European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00131.17Y.0126.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass zwischen der klagenden und der beklagten Partei kein aufrechtes Vertragsverhältnis über die Planung und Errichtung einer Küche samt Geräten besteht.
Das Mehrbegehren, es werde mit Wirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt, dass die von der beklagten Partei mit Aufforderungsschreiben der Rechtsanwältin Mag. ***** vom 24. 5. 2016 geltend gemachte Forderung von 2.100 EUR gegenüber der Klägerin nicht bestehe, wird abgewiesen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.814,10 EUR (darin 1.431,35 EUR USt und 3.226 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen
zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin zeigte bei der Beklagten ihr Interesse hinsichtlich Ankauf und Montage einer neuen Küche für ihre im Jahr 2017 fertiggestellte neue Wohnung und übergab einen Wohnungsplan. Anhand dessen wurde sodann eine Küchenplanung erstellt und der Klägerin am 7. 4. 2016 vom Geschäftsführer der Beklagten präsentiert. Die Küchenplanung hatte etwa 8 Stunden Arbeit erfordert. Die Klägerin hatte genaue Vorstellungen, zB hinsichtlich Küchenmarke, Arbeitsplatte, und dergleichen. Ausgehend von diesen Daten schlossen sie und der Geschäftsführer einen „Rahmenauftrag“, wobei neben der bereits konkretisierten Lieferung einer Küche auch die weitere Gestaltung des Raumes in Aussicht gestellt wurde. Als Gesamtpreis ohne Montage wurde ein Betrag von zirka 21.000 EUR inklusive USt festgelegt. Der Geschäftsführer bot an, die weiteren innenarchitektonischen Planungen im Raum kostenfrei durchzuführen. Über die Kosten der Küchenplanung wurde nicht gesprochen. Sowohl für die Klägerin als auch für den Geschäftsführer war der Auftrag zur Lieferung einer Küche bereits fixiert. Als Lieferzeitpunkt wurde ein Zeitpunkt ein Jahr nach dem Präsentationstermin festgelegt.
Die Klägerin erhielt nach einigen Tagen die gesamte von der Beklagten erstellte Planung in Form einer Grundrissvariante mit allen Ansichten. Hierauf stornierte sie in einem Telefongespräch mit dem Geschäftsführer den Auftrag. Dieser wies die Klägerin auf den bereits entstandenen Planungsaufwand hin.
Die Beklagte verrechnete der Klägerin mit Schreiben ihrer rechtsfreundlichen Vertretung vom 24. 5. 2016 an die rechtsfreundliche Vertretung der Klägerin für Planungskosten einen Betrag von 2.100 EUR inklusive USt. Das Schreiben, mit welchem ein Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung der Klägerin beantwortet wurde, hatte auszugsweise folgenden Wortlaut: „Der von Ihnen angesprochenen und begehrten Anfechtung bzw Auflösung des Rahmenvertrages kann nicht nachgekommen werden und wird diese zu Unrecht begehrt. Meine Mandantschaft besteht auf Vertragserfüllung. Ein weiterer Besprechungstermin zur Finalisierung des von Ihrer Mandantin erteilten Auftrages kann selbstverständlich vereinbart werden. […] Namens und auftrags meiner Mandantschaft habe ich Ihre geschätzte Mandantin vorerst aufzufordern, das angemessene Planungshonorar, welches vorläufig mit 1 % [gemeint: 10 %; Anmerkung] des Auftragsvolumens berechnet wird, insgesamt daher 2.100 EUR […] bis längstens 7. 6. 2016 […] zu bezahlen. Sollte ihre Mandantin keine fristgerechte Zahlung leisten, so ist meine Kanzlei bereits jetzt mit der gerichtlichen Geltendmachung sämtlicher Ansprüche meiner Mandantschaft beauftragt. [...]“
Die Beklagte war und ist hinsichtlich des Küchenauftrags leistungsbereit.
Die Klägerin stellte die aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsbegehren. Sie brachte soweit für das Revisionsverfahren von Interesse vor, dass sie bereits am 11. 4. 2016 telefonisch, spätestens aber mit Schreiben ihrer rechtsfreundlichen Vertretung vom 13. 4. 2016 einen allenfalls abgeschlossenen Vertrag storniert habe. Es sei ein wesentliches Merkmal des Werkvertrags, dass das Werk zu jeder Zeit abbestellt werden könne. Rechtsfolge des Stornos sei die Auflösung des Vertrags. Die rechtsfreundliche Vertretung der Beklagten habe mit Schreiben vom 24. 5. 2016 mitgeteilt, dass ein aufrechtes Vertragsverhältnis bestünde und die Beklagte auf Vertragserfüllung poche. Hieraus ergebe sich das Interesse der Klägerin an der ersten begehrten Feststellung. Hinsichtlich des anderen Feststellungsbegehrens brachte die Klägerin vor, dass die Planungsleistungen gratis erbracht werden hätten sollen. Auch als Schadenersatz könne von ihr der verrechnete Betrag nicht gefordert werden, da die Abbestellung eines Werks als solche nicht rechtswidrig sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin habe sie am 7. 4. 2016 mit der Lieferung und Montage einer Küche samt Geräten beauftragt. Die Klägerin sei weder vom erteilten Auftrag wirksam zurückgetreten noch sei dieser anfechtbar. Auch sonst bestehe kein Grund, den abgeschlossenen Vertrag aufzuheben oder als nicht zustandegekommen zu beurteilen. Die Beklagte habe Leistungsbereitschaft gezeigt. Die Klägerin habe aus in ihrer Sphäre gelegenen Gründen vertragswidrig und schuldhaft die Erfüllung des Auftrags vereitelt. Deshalb habe die Beklagte zu Recht weiter auf Vertragserfüllung bestanden. Selbst bei Annahme eines wirksamen Rücktritts habe die Beklagte zu Recht mit Schreiben vom 24. 5. 2016 ein angemessenes Planungshonorar mit der vorläufigen Bewertung von 1 % [richtig: 10 %; Anmerkung] des Auftragsvolumens, daher in Höhe von 2.100 EUR inklusive USt, begehrt. Vor dem Hintergrund der tatsächlich vielen aufgewendeten Stunden für die Planung sei dies gerechtfertigt.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen – und vom Obersten Gerichtshof um Passagen aus dem unstrittig echten Schreiben vom 24. 5. 2016, Beilage ./E, ergänzten (vgl RIS‑Justiz RS0121557 [T3]) – Sachverhalt fest. Diesen beurteilte es rechtlich dahin, dass der gegenständliche Auftrag als Werkvertrag anzusehen sei. Da das Vertragsverhältnis von der Klägerin einseitig storniert worden sei, bestehe ein aufrechtes Vertragsverhältnis, sodass das eine Feststellungsbegehren abzuweisen sei. Das andere Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil durch auf Seiten der Klägerin als Bestellerin gelegene Umstände die Ausführung des Werks unterblieben sei und daher die Beklagte einen Entgeltanspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB besitze. Dieser Anspruch beziehe sich jedenfalls auf die der Beklagten bereits entstandenen Aufwendungen, also auch auf die Planungskosten, Kosten der Präsentation und die damit zusammenhängenden sonstigen Aufwendungen.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Das Erstgericht habe zu Recht das auf Feststellung des Nichtbestehens eines aufrechten Vertragsverhältnisses über die Planung und Errichtung einer Küche samt Geräten gerichtete Klagebegehren abgewiesen. Das Berufungsgericht führte hierfür zum einen ins Treffen, dass die Beklagte nach der Abbestellung des Werks nicht darauf beharrt habe, dass sie den Vertrag dennoch erfüllen dürfe. Dass die Beklagte trotz einer Stornierung des Auftrags durch die Klägerin dennoch auf einer Erfüllung des Vertrags durch die Beklagte und einer Annahme der Küche durch die Klägerin bestehe, habe die Klägerin in erster Instanz auch nicht behauptet. Zum anderen sei die Rechtsansicht der Klägerin, wonach die Abbestellung eines Werks durch den Besteller die Auflösung des Vertragsverhältnisses bewirke, unzutreffend. Auch die Abweisung des weiteren Klagebegehrens auf Feststellung, dass die von der Beklagten mit Aufforderungsschreiben vom 24. 5. 2016 geltend gemachte Forderung von 2.100 EUR gegenüber der Klägerin nicht bestehe, sei zu Recht erfolgt. Der beschränkte Entgeltanspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB stehe dem Unternehmer dann zu, wenn die Verhinderung in auf Seiten des Bestellers liegenden Umständen den Grund habe. Demgegenüber gehe die Abbestellung des Werks dann nicht zu Lasten des Bestellers, wenn sie durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Unternehmers gerechtfertigt sei. Wenn die Berufung Feststellungen zu den Gründen der Stornierung des Auftrags durch die Klägerin vermisse, sei dem entgegenzuhalten, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren kein konkretes Vorbringen dazu erstattet habe, inwieweit die Küchenplanung nicht ihren „Bedürfnissen und Anforderungen" bzw „ihren Vorstellungen" entsprochen habe. Zudem habe das Beweisverfahren keine verlässlichen Hinweise auf Planungsfehler der Beklagten hervorgebracht.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich nach § 508 ZPO mangels eindeutiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob die Abbestellung eines Werks durch den Werkbesteller zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führe, zu.
In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch teilweise berechtigt.
1. Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit beanstandet die Klägerin die Ausführung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 24. 5. 2016 nicht erklärt habe, im Falle einer Abbestellung des Werks durch die Klägerin dennoch auf dessen Ausführung zu beharren. Die Aktenwidrigkeit wird damit begründet, dass der Wortlaut des Schreibens vom 24. 5. 2016 besage, dass die Mandantschaft der Beklagtenvertreterin, somit die Beklagte, „auf Vertragserfüllung besteht“. Dass die Beklagte nach wie vor auf Vertragserfüllung bestehe, ergebe sich auch aus deren Vorbringen im Verfahren.
1.1. Eine
Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf
aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt wenn der Inhalt einer Urkunde unrichtig wiedergegeben wurde. Bei einer allenfalls unrichtigen
Auslegung einer Urkunde handelt es sich hingegen um eine rechtliche Beurteilung (RIS‑Justiz RS0043347 [T13, T14]).
Die beanstandete Ausführung des Berufungsgerichts findet sich in dessen rechtlicher Beurteilung. Das Berufungsgericht gibt nicht den Inhalt des Schreibens vom 24. 5. 2016 wieder, sondern nimmt allein eine Auslegung desselben vor. Ob diese Auslegung richtig ist, ist eine Rechtsfrage.
1.2. Ebensowenig lässt sich der Vorwurf der Aktenwidrigkeit mit dem Vorbringen der Beklagten begründen. Selbst eine
unrichtige Wiedergabe des Parteienvorbringens würde nicht den Revisionsgrund der
Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO begründen. Auch eine solche kann aber – wenn das Berufungsgericht Vorbringen übersehen oder missverstanden hat – zu einer
unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt haben (RIS‑Justiz RS0043402 [T5]; RS0007388 [T3]; E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 503 Rz 18 mwN).
1.3. Der Klägerin ist aber beizupflichten, dass sie bereits in der Klagsschrift vorbrachte, dass die Beklagte auf Vertragserfüllung „gepocht“ habe, weshalb die in Rede stehende Passage im Schreiben vom 24. 5. 2016 auch von rechtlicher Relevanz ist. Das Schreiben wurde im Verfahren vorgelegt, die Echtheit der Urkunde wurde nicht bestritten. Eine im Verfahren vorgelegte Urkunde, die ihrem Inhalt nach unstrittig ist, ist der Entscheidung des Revisionsgerichts ohne weiteres zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0121557 [T3]). Aus diesem Grund wurde bei der obigen Wiedergabe der erstrichterlichen Feststellungen der maßgebliche Wortlaut des Schreibens vom 24. 5. 2016 ergänzend festgehalten. Hierauf wird bei der rechtlichen Beurteilung zurückzukommen sein.
2. Die Klägerin releviert als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, das Berufungsgericht habe sich nicht mit ihren Argumenten in der Rechtsrüge auseinandergesetzt und seine Begründung dafür, dass sehr wohl ein Auftrag zustande gekommen sei, sei unzureichend geblieben.
Dass das Berufungsurteil gar keine Begründung enthalte (und damit nichtig sei), behauptet die Klägerin zu Recht nicht.
Sie beanstandet lediglich inhaltlich die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts. Eine angeblich mangelhafte Begründung durch das Berufungsgericht ist aber kein Revisionsgrund im Sinne des §
503 Z 2 ZPO (
5 Ob 207/10t; vgl RIS‑Justiz
Zur Rechtsrüge:
3. In ihrer Rechtsrüge beanstandet die Klägerin, dass das Berufungsgericht die Feststellung, wonach sie in einem Telefongespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten den Auftrag stornierte, nicht dahingehend rechtlich beurteilt habe, dass hierdurch das Vertragsverhältnis vorzeitig beendet worden und deshalb das diesbezügliche Feststellungsbegehren berechtigt sei. Hinsichtlich des weiteren Feststellungsbegehrens rügt die Klägerin als sekundären Feststellungsmangel das Fehlen von Feststellungen, dass die Stornierung wegen Planungsfehlern – die Küche habe nicht den im Zuge der Auftragserteilung geäußerten Wünschen und Vorstellungen der Klägerin entsprochen – erfolgt sei.
4. Es ist zunächst auf das Feststellungsinteresse der Klägerin einzugehen.
Nach § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht oder die Urkundenechtheit durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses oder Rechts wird vor allem dann anerkannt, wenn der Beklagte sich des dem Kläger zustehenden Rechts, oder aber eines eigenen Rechts gegenüber dem Kläger
berühmt und Zweifel darüber möglich sind (
RIS‑Justiz
RS0039096 [T13])
.
4.1. Im vorliegenden Fall erhob die Beklagte mit Schreiben vom 24. 5. 2016 eine Forderung von 2.100 EUR, weshalb hinsichtlich des betreffenden (negativen) Feststellungsbegehrens ein rechtliches Interesse der Klägerin im Sinne des § 228 ZPO unzweifelhaft ist.
4.2. Mit dem genannten Schreiben teilte die Beklagtenvertreterin auch mit, dass ihre Mandantschaft, das heißt die Beklagte, auf Vertragserfüllung bestehe, bot einen weiteren Besprechungstermin „zur Finalisierung des [...] erteilten Auftrages“ an und stellte für den Fall der Nichtzahlung der eingeforderten 2.100 EUR die gerichtliche Geltendmachung „sämtlicher Ansprüche“ der Beklagten in Aussicht. Es hatte aber nun bereits zuvor die Klägerin in einem Telefonat mit dem Geschäftsführer der Beklagten den Auftrag „storniert“. Sollte die Stornierung zum Wegfall des Vertrags geführt haben (hierzu sogleich), gab es ab sofort keinen Auftrag mehr, der „finalisiert“ werden könnte, und auch keinen Vertrag, „auf dessen Erfüllung“ die Beklagte „bestehen“ könnte. Zumal die Beklagte aber gerade hiervon sprach und sogar mit der Geltendmachung weiterer Ansprüche – nämlich aus dem Vertrag – drohte, liegt auch in Hinsicht auf das erste (negative) Feststellungsbegehren ein rechtliches Interesse der Klägerin im Sinne des § 228 ZPO vor.
5.
Für die Abgrenzung von Kaufvertrag und
Werkvertrag kommt es darauf an, ob die zu liefernde Sache nach besonderen
Wünschen des Bestellers über Maße, Ausstattung usw hergestellt werden soll (RIS‑Justiz
RS0021657). Ein
Werkvertrag liegt vor, wenn der Unternehmer Leistungen zu erbringen hat, die sich an den individuellen Bedürfnissen des Bestellers orientieren (RIS‑Justiz
RS0021657 [T2]). Dem Verhältnis der Materialkosten zu den Arbeitskosten kommt keine entscheidende Bedeutung zu (RIS‑Justiz
RS0021671 [T3] – Einbauküche).
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit Planung und Lieferung einer Küche nach genauen eigenen Vorstellungen, wobei auch der Wohnungsplan der Klägerin zu berücksichtigen war. Dass der am 7. 4. 2016 abgeschlossene Vertrag als Werkvertrag anzusehen ist, ist zwischen den Parteien daher zu Recht nicht strittig.
6. Die Beklagte „stornierte“, nachdem am 7. 4. 2016 der Werkvertrag geschlossen worden war, den Auftrag, will heißen Werkvertrag. Zwischen den Parteien ist strittig, ob hierdurch das am 7. 4. 2016 eingegangene Vertragsverhältnis über die Planung und Errichtung einer Küche samt Geräten wegfiel oder nicht.
6.1. Nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB gebührt dem Unternehmer, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt, gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist (HalbS 1); er muss sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (HalbS 2).
Nach ständiger Rechtsprechung hat
der Unternehmer keinen Anspruch auf Ausführung oder Vollendung des Werks. Ihm steht kein Recht auf Beschäftigung zu. Der Besteller kann vielmehr nach seinem Belieben die Inangriffnahme oder die Fortsetzung und Vollendung des Werks hindern. Grund hierfür ist die Erwägung, dass es unbillig und unzweckmäßig wäre, ihn zu zwingen, das Werk auch dann herstellen zu lassen, wenn sein Interesse daran nicht mehr besteht
(RIS‑Justiz
Deshalb ist die Abbestellung (Stornierung) durch den Besteller, sofern – wie hier – keine Abnahmeverpflichtung vereinbart wurde, nicht
rechtswidrig, sondern grundsätzlich immer zulässig. Bestellt er das Werk ab, so verhindert er aber im Sinne des § 1168 Abs 1 ABGB die Ausführung des Werks, weshalb er die darin vorgesehenen Folgen zu tragen hat. Die Pflicht des Bestellers erschöpft sich aber in der in § 1168 Abs 1 ABGB besonders geregelten Gegenleistung (vgl RIS‑Justiz
RS0021809 [T2];
6.2. Rechtsfolge der Abbestellung (Stornierung) ist nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB die Berechtigung des Unternehmers, den (eingeschränkten) Werklohn zu fordern.
Dieser Anspruch ist ein Entgeltanspruch und kein
Schadenersatzanspruch
(RIS‑Justiz
RS0021875). Mit dem Anspruch des Unternehmers auf das eingeschränkte Entgelt konkurriert, wenn eine Abnahmepflicht des Werks durch den Besteller nicht vereinbart ist, aus der Tatsache der Auftragsvereitlung (Abbestellung) durch den Besteller allein mangels Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens kein gesonderter
Schadenersatzanspruch (
RIS‑Justiz
RS0021859 [T2]).
