OGH 7Ob98/02s

OGH7Ob98/02s9.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerlinde F*****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Einlagensicherung der Banken und Bankiers GmbH, 1013 Wien, Börsegasse 11, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Hans F. Hügel, Rechtsanwalt in Mödling, wegen S 200.000,-- = EUR 14.534,57 samt Anhang, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2002, GZ 2 R 122/01b-12, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. März 2001, GZ 34 Cg 220/00k-8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 3.270,28 (= S 45.000,--) samt 4 % Zinsen seit 11.1.2001 zu bezahlen. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere EUR 11.264,29 (= S 155.000,--) samt 4 % Zinsen seit 27. 4. 1995 und 4 % Zinsen aus EUR 3.270,28 vom 27. 4. 1995 bis 10. 1. 2001 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 112,66 (= S 1.550,25) anteilig bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.143,25 (= S 15.731,43) (darin enthalten EUR 190,54 an USt) anteilig bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 173,32 (= S 2.385,--) anteilig bestimmten Barauslagen des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 549,55 (= S 7.561,95) (darin enthalten EUR 91,59 an USt) anteilig bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 238,73 anteilig bestimmten Barauslagen des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 481,44 (darin enthalten EUR 80,24 an USt) anteilig bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist (bzw war) verfügungsberechtigt über ein bei der Bank ***** AG (in der Folge: Gemeinschuldnerin) geführtes anonoymes Sparbuch mit Losungswort. Die Klägerin und ihr Gatte rieten dem Onkel der Klägerin, ebenfalls Geld auf deren Sparbuch zu veranlagen, da er auf diese Art und Weise höhere Zinsen lukrieren könnte. Der Onkel der Klägerin übergab ihr S 400.000 in bar, damit sie diesen Geldbetrag für ihn auf ihr Sparbuch einzahle. Sie sollte das Geld treuhändig übernehmen und im Bedarfsfall für ihren Onkel beheben. Zu Gunsten des Onkels wurden in der Folge keine Abhebungen getätigt. Am 16. 1. 1995 wurde über die nunmehrige Gemeinschuldnerin die Geschäftsaufsicht gemäß § 83 BWG angeordnet. Am 17. 3. 1995 wurde der Konkurs über ihr Vermögen eröffnet. Die Gemeinschuldnerin ist Gesellschafterin der Beklagten.

Am 20. 1. 1995 stellten sowohl die Klägerin als auch ihr Onkel an die Beklagte einen Antrag auf Auszahlung von Einlagen gemäß § 93 Abs 2 BWG. Die Beklagte bezahlte nur an die Klägerin S 200.000, lehnte jedoch eine Auszahlung an ihren Onkel ab. Das Sparbuch wies am 3. 4. 1995 ein Guthaben über S 1,225.790,87 auf. 77,5 % wurden auf den anerkannten Betrag vom Masseverwalter ausbezahlt (S 949.987,92). Da sich die Klägerin ihrem Onkel gegenüber in einer sehr unangenehmen Situation sah, bezahlte sie an ihn den ihr zur Veranlagung übergebenen Betrag von S 400.000 im Juli 1995. Der Onkel der Klägerin trat ihr anlässlich des Gespräches vom 15. 8. 1995 seinen Anspruch gegen die Beklagte in der Höhe von S 200.000 ab.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung der abgetretenen Forderung nach § 93 Abs 2 BWG, nämlich den Höchstbetrag von S 200.000 im Hinblick auf das Sparguthaben ihres Onkels auf dem anonymen Sparbuch.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass Mehrfachauszahlungen nur dann zulässig seien, wenn gesicherte Einlagen auf legitimierten Gemeinschaftskonten vorlägen oder wenn die aus einem legitimierten Konto berechtigten Einleger ihren Anspruch nachwiesen. Ein derartiger Nachweis sei nicht erfolgt. Im Übrigen sei die Auszahlung der Teilquote von 77,5 % im Konkurs der Gemeinschuldnerin zu berücksichtigen, um eine Bereicherung zu vermeiden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab. Es vertrat die Auffassung, dass grundsätzlich dem Onkel der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte in der Höhe von S 200.000 gemäß § 93 BWG binnen drei Monaten nach der Antragstellung und Legitimierung zugestanden wäre. Bis zur Begleichung von S 400.000 durch die Klägerin auf Grund des Treuhandvertrages seien dem Onkel der Klägerin zwei Schuldner gegenübergestanden, welche hinsichtlich eines Betrages von S 200.000 solidarisch gehaftet hätten. Da die Klägerin mit ihrer Zahlung auch die Schuld der Beklagten getilgt habe, habe der Onkel der Klägerin am 15. 8. 1995 keinen Anspruch mehr gegenüber der Beklagten gehabt, den er an sie hätte abtreten können. Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil mit der Begründung, dass gemäß § 93 Abs 3 BWG auch der bloß wirtschaftliche Eigentümer der Einlage, somit die Person, von welcher auf dem Konto einbezahltes "Geld stammt", forderungsberechtigt sei. Da es sich aber weder um ein legitimiertes Gemeinschaftskonto noch um ein legitimiertes Konto handle, seien Mehrfachauszahlungen aus anonymen Spareinlagen unzulässig. Es könne der Höchstbetrag nur einmal zur Auszahlung kommen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem gleichartigen Fall fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt. Anzuwenden ist hier - wie bereits zutreffend erkannt wurde - § 93 BWG idF des am 1. 1. 1994 in Kraft getretenen Art I BGBl 1993/532 (Finanzmarktanpassungsgesetz 1993), also noch die Gesetzeslage vor der am 1. 8. 1996 in Kraft getretenen Novelle BGBl 1996/445. Danach haben Kreditinstitute, die Einlagen auf Konten von Verbrauchern oder Spareinlagen natürlicher Personen entgegennehmen, der Einlagensicherungseinrichtung im Rahmen ihres Fachverbandes anzugehören (Abs 1); diese Einlagensicherungseinrichtungen haben zu gewährleisten (Abs 2), "dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, die Geschäftsaufsicht angeordnet wird (§ 83 BWG) oder hinsichtlich der gesicherten Einlagen eine Zahlungseinstellung behördlich verfügt wird, die Einlagen gemäß Abs 1 bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 oder Gegenwert in fremder Währung pro natürlicher Person auf deren Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von längstens drei Monaten ausbezahlt werden; soziale Härtefälle können zeitlich bevorzugt behandelt werden". Der erkennende Senat hat sich schon einmal mit der Frage der Zulässigkeit von Mehrfachauszahlungen auf Grund eines Kontos, auf dem sich Einlagen mehrerer Berechtigter befanden, auseinandergesetzt (7 Ob 246/99y = RZ 2000/14 = ZIK 2000/87 = ÖBA 2000/880 = EvBl 2000/77). Danach ist nach § 93 BWG sowohl alter (BGBl 1993/532) als auch neuer Fassung (BGBl 1996/445) nicht nur der Kontoinhaber forderungsberechtigt, sondern auch jede natürliche Person, die "bloßer wirtschaftlicher Eigentümer der Einlage" ist, von der also das auf dem Konto einbezahlte Geld "stammt". Es sind die Forderungen pro natürlicher Person und nicht pro Einlage gesichert. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung alter Fassung unzweifelhaft (7 Ob 246/99y mwN; vgl auch Martina Geharter, der Entscheidung zustimmend in ecolex 2000, 351).

Anspruchsberechtigt ist daher nicht nur der verfügungsberechtigte Kontoinhaber, sondern auch eine andere Person, wenn sie sich legitimiert, d.h. ihre Identität offenlegt und den Nachweis antritt, dass der erliegende Betrag oder ein Teil davon wirtschaftlich aus ihrem Geld stammt. Nur diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 7 Ob 246/99y ausgesprochen, dass die Novelle BGBl 1996/445 bloß einen bereits bestehenden Rechtszustand zur Missbrauchsverhinderung sprachlich verdeutlicht, jedoch inhaltlich unverändert gelassen hat. In der hier anzuwendenden Fassung des § 93 Abs 2 BWG findet sich aber noch keine Einschränkung der Gestalt, dass das Konto, auf dem die gesicherte Einlage erliegt, legitimiert sein muss. Diese wurde erst mit § 93 BWG idF BGBl 1996/445 eingeführt, als angeordnet wurde, dass Mehrfachauszahlungen nur dann zulässig seien, wenn gesicherte Einlagen auf legitimierten Gemeinschaftskonten vorliegen oder wenn die aus einem legitimierten Konto berechtigten Einleger ihren Anspruch nachweisen. In diesem Punkt wurde die Bestimmung des hier anzuwendenden § 93 Abs 2 BWG verschärft. Nach § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 war die Legitimation des Kontos noch nicht Anspruchsvoraussetzung. Dies bedeutet, dass unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze nach § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 Mehrfachauszahlungen auch hinsichtlich anonymer Konten im Falle der entsprechenden Legitimierung der Berechtigten vorzunehmen sind (so auch schon 7 Ob 106/02t).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes ist es der Klägerin gelungen, die Legitimation ihres Onkels für ein Teilsparguthaben in der Höhe von S 400.000 zu erbringen. Es stand daher auch ihrem Onkel ein gesetzlicher Anspruch auf Einlagensicherung im Sinne des § 93 Abs 2 BWG gegen die Beklagte zu. Dieser gesetzliche Anspruch ist durch eine Zahlung der Beklagten "aus moralischen Gründen" nicht erloschen. Das Erstgericht übersieht nämlich, dass der fremdnützige Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung handelt (3 Ob 126/97v, RdW 1990, 409; Apathy in Schwimann, ABGB, § 1002 ABGB, Rz 11 mwN). Es ist nicht ersichtlich, woraus das Erstgericht eine Solidarhaftung der Klägerin mit der Beklagten ableitet. Der abgetretene Anspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.

