OGH 10Ob59/12t

OGH10Ob59/12t23.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** P*****, Deutschland, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, 1040 Wien, Rainergasse 31/8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 13.246,52 EUR sA) und die Rekurse beider Parteien (Rekursinteresse jeweils 6.753,48 EUR sA) gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2012, GZ 4 R 124/12b-19, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Februar 2012, GZ 35 Cg 211/10h-15, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Hingegen wird dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge gegeben, der Aufhebungsbeschluss aufgehoben und in der Sache entschieden, sodass das Urteil einschließlich der bestätigten Teile insgesamt zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 20.000 EUR samt 4 % Zinsen und 4 % Zinseszinsen seit 18. 10. 2011 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen der beklagten Partei gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 2007/107, zu bezahlen.

2. Das Zinsenmehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus 20.000 EUR vom 27. 5. 2006 bis 18. 10. 2011 sowie 4 % Zinseszinsen aus diesem Betrag vom 6. 10. 2010 bis 18. 10. 2011 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit 5.309,48 EUR (darin enthalten 778,08 EUR USt und 641 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit 5.084,15 EUR (darin enthalten 566,69 EUR USt und 1.684 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist die nach § 32 Z 8 WAG 1996 eingerichtete Entschädigungseinrichtung nach §§ 23b bis 23d WAG 1996. Die A***** AG (in der Folge kurz: A*****-A) und deren Tochtergesellschaft A***** AG (in der Folge kurz: A*****-F) waren als Wertpapierdienstleistungsunternehmen iSd § 19 Abs 1 WAG 1996 Mitglieder der beklagten Partei. Am 2. 11. 2005 bzw 7. 11. 2005 wurde über das Vermögen dieser beiden Gesellschaften das Konkursverfahren eröffnet.

Die Klägerin schloss mit A*****-A und A*****-F vor deren Konkurseröffnung einen Vermögensverwaltungsvertrag, in dessen Rahmen sie zu Depotnummer ***** 46.000 EUR und zu Depotnummer ***** 30.748,65 EUR, insgesamt somit 76.748,65 EUR, einzahlte.

A*****-A und A*****-F veranlagten die Gelder ihrer Kunden in zwei als Investitionsgesellschaften mit variablem Kostenanteil, kurz SICAV, organisierte Luxemburgische Fonds, nämlich in den „Top Ten Multifonds“ und den „A*****-Funds“ (im Folgenden: SICAV-Fonds). Am 4. 3. 2004 erfolgte die Suspendierung der Rückkäufe und Zeichnungen für beide Fonds. Ab diesem Zeitpunkt war weder eine Rücknahme noch eine Ausgabe von Anteilen an den beiden Fonds möglich.

Mit Schreiben vom 27. 2. 2006 meldeten verschiedene geschädigte Anleger, die Gelder bei der A*****-F veranlagt hatten, unter anderem auch die Klägerin, ihre Ansprüche gesammelt bei der beklagten Partei an.

Mit Schreiben vom 10. 4. 2006 wies die beklagte Partei die Ansprüche zurück, sofern ihr nicht Unterlagen vorgelegt werden, die die Forderungen dem Grunde und der Höhe nach nachweisen.

Mit Schreiben vom 14. 6. 2006 forderte der Klagevertreter die beklagte Partei auf, die Haftung für die von den von ihm vertretenen geschädigten Anleger veranlagten Beträge vorerst dem Grunde nach anzuerkennen. Erst nach Vorliegen dieses Anerkenntnisses könnten die von der beklagten Partei angeforderten äußerst umfangreichen Unterlagen zur Feststellung der Höhe der angemeldeten Forderungen aus Kostengründen übermittelt werden. Mit Schreiben vom 14. 2. 2007 teilte die beklagte Partei unter anderem auch der Klägerin zu Handen ihres Rechtsvertreters mit, dass die für den Nachweis ihres Anspruchs erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorlägen, weshalb mit 10. 4. 2006 eine Aufforderung an die rechtsfreundliche Vertretung gerichtet worden sei, die noch ausstehenden Unterlagen nachzureichen. Da keine weiteren Unterlagen eingereicht worden seien, könne der Anspruch auf Entschädigung nicht festgestellt werden.

