OGH 4Ob135/15d

OGH4Ob135/15d22.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. April 2015, GZ 4 R 13/15h‑20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. November 2014, GZ 39 Cg 31/13x‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00135.15D.0922.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen haben der beklagten Partei die Verwendung folgender oder sinngleicher Klauseln untersagt:

Klausel 1:

Ich akzeptiere die AGB.

Ich bin ausdrücklich damit einverstanden, dass meine oben angeführten Daten für die Übermittlung von Informationsmaterial (via SMS, E-Mail, Telefon, Post und dergleichen) von der V ***** und deren Magazinen über ihre Produkte, Abo-Aktionen und ähnliche Vorteilsaktionen genutzt werden können, und nehme zur Kenntnis, dass diese Einverständniserklärung jederzeit von mir widerrufen werden kann.

 

Klausel 2:

Ich bin damit einverstanden, dass die V ***** GmbH meine Daten (E‑Mail, Telefonnummer) für die Übermittlung von Informationen über ihre Produkte, Aktivitäten und Sonderaktionen erheben, verarbeiten und nutzen darf.

 

Klausel 3:

Wenn ich mich nicht 2 Hefte vor Ablauf meines Abonnements schriftlich melde, möchte ich W***** zu den jeweils gültigen Bedingungen für Jahresabonnenten weiterbeziehen.

 

Weiters wurde der beklagten Partei untersagt, im geschäftlichen Verkehr ihre Abonnenten zum telefonischen Abruf von „Gewinnchancen“ oder ähnlichem aufzufordern, wenn tatsächlich im Zuge dieses telefonischen Abrufs nur oder auch entgeltliche Vertragsabschlüsse, insbesondere die entgeltliche Teilnahme an einer Lottospielgesellschaft, angeboten wird.

Die klagende Partei wurde zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten der beklagten Partei einmal im redaktionellen Teil einer Samstagausgabe der bundesweit erscheinenden Tageszeitung „KURIER“ ermächtigt; das Mehrbegehren einer Veröffentlichung in der „Kronen Zeitung“ wurde abgewiesen.

Die Vorinstanzen erachteten die Klauseln 1 und 2 ua wegen Intransparenz als unwirksam (§ 6 Abs 3 KSchG), vor allem weil nicht ausreichend klar sei, zu welchem Zweck die Daten verwendet werden. Klausel 3 sei wegen des Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG unzulässig. Die mit einem Glücksspiel verbundene Werbung zum Beitritt in eine Lotteriespielgemeinschaft verstoße unter anderem gegen § 2 UWG.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Der Frage, ob bisher noch nicht vom Obersten Gerichtshof beurteilte Geschäftspraktiken und Vertragsklauseln im Verkehr mit Verbrauchern zulässig sind, komme regelmäßig über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO; RIS‑Justiz RS0042392) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.

2. Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls", sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0121516). Demnach genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (RIS‑Justiz RS0121516 [T4]; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 502 Rz 87 mwN). Der Umstand allein, dass im konkreten Fall mehrere Vertragspartner Verträge mit der beklagten Partei abgeschlossen haben, die gleichartige (oder ähnliche) Klauseln enthalten, bewirkt nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 43/11x; RIS‑Justiz RS0042816 [T1]).

2.1 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Klauseln 1 und 2, in denen nur allgemein zu einer Nutzung der Daten für die Übermittlung von Informationsmaterial (bzw für Informationen) etwa über „Vorteilsaktionen“ bzw „Aktivitäten und Sonderaktionen“ zugestimmt werden soll, seien auch wegen Intransparenz nach § 6 Abs 3 KSchG ua deshalb unwirksam, weil der Betroffene mit der Zustimmung zur Nutzung seiner Daten gemäß § 8 Abs 1 Z 2 bzw § 9 Z 6 DSG 2000 nicht wisse, welche seiner Daten zu welchem konkreten Zweck verwendet werden, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (4 Ob 28/01y; 2 Ob 198/10x; 1 Ob 105/14v; RIS‑Justiz RS0115216; RS0111809). Die wenig konkreten und pauschal gehaltenen Ausführungen im Rechtsmittel, die Vorinstanzen hätten übersehen, die Zustimmungserklärungen seien „an sich keinesfalls zu weit gefasst“, zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil nicht näher ausgeführt wird, inwiefern die zweite Instanz bei Beurteilung des gegenständlichen Einzelfalls von den in der Rechtsprechung allgemein erarbeiteten Grundsätzen abgewichen sein soll (RIS‑Justiz RS0042779; vgl auch RS0043603; RS0043605).

2.2 Bei Klausel 3 beschränkt sich das Rechtsmittel im Wesentlichen auf das Argument, dass deren Verwendung nur dann zu unterlassen sei, wenn der Vertrag keine dem § 6 Abs 1 Z 2 KSchG entsprechende Hinweispflicht enthält. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die beanstandete Klausel dieser Norm nicht entspricht, weil sich die beklagte Partei nicht zur Einräumung einer angemessenen Frist für einen Widerspruch und zu einem entsprechenden Hinweis nach Fristbeginn verpflichtet habe, begegnet ebenso keinen Bedenken (vgl zB 2 Ob 523/85; 6 Ob 85/11k) wie die auf aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung gestützte Ansicht, dass im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG keine Rücksicht auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen genommen werden könne und für eine geltungserhaltende Reduktion kein Raum sei (RIS‑Justiz RS0038205).

2.3 Ob nach den besonderen Umständen des jeweiligen Falls Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, hat grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0031891). Schon aufgrund des Beharrens der beklagten Partei, dass ein Teil der Klauseln gesetzmäßig Verwendung fand, bedürfen die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass eine mit der Formulierung einer Ersatzklausel abgegebene Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt (vgl RIS‑Justiz RS0111638 [T1]; RS0012055), keiner höchstgerichtlichen Korrektur.

3. Schließlich zeigt die beklagte Partei auch im Zusammenhang mit der von den Vorinstanzen ua wegen irreführender Geschäftspraktik untersagten Werbung für die Teilnahme an einer Lotteriespielgemeinschaft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.1 Wie die angesprochenen Kreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0107768).

3.2 Bei der Rechtsansicht der Vorinstanzen, die beklagte Partei habe ihre Abonnenten durch die Zusendung von Losnummern mit der Aufforderung, sich über einen möglichen Gewinn telefonisch zu erkundigen, und der beim anschließenden Telefonat erfolgten Werbung für die Teilnahme an einer Lotteriespielgemeinschaft über den Werbecharakter in die Irre geführt, wodurch die Abonnenten veranlasst werden konnten, eine rechtsgeschäftliche Entscheidung zu treffen, die sie sonst nicht oder nur unter angemessener Bedenkzeit getroffen hätten, handelt es sich jedenfalls nicht um eine krasse Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS‑Justiz RS0107771; RS0043000 [T7]).

4. Schließlich bildet auch die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, ‑ von einer groben, hier nicht vorliegenden Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0079820 [T20]; RS0079921 [T9]).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

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