6.3. Nach 7 Ob 43/14w (= ZRB 2014, 195 [Wenusch]) führt die Abbestellung des Werks – als weitere Rechtsfolge – zur vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses. Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Sie entspricht zum einen der Lehre, dass mit der Abbestellung die Pflicht des Unternehmers zur (weiteren) Herstellung entfällt, ohne dass ein Rücktritt des Unternehmers nötig ist (Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1168 Rz 31). Zum anderen ist auch in Deutschland zur parallelen Bestimmung des § 649 (ab 1. 1. 2018 – mit unverändertem Wortlaut – § 648) BGB, welche den durch die 3. Teilnovelle eingeführten § 1168 ABGB als Vorbild diente, anerkannt, dass die dort explizit vorgesehene „Kündigung“ des Werkvertrags durch den Besteller zur Beendigung des Werkvertragsverhältnisses – und zwar ex nunc – führt (BGH I ZR 168/79 = NJW 1982, 2553 [2554]; X ZR 17/92 = NJW 1993, 1972 [1973]; VII ZR 103/00 = NJW 2003, 1450 [1452]; Voit in Bamberger/Roth, BGB3 § 649 Rz 8; Sprau in Palandt, BGB76 § 649 Rz 4; Scheuch/Ebert in Schulze, BGB-Handkommentar9 § 649 Rz 4; Schwenker/Rodemann in Erman, BGB15 § 648 Rz 5; Busche in Münchener Kommentar zum BGB7 § 648 Rz 14). Aus dem Herrenhausbericht (HHB) zur 3. Teilnovelle geht hervor, dass der historische Gesetzgeber „Abbestellen“ und „Kündigen“ als Synonyme betrachtete (vgl 1 Ob 642/90). Dem HHB ist weiters zu entnehmen, dass sich in § 1168 Abs 1 ABGB im Unterschied zu § 649 aF (§ 648 nF) BGB nur deshalb kein Recht auf Abbestellung (synonym: Kündigung) findet, weil das Subkomitee der juristischen Kommission des Herrenhauses „eine eigene Norm, die dem Besteller bis zur Vollendung des Werkes das Recht gibt, die Arbeit abzubestellen ('den Vertrag zu kündigen': dt BGB § 649), nicht für nötig“ hielt. Dass hierdurch ein Abweichen der österreichischen von der deutschen Rechtslage beabsichtigt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass bei der Abbestellung eines Werks (Stornierung eines Auftrags) das Vertragsverhältnis (ex nunc) beendet wird.
6.4. Weil durch die Stornierung (Abbestellung) das Werkvertragsverhältnis zwischen den Parteien endete, erweist sich das Begehren der Klägerin auf Feststellung, „dass zwischen der klagenden und der beklagten Partei kein aufrechtes Vertragsverhältnis über die Planung und Errichtung einer Küche samt Geräten besteht“, als berechtigt.
7.1. Die Ausführung des Werks unterblieb wegen der Abbestellung durch die Klägerin. Die Beklagte war leistungsbereit. Die Klägerin brachte – wie bereits vom Berufungsgericht zu Recht angemerkt – nicht konkret vor, inwieweit die Küchenplanung nicht ihren Bedürfnissen und Anforderungen bzw ihren Vorstellungen entsprochen habe. Dass das Berufungsgericht die Klägerin mit dem Hinweis auf die fehlende Konkretheit im Sinne des § 182a ZPO unzulässigerweise überrascht hätte, macht die Klägerin in der Revision nicht als Mangel des Berufungsverfahrens geltend.
Die Beklagte hat daher nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB Anspruch auf das vereinbarte Entgelt, muss sich jedoch anrechnen lassen, was sie infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.
Der Unternehmer muss nicht von sich aus die Anrechnung vornehmen; vielmehr hat der Besteller zu
behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss (
RIS‑Justiz RS0112187; RS0021841).
Der Umstand, dass ein Werkunternehmer den Einwand des Werkbestellers vorweggenommen und nur einen Teil des vereinbarten Werklohns begehrt hat, enthebt den Werkbesteller nicht von seiner Behauptungs‑ und Beweislast dafür, dass sich der Werkunternehmer durch das Unterbleiben der Ausführung des Werks noch mehr erspart hat (8
Ob 133/16s [in Punkt 4.]).
7.2. Als Gesamtpreis ohne Montage wurde zwischen den Parteien ein Betrag von zirka 21.000 EUR inklusive USt festgelegt. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 24. 5. 2016 der Klägerin „für Planungskosten“ einen Betrag von 2.100 EUR inklusive USt in Rechnung gestellt, sodass davon auszugehen ist, dass sie sich eine Ersparnis durch die Abbestellung in Höhe von 18.900 EUR selbst angerechnet hat. Die Klägerin hätte daher konkret behaupten und beweisen müssen, dass sich die Beklagte noch mehr erspart hat.