Nach Einbringung der Klage am 6. 10. 2010 legte die Klägerin erstmals im gegenständlichen Verfahren mit vorbereitendem Schriftsatz vom 18. 1. 2011 das A*****-Anlegerzertifikat vom 31. 5. 2001 über die Annahme ihres Antrags über einen Einmalerlag in Höhe von 632.973,80 ATS (46.000 EUR) den A*****-Sparplan vom 26. 1. 2004 hinsichtlich des Einmalerlags über 46.000 EUR, das A*****-Anlegerzertifikat für A***** 11 mit einem Einmalerlag von 30.748,85 EUR vom 24. 2. 2004 sowie das Schreiben der A*****-F vom 24. 2. 2004 betreffend A***** 11 (Beilagen B bis E) vor.

Mit weiterer Urkundenvorlage vom 5. 10. 2011 legte die Klägerin eine Bestätigung über die Zahlung von 46.000 EUR an die Landeszentralbank München zur Weiterleitung an die Deutsche Bundesbank für Wertpapierfonds vom 27. 12. 2000 und das A*****-Anlegerzertifikat vom 13. 2. 2000 zu Depotnummer ***** des A*****-Sparplanes bezüglich eines Einmalerlags von 46.000 EUR vor (Beilagen F und G).

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei zuletzt 20.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 27. 5. 2006 sowie 4 % Zinseszinsen seit 6. 10. 2010 bei sonstiger Exekution in das bei der beklagten Partei bestehende Treuhandvermögen, in eventu Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Forderung in Höhe von 20.000 EUR samt zugesprochenen Zinsen gegen andere - näher bezeichnete - potentielle Haftungsadressaten im Hinblick auf ihre Veranlagung in die Vermögensverwaltung der A*****-A bzw A*****-F. Durch die rechtswidrigen Verfügungen der A*****-A und A*****-F bzw deren Organe, unter deren Einfluss die beiden SICAV-Fonds gestanden seien, über die von ihr veranlagten Beträge sei ihr ein die Klagsforderung übersteigender Schaden entstanden. Die beklagte Partei habe bis zum Höchstbetrag von 20.000 EUR Ersatz zu leisten und bestreite zu Unrecht ihre Zahlungsverpflichtung.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, die Ansprüche der Klägerin seien nicht fällig, weil ihr von der Klägerin erst am 5. 10. 2011 eine Bestätigung über die Zahlung von 46.000 EUR sowie das Anlegerzertifikat übermittelt worden sei und ihr daher keine angemessene Frist zur Prüfung der angemeldeten Ansprüche zur Verfügung gestanden sei. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden, soweit Deckung durch das Liquidationsvermögen in Luxemburg bestehe. Die Klägerin habe daher bei der Schadensberechnung auch das in Abzug zu bringen, was sie aus Luxemburg noch erhalten werde. Dabei handle es sich um (insgesamt) 70 % ihrer Investitionen. Das Treuhandvermögen der beklagten Partei reiche zur Befriedigung aller Anlegerforderungen nicht aus. Die Klägerin könne daher nicht volle Zahlung, sondern nur den ihr nach quotenmäßiger (kridamäßiger) Verteilung zustehenden Anteil verlangen. Ein quotenmäßig verkürzter Zuspruch etwa in Analogie zum Deckungskonkurs nach § 156 VersVG könne aber noch nicht erfolgen, weil die Kriterien für die Berechnung der Quote noch nicht feststünden. Daher stehe der Klägerin höchstens ein Feststellungsanspruch zu. Schließlich stellte die beklagte Partei für den Fall, dass der Klage ohne Abzug der der Klägerin zustehenden Beträge aus dem SICAV-Fonds stattgegeben werde, den „Eventualantrag“, dass sie nur Zug um Zug gegen Abtretung der Forderungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Konkursfall A***** in Höhe von 20.000 EUR samt zugesprochenen Zinsen gegen andere - näher bezeichnete - potentielle Haftungsadressaten zur Zahlung an die Klägerin verurteilt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht im Ergebnis dahin, dass ein Anspruch der Klägerin nicht fällig sei, weil die Klägerin ihrer Vorlagepflicht zur Legitimierung ihres Anspruchs erst mit der Urkundenvorlage vom 5. 10. 2011 in ausreichenden Ausmaß nachgekommen sei. Da damit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 8. 11. 2011 die dreimonatige Zahlungsfrist noch nicht abgelaufen sei, sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht fällig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es gab mit Teilurteil dem Klagebegehren im Umfang von 13.246,52 EUR samt 4 % Zinsen und 4 % Zinseszinsen seit 18. 