OGH 7Ob214/13s

OGH7Ob214/13s11.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** A*****, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck/Mur, gegen die beklagte Partei B***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Gert Folk, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 4. Juli 2013, GZ 1 R 114/13a‑15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 28. Februar 2013, GZ 2 C 1068/12p‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508 Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich daher auf die Ausführungen der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1.1 „Weg“ im Sinn des § 1319a ABGB ist nach dessen Abs 2 eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehrs benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist. Unter den Begriff des „Weges“ fallen daher nach dem weitem Begriffsinhalt auch von jedermann benutzbare Privatstraßen (RIS‑Justiz RS0115172). Innerhalb eines Grundstücks befindliche Wege sind vom Anwendungsbereich des § 1319a ABGB im Regelfall deshalb ausgenommen, weil ihnen das die sachliche Rechtfertigung für eine haftpflichtrechtliche Sonderbehandlung belastende Merkmal der Zulässigkeit der allgemeinen Benützung fehlt (RIS‑Justiz RS0030061, RS0029988). Bei einer auf Privatgrund liegenden Fläche ist, wenn sich aus den besonderen Umständen nicht das Gegenteil ergibt, davon auszugehen, das eben kein „Weg“ im Sinn der Bestimmung des § 1319a ABGB vorliegt (RIS‑Justiz RS0109222).

1.2 Im vorliegenden Fall umfasst ein mehrere 1000 Quatratmeter großes Betriebsareal Liegenschaften der Beklagten und der B***** S***** GmbH & Co KG. Der Zugang zu den Gebäuden und Liegenschaften Letzterer, deren Arbeitnehmer der Kläger ist, führt über Liegenschaften der Beklagten. Auf dem Betriebsareal selbst befinden sich Straßen, Wege und Parkflächen, deren Betreuung der Beklagten obliegt. Gleiches gilt für einen außerhalb des unmittelbaren Betriebsareals angelegten und entsprechend ausgeschilderten Parkplatz. Dessen ungeachtet stellten der Kläger und auch andere Arbeitnehmer der dort angesiedelten Unternehmen ihre Fahrzeuge immer wieder auf einer mit Wiese und Bäumen bewachsenen Fläche außerhalb des unmittelbaren Betriebsgeländes ab. Die Beklagte ließ in regelmäßigen Abständen an den Windschutzscheiben der dort parkenden Fahrzeuge dies untersagende Hinweiszettel anbringen. Am 6. 2. 2012 stellte der Kläger sein Fahrzeug wieder auf der an diesem Tag mit Schnee bedeckten Fläche ab. Nach dem Aussteigen rutschte er auf einer unter der Schneedecke befindlichen Eisplatte aus und verletzte sich.

1.3 Die Beklagte hat zwar einen der allgemeinen Benützung dienenden Zugang über ihre Liegenschaft gestattet und damit einen Weg eröffnet. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dies nicht bedeutet, dass die gesamte unbebaute Liegenschaftsfläche, insbesondere auch die Wiesenfläche, die schon optisch keine Merkmale eines Parkplatzes aufweist, zur allgemeinen Benützung offensteht, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Der bloße Umstand, dass das Wiesengrundstück abseits der gewidmeten Parkplätze ‑ gegen den Willen der Beklagten ‑ genutzt wird, qualifiziert es nicht als Weg nach § 1319a ABGB und löst daher auch die Wegehalterhaftung nicht aus.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wird, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043338). Die in der Berufung nicht erfolgte Geltendmachung der Verletzung vertraglicher Verkehrssicherungspflichten ist dem Kläger nunmehr verwehrt.

3. Es hat daher die Prüfung des vorliegenden Anspruchs nur auf Grundlage der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht zu erfolgen.

3.1 Jeder, der auf einem ihm gehörenden oder seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr für Menschen eröffnet und unterhält, hat für die Verkehrssicherung Sorge zu tragen (RIS‑Justiz RS0023355, RS0023801, RS0023929, RS0023893, RS0023819, RS002355). Weiters hat jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder in seinem Bereich bestehen lässt, dafür zu sorgen, dass sie niemanden schädigt (RIS‑Justiz RS0022778, RS0023719).

Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen nicht überspannt werden, soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (1 Ob 142/13h mwN, RIS‑Justiz RS0023893); sie findet ihre Grenze daher in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS‑Justiz RS0110202, RS0023397). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen oder ihnen begegnen können (RIS‑Justiz RS0023726).

Hier ereignete sich der Unfall auf einer ‑ abseits der ohnedies errichteten Parkplätze gelegenen ‑ schneebedeckten Wiesenfläche, die keine Merkmale eines angelegten Parkplatzes aufwies. Die winterlichen Verhältnisse auf der Wiesenfläche, die für jedermann erkennbar waren, gingen auch auf kein Zutun der Beklagten zurück. Weder das ‑ im Zusammenhang mit einer Wiesenfläche gar nicht zweckmäßige ‑ Entfernen von Schnee und Verteilen von Streugut, noch das Absperren der Wiesenfläche ist vernünftigerweise nach der Auffassung des Verkehrs zu erwarten gewesen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte