OGH 8Ob110/11a

OGH8Ob110/11a28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in Rechtssache der klagenden Partei B***** B*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, 1040 Wien, Rainergasse 31/8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Juli 2011, GZ 16 R 86/11a-23, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Februar 2011, GZ 24 Cg 53/10f-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Begründung dieser Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Nach dem im vorliegenden Fall noch anzuwendenden § 23b Abs 2 WAG 1996 ist die Anlegerentschädigungseinrichtung verpflichtet, den Anleger auf Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt sind, zu entschädigen. Die Frage, wann dieser Anspruch auf Entschädigung fällig wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits in seinen vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 9 Ob 50/09g und 7 Ob 165/10f behandelt.

Danach beruht die Feststellung der Entschädigungsforderung auf einer selbstständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung (Winternitz/Aigner Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, 61). Fristgerechte Anmeldungen sind unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszuzahlen (Kalss/Linder, ÖBA 2006, 832; Winternitz/Aigner, aaO 61). Der Entschädigungsanspruch des Anlegers ist jedoch erst mit Ablauf der Auszahlungsfrist fällig (7 Ob 165/10f, RIS-Justiz RS0126982).

Mit diesen Erwägungen steht die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts völlig im Einklang.

2. Die in der Revision vertretene These, eine Ablehnung des Anspruchs durch die Entschädigungseinrichtung dem Grunde nach bewirke die vorzeitige Fälligkeit des Anspruchs, lässt den konkret zu beurteilenden Sachverhalt außer Acht.

Nach den Tatsachenfeststellungen hat die Klägerin sich bei ihrer Legitimation nach § 23b Abs 2 WAG 1996 nämlich darauf beschränkt, auf einer Liste von Geschädigten neben Namen und Adresse lediglich eine Depotnummer und die Höhe ihrer gestellten Forderung anzugeben. Der schriftlichen Aufforderung der Beklagten, weitere legitimierende Unterlagen wie den Nachweis der Identität, der behaupteten Veranlagung („Anleger Certifikat“) und der Ein- bzw Auszahlungen vorzulegen, ist die Klägerin nicht nachgekommen, sondern hat sich diesem Ansinnen im Anwortschreiben ihres Anwalts ausdrücklich widersetzt, worauf die Beklagte die Forderung mangels urkundlichen Nachweises abgelehnt hat.

Auch in einem Verfahren gegen die Beklagte obliegt grundsätzlich demjenigen die Behauptungs- und Beweislast, der einen Anspruch für sich reklamiert (RIS-Justiz RS0037797), also dem Anleger, der von der beklagten Entschädigungseinrichtung Zahlung begehrt. Die Beklagte kann sich zwar nicht auf undifferenzierte Einwendungen zurückziehen, sondern hat ihrerseits anspruchsvernichtende Tatsachen zu beweisen, etwa den Einwand, dass nicht alle Kundengelder und -instrumente im Zuge ihres „Haltens“ durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen abhanden gekommen seien.

Die Klägerin übersieht aber, dass zur Haftung dem Grunde nach auch - und zunächst - der Nachweis gehört, dass bzw von wem ein Betrag an das insolvente Wertpapierdienstleistungsunternehmen gezahlt wurde (9 Ob 50/09g). Die Verpflichtung zu diesem Nachweis ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 23b Abs 2 WAG 1996, der eine „Legitimierung“ und nicht nur die Behauptung einer Forderung verlangt.

Dieses Erfordernis kann nicht als überflüssiger Formalismus angesehen werden und beschränkt sich auch nicht auf eine Erleichterung der Ermittlungen, etwa zur Vermeidung vergeblicher Prüfungsschritte bei Schreibfehlern. Die Kenntnis einer Depotnummer allein kann den Nachweis der Identität und Verfügungsberechtigung des Anspruchsstellers nicht ersetzen. Zudem muss der Beklagten eine Zuordnung der Einzahlungen aufgrund der Beschränkung der Entschädigungssumme nach § 23b Abs 2 WAG 1996 „pro Anleger“ zur Beurteilung der Berechtigung des Entschädigungsanspruchs und Verhinderung von Missbrauch ermöglicht werden.

Inwiefern es für den einzelnen Anleger einen unzumutbaren Aufwand bedeuten würde, der Entschädigungseinrichtung bei Anspruchstellung die eigenen Legitimationsurkunden vorzulegen, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzustellen. Wenn sie, wie in der Revision ausgeführt, die konkrete Aufforderung der Beklagten an ihren Vertreter zur Vorlage der Legitimationsurkunden als „Pseudo-Erledigung“ aufgefasst und deshalb nicht befolgt hat, kann sie dies nicht der Beklagten entgegenhalten.

3. Die Feststellung, dass es der Beklagten im gegenständlichen Insolvenzverfahren noch nicht möglich war, die Forderung der Klägerin allein anhand ihrer Depotnummer zu überprüfen, ist im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbar. Die Beklagte hat sich aber entgegen den Revisionsausführungen auch nicht jeder amtswegigen Prüfung enthalten, war doch gerade die Aufforderung zur Vorlage fehlender Unterlagen an die Anspruchswerber nichts anderes als ein amtswegiger Prüfungsschritt. Ein allfälliger Bescheinigungsnotstand der Klägerin wurde nicht behauptet, sodass sich die Frage, ob die Beklagte in Ausnahmefällen doch verpflichtet wäre, durch eigene Nachforschungen einen weitergehenden Beitrag zur Legitimierung zu leisten, im vorliegenden Verfahren nicht stellt.

4. Ob der Anspruch der Klägerin im Fall rechtzeitiger Legitimierung von der Beklagten möglicherweise aus anderen Gründen abgelehnt worden wäre, ist für die hier zu beurteilende Rechtsfrage nur von theoretischem Interesse. Auch der Umstand, dass die Beklagte bezüglich der nur mit Depotnummern konkretisierten Ansprüche von Anlegern „laut Liste“ der Klagevertreter einen Verjährungsverzicht abgegeben hat, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf, zumal sie dabei ausdrücklich jede Anerkennung irgendeines Sachverhaltselements oder irgendeines Anspruchs ausgeschlossen hat (Beilage ./A).

5. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Forderung der Klägerin sei bei Schluss der Verhandlung erster Instanz noch nicht fällig gewesen, weil sie vor der Klagseinbringung bzw der letzten Verhandlungstagsatzung noch überhaupt keine Nachweise zu ihrer Legitimation vorgelegt hatte, ist daher insgesamt jedenfalls vertretbar und nicht korrekturbedürftig iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl 7 Ob 165/10f, 6 Ob 235/09s; RIS-Justiz RS0126982). Für eine weitergehende Erörterung, welche Urkunden oder Nachweise allgemein für die Erfüllung der Legitimationspflicht nach § 23b Abs 2 WAG 1996 erforderlich sind, bietet das vorliegende Verfahren keinen geeigneten Anlass.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte