flughafen XXXX über XXXX antraten, Probleme gehabt hätten.

 

1.6. Es steht fest, dass die beschwerdeführenden Parteien zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt um Mitte Oktober 2015, ausgehend von ihrer Heimatstadt XXXX, mit dem Flugzeug nach XXXX flogen, von wo aus sie den Herkunftsstaat mit dem Reisebus in die Türkei verließen. Ausgehend von XXXX setzten sie mit einem Schlauchboot nach Griechenland über, wo sie zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt in XXXX eintrafen. In der Folge setzten sie ihren Weg über die Balkanroute fort und überquerten sie an einem nicht feststellbaren Grenzort am 27.10.2015 die Grenze ins Bundesgebiet [BF1, AS 9; BF2, AS 7].

 

Am 30.10.2015, 17:45 Uhr, stellten die beschwerdeführenden Parteien vor einem Organ der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antra auf internationalen Schutz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Während der Erstbeschwerdeführer am 01.11.2015 beginnend ab 10:52 Uhr einer Erstbefragung unterzogen wurde [BF1; AS 5], wurde der Zweitbeschwerdeführer am selben Tag ab 12:07 Uhr einer Erstbefragung unterzogen [BF2; AS 11].

 

Für ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat verwendeten die beschwerdeführenden Parteien einen Reisepass, den sie bei der Einreise ins Bundesgebiet bei sich trugen [BF1, AS 7ff, Punkt 9.7. bzw. BF2, AS 7 oben].

 

1.7. Die beschwerdeführenden Parteien sind strafgerichtlich unbescholten.

 

1.8. Außer sich selbst, haben die beschwerdeführenden Parteien keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten.

 

Während der BF2 keine Nahebeziehung zu einer im Bundesgebiet aufhältigen Person hat, hat der BF1 eine Nahebeziehung zu der in Österreich aufhältigen XXXX. Sie stammt aus Ägypten, kam im Alter von 13 Jahren nach Österreich und besitzt mittlerweile seit einem nicht feststellbaren Zeitpunkt die österreichische Staatsangehörigkeit [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22]. Sie betreibt seit einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 eine Flüchtlingsunterkunft in XXXX, in der auch der BF1 und der BF2 ein (aufrechtes) Quartier genommen haben. In einer Vorehe war sie mit einem ägyptischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder, XXXX (geb. XXXX) und XXXX (geb. XXXX), hervorgegangen. Die zum ägyptischen Staatsangehörigen bestandene Ehe wurde zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2009 vor dem Bezirksgericht XXXX geschieden. XXXX hält sich einerseits bei ihren Kindern in XXXX, andererseits aber auch in XXXX auf.

 

Dass der BF1 und XXXX zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2018 traditionell in einer Moschee in Wien geheiratet hätten, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [siehe dazu die widersprüchlichen Angaben des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5f und der als Zeugin einvernommenen XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 23]. Ein urkundlicher Nachweis über eine traditionelle Eheschließung liegt nicht vor.

 

Feststeht, dass der BF1 und XXXX im Bundesgebiet keine standesamtliche Ehe geschlossen haben.

 

Der BF1 hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 [PV des VF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 11] und der BF2 einen Deutschkurs auf dem Niveau B [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018. S. 12]. Während der BF2 bereits Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzt, konnten dagegen beim BF1 lediglich geringe Grundkenntnisse der deutschen Sprache festgestellt werden [Ebda].

 

Der BF1 und der BF2 gehen keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Von April 2018 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2018 ist der BF1 einer Beschäftigung als Arbeiter des Bauhofs der Stadtgemeinde XXXX im Ausmaß von 20 Wochenstunden nachgegangen [Schreiben der Stadtgemeinde XXXX vom 18.05.2018]. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war die bei der Stadtgemeinde XXXX ausgeübte Erwerbstätigkeit bereits beendet. Abgesehen davon besuchte der BF1 die Volkshochschule, an der er die Fächer Englisch, Deutsch, Mathematik und politische Bildung belegte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 12]. Der BF2 besuchte gleich zwei Kurse an der Volkshochschule [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 12].

 

Beide beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 12f].

 

Darüber hinaus konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte in Hinblick auf eine soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden.

 

1.9. Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 von Angehörigen einer schiitischen Miliz "des Öfteren aufgefordert" worden wäre, mit ihnen zu arbeiten und zu kämpfen.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass das Haus, in dem die beschwerdeführenden Parteien in XXXX lebten, von Angehörigen einer schiitischen Miliz aufgesucht oder gar angegriffen worden wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 deshalb gesucht worden wäre, weil er es abgelehnt hätte, an der Seite einer schiitischen Miliz zu kämpfen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 14].

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 von Angehörigen einer Miliz wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten, sohin aus religiösen Gründen, oder gar deshalb verfolgt worden wäre, weil er seinen Onkel zu Zeiten des vormaligen Staatspräsidenten XXXX zu Sitzungen der XXXX begleitet haben soll.

 

Ebenso wenig konnte festgesellt werden, dass er oder andere Mitglieder seiner Familie von Milizangehörigen aufgesucht worden wären, weil diese die angebliche Tötung eines Cousins durch eine schiitische Miliz zur Anzeige bringen wollten [BF1, AS 75].

 

Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 von jenen bewaffneten Männern, die im Familienhaus der Beschwerdeführer erschienen waren, körperlich misshandelt worden wäre [BF1, AS 77 unten; BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17].

 

Eben so wenig konnte festgestellt werden, dass der von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Angriff auf das in XXXX gelegene Familienhaus, in dem die beschwerdeführenden Parteien lebten, durch den Vornamen des Zweitbeschwerdeführers motiviert gewesen sein könnte [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17].

 

Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch (schiitische) Milizen aus religiösen und/oder politischen Gründen ausgesetzt gewesen wären.

 

1.10. Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

 

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

 

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

 

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

 

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wären. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

 

1.8.1. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

 

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft durch diese Miliz besteht nicht.

 

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, ist sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

 

In BAGDAD gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere ADHAMIYA, MANSOUR und ABU GHRAIB genannt.

 

Quellen:

 

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

 

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

 

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

 

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

 

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

 

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

 

1.8.2. Zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

 

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

 

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

 

Abgesehen von den mehrheitlich sunnitisch besiedelten Stadtteilen BAGDADS hätten die beschwerdeführenden Parteien auch die Möglichkeit in anderen mehrheitlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter insbesondere in den Provinzen MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es den beschwerdeführenden Parteien nicht möglich wäre, dorthin zu ziehen und dort zu leben.

 

Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich nach den vorliegenden Länderinformationen z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

 

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach Auskunft des UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

 

Quellen:

 

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Letzter Zugriff am 17.07.2018)

 

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

 

1.11. Die beschwerdeführenden Parteien hatten nach eigenen Angaben weder mit den Behörden des Herkunftsstaates, noch mit den Gerichten, noch mit der Polizei des Herkunftsstaates, noch wegen ihres Religionsbekenntnisses oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe ein Problem. Weder sie, noch die übrigen Angehörigen ihrer Kernfamilie waren politisch aktiv oder Mitglieder einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bis zu dem behaupteten Vorfall an einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 Kontakt zu Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz XXXX, gehabt hätten, oder dass einer von ihnen angeworben worden wäre, an der Seite einer (schiitischen) Miliz zu kämpfen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass sie nach dem behaupteten Vorfall (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sie mit Angehörigen der schiitischen Glaubensrichtung Probleme gehabt hätte. Vielmehr ist der BF1 einer Erwerbstätigkeit als Tischler nachgegangen, aus der er zum Einkommen seiner Kernfamilie beitragen konnte.

