OGH 5Ob212/23x

OGH5Ob212/23x30.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der im Revisionsverfahren noch beteiligten klagenden Parteien 1. I*, 5. M*, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V*, vertreten durch Dr. Werner Schostal, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen der erst- und fünftklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. September 2023, GZ 40 R 177/23k‑42, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00212.23X.0130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die (verbliebenen) Kläger begehren vom beklagten Verein im Wesentlichen die Feststellung, er sei verpflichtet, ihnen jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die Aufkündigung der Grundbenützungsübereinkommen zwischen der Stadt Wien und dem Beklagten von 1996 (und 1999) entstehe.

[2] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentlichen Revisionen des Erst‑ und Fünftklägers zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Die Vorinstanzen qualifizierten die Vereinbarungen der Kläger mit dem Beklagten als Prekarium. Gemäß § 974 ABGB liegt ein solches vor, wenn weder die Dauer noch die Absicht des Gebrauchs vereinbart werden. Es handelt sich dabei um eine Abart der Leihe. Der Unterschied zum Leihvertrag nach § 971 ABGB besteht darin, dass der Verleiher die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern kann (RIS‑Justiz RS0019212). Die Gestattung der Benützung nur gegen jederzeitigen Widerruf ist das entscheidende Kriterium für die Annahme eines Prekariums (RS0019221). Allerdings bildet nur die in der Regel unentgeltliche Einräumung eines Rechts gegen jederzeitigen, in der Willkür des Einräumenden gelegenen Widerruf ein Prekarium (RS0019074). Die Entrichtung eines Entgelts schließt ein Prekarium nicht schlechthin aus, doch muss es so geringfügig sein, dass es gegenüber dem Wert der Benützung wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt (RS0019192 [T3]; RS0019152 [T1]; RS0019083). Dabei ist auf die Verhältnisse bei Vertragsabschluss abzustellen und grundsätzlich zu prüfen, welcher ortsübliche Hauptmietzins zuzüglich Betriebskosten für das Objekt damals erzielbar gewesen wäre (RS0019053). In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird etwa ein Betrag von 10 % des ortsüblichen Mietzinses als bloßer Anerkennungsbetrag qualifiziert (RS0020541 [T1, T2]; zuletzt 9 Ob 28/21i). Die Entscheidung darüber, ob aufgrund des erhobenen Sachverhalts eine Bittleihe vorliegt, ist zwar eine revisible Rechtsfrage (RS0019187), die aber von den Umständen des Einzelfalls abhängt und daher nur dann aufzugreifen ist, wenn den Vorinstanzen eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0020524 [T1, T7]). Dies ist hier nicht der Fall.

[6] 2. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass der Beklagte mit der Stadt Wien 1956 und 1996 Grundbenützungsübereinkommen auf jederzeitigen Widerruf abgeschlossen hatte, in dem aus 1996 war eine jederzeitige vierteljährliche Kündigungsmöglichkeit vereinbart. Der Beklagte hatte sich in den Verträgen verpflichtet, die Grundstücke den Mitgliedern – so auch den Klägern – nur unter der Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs zu überlassen, was er in den abgeschlossenen Vereinbarungen auch tat. Das in den Übereinkommen zwischen der Stadt Wien und dem Beklagten vereinbarte Nutzungsentgelt verrechnete dieser an die Kläger anteilsmäßig weiter. Für eine Fläche von 430 m² (davon 43,76 m² verbaut) hatte der Erstkläger im Jahr 2002 213,81 EUR jährlich zu entrichten, somit monatlich 17,81 EUR, was das Erstgericht als geringfügig im Sinn der zitierten Rechtsprechung und daher der Qualifikation eines Prekariums nicht entgegenstehend wertete. Dass auch der Fünftkläger für die ihm überlassenen Flächen ein verhältnismäßig dem entsprechendes Nutzungsentgelt zu entrichten hatte, ist im Revisionsverfahren nicht strittig.

[7] 3. Eine ausdrückliche Feststellung des bei Überlassung der Fläche angemessenen ortsüblichen Mietzinses traf das Erstgericht nicht, sondern ging – der Sache nach unter Anwendung des § 273 ZPO – ohne Einholung eines (ohnedies nicht beantragten) Sachverständigengutachtens von einer offenkundigen Unwesentlichkeit des zu zahlenden Betrags aus. Die Entscheidung, ob § 273 ZPO angewendet werden darf, ist aber rein verfahrensrechtlicher Natur. Wurde die Anwendbarkeit des § 273 ZPO zu Unrecht bejaht oder verneint, müsste dies mit Mängelrüge bekämpft werden (RS0040282), die die Kläger im Berufungsverfahren nicht erhoben haben. Wollte man in der Entscheidung des Berufungsgerichts inhaltlich die Billigung der Anwendung des § 273 ZPO erkennen, wäre im Übrigen eine nochmalige Überprüfung im Revisionsverfahren ausgeschlossen (RS0040282 [T6]). Soweit die Revisionswerber Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens in der Berufung nicht beanstandet haben, können sie diese nicht mit Erfolg erstmals in der Revision geltend machen (RS0043111). Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens kann daraus daher nicht abgeleitet werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

[8] 4. Ob eine offenkundige Geringfügigkeit des Entgelts – wie vom Berufungsgericht in den Raum gestellt – auch dann vorliegen würde, wenn der Erstkläger unter Berücksichtigung der Kosten für die Fischereilizenz und die Mitgliedsgebühr beim Beklagten monatlich 45,48 EUR aufzuwenden hätte, kann dahinstehen. Dass die Vereinsmitgliedsgebühr (jedenfalls nicht zur Gänze) Entgelt für die Grundstücksnützung ist, liegt ebenso auf der Hand wie dass die Kosten für die Fischereilizenz nicht Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung waren.

[9] 5. Die von den Klägern übernommene Verpflichtung zur Schad‑ und Klagloshaltung des Beklagten bezog sich auf dessen Pflicht zur Erfüllung der Auflagen der Wasserstraßendirektion, der österreichischen Bundesforste „etc“ und damit auf den Gebrauch der Grundfläche an sich. Es handelt sich dabei im Sinn des § 981 ABGB um typischerweise mit dem Gebrauch der Grundstücksfläche verbundene Verpflichtungen und daher nicht um ein über den tatsächlichen Aufwand hinausgehendes Entgelt (vgl RS0019086). Vergleichbares gilt für die von den Klägern übernommene Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands im Fall der Auflösung der Grundbenützungsübereinkommen. Dadurchverursachte Kosten entstehen ihrer Natur nach aus dem Gebrauch selbst und sind daher kein Entgelt für die Gebrauchsüberlassung. Zwar könnte die Vereinbarung einer vertraglichen Verpflichtung des Entlehners zur Bestreitung von an sich den Verleiher treffenden Aufwendungen Entgelt für die Gebrauchsüberlassung sein (RS0019086). Dass der Beklagte durch die Überwälzung der Wiederherstellungskosten von Verbindlichkeiten entlastet würde, die ihn auch ohne die Gebrauchsüberlassung treffen würden, lässt sich aber aus dem Sachverhalt nicht ableiten.

[10] 6. Nach den Feststellungen kündigte die Stadt Wien die Grundbenützungsübereinkommen mit dem Beklagten schriftlich, was den Klägern im Februar 2019 mitgeteilt wurde. Das Berufungsgericht verwies auf das von den Klägern selbst vorgelegte Schreiben (./M), in dem ihnen mitgeteilt wurde, ihre Nutzungsvereinbarung mit dem Beklagten betreffe die Daubelhütten und -anlagen, sie sei mit obgenanntem Datum und gemäß des Vereinbarungsinhalts offiziell erloschen. Dies als Widerruf des den Klägern eingeräumten Prekariums zu werten, ist nicht korrekturbedürftig und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0032666).

[11] 7. Ob den Beklagten Informationspflichten nach Aufkündigung des Grundbenützungsübereinkommens durch die Stadt Wien als vertragliche Nebenpflicht getroffen hätten, kann dahinstehen. Dem Argument der Kläger, ihnen sei es nicht möglich gewesen, Einwendungen gegen die Aufkündigung zu erheben, ist entgegenzuhalten, dass daraus keine Schadenersatzpflicht abgeleitet werden könnte. Die Geltung des MRG ist auf Wohnungen oder Geschäftsräume als Bestandgegenstand eingeschränkt, die Flächenmiete fällt nicht in den Bereich des Kündigungsschutzes. Die analoge Anwendung der Bestimmungen des MRG kommt dann in Betracht, wenn Grundflächen zur Errichtung von Superädifikaten für geschäftliche Zwecke vermietet werden, der Verwendung der vom Mieter auf den Grundflächen errichteten Geschäftsgebäude für den Gebrauch des gesamten Bestandobjekts selbständige Bedeutung zukommt und diese daher im Verhältnis zur Funktion der unbebauten Grundflächen nicht gänzlich in den Hintergrund tritt (RS0066883 [T2]). Ein Bestandvertrag über ein Grundstück, auf dem sich ein mit Zustimmung des Grundeigentümers vom Vormieter errichtetes Superädifikat befindet, kann nur dann den Bestimmungen des MRG unterliegen, wenn dieses nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien der dauernden Wohnraumversorgung oder der geschäftlichen Betätigung des Mieters dienen soll (RS0069261). Bei einem vorwiegend der Ausübung eines Hobbys dienenden Raum ist dies nicht der Fall (2 Ob 2062/96s [Jagdhütte]). Dass nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien die Daubelfischeranlage der dauernden Wohnraumversorgung oder geschäftlichen Betätigung der Mieter dienen hätten sollen, lässt sich nach der im Einzelfall nicht korrekturbedürftigen Auslegung der Urteilsfeststellungen durch das Berufungsgericht daraus nicht ableiten. Mangels Anwendbarkeit des MRG war daher die außergerichtliche Aufkündigung des Grundbenützungsübereinkommens durch die Stadt Wien rechtlich zulässig, die Nichterhebung von Einwendungen durch den Beklagten nicht schuldhaft.

[12] 8. Die Ablehnung von bereicherungsrechtlichen Ansprüchen begründete das Berufungsgericht primär damit, aus den Verträgen lasse sich nicht ableiten, dass es jedenfalls zu einer Entfernung der Baulichkeiten kommen müsse. Damit setzen sich die Revisionswerber nicht auseinander. Nur als Hilfsbegründung verwies das Berufungsgericht darauf, Vermögensverschiebungen seien dann gerechtfertigt, wenn sie in Erfüllung gültiger Schuldverhältnisse stattgefunden hätten, was hier der Fall sei. Die Bekämpfung dieser Hilfsbegründung allein kann aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen (RS0118709 [T1]). Auf die Argumentation dazu ist daher nicht näher einzugehen.

[13] 9. Vergleichbares gilt für die verbraucherschutzrechtlichen Erwägungen der Revisisonswerber zu §§ 6 Abs 3, 6c, 9 und 9b KSchG, §§ 864a und 879 ABGB betreffend – im Übrigen nicht näher konkretisierte – Klauseln in den Grundbenützungsübereinkommen. Ob der Beklagte tatsächlich als Unternehmer anzusehen sein könnte (vgl hiezu jüngst 7 Ob 206/22b), ist irrelevant. Das Berufungsgericht wertete die Feststellungsbegehren der Kläger nämlich dahin, dass das angeblich schadenersatzauslösende Ereignis die Aufkündigung der Grundbenützungsübereinkommen sei, sich das Feststellungsbegehren auf kausale Folgeschäden daraus beziehen solle und schloss daraus, die Frage nach der Missbräuchlichkeit oder Intransparenz einer vereinbarten Klausel in den Grundbenützungsübereinkommen und den daraus erwachsenen Rechtsfolgen ziele darauf ab, ob die Kläger verpflichtet werden könnten, die Baulichkeiten auf den Grundflächen auf ihre Kosten räumen zu müssen. Im Fall einer Nichtigkeit der entsprechenden Klausel würde den Klägern gar kein Schaden daraus entstehen. Dies ist nicht zu beanstanden. Dass die im Revisionsverfahren verbliebenen Kläger aufgrund ihnen überwälzter Verpflichtungen bereits auf Räumung in Anspruch genommen wurden und ihnen daraus Schaden erwachsen wäre, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.

[14] 10. Eine Verletzung der aus den Statuten abzuleitenden Verpflichtungen des Beklagten ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht. Dass er nichts gegen ungerechtfertigte Beanstandungen seitens der Stadt Wien unternommen hätte, trifft nicht zu. Dass „die Kläger“ (also auch die Revisionswerber) nach Vertragsabschluss begannen, die Hütten kleingärtnerisch auszugestalten, den Bereich unter den Hütten verbauten, obwohl ihnen bekannt war, dass dies aus Hochwasserschutzgründen nicht gestattet war, Hütten dämmten und Solaranlagen darauf anbrachten, hat das Erstgericht ebenso festgestellt wie die daraus resultierenden Beanstandungen der Stadt Wien. Ebenso wurde festgestellt, dass sich der Präsident des Beklagten massiv dafür einsetzte, den Klägern einen Verbleib in ihren Hütten zu ermöglichen. Woraus ein Verstoß gegen Statuten abzuleiten wäre, ist nicht nachvollziehbar.

[15] 11. Auch für die behauptete Kollusion zwischen dem Beklagten und der Stadt Wien zum Nachteil der Kläger gibt es keine Grundlage im Sachverhalt. Der Einwand der Revisionswerber, sie hätten bei Verständigung von der Aufkündigung Einwendungen erhoben, geht ins Leere, weil die Stadt Wien die Grundbenützungsübereinkommen mit dem Beklagten fristgerecht zum 31. 12. 2018 rechtswirksam aufkündigte wurden und die Kläger davon verständigt worden waren. Dass die Aufkündigung des Hauptbestandvertrags auch gegenüber dem Unterbestandnehmer wirksam und vollstreckbar ist, wenn dem nicht ein zwischen dem Unterbestandnehmer und dem Bestandgeber bestehendes Rechtsverhältnis entgegensteht, wurde bereits in mehreren Verfahren festgehalten (6 Ob 57/22h; 6 Ob 40/22h; 9 Ob 24/22b; 6 Ob 110/22b; 3 Ob 77/22b; 1 Ob 240/22h). Dass die Vorinstanzen ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem (hier) Beklagten und der Stadt Wien verneinten, wurde bereits als nicht korrekturbedürftige Fehlbeurteilung gewertet. Eine bewusste Schädigung der Revisionswerber durch den Beklagten wegen des Unterbleibens von Einwendungen lässt sich auch den hier getroffenen Feststellungen nicht entnehmen.

[16] 12. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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