OGH 7Ob106/02t

OGH7Ob106/02t7.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herwig S*****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Einlagensicherung der Banken und Bankiers Gesellschaft mbH, 1013 Wien, Börsegasse 11, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Hans F. Hügel, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 187.114,74 = EUR 13.598,16 samt Anhang, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 10.327,88) und den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 3.270,28) gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2002, GZ 15 R 85/01g-11, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 23. Februar 2001, GZ 34 Cg 230/00f-7, zum Teil abgeändert, zum Teil aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Die Revisionskosten bilden weitere Verfahrenskosten. Der als Revision bezeichnete Rekurs der beklagten Partei und die als Revisionsbeantwortung bezeichnete Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Rekurses und der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mutter des Klägers eröffnete 1981 bei der Bank ***** AG (in der Folge Gemeinschuldnerin) ein anonymes Sparbuch mit Losungswort. Am 16. 1. 1995 wurde über die nunmehrige Gemeinschuldnerin, eine Gesellschafterin der Beklagten, die Geschäftsaufsicht verhängt und am 17. 3. 1995 über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet. Sowohl der Kläger als auch seine Mutter beantragten am 18. 4. 1995 bei der Beklagten die Auszahlung des Einlagensicherungshöchstbetrages von je S 200.000 im Hinblick auf das oben genannte Sparbuch mit einem Einlagestand von S 1,031.621,05. Die Beklagte bezahlte an die Mutter des Klägers S 200.000, lehnte jedoch eine Zahlung an ihn ab. Der Masseverwalter anerkannte die von der Mutter des Klägers angemeldete Konkursforderung von S 831.621,05, worauf eine Ausschüttung mit einer Quote von insgesamt 77,5 % erfolgte.

Der Kläger begehrt zuletzt einen Einlagensicherungsbetrag von S 187.114,74 samt Anhang. Es habe sich um ein gemeinsames Sparbuch des Klägers und seiner Mutter und seines Bruders gehandelt. Der Kläger habe diesem Sparbuch einen Betrag von S 450.000 zugeführt. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren mit dem Vorbringen, dass bei anonymen Sparbüchern eine Mehrfachauszahlung nicht vorgesehen sei. Der Kläger habe auch die materielle Berechtigung am Sparbuch nicht nachgewiesen. Er müsse sich jedenfalls die ausgeschüttete Konkursquote anrechnen lassen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren bis auf ein Zinsenmehrbegehren, dessen Abweisung in Rechtskraft erwachsen ist, statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass im Falle der Legitimierung des berechtigten Einlegers Mehrfachauszahlungen zulässig seien. Der Einlagensicherungsbetrag sei an jeden identifizierbaren berechtigten Einleger und nicht pro Einlage zu leisten. Auf die Sparbuchbezeichnung komme es nicht an. Dem Kläger sei der Nachweis seines Anspruchs gelungen. Unter Berücksichtigung der ausgeschütteten Konkursquote sei der verbleibende Restbetrag seiner Einlage zu begleichen. Da der Kläger seine materielle Berechtigung erst in der Tagsatzung vom 10. 1. 2001 substantiiert dargelegt habe, könnten Verzugszinsen erst ab diesem Zeitpunkt zugesprochen werden. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil mit Teilurteil dahingehend ab, dass es das Klagebegehren im Umfang von EUR 10.327,88 samt 4 % Zinsen seit 10. 1. 2001 abwies und hinsichtlich des Restbetrages von EUR 3.270,28 samt Nebengebühren sowie im Kostenpunkt aufhob und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auftrug. Es vertrat die Rechtsansicht, dass auch bei anonymen Sparbüchern der Auszahlung des Einlagensicherungshöchstbetrages an mehrere "wirtschaftliche Eigentümer der Einlage" nichts im Wege stehe. Der Wortlaut des § 93 BWG idF BGBl 1996/445 sei auf den vorliegenden Rechtsfall nicht anzuwenden. Auf einen allfälligen Einlagensicherungsanspruch des Klägers sei jedoch die im Konkursverfahren ausgeschüttete Quote von 77,5 % anzurechnen. Dies ergebe sich schon aus der Erwägung, dass die Höhe des durch die Einlagensicherungseinrichtung zu zahlenden Betrages nicht davon abhängen könne, ob der Einleger seinen Anspruch zuerst gegenüber dem Masseverwalter oder gegenüber der Einlagensicherungseinrichtung geltend mache. Hätte der Kläger - dem Regelfall entsprechend - zunächst Zahlung des Einlagensicherungshöchstbetrages von S 200.000 von der Beklagten erlangt, so hätte er im Konkurs lediglich eine um diesen Betrag verminderte Forderung erfolgreich anmelden können und es wäre dementsprechend die darauf entfallende Konkursquote (77,5 % von S 200.000) nicht ausgeschüttet worden. Dass die Auszahlung der Konkursquote nicht an den Kläger, sondern an dessen Mutter erfolgte, sei schon im Hinblick darauf unerheblich, dass beim Überbringersparbuch der jeweilige Inhaber zur Ausübung des verbrieften Rechtes befugt sei und die Zahlung daher schuldbefreiend auch an eine andere berechtigte Person als an den Kläger erfolgen könne. Bevor aber entschieden werden könne, ob dem Kläger 22,5 % von S 200.000, sohin S 45.000, zustünden, müsse geprüft werden, ob das Geld von ihm stamme. Das Berufungsgericht hegte diesbezüglich Zweifel an den Feststellungen des Erstgerichtes und trug ihm eine neuerliche Entscheidung allenfalls nach Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil es an oberstgerichtlicher Rechtsprechung dazu fehle, wie die ausgeschüttete Konkursquote bei der Ermittlung der Höhe des Anspruches gegen die Einlagensicherungseinrichtung zu berücksichtigen sei. Ein Zulässigkeitsausspruch nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erfolgte nicht.