 

Den in den Beschwerdeschriften enthaltenen Ausführungen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Gruppenverfolgung der sunnitischen Bevölkerung durch schiitische Milizen stattfinde, ist entgegen zu halten, dass sich aus den dem BVwG vorliegenden Länderinformationen keine Anhaltspunkte dahin ergeben würden, dass die in Bagdad lebenden Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung eine Gruppenverfolgung befürchten müssten.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wären oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

 

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF1 und des BF2, sowie aus den niederschriftlich dokumentierten Angaben der Zeugin, XXXX, anlässlich der am 14.12.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, den hg. vorliegenden länderkundlichen Informationen und den amtswegig eingeholten Auskünften.

 

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

 

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des Erstbeschwerdeführers (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit (Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim sunnitischer Glaubensrichtung) und des Zweitbeschwerdeführers (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit (Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim sunnitischer Glaubensrichtung) Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, sowie auf den Angaben der beschwerdeführenden Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5] und auf deren Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache, und der geografischen Gegebenheiten des Irak. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person Beschwerdeführer (BF1 und BF2) im gegenständlichen Verfahren.

 

Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörden, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten [BF1, AS 9; BF2, AS 7].

 

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

 

Das Vorbringen des BF1 und des BF2 zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf deren Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben, auf deren Angaben in der Beschwerdeschrift und auf den vor dem Bundesverwaltungsgericht anlässlich ihrer Vernehmung als Partei (in der Folge kurz: PV) gemachten Angaben.

 

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben, dass seit Anfang Oktober 2015 vier Männer zu ihrem Haus gekommen wären und sie bedroht hätten, damit sie das Land verlassen, dies weil sie Sunniten seien und "wahrscheinlich mit dem IS in Verbindung stehen würden". Am selben Tag, an dem sie den Besuch bekamen, hätten seine Brüder XXXX und XXXX ihr Zuhause verlassen und seien nie mehr zurückgekommen. Er habe keine Ahnung, ob sie noch leben. Sie hätten dies zum Anlass genommen, aus dem Herkunftsstaat zu flüchten [BF1, AS 11]. Anlässlich seiner ebenfalls am 01.11.2015 vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde stattgehabten Erstbefragung gab der BF2 an, dass seit Anfang Oktober 2015 Männer/Schiiten zu ihrem Haus gekommen wären und ihnen gedroht hätten, damit sie das Land verlassen. Das sei deshalb erfolgt, weil sie zur Glaubensrichtung der Schiiten gehören. Er und sein Vater seien für fünf Tage zu seinem Onkel gegangen. Über den Aufenthalt seiner Brüder XXXX und XXXX könne er nichts sagen; auch habe er keine Ahnung, ob sie noch leben [BF2, AS 5].

 

Anlässlich seiner am 08.01.2018 vor der belangten Behörde stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF1 an, dass er wegen der schiitischen Milizen das Heimatland verlassen hätte. Sie seien seit dem Jahr 2003 - seit dem Sturz von Saddam Hussein - an der Macht und hätten Sunniten getötet und deren gesamtes Eigentum geraubt. Einen Monat vor seiner Einreise (im September 2015) hätten schiitische Milizen seinen Cousin XXXX getötet, weil dieser es abgelehnt hätte, mit ihnen zu kämpfen. Sie hätten wegen der Sterbeurkunde eine Anzeige bei Gericht machen wollen, doch habe das Gericht abgelehnt und ihnen mitgeteilt, dass sie aufpassen müssten. Nachdem die Schiiten von der Anzeige erfuhren, seien sie zu ihnen nach Hause gekommen und hätten gesagt, entweder sie würden das Haus verlassen oder sie würden getötet werden. Deswegen habe er das Heimatland verlassen [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 75]. Die Milizangehörigen, die bei ihnen zu Hause waren, hätten eine Waffe auf seinen Vater gerichtet; als er sie zur Seite schieben wollte, habe man ihm mit der Waffe in den Rücken geschlagen [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 77 unten]. Als Grund für seine Verfolgung gab der BF1 vor der belangten Behörde seine Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten an und dass er bei einer Rückkehr seine Religion ändern müsste; das mache er nicht [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 79]. Nachgefragt gab er an, dass er keine weiteren (sonstigen) Verfolgungsgründe habe [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 79f].

 

Anlässlich seiner vor dem BFA am 09.01.2018 stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF2 zu seinen Gründen für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat an, dass die Schiiten seit dem Sturz von XXXX an der Macht seien und dass sie schiitische Milizen gegründet hätten, die vom Iran unterstützt würden und Waffen bekämen. Diese schiitischen Milizen hätten Sunniten getötet, vertrieben und ihr Eigentum genommen. Ihre Ideologie bestehe darin, zu töten, oder sich ihnen anzuschließen. Er selbst sei in der Schule, weil er XXXX heiße und Sunnit sei, nicht durchgekommen. Der Lehrer hätte ihm gesagt, dass er ihn (den BF1) nicht durchlasse, wenn er nicht Schiit werde. Er habe das abgelehnt. Sie hätten seinen Cousin XXXX getötet, weil er sich den Schiiten nicht anschließen wollte. Als sie bei Gericht eine Anzeige machen wollten, hätte der Richter den Akt geschlossen und habe ihnen zu verstehen gegeben, dass sie auf die Erstattung einer Anzeige verzichten sollten [BF2 in Niederschrift des BFA vom 09.01.2018, AS 79]. Als die Schiiten erfuhren, dass die Familie der beschwerdeführenden Parteien sie anzeigen wollte, seien in der Nacht vier bewaffnete maskierte Männer gekommen und hätten verlangt, dass sie das Land verlassen. An den genauen Zeitpunkt, wann die Milizen zu ihnen kamen, vermochte sich der BF2 nicht zu erinnern. Sein Bruder sei von ihnen geschlagen worden [BF2 in Niederschrift des BFA vom 09.01.2018, AS 81]. Sonstige Verfolgungsgründe nannte er nicht [BF2 in Niederschrift des BFA vom 09.01.2018, AS83].

 

In der vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme bezeichnete der BF1 als Grund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat den Umstand, dass sein Vater als früherer Mitarbeiter der XXXX-Partei beschuldigt wurde, ein Mitglied des IS gewesen zu sein. In der Folge gab er an, dass sein Vater kein Mitglied der XXXX-Partei war und sich als freiberuflicher Verkäufer von Tee, Eis oder Textilien verdingte [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 14]. Nachdem er öfter von zwei ihm namentlich bekannten Personen (Anm.: XXXX und XXXX, bei denen es sich um seine Nachbarn und um zwei hochrangige Mitarbeiter der XXXX gehandelt hätte) aufgefordert worden sei, mit der Miliz XXXX zu arbeiten und mit ihnen zu kämpfen, was er stets abgelehnt hätte, sei ihr Haus von vier schwarz gekleideten, vermummten Personen angegriffen worden; sie hätten nach ihm gesucht [BF1 in Verhandlungsschrift vom 14.12.2018, S. 14]. Die Forderungen dieser Männer hätten im Wesentlichen darin bestanden, dass entweder er und sein Bruder XXXX den Forderungen der beiden Nachbarn nachgeben sollten, oder dass sie das Haus und den Bezirk verlassen müssten oder getötet würden. Auch hätten die Männer Informationen zu seinem Onkel und zu den Mitgliedern der Partei seines Onkels haben wollen [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Sie hätten gewusst, dass der BF1 während der Regierungszeit von XXXX immer in Begleitung seines Onkels gewesen sei. Die Partei seines Onkels, die arabische XXXX-Partei, sei ebenfalls im Zeitpunkt des Niedergangs des Regimes von XXXX (Anm.: 09.04.2003) gestürzt [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 16 unten].