7.3. Ob sich an der Behauptungs‑ und Beweislast des Werkbestellers für die Umstände, die den Entgeltanspruch des Werkbestellers nach § 1168 Abs 1 ABGB reduzieren, durch die Einführung des § 27a KSchG etwas geändert hat (verneinend Kathrein/Schoditsch in KBB5 § 27a KSchG Rz 1; für eine Verschiebung der Beweisführungslast jedoch M. Bydlinski in KBB5 § 1168 Rz 5; siehe auch Löwenthal-Philadelphy in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht § 27a Rz 7 mwH), kann hier unbeantwortet bleiben. Die Anwendung des § 27a KSchG setzt nämlich voraus, dass der Unternehmer trotz Unterbleibens der Ausführung des Werks „das vereinbarte Entgelt (§ 1168 Abs 1 ABGB) verlangt“, und zwar das gesamte ursprünglich vereinbarte (Kolba in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 27a Rz 4; vgl weiters Krejci in Rummel, ABGB3 § 27a KSchG Rz 3; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 27a KSchG Rz 2; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB4 Va § 27a KSchG Rz 3). Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, wonach § 27a KSchG „den Unternehmer im Sinne einer ausgewogenen Pflichtenverteilung dazu [verhält], dem Verbraucher die Umstände dafür bekanntzugeben, dass er sich durch den Ausfall nichts erspart hat, dass er durch eine anderweitige Verwendung nichts erworben hat und dass er es schließlich nicht verabsäumt hat, durch eine anderweitige Verwendung etwas zu erwerben“ (ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 29). Um Umgehungen des § 27a KSchG hintanzustellen könnte allenfalls der Einforderung des gesamten Entgelts gleichgehalten werden, wenn der Unternehmer vom Besteller einen Betrag fordert, der nur unwesentlich unter dem vereinbarten Werklohn liegt. Begehrt ein Werkunternehmer hingegen wie hier gerade einmal 10 % des vereinbarten Werklohns, ist § 27a KSchG aber jedenfalls unanwendbar.
7.4. Damit hat die Klägerin nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht, dass der Beklagten aufgrund von den Anspruch nach § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB reduzierenden Umständen der mit Schreiben vom 24. 5. 2016 in Rechnung gestellte Betrag von 2.100 EUR nicht zusteht. Die allgemeinen Beweislastregeln gelten auch für die negative Feststellungsklage (Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 228 ZPO Rz 32). Folglich ist das zweite (negative) Feststellungsbegehren der Klägerin abzuweisen.
8. Die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen macht eine neue Kostenentscheidung erforderlich. Die Beklagte drang mit ihrem mit 22.000 EUR bewerteten Feststellungsbegehren durch und unterlag bloß mit dem weiteren, mit 2.100 EUR bewerteten Feststellungsbegehren. Sie obsiegte damit mit 91,2 %. Es liegt damit ein Unterliegen der Klägerin bloß mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Anspruchs vor, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, weshalb sie in allen drei Instanzen nach § 43 Abs 2 ZPO (hinsichtlich der Kosten zweiter und dritter Instanz iVm § 50 ZPO) Anspruch auf vollen Kostenersatz hat, dies aber nur auf Basis des „obsiegten Betrages“ (Fucik in Rechberger, ZPO4 § 43 Rz 10, 13 mwN), somit auf Basis eines Streitwerts von 22.000 EUR.
Die Beklagte erhob folgende Kosteneinwendungen:
8.1. Die Klägerin brachte, nachdem wider die Beklagte ein Versäumungsurteil ergangen und dagegen am 1. 8. 2016 ein Widerspruch erhoben worden war, am 8. 8. 2016 einen Kostenbestimmungsantrag ein, mit dem sie für den Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils und den Kostenbestimmungsantrag selbst Kosten begehrte. Die Beklagte beanstandet den Kostenbestimmungsantrag als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Über die darin für den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils verzeichneten Kosten hätte in der Tagsatzung am 21. 9. 2016 oder in der (zweiten und letzten) Tagsatzung am 1. 3. 2017 Kostennote gelegt werden können.
Derjenigen Partei, die den Widerspruch erhoben hat, ist der Ersatz aller Kosten aufzuerlegen, die durch ihre Versäumung und die Verhandlung über den Widerspruch verursacht worden sind (§ 397a Abs 4 ZPO). Der Kostenersatzwerber muss die durch den Widerspruch verursachten Kosten nach Rechtsprechung (
7 Ob 173/98m; OLG Innsbruck 1 R 81/02z = RIS‑Justiz RI0000106; LGZ Wien 45 R 58/88 = WR 320; im Ergebnis auch OLG Wien 7 Ra 44/05z = RIS‑Justiz RW0000653) und Lehre (Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 397a Rz 9; Deixler‑Hübner in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 § 397a ZPO Rz 12) sofort verzeichnen. Hierfür reicht es nach der (zitierten) Rechtsprechung aber aus, dass die Verzeichnung unmittelbar nach der Verkündung des Beschlusses auf Aufhebung des Versäumungsurteils erfolgt (aA Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 272: Kostenverzeichnung spätestens am Beginn der ersten Verhandlung). Eine Verzeichnung der nach § 397a Abs 4 ZPO beanspruchten Kosten mit Schriftsatz noch vor der Verhandlung ist daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich.
8.2. Die in Linz ansässige Klägerin bediente sich für die Führung des Verfahrens vor dem Erstgericht, dem Landesgericht Linz, einer in Pasching ansässigen Anwaltssozietät. Die Klägerin verzeichnete für die Teilnahme an den beiden Tagsatzungen den doppelten Einheitssatz. Dies wird von der Beklagten gerügt. Die Klägerin habe kein besonderes Vertrauensverhältnis zur eingeschrittenen auswärtigen Anwaltssozietät behauptet.
Auch diese Einwendung erweist sich als berechtigt.
Die Mehrkosten, die sich aus der Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts ergeben, sind nach der Rechtsprechung dann nicht zu ersetzen, wenn die Partei ihren Wohnsitz oder Sitz am Gerichtsort hat und keine besonderen Gründe für die Bestellung des auswärtigen Rechtsanwalts vorliegen (RIS‑Justiz RS0036203; vgl auch M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 41 Rz 32). Hat – wie hier – die Partei
nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich, weshalb sie sich einer auswärtigen rechtsfreundlichen Vertretung bedient, hat sie folglich nach § 23 Abs 5 RATG iVm § 41 Abs 3 ZPO nur Anspruch auf den einfachen Einheitssatz (6 Ob 122/09y [in Punkt 5.]; Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 223).
8.3. Die Beklagte wendet sich letztlich gegen eine Honorierung des Schriftsatzes vom 30. 9. 2016, mit dem die Klägerin einen Vergleich widerrief. Sie habe diesen Schriftsatz nicht veranlasst; die Gründe für den Vergleichswiderruf seien in der Sphäre der Klägerin gelegen.
Vergleiche, die unter der aufschiebenden
Bedingung des Nichtwiderrufs während bestimmter Frist geschlossen werden, werden erst mit dem ungenützten Ablauf der Widerrufsfrist wirksam (RIS‑Justiz
RS0037373). Wird von der Widerrufsmöglichkeit Gebrauch gemacht, sind die Vergleichsverhandlungen erfolglos geblieben. Dies hat gemäß § 47 Abs 2 ZPO zur Konsequenz, dass „die Verpflichtung zum Ersatz der mit denselben [den gescheiterten Vergleichsverhandlungen; Anmerkung] verbundenen Kosten von der Entscheidung der Hauptsache abhängig“ ist. Die Vorschrift greift den bereits in § 41 Abs 1 ZPO enthaltenen Gedanken auf, dass alle durch die Prozessführung verursachten Kosten zu ersetzen sind (M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 47 Rz 6). Demnach sind auch die Kosten eines Vergleichswiderrufs ersatzfähig (so bereits OLG Wien 1 R 171/07k [unveröff]). Diese Kosteneinwendung erweist sich damit als unberechtigt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)