10. 2011 bei sonstiger Exekution in das bei der beklagten Partei bestehende Treuhandvermögen statt, wies das Zinsenmehrbegehren ab und hob im Übrigen im Betrag von 6.753,48 EUR sA das Ersturteil auf und verwies insoweit die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Es führte in rechtlicher Hinsicht - zusammengefasst - aus, die Klagsforderung sei fällig. Die Klägerin habe im gegenständlichen Verfahren mit vorbereitendem Schriftsatz vom 18. 1. 2011 Anlegerzertifikate betreffend beide verfahrensgegenständlichen Depots sowie eine Bestätigung der A*****-F vom 24. 2. 2004 über den Eingang des (den Entschädigungshöchstbetrag von 20.000 EUR übersteigenden) Anlagebetrags von 30.748,85 EUR vorgelegt. Damit sei die Klägerin ihrer Nachweispflicht in ausreichendem Ausmaß nachgekommen, weshalb ihr Anspruch auf Entschädigung 9 Monate nach der Urkundenvorlage vom 18. 1. 2011, somit am 18. 10. 2011, fällig geworden sei. Die vom Obersten Gerichtshof in mehreren Entscheidungen grundsätzlich bejahte Anwendung der Bestimmungen zur Anlegerentschädigung auf den Insolvenzfall der A*****-Gesellschaften werde von der beklagten Partei nicht mehr in Zweifel gezogen. Insbesondere stelle sie ihre Haftung nicht in Abrede, soweit die Klägerin keinen (anteiligen) Zugriff auf die in den SICAV-Fonds erliegenden Gelder habe. Ihrer Auffassung nach liege jedoch kein Entschädigungsfall vor, soweit die Klägerin noch Zugriff auf das Fondsvermögen habe, weil ihr insofern kein Schaden entstanden sei. Diese Überlegung sei richtig: Aus dem zu 7 Ob 165/10f ergangenen Aufhebungsbeschluss sei abzuleiten, dass die beklagte Partei eine Haftung in jenem Umfang abwehren könne, in welchem ihr der Nachweis gelinge, dass die Klägerin Zugriff auf die bei den SICAV-Fonds erliegenden Gelder habe. Dies habe die beklagte Partei für 70 % der noch bestehenden Gesamtanlage (6.753,48 EUR) behauptet. Es sei zu klären, ob und wie die Klägerin über ihren Anteil am Fondsvermögen verfügen könne. Im Ausmaß von 13.246,52 EUR habe die beklagte Partei den Eintritt des Entschädigungsfalls allerdings nicht in Abrede gestellt. Zu dem von der beklagten Partei erhobenen Einwand der unzureichenden Deckung des Treuhandvermögens sei darauf hinzuweisen, dass das WAG 1996 keine Vorschriften über eine quotenmäßige Befriedigung der Anspruchsberechtigten vorsehe. Es liege insoweit auch keine planwidrige Gesetzeslücke vor. Außerhalb von gesetzlichen Sonderregelungen gelte im österreichischen Recht das „Prioritätsprinzip“.

Das Klagebegehren sei daher im Umfang eines Betrags von 13.246,52 EUR samt 4 % Zinsen ab 18. 10. 2011 und - zufolge der klagsweisen Geltendmachung (vgl § 1000 Abs 2 ABGB) - 4 % Zinseszinsen seit diesem Zeitpunkt berechtigt, während es für die Beurteilung des weiteren Klagebegehrens in Höhe von 6.753,48 EUR sA noch der Klärung der Rechtsstellung der Klägerin in Bezug auf das noch vorhandene SICAV-Vermögen einschließlich der Höhe des Betrags, über den die Klägerin daraus allenfalls verfügen könne, bedürfe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs und die Revision an den Obersten Gerichtshof im Hinblick auf die zahlreichen anhängigen Parallelverfahren zulässig seien.

Gegen diese Entscheidung richten sich eine Revision der beklagten Partei und Rekurse beider Parteien. Während die beklagte Partei mit ihren Rechtsmitteln eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen primär im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens anstrebt, begehrt die Klägerin in ihrem Rekurs weiterhin eine Abänderung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, dem Rechtsmittel der beklagten Partei keine Folge zu geben. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der beklagten Partei ist im Hinblick auf die zu den in den Rechtsmittelausführungen relevierten Rechtsfragen mittlerweile vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig. Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit von dieser mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht, und im Wesentlichen auch berechtigt.