 

Im Rahmen seiner vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten PV gab der BF2 an, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten und weil sein Bruder, der BF1, in der Zeit von XXXX seinen in der Partei aktiven Onkel begleitet hätte, angegriffen worden sei. Zwar wisse er nicht, wem der Angriff gegolten hätte; sie seien aber zum Verlassen des Hauses aufgefordert worden [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17 mittig]. Nachdem die Angreifer Waffen an den Hals seines Bruders Mohammad (Anm.: des BF1) gehalten hätten, habe ihnen der Vater versprochen, dass sie den Bezirk verlassen würden und vielleicht auch irgendwann einmal den Irak. Sodann korrigierte sich der BF2, indem er angab, dass sie seinem Bruder Mohammad mit dem Gewehrschaft auf die linke Schulter geschlagen hätten. Sein Vater habe versucht, die Lage zu beruhigen und den bewaffneten Männern versprochen, dass sie das Haus gleich verlassen würden [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17]. Sein Bruder Mohammed (Anm.: der BF1), sein Vater und er hätten das Haus noch am selben Tag verlassen und seien zu Onkel Adnan, der im mehrheitlich von Sunniten bewohnten XXXX Stadtbezirk XXXX lebt, gegangen. Auf die Frage, wann genau sich der Angriff ereignet hätte, gab der BF2 an, dass er das nicht wisse [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17 unten]. Bei seinem Onkel hätten sie sich zwei Tage aufgehalten und am dritten Tag hätten sie XXXX verlassen und die Heimatstadt nach XXXX verlassen [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 18 oben]. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte er sich davor, wegen seines Vornamens XXXX und des Umstandes festgenommen zu werden, weil er immer gegen das System gewesen sei [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 18 unten]. Ansonsten gab er an, weder mit den Behörden, noch mit den Gerichten oder mit der Polizei des Herkunftsstaates Probleme gehabt zu haben [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 19 oben]. Im Herkunftsstaat sei er auch mit dem Umbringen bedroht worden. Hier habe er von einer Person einen Brief erhalten. In der Folge korrigierte er sich, indem er angab, dass ihm die Drohung mit dem Umbringen mündlich von einer Person in der Schule gesagt worden sei [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 20 oben]. In der Folge gab der BF1 an, im Jahr 2013 ein einziges Mal demonstriert zu haben, als XXXX zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. An dieser Demonstration hätten 3 - 4 Millionen Bagdadis teilgenommen. Nach der Demonstration hätten sich die gegen ihn gerichteten Drohungen vermehrt, weil er als Sunnit bekannt war und Sunniten nicht gegen Schiiten demonstrieren dürften [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 20].

 

Obwohl die beschwerdeführenden Parteien ihre Fluchtgeschichte im Wesentlichen daran festhielten, dass ihr Elternhaus zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 von vier bewaffneten und vermummten Männern besucht bzw. angegriffen worden sei, blieben ihre Angaben dennoch in sich widersprüchlich. So führten die beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer vor der belangten Behörde stattgehabten Einvernahme aus, dass schiitische Milizen im September 2015 deren Cousin XXXX getötet hätten, weil sich dieser geweigert habe, an deren Seite zu kämpfen [BF1, AS 75 unten; BF2, AS 75 unten]. Anschließend hätte die Familie der beschwerdeführenden Parteien die Tötung ihres Cousins dem Gericht anzeigen wollen, doch sei die Anzeige vom Gericht nicht entgegengenommen worden. Als schiitische Milizen von der Anzeige erfahren hätten, seien sie zu ihnen nach Hause gekommen und hätten diese die beschwerdeführenden Parteien für den Fall mit dem Umbringen bedroht, wenn sie das Haus nicht verlassen. Wenn hier beide beschwerdeführenden Parteien das Erscheinen der Miliz auf Grund einer Anzeige bei Gericht als Grund für deren Erscheinen im Elternhaus der beschwerdeführenden Parteien nennen, so erscheint dies als Racheakt für eine Anzeige, die vom Gericht jedoch nicht aufgenommen wurde.

 

Diesen für das Erscheinen der bewaffneten Milizangehörigen im Familienhaus der beschwerdeführenden Parteien genannten Beweggrund hielten der BF1 und der BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht weiter aufrecht. Im Rahmen seiner PV hatte der BF1 nämlich angegeben, von seinen Nachbarn, die er namentlich nannte, öfter zum Mitkämpfen bei einer schiitischen Miliz aufgefordert worden zu sein, was er jedoch abgelehnt hätte. Nach seinen Angaben habe diese ablehnende Haltung schließlich dazu geführt, dass das Familienhaus der beschwerdeführenden Parteien zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 von vier schwarz gekleideten, bewaffneten und vermummten Männern angegriffen worden sei. Anlässlich dieses Angriffs sei dem BF1 und dessen Bruder XXXX ein Ultimatum gestellt worden, entweder den Forderungen der Nachbarn, sich den Milizen anzuschließen, nachzugeben, oder sie verlassen das Haus und den Bezirk, anderenfalls würden sie getötet werden [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Vor dem BVwG sprach der BF1 weiter davon, dass das Motiv der angeblichen Milizangehörigen für deren Erscheinen im Haus der beschwerdeführenden Parteien darin bestanden hätte, vom BF1 Informationen zum Onkel und zu dessen Parteizugehörigkeit zur arabischen XXXX-Partei in der Zeit bis zum Niedergang des Regimes von XXXX, das der BF1 mit dem 09.04.2003 verortete, zu erhalten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 16].

 

Auch die Darstellung der von den angeblichen Angehörigen der Miliz weist eine die Glaubwürdigkeit der Schilderungen bzw. der beschwerdeführenden Parteien erschütternde Inkonsistenz auf. Nach den Angaben vor der belangten Behörde sollen der BF1 und dessen Familie mit dem Umbringen bedroht worden sein, wenn sie der Forderung, das Haus zu verlassen, nicht nachgekommen wären [BF1, AS 75]. Nach den vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben sollen die Milizangehörigen dem BF1 und dessen Bruder Ibrahim ein Ultimatum gestellt haben, sich entweder einer Miliz anzuschließen, oder die Familie verlässt das Haus bzw. den Bezirk [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Vor dem Bundesverwaltungsgericht kam nach den Angaben des BF1 erstmals hinzu, dass sich die Milizangehörigen vom BF1 Informationen über dessen Onkel und dessen Zugehörigkeit zur arabischen XXXX-Partei verschaffen hätten wollen. In diesem Zusammenhang führte dieser aus, dass er von seinem Onkel zu den Parteisitzungen der arabischen XXXX-Partei mitgenommen worden sei. Allerdings räumte der BF1 ein, dass diese Partei an jenem Tag (d.i. 09.04.2003) untergegangen sein soll, als die Amerikaner XXXX stürmten und den vormaligen Staatspräsidenten XXXX stürzten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 16 mittig]. Bei Wahrunterstellung dieser Angaben des BF1 kann der Zeitraum, während dem dieser seinen Onkel zu Sitzungen der arabischen XXXX-Partei begleitet haben soll, nur vor diesem Zeitpunkt gelegen haben. Im genannten Zeitraum war der BF1 zwischen 13 und 14 Jahren alt. Eine genaue Befragung des BF1 ergab, dass seine Aufgabe lediglich darin bestanden haben soll, den Onkel zu Sitzungen zu begleiten und dort zuzuhören und dass an diesen Sitzungen ausschließlich Parteimitglieder und keine parteifremden Personen teilnahmen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15f]. Selbst wenn der BF1 seinen Onkel zu den Sitzungen der politischen Partei begleitet haben sollte, blieb anlassbezogen im Dunkel, wie die vier Männer von der mehr als 15 Jahre zurückliegenden Begleitung des Onkels zu den Parteisitzungen, an denen nach den Angaben des BF1 ausschließlich Mitglieder dieser politischen Partei teilgenommen haben sollen, erfahren haben sollen. Auch findet sich keine Erklärung für das angebliche Interesse dieser Männer an einer seit mehr als 15 Jahren nicht mehr existierenden Partei.

 

Mit diesem nachgeschobenen (gesteigerten) Vorbringen versuchte der BF1 die Qualität der Verfolgung seiner Person auf politische Beweggründe zu stützen. Dies ist insofern beachtlich, als er die Verfolgung seiner Person vor der belangten Behörde noch ausschließlich auf religiöse Beweggründe, nämlich seine Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten, stützte. Vor dem BVwG hielt er die auf die Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft gestützte (sohin aus religiösen Motiven bestehende) Verfolgung nicht weiter aufrecht, was die inkonsistent gebliebene Darstellung seiner Fluchtgeschichte insgesamt unglaubwürdig erscheinen lässt.

 

Wie schon der mitbeschwerdeführende BF1 baute auch der BF2 seine vor dem BFA geschilderte Fluchtgeschichte darauf auf, dass sein Cousin getötet worden sei, weil sich dieser geweigert hätte, "Schiit zu werden". Als die Schiiten davon erfahren hätten, dass sie von der Familie der Beschwerdeführer bei Gericht angezeigt werden sollten, sollen vier bewaffnete Männer einer (nicht näher bezeichneten) schiitischen Miliz im Familienhaus der Beschwerdeführer aufgetaucht sein. Vor dem BFA gab er zudem an, dass alle Familienangehörigen bedroht worden sein sollen [BF2, AS 79]. Weiter gab er vor der belangten Behörde an, dass diese Männer seinen Bruder geschlagen und Waffen auf seinen Bruder und den Vater gerichtet hätten. Hierauf hätten sie verlangt, dass sie das Land verlassen sollten, oder dass sie getötet würden. Über Nachfragen gab der BF2 an, dass alle Familienmitglieder bedroht worden seien. Darauf hätten sie alle "verstreut das Haus" verlassen [BF2, AS 79]. Dieses Szenario von der gleichzeitigen Bedrohung des Bruders und des Vaters hielt der BF2 anlässlich seiner PV vor dem BVwG nicht weiter aufrecht. Hier hatte er angegeben, dass die angeblichen Milizangehörigen Waffen an den Hals des Bruders Mohammed (des BF1) gehalten hätten, nachdem sich dieser geweigert habe, mit ihnen zu kooperieren [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17]. In der Darstellung dieses Bedrohungsszenarios erwähnt der BF2 jedoch mit keinem Wort, dass auch der Vater mit der Waffe bedroht worden wäre. Vielmehr soll der Vater der beschwerdeführenden Parteien - nachdem der BF1 mit der Waffe bedroht wurde - versucht haben, die Lage dadurch zu kalmieren, in dem er den bewaffneten Milizangehörigen versprochen haben soll, dass sie das Haus gleich verlassen [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17 verso]. Ein derartiges Verhalten lässt daraus schließen, dass der Vater - im Gegensatz zu den Schilderungen des BF1 vor der belangten Behörde - in diesem Fall nicht das Ziel des Angriffs war.

 

Inkonsistent sind auch die Schilderungen über den Zeitpunkt des Verlassens des Familienhauses geblieben. Während die Brüder der beschwerdeführenden Parteien das Familienhaus annähernd zeitgleich mit den bewaffneten Männern verlassen hätten, hatte der BF1 anlässlich seiner Erstbefragung angegeben, dass er das Haus verließ, nachdem die Brüder nicht wiedergekehrt seien und der Verbleib derselben insgesamt ungeklärt war.

 

Inkonsistent und widersprüchlich blieben auch die Schilderungen der beschwerdeführenden Parteien, was die Bedrohungssituation betrifft. Demnach hatte der BF1 vor der belangten Behörde ausgesagt, dass eine Waffe auf den Vater der beiden beschwerdeführenden Parteien gerichtet gewesen sei; als er diese Waffe zur Seite schieben wollte, habe man ihm damit in den Rücken geschlagen [BF1, AS 77].

 

Die zuvor wiedergegebenen Schilderungen des BF2 über den Hergang des Angriffs stehen zu jenen des BF1 in einem eklatanten Widerspruch, zumal nach den Schilderungen des BF2 der BF1 als angegriffene bzw. bedrohte Person in Erscheinung tritt, während der Vater versucht haben soll, die Lage zu kalmieren. Dies setzt voraus, dass der Vater keiner Bedrohung ausgesetzt war, zumal jemand, der mit dem Gewehr akut bedroht wird, jede Möglichkeit genommen ist, Schritte in Hinblick auf eine Kalmierung einer eskalierenden Situation zu setzen. Bei Wahrunterstellung der Schilderungen des BF1 vor der belangten Behörde, soll dagegen nicht er, sondern der Vater der Bedrohte gewesen sein, zumal (nur) auf diesen die Waffe gerichtet war [BF1, AS 77 unten]. Unterstellt man seine weitere Aussage als wahr, nämlich dass er die Waffe zur Seite schieben wollte, setzt dies voraus, dass er selbst keiner akuten Bedrohung ausgesetzt war. Diese Widersprüche in den unterschiedlichen Darstellungen des BF1 und des BF2 lassen erhebliche Zweifel daran aufgekommen, dass das Familienhaus überhaupt angegriffen wurde.

 

Die Zweifel am Wahrheitsgehalt des von den beschwerdeführenden Parteien geschilderten, angeblichen Bedrohungsszenarios durch die vier Mitglieder einer schiitischen Miliz werden zusätzlich durch die Schilderung der Motivenlage genährt. Nach den vor der belangten Behörde gemachten Angaben des BF1 soll seine Flucht ausschließlich religiös (durch seine Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten) motiviert gewesen sein [BF1, AS 79]. An diese Stelle traten anlässlich seiner PV vor dem BVwG politische Gründe [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 14 und 16]. Die ursprünglich genannten religiösen Motive wurden vor dem BVwG nicht weiter aufrechterhalten. Überdies soll der Angriff auf das Familienhaus wegen ihm erfolgt sein, weil er sich geweigert hätte, in einer schiitischen Miliz mitzukämpfen und weil er seinen Onkel - noch in der Zeit des vormaligen Staatspräsidenten XXXX - zu den Sitzungen der arabischen XXXX-Partei begleitet haben soll. Dass er aufgefordert worden wäre, in einer schiitischen Miliz mitzukämpfen, brachte der BF1 erstmals vor dem BVwG vor. Wäre er tatsächlich aus diesem Grund geflohen, hätte er dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde bzw. vor dem BFA erwähnt. Da das nicht erfolgt ist, erscheinen seine diesbezüglichen Schilderungen als nachgeschoben und das Vorbringen als gesteigert. Es entsteht damit der Eindruck, dass der BF1 und der BF2 darum bemüht waren, ihre Ausgangssituation für das gegenständliche Asylverfahren zu verbessern. Im Übrigen stehen die vor dem BVwG nachgeschobenen Angaben in einem eklatanten Widerspruch zu den Angaben vor dem BFA, dass er den Herkunftsstaat deshalb verlassen habe, weil seine Familie von vier schwarz gekleideten Männern bedrängt wurde, weil sie die Tötung eines Cousins der beschwerdeführenden Parteien bei Gericht zur Anzeige bringen wollten. Wenn auch den Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nur wenig Bedeutung beigemessen werden kann, ist hier dennoch anzumerken, dass sich aus den keinesfalls nur konzisen Angaben des BF1 im Rahmen seiner Erstbefragung ergibt, dass er den Herkunftsstaat deshalb verließ, weil der Verbleib seiner Brüder XXXX und XXXX, die das Familienhaus noch am selben Tag des "Besuchs" der vier Männer verlassen haben sollen, unbekannt war und diese nicht wiedergekehrt seien [BF1, AS 11]. Bei Wahrunterstellung dieser ersten Fluchtgeschichte des BF1, muss er sich noch Tage in seiner Heimatstadt XXXX aufgehalten haben, um überhaupt verifizieren zu können, dass die Brüder XXXX und XXXX nicht zurückgekehrt seien. Diese Angaben des BF1 stehen auch im Widerspruch zu den späteren Angaben des BF1 und des BF2, wonach sie die Flucht aus dem Herkunftsstaat unmittelbar am selben Tag, an dem die vier bewaffneten, schwarz gekleideten Männer im Familienhaus auftauchten, angetreten hätten.