Gegen das Teilurteil richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der als Revision bezeichnete Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, auch hinsichtlich eines Betrages von EUR 3.270,28 im klagsabweisenden Sinn zu entscheiden, in eventu die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zu verweisen.

Die Parteien beantragen jeweils, dem Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO unzulässig, da ihn das Berufungsgericht nicht zugelassen hat. Es war daher auch die Rekursbeantwortung, die auch gar nicht auf die Unzulässigkeit des Rekurses hinwies, zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Anzuwenden ist hier - wie bereits zutreffend erkannt wurde - § 93 BWG idF des am 1. 1. 1994 in Kraft getretenen Art I BGBl 1993/532 (Finanzmarktanpassungsgesetz 1993), also noch die Gesetzeslage vor der am 1. 8. 1996 in Kraft getretenen Novelle BGBl 1996/445. Danach haben Kreditinstitute, die Einlagen auf Konten von Verbrauchern oder Spareinlagen natürlicher Personen entgegennehmen, der Einlagensicherungseinrichtung im Rahmen ihres Fachverbandes anzugehören (Abs 1); diese Einlagensicherungseinrichtungen haben zu gewährleisten (Abs 2), "dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird, die Geschäftsaufsicht angeordnet wird (§ 83 BWG) oder hinsichtlich der gesicherten Einlagen eine Zahlungseinstellung behördlich verfügt wird, die Einlagen gemäß Abs 1 bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 oder Gegenwert in fremder Währung pro natürlicher Person auf deren Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von längstens drei Monaten ausbezahlt werden; soziale Härtefälle können zeitlich bevorzugt behandelt werden". Der erkennende Senat hat sich schon einmal mit der Frage der Zulässigkeit von Mehrfachauszahlungen auf Grund eines Kontos, auf dem sich Einlagen mehrerer Berechtigter befanden, auseinandergesetzt (7 Ob 246/99y = RZ 2000/14 = ZIK 2000/87 = ÖBA 2000/880 = EvBl 2000/77). Danach ist nach § 93 BWG sowohl alter (BGBl 1993/532) als auch neuer Fassung (BGBl 1996/445) nicht nur der Kontoinhaber forderungsberechtigt, sondern auch jede natürliche Person, die "bloßer wirtschaftlicher Eigentümer der Einlage" ist, von der also das auf dem Konto einbezahlte Geld "stammt". Es sind die Forderungen pro natürlicher Person und nicht pro Einlage gesichert. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung alter Fassung unzweifelhaft (7 Ob 246/99y mwN; vgl auch Martina Geharter, der Entscheidung zustimmend in ecolex 2000, 351).

Anspruchsberechtigt ist daher nicht nur der verfügungsberechtigte Kontoinhaber, sondern auch eine andere Person, wenn sie sich legitimiert, d.h. ihre Identität offenlegt und den Nachweis antritt, dass der erliegende Betrag oder ein Teil davon wirtschaftlich aus ihrem Geld stammt. Nur diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 7 Ob 246/99y ausgesprochen, dass die Novelle BGBl 1996/445 bloß einen bereits bestehenden Rechtszustand zur Missbrauchsverhinderung sprachlich verdeutlicht, jedoch inhaltlich unverändert gelassen hat. In der hier anzuwendenden Fassung des § 93 Abs 2 BWG findet sich aber noch keine Einschränkung der Gestalt, dass das Konto, auf dem die gesicherte Einlage erliegt, legitimiert sein muss. Diese wird erst mit § 93 BWG idF BGBl 1996/445 eingeführt, als angeordnet wurde, dass Mehrfachauszahlungen nur dann zulässig seien, wenn gesicherte Einlagen auf legitimierten Gemeinschaftskonten vorliegen oder wenn die aus einem legitimierten Konto berechtigten Einleger ihren Anspruch nachweisen. In diesem Punkt wurde die Bestimmung des hier anzuwendenden § 93 Abs 2 BWG verschärft. Nach § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 war die Legitimation des Kontos noch nicht Anspruchsvoraussetzung. Dies bedeutet, was auch das Berufungsgericht zutreffend erkannte, dass unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze nach § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 Mehrfachauszahlungen auch hinsichtlich anonymer Konten im Falle der entsprechenden Legitimierung der Berechtigten vorzunehmen sind.

Der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG steht kraft Gesetzes also jeder Person zu, die sich im oben dargelegten Sinn legitimieren kann. Zur Beurteilung der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach fehlen aber noch nach der Entscheidung des Berufungsgerichtes geeignete Feststellungen.

Der Oberste Gerichtshof hat bisher noch nicht dazu Stellung genommen, wie der Sicherungsanspruch zu berechnen ist, wenn bereits Konkursquoten zur Auszahlung gelangt sind.

Gemäß § 93 Abs 2 BWG idF BGBl 1993/532 hat die Beklagte zu gewährleisten, dass gesicherte Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 oder Gegenwert in fremder Währung pro natürlicher Person auf deren Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von längstens drei Monaten ausbezahlt werden. Der für das betroffene Kreditinstitut zuständigen Einlagensicherungseinrichtung stehen Rückgriffsansprüche gegen dieses Institut in Höhe der geleisteten Beträge und der nachgewiesenen Kosten zu. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sind Leistungen der Beklagten Auszahlungen der gesicherten Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von S 200.000 (durch den Einlagenstand begrenzt). Damit soll bewirkt werden, dass der Einleger einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Entschädigung bis zu dem normierten Betrag erhält (vgl Pötzlberger in MKK2, BWG, § 93, Rz 2 f). Auch wenn die gesetzliche Regelung interpretationsbedürftig ist, ist doch nach dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes erkennbar, dass sichergestellt werden soll, dass dem Einleger jedenfalls bis zu S 200.000,-- seine Einlage vollständig ausbezahlt wird, ihn also in diesem Bereich eine Kürzung durch die Konkursquote nicht belastet. Wird der Einlagensicherungsbetrag nun ausbezahlt, so vermindert dies die Forderung gegenüber der Gemeinschuldnerin aus der gesicherten Einlage (in diesem Fall ist die angemeldete Konkursforderung entsprechend einzuschränken) und der Einlagensicherungseinrichtung steht ein Rückgriffsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin zu. Der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG soll aber nicht zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigung des Einlegers führen. Erhält nun der Berechtigte aus dem Konkurs seine auf ihn entfallende Quote ausgezahlt, so ist diese auf die S 200.000,-- anzurechnen, da ihm sonst mehr als die garantierten S 200.000,-- ungekürzt zukämen. Die Richtigkeit dieser Auslegung, die dem Gesetzestext am nächsten kommt, wird auch dadurch bestätigt, dass die Forderungen des Einlegers unabhängig davon gleich hoch sein müssen, ob sie vor oder nach Quotenausschüttung im Konkursverfahren geltend gemacht werden.

Dies bedeutet, dass der nach § 93 Abs 2 BWG zu ermittelnde Einlagensicherungsbetrag um jenen Prozentsatz zu mindern ist, mit dem bereits eine quotenmäßige Befriedigung der Ansprüche des Einlegers erfolgt ist. Wurde - wie hier - bereits eine Quote von 77,5 % ausgeschüttet, so besteht nur mehr ein Anspruch auf Bezahlung von 22,5 % von S 200.000, d.s. S 45.000.

Der Revision musste daher der Erfolg versagt bleiben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Stichworte