A. Zum Rechtsmittel der beklagten Partei:

1. Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels:

Die beklagte Partei begründet die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels im Wesentlichen damit, dass zu den Fragen, welche konkreten Unterlagen für die Legitimierung des Anspruchs eines Anlegers erforderlich seien und ob im Falle der Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens der beklagten Partei zur Befriedigung der Entschädigungsansprüche aus einem Entschädigungsfall die Bestimmungen zum Deckungssummenkonkurs (vgl § 16 Abs 2 EKHG oder § 156 Abs 3 VersVG) analog anzuwenden seien, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Dazu ist grundsätzlich Folgendes auszuführen:

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS-Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zwischenzeitig geklärt wurde (7 Ob 196/12t; RIS-Justiz RS0112921 [T5]). Dies ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, hier der Fall.

2. Zur Fälligkeit der Klagsforderung:

Nach der hier maßgeblichen Bestimmung des § 23b Abs 2 dritter Satz WAG 1996 hat die Entschädigungseinrichtigung zu gewährleisten, dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in einer Reihe jeweils vergleichbare Fälle betreffender Entscheidungen (9 Ob 50/09g; 6 Ob 235/09s; 9 Ob 62/11z; 8 Ob 110/11a; 1 Ob 240/11t; 7 Ob 222/11i; 8 Ob 65/12k; 5 Ob 63/12v; 8 Ob 73/12m) bekräftigt, dass die Feststellung der Forderung gemäß §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung beruht und die Prüftätigkeit der Entschädigungseinrichtung nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht nur das schlichte Verlangen des Anlegers, sondern zusätzlich dessen Legitimierung voraussetzt.

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung (1 Ob 240/11t; 8 Ob 110/11a; 9 Ob 62/11z; 6 Ob 94/12k ua) reicht dafür die Bekanntgabe des Namens, der Depotnummer und der Forderungshöhe nicht aus. Der Anspruchssteller hat zunächst nachzuweisen, welche Gesellschaft seine Vertragspartnerin war, welchen Betrag er tatsächlich investiert hat, wann und auf welches Konto er die Überweisung(en) vorgenommen hat und gegebenenfalls ob und in welchem Ausmaß er aus einem Fondsvermögen bereits Befriedigung erlangt hat. Für die beklagte Entschädigungseinrichtung als am Geschäft nicht beteiligte Dritte muss die Grundlage der Haftung nachgewiesen sein, damit ihre Pflicht zur inhaltlichen Prüfung einsetzt (8 Ob 110/11a; 8 Ob 65/12k; 8 Ob 73/12m).

Mit welchen konkreten Unterlagen dieser Nachweis zu führen ist, ist vom Obersten Gerichtshof nicht in genereller Weise für § 23b Abs 2 dritter Satz WAG 1996 vorzugeben, weil es dafür maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl 9 Ob 55/12x).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die am 18. 1. 2011 erfolgte Vorlage der Anlegerzertifikate betreffend beide verfahrensgegenständlichen Depots sowie einer Bestätigung der A*****-F vom 24. 2. 2004 über den Eingang des (den Entschädigungshöchstbetrag von 20.000 EUR übersteigenden) Anlagebetrags von 30.748,85 EUR reichten als Nachweis für die grundsätzliche Haftung der beklagten Partei aus, um eine inhaltliche Prüfung vornehmen zu können, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung dar (vgl auch 9 Ob 55/12x; 2 Ob 171/12d ua). Auch aus dem ebenfalls am 18. 1. 2011 von der Klägerin vorgelegten Schreiben der A*****-F vom 26. 1. 2004 betreffend A*****-Sparplan (Beilage C) geht zweifelsfrei hervor, dass die Klägerin zu Depotnummer ***** Einzahlungen in Höhe von 46.000 EUR geleistet hat und Auszahlungen bisher nicht erfolgt sind. Damit hat die Klägerin aber mit den angeführten Urkunden hinreichend nachgewiesen, jedenfalls den gesicherten Betrag von 20.000 EUR investiert zu haben.

