OGH 5Ob63/12v

OGH5Ob63/12v9.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** A*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.097,82 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Jänner 2012, GZ 11 R 278/11z-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Juni 2011, GZ 27 Cg 225/10x-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob ein geschädigter Anleger gegenüber einer gemäß § 32 Z 8 WAG 1996 eingerichteten Entschädigungseinrichtung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 23b Abs 2 WAG 1996 sein Verlangen durch Urkunden untermauern müsse, um damit die Prüfungspflicht auszulösen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Begründung kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

1. Nach dem im vorliegenden Fall noch anzuwendenden § 23b Abs 2 WAG 1996 (vgl 6 Ob 235/09s ÖBA 2011, 263; 7 Ob 165/10f ÖBA 2011, 759 uam) ist die Anlegerentschädigungseinrichtung (hier die beklagte Partei) verpflichtet, den Anleger auf Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem die Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt ist, zu entschädigen.

2. Zur Frage, wann unter diesen Voraussetzungen ein Anspruch auf Entschädigung fällig wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren, gleichgelagerte Sachverhalte betreffenden Entscheidungen Stellung genommen (9 Ob 50/09g; 9 Ob 62/11z; 7 Ob 165/10f; 7 Ob 222/11i; 8 Ob 110/11a; 1 Ob 240/11t).

2.1. Danach beruht die Feststellung der Entschädigungsforderung auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung (RIS-Justiz RS0126982). Wegen der Bestimmung des § 23b Abs 2 letzter Satz WAG 1996 iVm § 93 Abs 3 vorletzter Satz BWG steht der Entschädigungseinrichtung ein wesentlich breiteres Feld der Erkundigungsmöglichkeiten zur Verfügung als Anlegern, weshalb sie sich nicht auf undifferenzierte Einwendungen zurückziehen kann (vgl 7 Ob 222/11i).

2.2. Vom Geschädigten wird aber nach der klaren und eindeutigen Textierung von § 23b Abs 2 WAG 1996 im Zusammenhang mit seinem Verlangen auf Entschädigung eine „Legitimierung“ verlangt. Diese wird durch den Nachweis der Person und der Berechtigung (9 Ob 62/11z) erbracht, den Nachweis der Identität und Verfügungsberechtigung des Anspruchstellers, der allein durch Kenntnis der Depotnummer nicht ausgelöst wird (8 Ob 110/11a), sondern auch des Nachweises bedarf, dass überhaupt ein Betrag an ein bestimmtes Wertpapierdienstleistungsunternehmen gezahlt wurde (7 Ob 222/11i; 1 Ob 240/11t).

Damit ist durch höchstgerichtliche, bereits ausreichende Rechtsprechung geklärt, dass es neben der Geltendmachung des behaupteten Anspruchs gegenüber der Entschädigungseinrichtung noch derartiger zusätzlicher Momente bedarf, die den konkreten Anspruch des Fordernden für die Entschädigungseinrichtung als berechtigt (legitim) erkennen lassen (9 Ob 62/11z).

Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Klägers, die Beklagte habe sich sämtliche Informationen im Rahmen ihrer amtlichen Prüfungspflicht (nach fristgerechter Anmeldung und „Verlangen“ der Entschädigung) selbst zu beschaffen, ist somit durch höchstgerichtliche Rechtsprechung widerlegt.

3. Im vorliegenden Fall hat der Kläger vor Einleitung des gegenständlichen Verfahrens der Beklagten trotz Aufforderung keine Unterlagen im Sinn der dargestellten erforderlichen Legitimierung übermittelt.

Erst am 15. 2. 2011 bzw 26. 5. 2011 hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren Unterlagen zur Legitimation vorgelegt (ON 12, 14).

4. Eine Prüfung, ob bereits die mit Schriftsatz vom 15. 2. 2011 vorgelegten Urkunden (unabhängig vom Zeitpunkt des Zugangs an die Beklagte) ausreichten, um im Sinn der dargestellten Rechtsprechung eine Legitimierung der Ansprüche zu bewirken, kann aus folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:

4.1. In den Entscheidungen 9 Ob 50/09g, 6 Ob 235/09s und zuletzt 9 Ob 62/11z wurde ausgesprochen, dass der Entschädigungseinrichtung zur Feststellung der Forderung gemäß §§ 23b Abs 2 und 23c Abs 4 WAG 1996 eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen ist. Dabei wird die Überschreitung eines Prüfungszeitraums von sechs Monaten nur in besonderen Fällen als gerechtfertigt angesehen (RIS-Justiz RS0126982), weil Anlegerentschädigungen ohne ungebührliche Verzögerung vorzunehmen sind.

4.2. Dass das Berufungsgericht eine Prüffrist der Beklagten im Ausmaß von einem Monat als angemessen bewertet hat, stellt keine Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre.

4.3. Unter Hinzurechnung der der Beklagten nach Ablauf der angemessenen Prüfungszeit gesetzlich zustehenden Auszahlungsfrist von drei Monaten (RIS-Justiz RS0126982) ergibt sich damit - wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend und ohne Korrekturnotwendigkeit ausgeführt - frühestens ein Fälligkeitszeitpunkt mit 15. 6. 2011.

5. Mangels Ablaufs einer angemessenen Prüffrist zuzüglich der dreimonatigen Zahlungsfrist im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (9. 6. 2011 - ON 16) haben die Vorinstanzen die Fälligkeit des Klagsanspruchs in Übereinstimmung mit der dargestellten Rechtsprechung sohin zu Recht verneint. Auf das in der Revisionsbeantwortung unter Hinweis auf die Entscheidungen 9 Ob 50/09g und 7 Ob 165/10f als zusätzlicher Klageabweisungsgrund relevierte Fehlen einer Einschränkung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ muss damit nicht näher eingegangen werden.

Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird dadurch nicht begründet. Dies hatte zur Zurückweisung der Revision zu führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen, weshalb ihr keine Kosten hiefür zustehen (RIS-Justiz RS0035979, RS0035962).

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