 

Daran ändert auch nichts, dass der Zweitbeschwerdeführer vor allen Behörden (Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde; belangte Behörde) nahezu wortident wie der BF1 aussagte, vollzog er damit auch den vom BF1 vorgenommenen, die Glaubwürdigkeit der Schilderungen erschütternden Schwenk mit. Es ist nicht zu übersehen, dass sich die (inkonsistenten) Schilderungen der beschwerdeführenden Parteien in entscheidenden (oben näher dargestellten) Punkten widersprechen. Abgesehen davon verschließt sich dem erkennenden Gericht, warum die beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der für das Verlassen des Herkunftsstaates ins Treffen geführten Gründe bzw. der für das Auftauchen der schwarz gekleideten Männer als maßgeblich angeführten Gründe inkonsistent geblieben sind. Diese Inkonsistenz spricht dagegen, die von den beschwerdeführenden Parteien in unterschiedlichen Versionen vorgetragene Fluchtgeschichte für wahr zu halten.

 

Am dadurch entstandenen unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck der beschwerdeführenden Parteien ändert auch nichts, dass beide Beschwerdeführer hinsichtlich der Anzahl der vier angeblich im Familienhaus aufgetauchten bewaffneten, schwarz gekleideten Männer konsistent geblieben sind.

 

Aus der Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgericht vermochten daher weder der BF1, noch der BF2 eine aus religiösen und/oder politischen Gründen motivierte, konkret gegen ihre Person gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen.

 

Der BF1 hat zwar vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, mit der am 12.11.1970 geborenen XXXX, einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein. Zwar hat auch die vorgenannte österreichische Staatsangehörige die Behauptung des BF1 von der Eheschließung bestätigt, doch hatten beide lediglich angegeben, in einer Moschee in Wien eine (nach den Bestimmungen des Ehegesetzes ungültige) Ehe geschlossen zu haben. Den Nachweis über eine allfällige, nach traditionellem islamischen Ritus geschlossene Ehe vermochten die Genannten nicht zu erbringen. Über Nachfragen räumten beide ein, dass sie vor einer staatlichen Personenstandsbehörde keine Ehe geschlossen haben. Damit erweist sich eine nach einem allfälligen religiösen Ritus geschlossene Ehe ohne Geltung vor dem Staat.

 

In Anbetracht der Widersprüche, in die sich der BF1 und die als Zeugin einvernommene XXXX hinsichtlich des Zeitpunktes der Eheschließung verstrickten (so hatte die Zeugin den Zeitpunkt der Eheschließung mit dem März 2018 bezeichnet [Einvernahme der Zeugin in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 23 oben], während der BF1 angab, die Zeugin vor ca. 5 Monaten - um die Mitte des Jahres 2018 - geheiratet zu haben [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 11 unten]), vermochten sie dem Gericht selbst eine traditionelle Eheschließung nicht glaubhaft zu machen. Selbst die von der Zeugin zum Eheleben gemachten Angaben, sowie die Wohn- und Meldesituation der Zeugin und des BF1 lassen erhebliche Zweifel an einer (wenn auch bloß traditionellen) Eheschließung aufkommen.

 

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

 

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

 

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A):

 

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

 

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 23.02.2018 (dem BF am 05.03.2018 durch Hinterlegung zugestellt) erhobene Beschwerde des BF1 wurde bei dieser fristgerecht eingebracht und langte diese mit dem angefochtenen Bescheid und den Bezug habenden Verwaltungsakten am 22.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Ebenso langte die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 22.02.2018 (dem BF am 05.03.2018 durch Hinterlegung zugestellt) erhobene Beschwerde des BF2 fristgerecht bei dieser ein und wurde diese mit dem angefochtenen Bescheid und den Bezug habenden Verwaltungsakten am 22.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

 

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

 

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde von den beschwerdeführenden Parteien weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

 

Soweit die beschwerdeführenden Parteien in der Beschwerde geltend gemacht haben, dass sie als Sunniten im Herkunftsstaat wegen "spezifischer Drohungen", die gegen sie ausgesprochen worden seien, als auch wegen ihrer westlichen Lebenseinstellung, die sie "inkompatibel mit der im Irak vorherrschenden streng-islamischen Gesellschaftsordnung" mache, Verfolgung zu befürchten hätten, ist anzumerken, dass sie ihre Fluchtgründe sowohl in der Erstbefragung, als auch vor der belangten Behörde, als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf stützten, dass sie im Elternhaus von vier bewaffneten, schwarz gekleideten Männern aufgesucht und von ihnen aufgefordert worden seien, das Haus zu verlassen. Bei der Darstellung der Fluchtgeschichte verstrickten sich die Beschwerdeführer zunehmend in Widersprüche. So hatten die Beschwerdeführer vor der belangten Behörde angegeben, dass vier bewaffnete, schwarz gekleidete Männer bei ihnen zu Hause aufgetaucht wären, nachdem sie dem Gericht die Ermordung eines Cousins anzeigen wollten, der sich geweigert haben soll, mit (einer namentlich nicht näher bezeichneten) schiitischen Miliz zu kämpfen [BF1, AS 75; BF2, AS 75]. Abgesehen davon, dass das Gericht die Anzeige nicht entgegengenommen habe, soll dieser Umstand letztlich den Anlass für das Auftauchen der Miliz im Familienhaus der beschwerdeführenden Parteien gebildet haben. Für seine weiteren Angaben vor dem BFA, dass er den Herkunftsstaat aus religiösen Gründen verlassen hätte, "weil er Sunnit" sei [BF1, AS 79], lassen sich aus dem geschilderten Verhalten der Bewaffneten unmittelbar keine Anhaltspunkte ableiten. Vielmehr erscheint das Auftauchen der Bewaffneten im Familienhaus der Beschwerdeführer schon nach deren übereinstimmenden Angaben als Racheakt für eine beabsichtigte, letztlich unterbliebene Anzeige. Dass die Bewaffneten auch wegen des vom BF2 geführten Vornamens im Familienhaus aufgetaucht wären [BF2, AS 75], kam anlassbezogen nicht hervor, zumal der Zweitbeschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht anzugeben vermochte, wem aus seiner Familie das nunmehr als "Angriff" dargestellte Erscheinen der Bewaffneten im Familienhaus der Beschwerdeführer gegolten hätte[PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17]. Wäre das Erscheinen der Bewaffneten tatsächlich (auch) durch den vom BF2 getragenen Vornamen motiviert gewesen, hätte dieser jedenfalls eine Wahrnehmung daran haben müssen, dass ihm der Angriff gegolten hätte. Trotz intensiver Befragung vermochten weder der BF2, noch der BF1 den von ihnen dem erkennenden Gericht vermittelten unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck zu zerstreuen. So versuchte der BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht darzustellen, dass die Bewaffneten Waffen an den Hals des Bruders XXXX (Anm.: des BF1) gehalten hätten, weil dieser sich gewehrt hätte, mit ihnen zu kooperieren. Der Vater soll nach dieser Darstellung versucht haben, die Lage zu kalmieren, indem er das Verlassen des Hauses versprochen hätte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17]. Vor dem Bundesverwaltungsgericht machte der BF1 dagegen keine Angaben zu einem Bedrohungsszenario.