3. Zur Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens:

Zu der von der beklagten Partei wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds begehrten kridamäßigen Verteilung des Treuhandvermögens wurde mittlerweile vom Obersten Gerichtshof ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen, dass dafür eine gesetzliche Grundlage fehlt (ausführlich 2 Ob 171/12t; jüngst auch 1 Ob 21/13i). Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt auch für die Zahlungspflichten der beklagten Partei das Prioritätsprinzip, weshalb dem Einwand der beklagten Partei, es habe zu einer kridamäßigen Verteilung wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds zu kommen, nicht zu folgen ist.

4. Zur Entschädigung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Forderung gegen die SICAV-Fonds:

Auch für eine Einschränkung der Zahlungspflicht nur Zug um Zug gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse besteht kein Anlass. Ein gesetzlicher Forderungsübergang ist dem Zessionsgrundstatut unterstellt, also jener Rechtsordnung, die die Leistungspflicht des Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (RIS-Justiz RS0077439 [T1]; RS0083638). Die Zahlungspflicht der beklagten Partei gründet sich auf österreichisches Recht, das damit auch für den Forderungsübergang maßgeblich ist. Die Anwendung österreichischen Zessionsrechts wird auch von der beklagten Partei nicht in Frage gestellt.

§ 1358 ABGB geht - entgegen seinem Wortlaut - über die Regelung des Bürgenregresses hinaus und findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er den Gläubiger - aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes - haftet (Gamerith in Rummel 3 § 1358 ABGB Rz 1; P. Bydlinski in KBB3 § 1358 Rz 1; vgl RIS-Justiz RS0112742). Zahlt etwa ein beklagter Anlageberater - auch im Wege des Schadenersatzes - eine fremde Schuld, tritt er nach der Legalzessionsnorm des § 1358 ABGB in die Rechte des Gläubigers ein, die (unter anderem) in einem Teilnahmeanspruch im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Emittentin samt Anspruch auf Auszahlung einer allfälligen Quote bestehen können (4 Ob 140/12k = RIS-Justiz RS0112742 [T9]). Die Zahlung führt ipso iure zum Übergang der Forderung auf den Zahler, ohne dass es eines besonderen Übertragungsaktes bedarf (vgl Gamerith in Rummel 3 § 1358 ABGB Rz 5 mwN; 2 Ob 171/12d). Die beklagte Partei haftet geschädigten Anlegern kraft eines österreichischen Gesetzes für eine fremde Schuld, nämlich für Verpflichtungen ihrer Mitgliedsinstitute. Im Fall einer Zahlung tritt sie daher nach der Legalzessionsnorm des § 1358 ABGB ipso iure und ohne weiteren Übertragungsakt in die Rechte des Gläubigers ein (vgl auch dazu schon 2 Ob 171/12d). Für eine Einschränkung ihrer Zahlungspflicht nur Zug um Zug gegen Abtretung allfälliger Ansprüche der Klägerin gegenüber der SICAV-Liquidationsmasse bleibt damit kein Raum (5 Ob 215/12x; 4 Ob 40/13f).

5. Zum Zuspruch von Zinseszinsen:

Nach § 1000 Abs 2 zweiter Satz ABGB kann der Gläubiger, sofern fällige Zinsen eingeklagt werden, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit an fordern. Es können somit Zinseszinsen jedenfalls ab dem Tag der Streitanhängigkeit verlangt werden (vgl Aichberger-Beig in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 1000 Rz 4). Es ist aber kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Lauf der Zinseszinsen nicht auch nach Streitanhängigkeit (das heißt Zustellung der Klage an die beklagte Partei - § 232 ZPO) beginnen können sollte, wenn die Voraussetzungen dafür - fällige Zinsen, die eingeklagt werden - erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Die Klägerin ist somit ab dem nach Streitanhängigkeit gelegenen Zeitpunkt der Fälligkeit berechtigt, die Zahlung der gesetzlichen Zinseszinsen zu begehren (vgl 5 Ob 215/12x). Auch dieser Rechtsansicht entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichts.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichts somit in den angesprochenen Rechtsfragen im Einklang mit der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht, war das Rechtsmittel der beklagten Partei mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

B. Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach mögliche zukünftige Auszahlungen aus der Liquidationsmasse auf die gegenständliche Forderung der Klägerin anzurechnen seien. Die Tatsache, dass grundsätzlich Vermögen in Luxemburg im Rahmen der Liquidation der SICAV-Fonds vorhanden sei und in Zukunft auch zur Verteilung gelange, berühre die Ersatzpflicht der beklagten Partei nur insoweit, als ausschließlich bereits geleistete Zahlungen anzurechnen seien.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Zur Frage, ob jene Beträge, die in den Luxemburgischen Fonds noch zugunsten der geschädigten Anleger vorhanden sind, den Schaden der Klägerin und damit auch den Entschädigungsanspruch gegenüber der beklagten Partei mindern, hat der Oberste Gerichtshof inzwischen ebenfalls mehrfach, insbesondere in 2 Ob 171/12d ausführlich, Stellung genommen (vgl auch 1 Ob 21/13i; 1 Ob 31/13k; 4 Ob 182/12m; 4 Ob 243/12g). Dabei ist er unter Berücksichtigung der Zielrichtung der einschlägigen EU-Richtlinie sowie der entsprechenden Bestimmungen des WAG 1996 zur Auffassung gelangt, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden die beklagte Partei den Anleger nach Anmeldung und Prüfung seiner Entschädigungsforderung ohne Berücksichtigung allfälliger künftiger Quotenzahlungen im Rahmen der Liquidation der Luxemburgischen Fonds rasch zu entschädigen hat. Die von der beklagten Partei behaupteten zukünftigen weiteren Auszahlungen aus der Liquidation dieser Fonds sind daher ohne Bedeutung. Es bedarf somit auch nicht der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angeordneten Verfahrensergänzung.

Es waren daher in teilweiser Stattgebung des Rekurses der Klägerin die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens - stattgegeben wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf § 43 Abs 2 ZPO, hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Das auf eine Nebenforderung (Zinsen) beschränkte Unterliegen der Klägerin ist ebensowenig kostenrelevant (vgl Obermair, Kostenhandbuch2 Rz 106) wie das geringfügige Unterliegen der Klägerin im Verfahren erster Instanz bis zur Tagsatzung am 8. 11. 2011, in der sie ihr Begehren um 153,62 EUR eingeschränkt hat. Der Schriftsatz der Klägerin vom 27. 4. 2011 war nur nach TP1 zu entlohnen; die Urkundenvorlage im Schriftsatz vom 5. 10. 2011 war nicht zu honorieren, weil die Urkunden auch bereits gemeinsam mit einem früheren Schriftsatz hätten vorgelegt werden können. Die Mehrkosten, die sich aus der Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts ergeben, sind nach der Rechtsprechung dann nicht zu ersetzen, wenn die Partei ihren Wohnsitz oder Sitz am Gerichtsort hat und keine besonderen Gründe für die Bestellung des auswärtigen Rechtsanwalts vorliegen (RIS-Justiz RS0036203). Hier hat die Klägerin ihren Wohnsitz aber nicht am Sitz des Gerichts. Sie durfte daher ohne für sie nachteilige Kostenfolgen auch einen Anwalt an einem beliebigen Ort außerhalb des Gerichtsorts beauftragen (vgl Obermair, Kostenhandbuch2 Rz 223 mwN). Findet - wie im vorliegenden Fall - keine Berufungsverhandlung statt, so gebührt zur Berufungsschrift unabhängig vom Sitz des Rechtsanwalts nur der dreifache Einheitssatz (§ 23 RATG). Der ERV-Zuschlag für Rechtsmittelschriften gebührt in Höhe von lediglich 1,80 EUR (§ 23a RATG). Die Bemessungsgrundlage für den Kostenersatzanspruch der Klägerin für ihren erfolgreichen Rekurs beträgt 6.753,48 EUR. Die von der Klägerin erstattete Revisions- und Rekursbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Der Klägerin kann es kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen, dass sie ihre Rechtsmittelbeantwortung zu einem Zeitpunkt erstattet hat, als die im Rechtsmittel der beklagten Partei aufgeworfenen erheblichen Rechtsfragen noch nicht durch andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs geklärt waren. Die von der Klägerin zutreffend in einem einzigen Schriftsatz erstattete Revisions- und Rekursbeantwortung ist allerdings nicht getrennt, sondern nur als eine (gemeinsame) Rechtsmittelbeantwortung zu honorieren (vgl Obermair, Kostenhandbuch2 Rz 220).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte