OGH 4Ob243/12g

OGH4Ob243/12g23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Partei H***** D***** L*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 7.630,65 EUR) und die Rekurse beider Parteien (Rekursinteresse jeweils 12.369,35 EUR) gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Juli 2012, GZ 4 R 91/12z-30, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. Dezember 2011, GZ 55 Cg 22/11p-21 teils bestätigt und teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird den Rekursen beider Parteien jeweils teilweise Folge gegeben, der Aufhebungsbeschluss aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 662,35 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Berufungsverfahrens (darin 110,39 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 124,07 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 991,68 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Rekursverfahrens (darin 432 EUR Barauslagen, 93,28 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist die aufgrund von § 32 Z 8 WAG 1996 geschaffene Entschädigungseinrichtung für Wertpapierunternehmen. Der Kläger veranlagte am 9. Juni 2001 einen Betrag von 350.000 S (25.435,49 EUR) bei zwei miteinander verbundenen Mitgliedsunternehmen der Beklagten (idF A*****-Gesellschaften). Diese veranlagten die Gelder ihrer Kunden in zwei als „Socits d'Investissement Capital Variable“ (Investitionsgesellschaften mit variablem Kapital, idF: SICAV-Fonds) organisierten luxemburgischen Fonds. Am 4. März 2004 wurden Rückkäufe und Zeichnungen für diese Fonds suspendiert, in weiterer Folge wurde darüber ein - noch immer anhängiges - Liquidationsverfahren nach luxemburgischem Recht eingeleitet. Im November 2005 wurde auch über das Vermögen der beiden österreichischen A*****-Gesellschaften der Konkurs eröffnet. Bisher erhielt der Kläger aus der Liquidation der luxemburgischen Fonds 5.087,10 EUR zurück, das sind 20 % seiner Einzahlung.

Der Kläger begehrt von der Beklagten (zuletzt) 20.000 EUR samt 4 % Zinsen ab 1. 1. 2007 Zug um Zug gegen Übertragung seiner Forderungen im Zusammenhang mit dem Konkursfall A***** gegen die Liquidationsmasse der SICAV-Fonds, die Republik Österreich, eine Wirtschaftsprüfungs GmbH und eine deutsche Bank; dies bei sonstiger Exekution in das bei der Beklagten bestehende Treuhandvermögen. Durch die rechtswidrigen Verfügungen der A*****-Gesellschaften über den vom Kläger veranlagten Betrag sei ihm ein die Klageforderung übersteigender Schaden entstanden. Die Beklagte habe nach § 75 WAG 2007 bis zum Höchstbetrag von 20.000 EUR Ersatz zu leisten und bestreite zu Unrecht ihre Zahlungspflicht.

Die Beklagte wendet ein, dem Kläger sei kein Schaden entstanden, soweit Deckung durch das Liquidationsvermögen in Luxemburg bestehe; der Kläger habe daher bei der Schadensberechnung auch das in Abzug zu bringen, was er aus Luxemburg noch erhalten werde. Dabei handle es sich um (insgesamt) 70 % seiner Anlage. Ansprüche des Klägers seien zudem nicht fällig, weil der Beklagten keine angemessene Frist zur Prüfung der angemeldeten Ansprüche zur Verfügung gestanden sei. Das Treuhandvermögen der Beklagten reiche zur Befriedigung aller Anlegerforderungen nicht aus. Der Kläger könne daher nicht volle Zahlung, sondern nur den ihm nach quotenmäßiger (kridamäßiger) Verteilung zustehenden Anteil verlangen. Weiters könne der Kläger nur auf das nach § 23c WAG 1996 gebildete Treuhandvermögen greifen. Es stehe ihm nicht zu, an jenem Treuhandvermögen zu partizipieren, das aufgrund einer Novellierung des WAG im Jahr 2009 nun auf andere Weise aufgebracht werde. Ein allfälliger Zuspruch sei insofern zu beschränken.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von 16.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 25. August 2011 statt, das Mehrbegehren von weiteren 4.000 EUR samt Zinsen sowie das Zinsenmehrbegehren für die Zeit vom 1. 1. 2007 bis zum 24. 8. 2011 wies es ab. Der Oberste Gerichtshof habe für gleichartige Ansprüche die Haftung der Beklagten in 9 Ob 50/09g dem Grunde nach bejaht. Daher seien nur mehr Fälligkeit und Höhe zu prüfen. Die Beklagte habe binnen drei Monaten nach Feststellung von Höhe und Berechtigung der Forderung zu zahlen. Der Kläger habe die erforderlichen Unterlagen am 25. November 2010 vorgelegt. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Prüffrist von sechs Monaten sei die Fälligkeit daher am 25. August 2011 eingetreten; erst ab diesem Zeitpunkt liefen daher die Zinsen. Der Kläger könne jedenfalls unabhängig davon, ob er noch mit zukünftigen Zahlungen zu rechnen habe, Entschädigung fordern. Im Hinblick auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Einlagensicherung nach §§ 93 ff BWG seien jedoch bereits erhaltene Zahlungen zu berücksichtigen, indem der Höchstbetrag von 20.000 EUR anteilig - hier um die Befriedigungsquote von 20 % - gekürzt werde. Die Beklagte sei zur Zahlung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ zu verpflichten. Eine Einschränkung auf ein bestimmtes Treuhandvermögen oder eine Kürzung des Anspruchs, weil das (oder ein bestimmtes) Treuhandvermögen zur Erfüllung der Ansprüche nicht ausreiche, habe nicht zu erfolgen.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil im Zuspruch von 7.630,65 EUR samt Zinsen sowie in der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens (nur) aus diesem Betrag und hob es im Übrigen auf. Die Revision und den Rekurs ließ es zu.

Die vom Obersten Gerichtshof grundsätzlich bejahte Anwendung der Bestimmungen zur Anlegerentschädigung auf den Insolvenzfall der A*****-Gesellschaften werde von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen. Insbesondere stelle sie ihre Haftung nicht in Abrede, soweit der Kläger keinen (anteiligen) Zugriff auf die in den SICAV-Fonds erliegenden Gelder habe. Ihrer Auffassung nach liege jedoch kein Entschädigungsfall vor, soweit der Kläger noch Zugriff auf das Fondsvermögen habe, weil ihm insofern kein Schaden entstanden sei. Diese Überlegung sei richtig: Aus dem zu 7 Ob 165/10f ergangenen Aufhebungsbeschluss sei abzuleiten, dass die Beklagte eine Haftung in jenem Umfang abwehren kann, in welchem ihr der Nachweis gelinge, dass der klagende Anleger Zugriff auf die bei den SICAV-Fonds erliegenden Gelder habe. Dies habe die Beklagte für 70 % der Gesamtanlage behauptet. Es sei zu klären, ob und wie der Kläger über seinen Anteil am Fondsvermögen verfügen könne. Nur wenn er nicht darauf zugreifen könne, läge ein Entschädigungsfall vor; dann wäre die Forderung - wie schon vom Erstgericht - quotenmäßig um bereits erfolgte Zahlungen zu kürzen. Im Ausmaß von 30 % der Gesamtanlage (7.630,65 EUR) habe die Beklagte den Eintritt des Entschädigungsfalls allerdings nicht in Abrede gestellt. Diesbezüglich sei daher die Fälligkeit zu prüfen und auf die weiteren Einwendungen einzugehen. Die Fälligkeit sei, wie vom Erstgericht angenommen, neun Monate nach der im Verfahren erfolgten Vorlage der Urkunden eingetreten; auch der Zinsenlauf beginne daher erst mit diesem Termin. Getrennte Treuhandvermögen seien mangels Anordnung im Gesetz nicht zu bilden; vielmehr seien die ab Mai 2009 aufgrund der neuen Rechtslage eingehobenen Beträge auch zur Abdeckung davor eingetretener Entschädigungsfälle heranzuziehen. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, gleich wie in einer Versicherungsgemeinschaft die „neuen“ Beiträge zur Abdeckung bereits eingetretener Versicherungsfälle zu verwenden. Die dennoch möglicherweise unzureichende Deckung führe mangels gesetzlicher Anordnung nicht zu einer quotenmäßigen Befriedigung.

Gegen diese Entscheidung richten sich eine Revision der Beklagten und Rekurse beider Parteien.

Die Beklagte vertritt in beiden Rechtsmitteln die Auffassung, dass zufolge Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens derzeit kein Leistungsbegehren zulässig sei, was zur Abweisung der Klage führen müsse. Jedenfalls sei aber die Haftung auf das „alte“, also nach den Vorschriften des § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG 2007 idF BGBl I 107/2007 gebildete Treuhandvermögen zu beschränken. Abgesehen davon treffe die Auffassung des Berufungsgerichts zu, dass die Beklagte nur soweit Entschädigung leisten müsse, als die Anleger nicht auf Ansprüche gegen die SICAV-Fonds zugreifen könnten. Bloße Verzögerungen seien kein Entschädigungsfall.

Der Kläger strebt mit seinem Rekurs eine zur Gänze stattgebende Entscheidung an. Abgesehen von bereits erfolgten Zahlungen sei der Entschädigungsfall eingetreten; mögliche Zahlungen in der Zukunft stünden dem Anspruch nicht entgegen. Erfolgte Zahlungen seien auf die Gesamtforderung anzurechnen, nicht betrags- oder quotenmäßig auf den Höchstbetrag der Anlegerentschädigung. Daher stehe dem Kläger im konkreten Fall der gesamte Höchstbetrag zu. Es gebe nur ein Treuhandvermögen; dessen allfällige Unzulänglichkeit führe nicht zum Erlöschen des Anspruchs.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind wegen des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam zu behandeln. Sie sind zulässig, weil nach Ergehen der angefochtenen Entscheidung einzelne darin erörterte Punkte in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anders beurteilt wurden und die Rechtslage insgesamt einer Klarstellung bedarf. Die Revision ist nicht berechtigt, die Rekurse sind jeweils teilweise berechtigt.

1. Zur Frage, ob jene Beträge, die in den SICAV-Fonds noch zugunsten des Klägers vorhanden sind, seinen Schaden - und damit gegebenenfalls auch den Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten - mindern, hat der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs bereits ausführlich Stellung genommen (2 Ob 171/12d); der hier erkennende Senat ist dem gefolgt (4 Ob 182/12m). Danach hat auch in Fällen wie dem vorliegenden eine Entschädigung des Anlegers zu erfolgen. Dieser ist nicht nur geschädigt, wenn das Mitgliedsunternehmen der Beklagten Anlegergelder rechtswidrig an sich gebracht hat, sondern auch dann, wenn das indirekte Halten von Geldern oder Finanzinstrumenten des Anlegers durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen (hier in den SICAV-Fonds) dazu geführt hat, dass der Anleger - für einen längeren Zeitraum - keinen Zugriff auf sein Vermögen hat. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu, steht doch fest, dass über die Fonds schon 2005 ein Liquidationsverfahren eingeleitet wurde, das bisher erst zu Zahlungen in Höhe von 20 % der Anlage geführt hat; die Rückkäufe sind ausgesetzt. Dass allenfalls weitere Zahlungen zu erwarten sind, steht unter diesen Umständen dem Anspruch gegen die Beklagte nicht entgegen.

2. Dass überhaupt ein Entschädigungsfall vorliegt, zieht die Beklagte nicht in Zweifel; auf mangelnde Fälligkeit stützt sie sich im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof - zu Recht (2 Ob 171/12d) - nicht mehr. Auch ihre weiteren Einwendungen schlagen nicht durch.

2.1. Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt auch für die Zahlungspflichten der Beklagten das Prioritätsprinzip; bei Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens entscheidet daher faktisch das Zuvorkommen (2 Ob 171/12d). Für eine kridamäßige Verteilung außerhalb eines Insolvenzverfahrens fehlt die gesetzliche Grundlage; zudem ließe sich aus dem Gesetz weder ein zeitlicher noch ein betraglicher Fixpunkt ableiten, der für eine Bestimmung der Verteilungsmasse einerseits und der zu berücksichtigenden Anlegerforderungen andererseits in Betracht käme.

2.2. Die Ausführungen der Beklagten können auch die Auffassung der Vorinstanzen, dass lediglich ein (einheitliches) Treuhandvermögen existiere, das nicht auf Entschädigungsfälle vor und nach der WAG-Novelle BGBl I 2009/39 aufzuteilen sei, nicht widerlegen (1 Ob 21/13i). Weder aus dem (novellierten) Gesetz noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte für die Annahme, dass zwei unterschiedliche Treuhandvermögen für verschiedene Zeiträume bestünden. Hätte der Gesetzgeber solches im Auge gehabt, hätte er dies zweifellos auch im Gesetzestext ausreichend klargestellt, insbesondere auch durch eindeutige Anordnungen zur Abgrenzung der beiden Vermögen. Auch den Gesetzesmaterialien (EB zur RV der WAG-Novelle 2009; 48 BlgNR 24. GP) lässt sich eine Zweiteilung des Treuhandvermögens nicht entnehmen. Sie nennen als Ziel der Neuregelung eine „Stärkung der Leistungsfähigkeit der Anlegerentschädigung“ und verweisen zur Begründung auf eine mit Blick auf den A*****-Konkurs gefasste Entschließung des Nationalrats (683 BlgNR 23. GP). Darin hatte der Nationalrat den Finanzminister und die Justizministerin aufgefordert, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich alles vorzukehren, um eine Insolvenz der Beklagten „aufgrund der derzeitig anhängigen Konkursverfahren über das Vermögen der Wertpapierdienstleister A***** zu verhindern“. Weiters hatte er sie ersucht, einen Gesetzesvorschlag „zur Verbesserung der österreichischen Anlegerentschädigung“ vorzulegen, bei dem die Ziele Rechtssicherheit und Leistungsfähigkeit „im Vordergrund“ stehen sollten. Dass diese Zielsetzung nur „Neufälle“, nicht aber die in der Entschließung ausdrücklich genannten Folgen des A*****-Konkurses, erfassen sollte, lässt sich weder der Entschließung noch dem letztlich darauf beruhenden Gesetz entnehmen.

2.3. Das von der Revisionswerberin aufgeworfene Problem einer „Rückwirkung“ der durch die WAG-Novelle BGBl I 2009/39 geschaffenen neuen Rechtslage bei der Aufbringung der Beiträge zum Treuhandvermögen stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Denn es geht hier nicht um die Beitragspflicht der Mitgliedsinstitute, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den Zugriff der früher Geschädigten auf einen Teil des Treuhandvermögens zu beschränken; die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Beitragspflicht ist für dieses Verfahren nicht präjudiziell.

3. Die Anrechnung bereits erfolgter Zahlungen haben die Vorinstanzen - das Berufungsgericht im Rahmen der von ihm überbundenen Rechtsansicht - richtig beurteilt.

3.1. Mit der Frage, wie Teilausschüttungen zu behandeln sind und welchen Einfluss sie auf der Höhe der gesetzlichen Entschädigung haben, hat sich der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Einlagensicherung nach dem BWG auseinandergesetzt (7 Ob 98/02s, 7 Ob 106/02t). Die dazu angestellten Erwägungen haben die Vorinstanzen schon deshalb zu Recht auf die Fälle der Anlegerentschädigung übertragen, weil die österreichischen gesetzlichen Regeln in beiden Fällen auf derselben EU-Richtlinie basieren, was ein einheitliches Auslegungsergebnis nahelegt. In den genannten Entscheidungen hat der 7. Senat ausgesprochen, dass die berechtigten Forderungen des Einlegers gegen die Einlagensicherungseinrichtung unabhängig davon gleich hoch sein müssen, ob sie vor oder nach einer Quotenausschüttung im Konkursverfahren geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0116894). Insbesondere soll der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG nicht zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigung des Einlegers führen. Erhält der Berechtigte aus dem Konkurs eine auf ihn entfallende Quote ausgezahlt, so ist diese auf den Höchstbetrag anzurechnen, da ihm sonst mehr als dieser Garantiebetrag ungekürzt zukäme. Es ist daher der zu ermittelnde Einlagensicherungsbetrag um jenen Prozentsatz zu mindern, mit dem bereits eine quotenmäßige Befriedigung der Ansprüche des Einlegers erfolgt ist (RIS-Justiz RS0116893).

3.2. Dieser Auffassung liegt ersichtlich der Gedanke zugrunde, dass das Gesetz den Sparer (Anleger) lediglich mit einem bestimmten „Sockelbetrag“ vollständig sichern will und dieser bei einem darüber hinausgehenden Gesamtschaden im Übrigen auf die Konkursquote beschränkt ist. Soweit der Geschädigte bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Anspruch gegen die Entschädigungseinrichtung quotenmäßige Befriedigung erlangt hat, wurde damit auch der gesetzliche „Sockelbetrag“ entsprechend der ausgeschütteten Quote getilgt, weshalb sich der von der Entschädigungseinrichtung zu zahlende Betrag entsprechend vermindert.

3.3. Diese Erwägungen treffen gleichermaßen auf die Ansprüche des Klägers nach § 23b Abs 2 WAG 1996 (§ 75 Abs 2 WAG 2007) zu, wonach die Beklagte eine Entschädigung „bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR“ zu leisten hat (1 Ob 21/13i). Geht man davon aus, dass auch in diesem Zusammenhang die „ersten“ 20.000 EUR des Anlegerschadens gesichert sein sollen, und berücksichtigt man, dass dem Kläger aus dem Fondsvermögen bereits 20 % seiner Gesamtforderung erstattet wurden, ist den Vorinstanzen kein Rechtsirrtum vorzuwerfen, wenn sie den gesetzlichen Höchstbetrag von 20.000 EUR im konkreten Fall um 20 % vermindert haben, wurde durch die Teilausschüttung doch eben auch der „Sockelbetrag“, also die „ersten“ 20.000 EUR, mit 20 %, also 4.000 EUR, getilgt. Der Anspruch des Klägers beträgt also nur, wie schon vom Erstgericht angenommen, 16.000 EUR. Der Kläger erhält auch bei dieser Berechnungsweise (jedenfalls) den Mindestbetrag von 20.000 EUR aus seiner Anlage zur Gänze und vorweg, was dem Zweck der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie und des WAG entspricht. Dass er im Übrigen einen Verlust erleiden kann, ist angesichts der bloßen Mindestdeckung nicht zu vermeiden, sofern er einen höheren als den gesicherten Betrag von 20.000 EUR investiert hatte.

4. Die Frage, ob Ansprüche des Klägers (unter anderem) gegen die Liquidationsmasse der SICAV-Fonds bei Zahlung durch die Beklagte von Gesetzes wegen auf diese übergehen, stellt sich nicht, weil der Kläger sein Begehren ohnehin mit einer Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Übertragung dieser Ansprüche an die Beklagte verbunden hat. Die Beklagte muss also nur leisten, wenn ihr der Kläger diese Ansprüche rechtsgeschäftlich abtritt. Auf die zwischen den Parteien strittige Frage, ob eine solche Zahlung der Beklagten (auch) zu einer Legalzession führte, kommt es daher nicht an.

5. Das Berufungsgericht hat in seinem Teilurteil die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens (Zinsen vom 1. 1. 2007 bis 24. 8. 2011) für den (auch) von ihm zugesprochenen Kapitalbetrag von 7.630,65 EUR bestätigt. Dies hat der Kläger nicht bekämpft. Hingegen ist sein Rekursantrag auf die vollständige Stattgebung des vom Aufhebungsbeschluss betroffenen Teils des Klagebegehrens gerichtet. Er erfasst daher formal auch die Zinsen aus diesem Teilbetrag von Jänner 2007 bis August 2011. Inhaltlich hat der Kläger aber im Rekurs kein Vorbringen zu einer früheren Fälligkeit seiner Forderung erstattet. Abgesehen davon treffen die Erwägungen der Vorinstanzen zum Zeitpunkt der Fälligkeit ohnehin zu. Beim noch offenen Teil des Zinsenmehrbegehrens hat es daher bei der Abweisung zu bleiben.

5. Im Ergebnis hat daher die Revision der Beklagten gegen den Zuspruch eines Teilbetrags von 7.630,65 EUR keinen Erfolg; im Übrigen ist aufgrund der jeweils teilweise erfolgreichen Rekurse beider Parteien in der Sache zu entscheiden und das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen.

6. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die Berufungen der Parteien blieben im Ergebnis erfolglos, was zur wechselseitigen Kostenersatzpflicht für die Berufungsbeantwortungen führt. Die Ansprüche sind zu saldieren. Dem im Revisionsverfahren obsiegenden Kläger gebühren die Kosten der Revisionsbeantwortung. Im Rekursverfahren war ein Betrag von 12.369,35 EUR strittig. Davon erwirkte der Kläger durch die gänzliche Wiederherstellung des Ersturteils einen Zuspruch von 8.369,35 EUR, das sind etwa zwei Drittel. Er hat daher Anspruch auf ein Drittel seiner Kosten. Das gilt auch für die insofern von beiden Seiten in gleicher Höhe getragene Pauschalgebühr.

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