 

Abgesehen davon führte der BF1 vor dem BVwG keine religiösen Gründe mehr für das Verlassen des Herkunftsstaates ins Treffen, sondern ausschließlich politisch motivierte Gründe, die sich wiederum auf das angebliche Verlangen der im Familienhaus aufgetauchten Bewaffneten stützten, dass er und sein Bruder XXXX den Forderungen der Nachbarn nachgeben und sich einer schiitischen Miliz anschließen sollten, widrigenfalls sie das Haus der Familie zu verlassen hätten. Darüber hinaus sollte er den Bewaffneten Auskünfte zu seinem vormals bei der arabischen XXXX-Partei aktiven Onkel geben [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Mit diesem nachgeschobenen (die Glaubwürdigkeit erschüttert habenden gesteigerten) Vorbringen vermochte er eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung nicht glaubhaft zu machen.

 

Wenn es in der Beschwerdeschrift heißt, dass neben religiösen und ethnischen Minderheiten auch bestimmte, in der Beschwerdeschrift näher bezeichnete Berufsgruppen die am meisten gefährdeten Personengruppen des Herkunftsstaates der beschwerdeführenden Parteien darstellen würden, und dass die Sicherheitslage im Irak weiterhin als höchst instabil zu bezeichnen sei, ist dem entgegen zu halten, dass der BF1 in seinem Herkunftsstaat einem handwerklichen Beruf als Tischler nachging. Sein Bruder, der BF2 war Schüler und brach seine schulische Ausbildung wegen der Ausreise ab. Die beschwerdeführenden Parteien gehören der arabischen Mehrheitsbevölkerung an und sind Muslime sunnitischer Glaubensrichtung. In ihrer Heimatstadt XXXX liegen mehrere, mehrheitlich von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung besiedelte, Stadtteile. Die beschwerdeführenden Parteien gehören weder einer ethnischen, noch einer religiösen Minderheit, noch einer gefährdeten Berufsgruppe des Herkunftsstaates an. Eine konkrete, gegen sie allfällig gerichtete Verfolgungsgefahr vermochten sie nicht glaubhaft zu machen. Allein dieser Umstand steht der in den Beschwerdeschriften angesprochenen "realistischen Gefahr, ermordet zu werden" entgegen.

 

Ihre mit einer Erledigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.09.2014 untermauerte Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung geht ins Leere, zumal sich diese Entscheidung auf den Fall eines Asylwerbers bezieht, der nicht aus dem Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien stammt und auch sonst keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine Anwendung dieser Erledigung wegen einer gleichen oder ähnlichen Lagerung der gegenständlichen Anlassfälle rechtfertigen würde. Dazu kommt, dass es sich bei der von den Beschwerdeführern erwähnten Erledigung des BVwG um einen Beschluss nach § 28 Abs. 3 VwGVG handelt und die daraus zitierte Textstelle keinen Zusammenhang mit dem dieser Erledigung zugrunde gelegten Anlassfall herstellt.

 

Wenn die beschwerdeführenden Parteien in der jeweiligen Beschwerdeschrift ausführen, dass die Verfolgungsgefahr deshalb aktuell wäre, da die staatlichen Institutionen von der schiitischen Bevölkerungsmehrheit dominiert würden und der Konflikt im Herkunftsstaat eine immer größere konfessionelle Dimension angenommen hätte, weshalb ihnen in anderen Landesteilen des Irak keine Fluchtalternative zur Verfügung stehe, ist ihnen ihre eigene Aussage vorzuhalten, dass mit den Gerichten, der Polizei oder den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme gehabt hätten. Selbst bei Wahrunterstellung des von ihnen behaupteten Angriffs auf das Haus ihrer Familie vermag der Einwand der angeblichen Schutzunwilligkeit bzw. Schutzunfähigkeit der irakischen Behörden der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal es die Beschwerdeführer bzw. deren Familie verabsäumten, den Angriff den zuständigen Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zur Anzeige zu bringen. Abgesehen davon lässt sich selbst bei Wahrunterstellung der nicht entgegengenommenen Anzeige durch das Gericht eine mangelnde Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates nicht konstruieren, zumal ein Gericht (selbst im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer) keine zur Entgegennahme von Anzeigen ermächtigte Sicherheitsbehörde ist.

 

Auch ist darauf hinzuweisen, dass dem erkennenden BVwG keine Länderinformationen zu XXXX vorliegen, die die von den beschwerdeführenden Parteien erhobenen Behauptungen über die angebliche Schutzunfähigkeit und Schutzunwilligkeit der irakischen (Strafverfolgungs-)behörden untermauern würden.

 

Die Beschwerdeführer übersehen weiter, dass die aktuellen Länderinformationen zu XXXX keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung bzw. auf eine Gruppenverfolgung von Angehörigen dieser Glaubensrichtung enthalten. Nach den vorliegenden Länderinformationen gliedert sich die Heimatstadt der beschwerdeführenden Parteien in mehrere Stadtteile auf, wovon ein Teil mehrheitlich von Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung und der andere Teil mehrheitlich von Angehörigen der schiitischen Glaubensrichtung bewohnt wird und die mehrheitlich sunnitisch bewohnten Stadtteile eigens bewacht werden. Auch wird in den Länderinformationen berichtet, dass Schiiten nach wie vor in öffentlichen Funktionen vertreten sind. Auch das spricht gegen die von den beschwerdeführenden Parteien in der Beschwerdeschrift und teilweise auch vor dem BVwG angezogenen allgemeinen Behauptungen, die auf eine systematische Verfolgung der Sunniten durch die Schiiten abzielen. Abgesehen davon ist hervorzuheben, dass der BF1 sich im Herkunftsstaat als Tischler verdingte und auf diese Weise zu den Familieneinkünften beitrug, während der BF2 noch die Schule besuchte, als sie aus dem Herkunftsstaat ausreisten. Dass beide weder einer politischen Partei, oder einer parteiähnlichen oder einer terroristischen Organisation des Herkunftsstaates angehörten, macht sie nach den vorliegenden Länderinformationen zum Herkunftsstaat als potentielle Adressaten für eine Verfolgung durch Milizen uninteressant. Auch lässt sich die vom BF2 behauptete, allein aus der Führung seines Vornamens resultierende Verfolgungsgefahr mit den vorliegenden Länderberichten zum Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien nicht in Einklang bringen.

 

Aus der Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgerichtes vermochten daher weder der BF1, noch der BF2 eine aus religiösen oder politischen Gründen gegen sie gerichtete Verfolgung durch eine schiitische Miliz glaubhaft zu machen.

 

3.2.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

 

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438 und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR vom 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; vom 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (z.B. das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm.

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; vom 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; und vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

 

3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

 

Dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des vor dem BVwG durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um volljährige, arbeitsfähige und gesunde, junge Männer, bei denen die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF1 ist nach seinen Angaben im Herkunftsstaat einer Erwerbstätigkeit als Tischler nachgegangen und hat mit den aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünften auch zum Familieneinkommen seiner Kernfamilie beigetragen. Seine Lebensplanung sah dabei auch die Eröffnung eines Tischlereibetriebes vor [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7]. Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat besuchte der BF2 die Schule. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass auch ihm im Herkunftsstaat die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könnte. Bei beiden Beschwerdeführern ist davon auszugehen, dass sie im Herkunftsstaat, dessen Sprache sie vollkommen mächtig sind, grundsätzlich in der Lage sein werden, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

 

Wenn die beschwerdeführenden Parteien in der Beschwerdeschrift ausführen, dass ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung stehe, so ist dem entgegenzuhalten, dass ihnen nicht nur mit den - ihnen ohnedies bekannten - mehrheitlich sunnitisch besiedelten Stadtteilen XXXX (XXXX, XXXX), sondern auch mit den Provinzen XXXX, XXXX, XXXX und XXXX mögliche innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung stehen. In Bezug auf XXXX lässt sich den Länderinformationen und Statistiken zum Herkunftsstaat entnehmen, dass die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle, sowie der dabei getöteten Zivilisten im Zeitraum Jänner bis Juni 2017 stetig (weiter) gesunken ist, sodass hier von einer weiteren Stabilisierung der Sicherheitslage ausgegangen werden kann. Darüber hinaus steht es den Beschwerdeführern offen, in die als sicher geltenden Provinzen im Norden des Irak, XXXX, XXXX und XXXX, zu ziehen, um sich dort niederzulassen.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, dass ihnen bei ihrer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wären (vgl. hiezu grundlegend VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059); so haben sie selbst kein entsprechendes Vorbringen dahingehend erstattet, dass ihnen bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und sie in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wären. Dies vermögen sie auch nicht mit dem in den Beschwerdeschriften zitierten (englischsprachigen) herkunftsstaatenbezogenen Bericht, der die Situation der Inlandsvertriebenen in der Region um XXXX zum Inhalt und keinen Bezug zur Herkunftsregion der beschwerdeführenden Parteien aufweist, zu untermauern. Daraus lassen sich auch keine Anhaltspunkte in Hinblick auf ein etwaiges Fehlen einer Existenzgrundlage erblicken.

 

Abgesehen davon hat der BF1 bewiesen, dass er in der Lage ist, mit der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Familieneinkommen beizutragen und für seinen Bruder, den BF2, zu sorgen.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453 und vom 18.07.2003, Zl. 2003/01/0059), liegt schon deswegen nicht vor.

 

Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Beschwerdeführer den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten sind und in weiterer Folge auch nicht dargelegt haben, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit sie durch die Rückkehr konkret einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.

 

3.3.3. Selbst bei Wahrunterstellung der Behauptungen des BF1, dass ihm der Umstand, sich geweigert zu haben, an der Seite einer schiitischen Miliz zu kämpfen und weil er den Onkel bis zum Niedergang der arabischen XXXX-Partei am 09.04.2003 zu Sitzungen begleitet haben soll, nachteilig ausgelegt werden könnte und er Gefahr laufen könnte, deshalb bestraft zu werden, steht dies in Widerspruch zu seinen vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben, wonach er mit den Behörden, den Gerichten und der Polizei des Herkunftsstaates keine Probleme gehabt hätte. Auch der BF2 hatte vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, keine Probleme mit den Behörden, den Gerichten und/oder der Polizei des Herkunftsstaates gehabt zu haben. Deshalb verschließt sich dem erkennenden Gericht, weshalb der BF1 dafür bestraft werden sollte, dass er seinen Onkel als unmündiger Minderjähriger zu Sitzungen der arabischen XXXX-Partei begleitete. Selbst bei Wahrunterstellung dieser Behauptungen des BF1 ist anlassbezogen nicht hervorgekommen, warum er ausgerechnet jetzt - mehr als dreizehn Jahre nach dem Niedergang dieser politischen Partei - für eine bloße Begleitung seines Onkels bestraft werden sollte. In diesem Zusammenhang sind auch keine greifbaren Anhaltspunkte hervorgekommen, weshalb er deswegen verfolgt oder bedroht worden wäre. Auch kam nicht hervor, dass ihm eine Bestrafung in Aussicht gestellt worden wäre. Daraus ergibt sich, dass die beschwerdeführenden Parteien durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF., oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF., und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden würden. Weder droht ihnen im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch wegen einer allfällig substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch sind Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, nicht hervorgekommen. Auch kam nicht hervor, dass ihnen bei einer Rückkehr Folter und unmenschliche Behandlung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK drohen würden.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Zu den Spruchpunkten III., IV., V. und VI. der angefochtenen Bescheide:

 

3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:

 

Gemäß § 10 AsylG 2005 wird Folgendes normiert:

 

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

 

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

 

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm. 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

 

Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:

 

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

 

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

 

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

 

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

 

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

 

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

 

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

 

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

 

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

 

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

 

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

 

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

 

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

 

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

 

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

 

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

 

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

 

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

 

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."

 

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet im Folgenden wörtlich wiedergegeben wie folgt:

 

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

 

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

 

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

 

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

 

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

 

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

 

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

 

3.4.2. Anlassbezogen liegen keine Umstände vor, dass den beschwerdeführenden Parteien - allenfalls von Amts wegen - ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

 

3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; vom 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; vom 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; vom 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94 und vom 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR vom 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93 und vom 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention³ [2008], S. 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR vom 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; und EKMR vom 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR vom 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR vom 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118 und EKMR vom 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, S. 761; Rosenmayer, ZfV 1988, S. 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

 

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR vom 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, S. 738 = EuGRZ 2006, 562; vom 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, S. 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR vom 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zlen. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; vom 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, S. 344; vom 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, S. 271) und dessen Intensität (EGMR vom 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR vom 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; vom 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; vom 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH vom 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124 und vom 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. insb. EGMR vom 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; vom 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR vom 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; vom 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; vom 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, S. 738 = EuGRZ 2006, S. 562 und vom 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR vom 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, S. 567; vom 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; vom 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; vom 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; vom 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR vom 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

 

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK, noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR vom 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; vom 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94 und vom 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

 

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR vom 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; vom 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; vom 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05 und vom 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

 

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR vom 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR vom 08.04.2008, Nnyanzi v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangehörigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben maßgeblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdeführerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grundsätzlichen Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR vom 16.06.2005, SISOJEVA u.a. gg. Lettland, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im zitierten Fall) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR vom 30.11.1999, BAGHLI gg. Frankreich, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso VfGH, VfSlg 10.737/1985 und VfSlg 13.660/1993).

 

Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR vom 16.09.2004, Ghiban/BRD; vom 07.10.2004, Dragan/BRD; vom 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH vom 17.03.2005, G 78/04; EGMR vom 08.04.2008, Nnyazi/GB). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa auf die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH vom 02.10.1996, Zl. 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH vom 20.12.2007, Zl. 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch Faktoren wie etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration welcher sich durch Intensität der Bindungen zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH vom 29.09.2007, Zl. B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).

 

Gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 07.10.2010, Zl. B 950/10 sind betreffend die Frage der Integration einer Familie in Österreich insbesondere die Aufenthaltsdauer der Familie in Österreich, ein mehrjähriger Schulbesuch von minderjährigen Kindern, gute Deutschkenntnisse und eine sehr gute gesellschaftliche Integration der gesamten Familie zu berücksichtigen.

 

Es ist darüber hinaus als wesentliches Merkmal zu berücksichtigen, wann - anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH vom 12.6.2010, Zl. U614/10) - die Integration der Beschwerdeführer während eines einzigen Asylverfahrens (dessen Dauer im durch den Verfassungsgerichtshof entschiedenen Fall sieben Jahre betrug), welches nicht durch eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer und seine Familie geprägt war, erfolgte.

 

Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

3.4.4. Der BF1 hat zwar vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, mit der am XXXX geborenen XXXX, einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein. Zwar hat auch die vorgenannte österreichische Staatsangehörige die Behauptung des BF1 von der Eheschließung bestätigt, doch hatten beide lediglich angegeben, in einer Moschee in Wien eine (nach den Bestimmungen des Ehegesetzes ungültige) Ehe geschlossen zu haben. Den Nachweis über eine allfällige, nach traditionellem islamischen Ritus geschlossene Ehe vermochten die Genannten nicht zu erbringen. Über Nachfragen räumten beide ein, dass sie eine Ehe vor einer staatlichen Personenstandsbehörde nicht geschlossen haben. Damit erweist sich eine nach einem religiösen Ritus geschlossene Ehe ohne Geltung vor dem Staat. Der BF1 und die als Zeugin einvernommene österreichische Staatsangehörige sind daher nicht als rechtmäßig verbundene Eheleute zu betrachten.

 

In Anbetracht der Widersprüche, in die sich der BF1 und die als Zeugin einvernommene XXXX hinsichtlich des Zeitpunktes der Eheschließung verstrickten (so hatte die Zeugin den Zeitpunkt der Eheschließung mit dem März 2018 bezeichnet [Einvernahme der Zeugin in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 23 oben], während der BF1 angab, die Zeugin vor ca. 5 Monaten - um die Mitte des Jahres 2018 - geheiratet zu haben [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 11 unten]), vermochten sie dem Gericht selbst eine traditionelle Eheschließung nicht glaubhaft zu machen. Selbst die von der Zeugin zum Eheleben gemachten Angaben, sowie die Wohn- und Meldesituation der Zeugin und des BF1 lassen erhebliche Zweifel an einem adäquaten Familienleben aufkommen. Die Zeugin und der BF1 haben keine gemeinsamen Kinder.

 

Es steht daher fest, dass die beschwerdeführenden Parteien, außer sich selbst, keine im Bundesgebiet lebenden Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen haben. Daraus ergibt sich, dass die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Schutz des Familienlebens darstellen würde.

 

Da anlassbezogen ein Eingriff in das Familienleben des BF1 und des BF2 zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet ein Eingriff in das Privatleben der beschwerdeführenden Parteien einhergehen würde.

 

Selbst wenn man dem BF1 und der Zeugin ein Naheverhältnis unterstellen kann, geht dies über ein zwischen ihnen bestehendes Privatleben, das erst nach erfolgter Zustellung des negativen Asylbescheides eine entsprechende Tiefe erfahren haben dürfte, nicht hinaus. Festzuhalten ist weiter, dass der BF1 die Zeugin erst kennenlernte und ihr näher kam, als er in die von ihr in XXXX geführte Flüchtlingsunterkunft gezogen war.

 

Hinsichtlich des BF2 sind keine Anhaltspunkte in Hinblick auf ein allfällig schützenswertes Familienleben hervorgekommen.

 

Sowohl der BF1, als auch der BF2 sind am 27.10.2015 rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist und stellten sie hier am 30.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither sind sie im Bundesgebiet als Asylwerber aufhältig. Das Gewicht ihres illegalen Aufenthaltes in Österreich ist auch dadurch abgeschwächt, dass sie diesen durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchten. Schon deshalb konnte sie nicht in begründeter Weise von einer zukünftigen dauerhaften Legalisierung ihres Aufenthalts ausgehen. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutritt weiterer maßgeblicher Umstände noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 15.03.2016, Ra 2016/19/0031 mwN).

 

Der BF2 hat im Bundesgebiet keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit. Es bestehen auch keine anderweitigen maßgeblichen wirtschaftlichen Interessen. Er bezieht zur Sicherstellung seines Auskommens Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

 

Der BF1 hat im April 2018 am Bauhof der Stadtgemeinde XXXX im Ausmaß von 20 Stunden pro Monat zu arbeiten begonnen. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ging er der dort ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht mehr nach. Auch er bezieht zur Sicherstellung seines Auskommens Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

 

Sowohl der BF1, als auch der BF2 verfügen über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Bis dato haben sie keine Sprachprüfung in der deutschen Sprache abgelegt. Abgesehen von seiner befristeten Erwerbstätigkeit am Bauhof der Stadtgemeinde XXXX und Grundkenntnissen der deutschen Sprache bestehen keine Anzeichen in Hinblick auf eine besondere sprachliche oder soziale Integration der beschwerdeführenden Parteien.

 

Es ist insoweit auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, als selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht, sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720 und vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

 

Die beschwerdeführenden Parteien sind zwar strafgerichtlich unbescholten, doch hat dieser Umstand allein nicht das für die Annahme einer sozialen Integration zukommende Gewicht.

 

Sie verbrachten den weitaus überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat, besuchten dort die Schule, waren dort bereits erwerbstätig (Anm.: BF1) und wurden dort sozialisiert. Beide Beschwerdeführer sprechen die Mehrheitssprache der Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau und deutet nichts darauf hin, dass es ihnen im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich sein sollte, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

In Anbetracht der erst kurzen Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich, der fehlenden beruflichen Integration und des geringen Spracherwerbs relativ schwachen Rechtsposition der Beschwerdeführer überwiegt das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Hinblick auf die Einhaltung eines geordneten Vollzuges des Aufenthalts- und Fremdenrechts, das private Interesse der beschwerdeführenden Parteien an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. In Anbetracht des im Rahmen der mündlichen Verhandlung vermittelten persönlichen Eindruckes der beschwerdeführenden Parteien kann ihnen ein besonderes Bemühen um eine Integration im Bundesgebiet nicht gerade konzediert werden, zumal sie auf ein besonderes soziales Engagement nicht hinzuweisen vermochten. Im gegenständlichen Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass ein knapp über drei Jahren dauernder faktischer Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien in Österreich vorliegt, der zudem noch durch eine illegale Einreise herbeigeführt wurde. Ihnen ist weiter vorzuhalten, dass ihnen zumindest seit dem Erhalt des angefochtenen Bescheides die Ungewissheit ihres weiteren Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste.

 

Nach Maßgabe der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG begegnet es daher keinen Bedenken, dass die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet das persönliche Interesse der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Dass durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK vorläge, ist nicht ersichtlich.

 

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, dass gegenständlich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände der Beschwerdeführer zu Recht davon ausgegangen, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Schließlich sind in Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, die eine Abschiebung in den Irak unzulässig machen würde.

 

3.4.5. Die in Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide festgelegte Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht der in § 55 Abs. 2 FPG enthaltenen Normierung. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwögen, wurde nicht vorgebracht. Diesbezüglich finden sich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift.

 

3.4.6. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist auch der gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. der angefochtenen Bescheide gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und zum Neuerungsverbot auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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