Der Oberste Gerichtshof hat bisher noch nicht dazu Stellung genommen, wie der Sicherungsanspruch zu berechnen ist, wenn bereits Konkursquoten zur Auszahlung gelangt sind.

Gemäß § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 hat die Beklagte zu gewährleisten, dass gesicherte Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 oder Gegenwert in fremder Währung pro natürlicher Person auf deren Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von längstens drei Monaten ausbezahlt werden. Der für das betroffene Kreditinstitut zuständigen Einlagensicherungseinrichtung stehen Rückgriffsansprüche gegen dieses Institut in Höhe der geleisteten Beträge und der nachgewiesenen Kosten zu. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sind Leistungen der Beklagten Auszahlungen der gesicherten Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 (durch den Einlagenstand begrenzt). Damit soll bewirkt werden, dass der Einleger einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Entschädigung bis zu dem normierten Betrag erhält (vgl Pötzlberger in MKK2, BWG, § 93, Rz 2 f). Auch wenn die gesetzliche Regelung interpretationsbedürftig ist, ist doch nach dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes erkennbar, dass nur sichergestellt werden soll, dass dem Einleger jedenfalls bis zu S 200.000,-- seine Einlage vollständig ausbezahlt wird, ihn also in diesem Bereich eine Kürzung durch die Konkursquote nicht belastet. Wird der Einlagensicherungsbetrag nun ausbezahlt, so vermindert dies die Forderung gegenüber der Gemeinschuldnerin aus der gesicherten Einlage (in diesem Fall ist die angemeldete Konkursforerung entsprechend einzuschränken) und der Einlagensicherungseinrichtung steht ein Rückgriffsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin zu. Der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG soll aber nicht zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigung des Einlegers führen. Erhält nun der Berechtigte aus dem Konkurs seine auf ihn entfallende Quote ausgezahlt, so ist diese auf die S 200.000,-- anzurechnen, da ihm sonst mehr als die garantierten S 200.000,-- ungekürzt zukämen. Die Richtigkeit dieser Auslegung, die dem Gesetzestext am nächsten kommt, wird auch dadurch bestätigt, dass die Forderungen des Einlegers unabhängig davon gleich hoch sein müssen, ob sie vor oder nach Quotenausschüttung im Konkursverfahren geltend gemacht werden (so auch schon 7 Ob 106/02t). Dies bedeutet, dass der nach § 93 Abs 2 BWG zu ermittelnde Einlagensicherungsbetrag um jenen Prozentsatz zu mindern ist, mit dem bereits eine quotenmäßige Befriedigung der Ansprüche des Einlegers erfolgt ist. Wurde - wie hier - bereits eine Quote von 77,5 % ausgeschüttet, so besteht nur mehr ein Anspruch auf Bezahlung von 22,5 % von S 200.000, d.s. S 45.000. Der Anspruch ist erst mit Legitimation fällig, nämlich mit dem Nachweis der Person und der Berechtigung. Die Fälligkeit trat im vorliegenden Fall mangels erwiesenen früheren Nachweises der Legitimation des Onkels der Klägerin gegenüber der Beklagten erst mit 10. 1. 2001 (Vorlage der schriftlichen Bestätigung) ein.

Die Kostenentscheidung gründet sich im erstinstanzlichen Verfahren auf § 43 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auf §§ 50, 43 ZPO. Die Klägerin ist nur mit 22,5 % ihres Anspruches durchgedrungen. Es sind ihr die Pauschalgebühren mit diesem Prozentsatz zu ersetzen. Sie ist aber verpflichtet ihrerseits der Beklagten 55 % ihrer Kosten zu ersetzen. Im Berufungsverfahren stehen mangels einer Berufungsverhandlung nur 150 % Einheitssatz zu (§ 23 Abs 9 RATG). Im Revisionsverfahren sind nur 50 % Einheitssatz in Anschlag zu bringen.

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