AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:W215.2240476.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von XXXX , beide Staatsangehörigkeit Republik Kasachstan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2021, Zahlen 1) 831260802-190946844 und 3) 831261004-190946865, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. bis V. werden gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2021, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 und § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, wird die Frist für die freiwillige Ausreise von XXXX auf 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung im Asylverfahren von XXXX erstreckt.
B)
Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Identitäten der Beschwerdeführer stehen nicht fest. Die erstbeschwerdeführende Partei (P1) ist die Mutter der minderjährigen drittbeschwerdeführenden Parteien (P3) XXXX
I. Verfahrensgang:
1. erste Asylverfahren:
P1 reiste problemlos legal mit ihren minderjährigen Kindern P2 und P3 aus der Republik Kasachstan aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX die ersten Anträge auf internationalen Schutz. P1 behauptete XXXX zu heißen XXXX Als Fluchtgrund wurde von P1 in der Befragung am XXXX angegeben: „ XXXX .“
P1 bis P3 reisten am XXXX unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus und kehrten in die Republik Kasachstan zurück.
2. erstinstanzliche zweite Asylverfahren:
P1 reiste neuerlich problemlos legal mit P2 und P3, XXXX über einen internationalen kasachischen Flughafen mit kasachischen XXXX aus der Republik Kasachstan aus, P1 stellte aber erst am XXXX für sich, P2 und P3 die zweiten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Diesmal behauptete P1 XXXX zu heißen der Familiennamen von P3 wurde in der Erstbefragung ebenfalls mit XXXX angegeben, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedoch wieder auf XXXX . In der Erstbefragung am selben Tag gab P1 bezüglich der Fluchtgründe an: „ XXXX “
Die zweiten Anträge auf internationalen Schutz vom XXXX wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2021, Zahlen 1) 831260802-190946844 und 3) 831261004-190946865, jeweils in den Spruchpunkten I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkten II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan abgewiesen. In den Spruchpunkten III. wurden gemäß § 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. In den Spruchpunkten IV. wurden gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, in den Spruchpunkten V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig ist und in den Spruchpunkten VI. ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen beträgt. XXXX
Mit Verfahrensanordnungen vom 19.01.2021 wurden P1 bis P3 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig Rechtsberater zur Seite gestellt.
3. Beschwerdeverfahren:
Gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2021, zugestellt am 16.02.2021, erhob P1 für sich und P2 sowie P3 fristgerecht am 11.03.2021 die gegenständlichen Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Bezuggenommen wurde darin insbesondere auf die Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zur sozialen Gruppe der Familie, da P1 als Angehörige des verschwundenen Lebensgefährten verfolgt werde.
Die Beschwerdevorlagen vom 15.03.2021 langten am 17.03.2021 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Ladungen vom 13.07.2022 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes für den 29.08.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht anberaumt.
Vor der Beschwerdeverhandlung wurde vom Bundesverwaltungsgericht die Übersetzung von Geburtsurkunden von P2 und P3 in Auftrag gegeben.
Zur Beschwerdeverhandlung am 29.08.2022 erschienen P1 mit ihrer bevollmächtigten Vertreterin. Das ebenfalls geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits vorab mit Schreiben vom 15.07.2022 entschuldigt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Die Parteien verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe von Stellungnahmen ein. In der Verhandlung wurde für P1 vorgelegt:
- mehrere Teilnahmebestätigungen zum Kurs XXXX für den Zeitraum von XXXX über insgesamt 200 UE
- ein Schreiben zur Grundversorgung und den im 14-Tages-Rhythmus stattfindenden Besuch von XXXX bei der Familie, das hilfsbereite und kooperative Verhalten der Familie
- eine XXXX
für P3:
- eine XXXX mit der Deutschnote genügend
- eine Bestätigung XXXX , wonach P2 ab dem XXXX
- ein ärztlicher Entlassungsbrief vom XXXX über die XXXX am XXXX und den weiteren komplikationslosen postoperativen Verlauf.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer:
Die Identitäten von P1 und P3 stehen nicht fest. P1 ist die Mutter der minderjährigen P2 und P3. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Republik Kasachstan und gehören der Volksgruppe der Russen an. P1 ist christlich orthodoxen Glaubens.
Die Beschwerdeführer XXXX , geboren und lebten dort bis zu ihren problemlosen, legalen Ausreisen ersten aus der Republik Kasachstan bzw. in den mehr als XXXX nach ihrer Rückkehr bis zur wiederholt problemlosen legalen Ausreise über einen internationalen Flughafen. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Russisch, wobei P2 und P3 während der Schulzeit in der Republik Kasachstan auch Kasachisch lernten. XXXX
b) Zu den bisherigen Verfahrensverläufen:
P1 reiste problemlos legal mit P2 und P3 aus der Republik Kasachstan aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX für sich, P2 und P3 die ersten Anträge auf internationalen Schutz. P1 behauptete XXXX zu heißen, P3 heiße XXXX P1 bis P3 reisten am XXXX unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet aus und kehrten in die Republik Kasachstan zurück.
P1 reiste neuerlich problemlos legal mit P2 und P3 XXXX über einen internationalen Flughafen mit kasachischen XXXX aus der Republik Kasachstan aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt nach Österreich ein, P1 stellte aber erst am XXXX für sich, P2 und P3 die zweiten Anträge auf internationalen Schutz. Allerdings behauptete P1 diesmal XXXX zu heißen der Familiennamen von P3 wurde in der Erstbefragung ebenfalls mit XXXX angegeben, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedoch auf XXXX und jener von P2 laute nicht XXXX sondern XXXX .
Die zweiten Anträge auf internationalen Schutz vom XXXX wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2021, Zahlen 1) 831260802-190946844 und 3) 831261004-190946865, jeweils in den Spruchpunkten I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und in Spruchpunkten II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan abgewiesen. In den Spruchpunkten III. wurden gemäß § 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. In den Spruchpunkten IV. wurden gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, in den Spruchpunkten V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig ist und in den Spruchpunkten VI. ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen beträgt. XXXX
Gegen diese Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2021, zugestellt am 17.02.2021, erhob P1 fristgerecht am 11.03.2021 die gegenständlichen Beschwerden.
Für den 29.08.2022 wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt.
c) Zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen:
P3 hat keine Fluchtgründe.
Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 oder P3 jemals Probleme mit kasachischen Behörden hatten oder bei ihrer Rückkehr haben werden.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass P1 im Herkunftsstaat seit dem Jahr XXXX von unbekannten Banditen verfolgt wird, weil ihr Lebensgefährte und Vater von P3, XXXX diesen Männern Geld schuldet. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass P1 von diesen vorgeworfen wurde, eine Bombenlegerin, Terroristin und Wahhabitin zu sein. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass P1 sich, um die Schulden zu begleichen, einer islamistischen Gruppierung anschließen hätte müssen und/oder sich hätte verhüllen sollen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass P1 von den ihr drohenden Männern zu einem Terrorakt geschickt hätte werden sollten und/oder P1 für diese arbeiten und einen Hijab tragen sollte. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass weil P1 im Jahr XXXX die Nase gebrochen wurde, sie deshalb am XXXX aus der Republik Kasachstan fliehen musste. Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass P1 von diesen ihr drohenden Männern am XXXX vergewaltigt wurde, nachdem sich P1 weigerte für sie zu arbeiten.
d) Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:
Die Beschwerdeführer sind in XXXX geboren, reisten problemlos legal im XXXX aus der Republik Kasachstan aus, kehrten freiwillig XXXX zurück, um am XXXX neuerlich problemlos, legal über einen internationalen Flughafte mit ihren kasachischen XXXX und XXXX aus der Republik Kasachstan auszureisen.
P1 hat nie behauptet wegen der aktuelle Sicherheitslage ausgereist zu sein oder deswegen mit P2 und P3 nicht in die Republik Kasachstan zurückkehren zu können und diese hat sich weder seit der ersten Ausreise von P1 bis P3 noch seit der neuerlichen Reise der Beschwerdeführer nach Österreich verschlechtert und ist nach wie vor stabil.
P1 und P3 sind gesund und P1 hat nie behauptet wegen mangelnder medizinischer Versorgung wiederholt mit P2 und P3 von der Republik Kasachstan nach Österreich gekommen zu sein.
Die Beschwerdeführer sind in XXXX geboren und haben dort den bei weitem überwiegenden Teil ihrer Leben verbracht. Dieser Aufenthalt wurde nur von einem XXXX Aufenthalt in Österreich von XXXX unterbrochen bzw. nach der freiwilligen Rückkehr in die Heimat XXXX fortgesetzt. P1 bis P3 leben seit der Geburt von P2 und P3 im gemeinsamen Haushalt.
P1 absolvierte eine XXXX Schulausbildung in der Republik Kasachstan, machte danach im Herkunftsstaat eine Berufsausbildung im XXXX und absolvierte ein zweijähriges XXXX . P1 hat bis zur neuerlichen Ausreise am XXXX P2 und P3 besuchten in XXXX problemlos die Schule und reisen mit P1 XXXX .
P1 ist arbeitsfähig und –willig. P1 hat nie behauptet, wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnissen, im Alter von XXXX , neuerlich mit P2 und P3 aus der Republik Kasachstan ausgereist zu sein, dass sie obdachlose gewesen wären oder an Hunger gelitten hätten. Es kann nicht festgestellt werden, dass die mittlerweile XXXX P1 und P3 im Fall ihrer neuerlichen Rückkehr in die Republik Kasachstan in eine ihre Existenz gefährdende Notsituation geraten würden. P1 kann auch in Zukunft, wie auch schon nach ihrer letzten Rückkehr aus Österreich, arbeiten und damit wieder für sich und ihre beiden Kinder ein die Existenz ausreichendes Einkommen erwirtschaften. P1 kann in der Republik Kasachstan wieder problemlos im XXXX oder einer anderen adäquaten Funktion im XXXX - entweder wieder in XXXX oder in jeder anderen Region Kasachstans - arbeiten. P3 kann wieder in der Heimat zur Schule gehen. P1 und P3 können wieder in ihre Wohnung in XXXX zurückkehren, wo nach wie vor die XXXX Mutter von P1 lebt.
e) Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich:
P1 bis P3 reisten erstmals im XXXX aus der Republik Kasachstan aus und hielten sich XXXX Jahre, vom XXXX , aufgrund der ersten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich auf.
Nach der freiwilligen Heimreise der Familie reisten die Beschwerdeführer, problemlos, legal mit ihren kasachischen XXXX und XXXX aus der Republik Kasachstan aus; P1 stellte allerdings erst am XXXX , die zweiten Anträge auf internationalen Schutz. P1 bis P3 halten sich seit XXXX im Bundesgebiet auf und leben durchgehend von der Grundversorgung.
Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Russisch, P1 spricht nur mangelhaft Deutsch, P3 hingegen altersentsprechend.
P1 war in Österreich – im Gegensatz zum Herkunftsstaat – während ihrer wiederholten Asylantragstellungen – nie berufstätigt. P1 bis P3 lebten bereits während ihrer ersten Asylverfahren und nach ihrer neuerlichen Einreise im XXXX durchgehend von der österreichischen Grundversorgung. P1 konnte, im Gegensatz zur Republik Kasachstan, in Österreich noch nie eigenes Einkommen erwirtschaften. P1 besucht aktuell keine Deutschkurse oder Fortbildungsveranstaltungen und verbringt die Tage in Österreich damit spazieren und mit ihren Kindern ins Schwimmbad zu gehen.
Allfällige freundschaftliche Beziehungen von P1 und P3 sind zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich P1 ihrer unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Nach XXXX Jahren kann eine überdurchschnittlich fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet bei P1 und P3 nicht festgestellt werden. Es bestehen keinerlei familiäre Anbindungen in Österreich; ein Onkel ( XXXX ) lebt zwar in XXXX , jedoch besteht kaum Kontakt.
f) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:
Politische Lage
Die Republik Kasachstan ist das größte Binnenland der Welt mit im Jahr 2023 geschätzt 19,54 Millionen Einwohnern (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Die Republik Kasachstan ist eine Präsidialrepublik mit Zwei-Kammer-Parlament. Seit 20.03.2019 ist Kassim-Schomart Tokajew das Staatsoberhaupt. Regierungschef ist seit 11.01.2022 Ministerpräsident Alichan Smajilow (AA Steckbrief Stand 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023).
Im zentralasiatischen Kasachstan ist die vorgezogene Parlamentswahl ohne größere Zwischenfälle verlaufen. 54,19 Prozent der rund 12 Millionen Wahlberechtigten machten vom Stimmrecht Gebrauch. Wie das Staats-TV unter Berufung auf Nachwahlbefragungen meldete, lag die regierende Amanat-Partei mit circa 53 Prozent der Stimmen vorn. Es dürften fünf bis sechs Parteien - statt bisher drei - ins Parlament einziehen. Erstmals wurden alle 98 Abgeordneten des kasachischen Unterhauses (Maschilis) direkt vom Volk gewählt. Internationale Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) lobten das im Vorfeld als Fortschritt. Auch sie verwiesen jedoch auf Klagen der kasachischen Opposition sowie auf mangelnde Presse- und Meinungsfreiheit in dem ölreichen Land mit 19 Millionen Einwohnern (Kleine Zeitung 19.03.2023).
Laut CEC hat der amtierende Präsident Kassim-Schomart Tokajew die Präsidentschaftswahl am 20.11.2022 nach vorläufigem Ergebnis mit 81,31 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 69,44 % gewonnen. Er wurde am 26.11.2022 in Astana als Präsident vereidigt (Universität Bremen 06.01.2023).
Amtsinhaber Qassym-Schomart Toqajew hat die vorgezogene Präsidentschaftswahl vom 20.11.2022 mit 81,3 % der Stimmen gewonnen. Die fünf Gegenkandidatinnen und –Kandidaten waren wegen ihrer Unbekanntheit erwartungsgemäß chancenlos und erzielten jeweils weniger als 5,8 % „Gegen alle“-Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 69,4 %. Insbesondere in der Metropole Almaty fiel sie mit 28,7 % niedrig aus Toqajew hatte die Wahl am 21.09.2022 kurzfristig vorziehen lassen. Im Wahlkampf versprach er ein „Neues Kasachstan“ mit demokratischen Fortschritten und wirtschaftlichen Reformen, wie Medien weiter berichteten. Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE kritisierte mangelnden Pluralismus und politischen Wettbewerb bei der Wahl. Unabhängige Kandidatinnen oder Kandidaten hätten nicht antreten dürfen, die Anforderungen hierfür wie etwa mehrjährige Erfahrung im öffentlichen Dienst oder in einem politischen Amt stünden im Widerspruch mit OSZE-Verpflichtungen (BAMF 06.12.2022).
Kasachstan erlangte seine Unabhängigkeit im Dezember 1991. Das Land ist eine Republik mit starker Stellung des Präsidenten. Das Parlament hat zwei Kammern: den Senat (Oberhaus) mit 47 Sitzen und die Maschilis (Unterhaus) mit 107 Sitzen. Staatspräsident Tokajew kündigte im März 2022 weitreichende Reformen und die Umwandlung in eine Präsidialrepublik mit starker Rolle des Parlaments an. Beim Verfassungsreferendum am 05.06.2022 stimmten 77,18 % der Wahlberichtigten für die vom Staatspräsidenten vorgelegten Verfassungsänderungen. Zentrale Elemente der Reform sind die Stärkung der Maschilis, eine Wahlrechtsreform (70 % Verhältnis-, 30 % Mehrheitswahlrecht), die Gründung eines Verfassungsgerichts sowie eines obersten Rechnungshofs, Zulassung neuer Parteien und die Abschaffung der Todesstrafe. Dominante politische Kraft ist die Partei „Amanat“ (ehem. „Nur Otan“, bis 01.03.2022). Bei den Parlamentswahlen am 10.01.2021 erhielt sie 71,09 % der Stimmen (AA politisches Porträt Stand 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023).
Im Jänner 2022 kam es in ganz Kasachstan zu schweren Unruhen. Anlass war eine Verdoppelung der Flüssiggaspreise. Seither ist immer noch die politische Aufarbeitung im Gange und zahlreiche hochrangige Beamte und Unternehmer mussten ihre Ämter räumen. Auch wurde die Hauptstadt von Nur-Sultan (Vorname des ersten Präsidenten Nursultan Nazarbayev) wieder auf den Namen „Astana“ umbenannt. Präsident Tokayev hat weitgehende politische, sozioökonomische und wirtschaftliche Reformen angekündigt, um die Wohlfahrt im Lande zu verbessern und Korruption zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang gab es Anfang Juni 2022 ein Verfassungsreferendum, welches mit großer Mehrheit angenommen wurde. Die wesentlichen Punkte der Reform sind die Beschränkung der Macht des Präsidenten zugunsten des Parlaments, die Zulassung neuer Parteien und die Dezentralisierung des Landes und damit die Aufwertung der Regionen. Auch soll sich der Staat aus der Wirtschaft zurückziehen und der Präsident wird nur mehr für eine Amtszeit von sieben Jahren (statt max. zweimal fünf Jahre) gewählt. Präsident Tokayev hat in diesem Zusammenhang vorgezogene Präsidentenwahlen für 20.11.2022 veranlasst und diese mit großem Vorsprung schlussendlich auch gewonnen (WKO Stand 07.03.2023).
Am 07.02.2022 unterzeichnete Präsident Tokajew die im Januar verabschiedete Verfassungsänderung, die dem Ersten Präsidenten Nursultan Nasarbajew den lebenslangen Vorsitz des Nationalen Sicherheitsrates und der Versammlung des Volkes von Kasachstan entzieht. Innen- und Außenpolitik müssen nicht mehr mit Nasarbajew koordiniert werden. Nasarbajew behält seinen Sitz im Verfassungsrat, sein Amt als Ehrensenator und das Recht vor dem Parlament zu sprechen (Universität Bremen 10.06.2022).
Ein am 05.05.2022 stattgefundenes Referendum über die Teilrevision der kasachischen Verfassung wurde mit 77,18% Ja-Stimmen angenommen. Die Änderungen zielen insbesondere auf eine Abschaffung der persönlichen Privilegien des früheren Präsidenten Nursultan Nasarbaev sowie die Einführung von Beschränkungen hinsichtlich der präsidialen Machtfülle ab. Eine Person soll nicht mehr als zweimal hintereinander zur Präsidentin oder zum Präsidenten gewählt werden können, sie muss aus ihrer Partei austreten, solange sie im Amt ist, und ihre Verwandten sollen keine leitenden Positionen in staatlichen und quasistaatlichen Strukturen mehr bekleiden dürfen. Ebenso ist die Einrichtung eines Verfassungsgerichtes vorgesehen. Die Änderungen zielen außerdem auf eine Stärkung des Parlamentes und die Einführung eines Mischwahlsystems ab. Das Referendum wird mitunter vom amtierenden Präsidenten Qassym-Schomart Toqajew als Teil eines Übergangsprozesses von einer superpräsidialen Regierungsform zu einer Präsidialrepublik mit einem starken Parlament gesehen. Eine Reihe von politischen Analystinnen und Analysten bezeichnet die Reformen allerdings als kosmetisch und stellt fest, dass die Änderungen die Gesellschaft nicht demokratisieren und dem Präsidenten erhebliche Befugnisse zur Beeinflussung aller Staatsgewalten und den politischen Institutionen belassen (BAMF 13.06.2022).
Das Parteiengesetz von 2002 wurde 2020 überarbeitet und die Anzahl der Mitglieder, die für die Registrierung einer Partei beim Justizministerium erforderlich sind, von 40.000 auf 20.000 reduziert. Kritiker argumentieren, dass die Maßnahme den mühsamen Registrierungsprozess nicht erleichtert und die Beamten einen breiten Ermessensspielraum haben, um die Registrierung der Partei in der Praxis zu verzögern oder zu verweigern. Das Gesetz verbietet immer noch Parteien, die auf ethnischer Herkunft, Religion oder Geschlecht basieren. Oppositionsparteien wurden durch Gesetze gegen Extremismus verboten oder marginalisiert, ihre Führer wurden strafrechtlich verfolgt und ihre Aktivitäten für ihre Anhänger in Kasachstan eingeschränkt (FH 28.02.2022).
Am 05.06.2022 waren landesweit 11.734.642 Abstimmungsberechtigte dazu aufgerufen, in insgesamt 9.964 Wahllokalen im In- und Ausland über die Annahme einer Verfassungsänderung mit 56 vorgesehen Anpassungen abzustimmen. Diese sehen unter anderem die Verkleinerung und Stärkung des Parlaments, die Schaffung von drei neuen Gebieten und das Verbot einer Parteimitgliedschaft für den Präsidenten vor. Bis zum Ende des Referendums um 22 Uhr haben 68,05 % der Berechtigten abgestimmt. Laut Zentraler Wahlkommission vom 06.06.2022 haben 77,18 % für die Verfassungsänderung abgestimmt und 18,66 % dagegen. 4,16 % der Stimmen wurden für ungültig erklärt bzw. nicht berücksichtigt. Die vorgesehenen Anpassungen und Ergänzungen der Verfassung sind damit angenommen. Am 08.06.2022 trat das Präsidialdekret vom 03.05.2022 zur Schaffung der drei neuen Gebiete Abai, Schetisu und Ulytau in Kraft (Universität Bremen 29.07.2022).
Die Hauptstadt der Republik Kasachstan soll wieder ihren vorigen Namen Astana bekommen. Mit Billigung von Präsident Kassym-Schomart Tokajew sei ein entsprechendes Gesetz ins Parlament des zentralasiatischen Staates eingebracht worden, meldeten russische Agenturen. Die Hauptstadt war erst 2019 in Nur-Sultan umbenannt worden – zu Ehren des früheren kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Andere nach Nasarbajew benannte Orte oder Einrichtungen sollten ihre Namen aber behalten, sagte Tokajew demnach. Tokajew hatte vor wenigen Wochen für diesen Herbst eine vorgezogene Präsidentenwahl angekündigt. In einer Rede vor dem Parlament am Donnerstag in der Hauptstadt Nur-Sultan begründete er damals den Schritt mit „erforderlichen Maßnahmen zur Stärkung der Staatlichkeit“. Mehr als drei Viertel der Kasachen hatten im Juni für eine Verfassungsreform gestimmt, welche die Sonderprivilegien des Präsidenten aus der Zeit des früheren Staatschefs Nursultan Nasarbajew, Tokajews Vorgänger, abschaffte (Der Spiegel 13.09.2022).
Am 16.09.2022 beschloss das Parlament die Rückbenennung der Hauptstadt Nur-Sultan in Astana und verabschiedete eine Reihe von Verfassungsänderungen, unter anderem die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre und die Beschränkung auf eine Amtszeit ohne Möglichkeit auf Wiederwahl (Universität Bremen 14.10.2022).
Präsident Qassym-Schomart Toqajew hat mittels Dekret vom 19.01.2023 das Unterhaus des Parlamentes (kasachisch: Mäschilis) sowie die örtlichen Vertretungsorgane (kasachisch: Mäslihat) auf allen Ebenen aufgelöst. Er setzte vorgezogene Parlamentswahlen für den 19.03.2023 an. Der Zeitpunkt der Wahlen hinsichtlich der örtlichen Vertretungsorgane werde von der Zentralen Wahlkommission erst noch bekanntgegeben. Im Januar vergangenen Jahres brachen in Kasachstan Massenunruhen aus, die in Krawalle und Zusammenstöße mit den Ordnungskräften mündeten. Infolgedessen wurden 238 Menschen getötet. Nachdem die Unruhen im Land eingedämmt wurden, leitete Toqajew eine Reform der Verfassung ein, die das Land von einer superpräsidialen zu einer präsidialen Republik mit einem starken Parlament machen soll. Die Notwendigkeit der Abhaltung von vorgezogenen Wahlen ergebe sich gemäß Toqajew aus der Verfassungsreform (BAMF 23.01.2023).
(CIA, The World Factbook, Kasachstan, letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/
Kleine Zeitung, Wahl in Kasachstan, 19.03.2023, https://www.kleinezeitung.at/service/newsticker/aussenpolitik/6265319/Wahl-inKasachstan_Regierungspartei-mit-53-Prozent-voran
AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, Steckbrief, Stand 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/steckbrief/206340
Der Spiegel, Kasachstan Hauptstadt Nur-Sultan soll wieder Astana heißen, 13.09.2022, https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/kasachstan-hauptstadt-nur-sultan-soll-wieder-astana-hei-c3-9fen/ar-AA11MOp1
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 153, 29.07.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/153/ZentralasienAnalysen153.pdf
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 13.06.2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw24-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=3
AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, politisches Porträt, 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/politisches-portrait/206674
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 06.12.2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw49-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Die kasachische Wirtschaft, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kasachische-wirtschaft.html
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 155, 06.01.2023, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/155/ZentralasienAnalysen155.pdf
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 23.01.2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw04-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=4 )
Sicherheitslage
In der Republik Kasachstan herrscht ein guter Sicherheitsstandard mit Sicherheitsstufe 01; laut Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gibt es sechs Sicherheitsstufen von 01= gut bis 06 = Reisewarnung (BMEIA Stand 31.03.2023).
Die COVID-19 bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wurden landesweit weitestgehend aufgehoben (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 31.03.2023).
Im Jänner 2022 kam es in ganz Kasachstan zu schweren Unruhen. Anlass war eine Verdoppelung der Flüssiggaspreise. Seither ist immer noch die politische Aufarbeitung im Gange und zahlreiche hochrangige Beamte und Unternehmer mussten ihre Ämter räumen (WKO Stand 07.03.2023).
Auch in Kasachstan gibt es vereinzelt terroristische Angriffe, zuletzt im Sommer 2016 auf ein Waffengeschäft in Aktöbe und auf eine Polizeistation in Almaty. Die Sicherheitslage im gesamten Land ist stabil. In Almaty und der Hauptstadt Astana (ehem. Nur-Sultan) muss mit der üblichen Großstadtkriminalität wie Taschendiebstahl, Raub, Trickbetrügerei und angeblichen Polizeikontrollen gerechnet werden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 31.03.2023).
Am 04.09.2022 wurden nach Waldbränden auf einer Fläche von über 43.000 ha im Bezirk Auliekol (Gebiet Kostanai) aus vier Dörfern insgesamt 1841 Personen evakuiert. Erst am Vortag musste ein großflächiger Steppenbrand im Naturpark Syrdarja-Turkestan (Gebiet Turkestan) gelöscht werden (Universität Bremen 14.10.2022).
(AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 01.12.2022, Stand 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Die kasachische Wirtschaft, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kasachische-wirtschaft.html
BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation, Republik Kasachstan, unverändert gültig seit 23.03.2023, Stand 31.03.2023, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan )
Justiz
Die Gesetze sehen keine unabhängige Justiz vor und sowohl die Exekutive als auch die Gerichtsbarkeit schränkten stark die richterliche Unabhängigkeit ein (USDOS 20.03.2023).
Die Regierung unternahm einige Anstrengungen, um die Korruption in Gerichtsverfahren zu verringern, wie z. B. die Einführung neuer Verfahren zur Überprüfung und Prüfung der Qualifikationen von Richterkandidaten (USDOS 20.03.2023).
Die Justiz des Landes war stark von der Exekutive abhängig, Richter waren politischem Einflussname ausgesetzt und Korruption war ein Problem im gesamten Justizsystem. Staatsanwälte genossen eine quasi-richterliche Rolle und hatten die Befugnisse gerichtliche Entscheidungen auszusetzen. Korruption war auf allen Ebenen der Gerichtsverfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den bestbezahlten Beamten gehörten, behaupteten Rechtsanwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Behördenmitarbeiter Bestechungsgelder, im Gegenzug für günstige Urteile, in vielen Straf- und Zivilverfahren annahmen. Richter wurden für Verstöße gegen die Gerichtsethik bestraft. Am 20.03.2021 wurde das Gesetz über das Gerichtssystem geändert, um vom Präsident nominierte Kandidaten für das Amt am Obersten Gerichtshof von mehreren Anforderungen zu befreien, die für andere Kandidaten obligatorisch sind, wie z. B. Berufserfahrung als Richter, obligatorische interne Berufsfortbildung, Tests sowie die Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof (USDOS 12.04.2022).
Die Justiz verhält sich gegenüber der Exekutive unterwürfig, wobei der Präsident auf Empfehlung des Obersten Justizrates, der selbst vom Präsidenten ernannt wird, Richter nominiert oder direkt ernennt. Richter unterliegen politischem Einfluss und Korruption ist ein Problem im gesamten Justizsystem (FH 28.02.2022).
Am 07.09.2022 verabschiedete das Parlament eine Reihe von Verfassungsänderungen, die unter anderem einige Befugnisse des Präsidenten in Bezug auf den Obersten Justizrat einschränken (Universität Bremen 14.10.2022).
Militärgerichte sind für zivile Angeklagte in jenen Fällen, die in Zusammenhang mit Militärangehörigen stehen, zuständig. Militärgerichte verwenden dasselbe Strafgesetzbuch wie Zivilgerichte (USDOS 20.03.2023).
Präsident Toqajew unterzeichnete am 02.11.2022 ein Gesetz zur Amnestierung von rund 1.500 Personen, die im Zusammenhang mit den teils gewaltsamen Protesten gegen die Staatsführung im Januar 2022 angeklagt bzw. verurteilt wurden. Personen, die bereits wegen geringfügigerer Straftaten zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, sollen freigelassen werden; schwererer Verbrechen für schuldig Befundenen soll die Haftstrafe um bis zu 75 % reduziert werden. Die Amnestie soll laut Medienberichten nicht auf Personen angewendet werden, denen u.a. Terrorismus, Hochverrat oder Organisation der Unruhen zu Last gelegt wurde (BAMF 07.11.2022).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2021, Kasachstan 12.04.2022, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 07.11.2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw45-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5 )
Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium beaufsichtigt die nationale Polizei, die vor allem für die nationale Sicherheit verantwortlich ist. Das Komitee für nationale Sicherheit (KNB) ist zuständig für die interne Sicherheit sowie für die Sicherheit an den Grenzen, die nationale Sicherheit, den Antiterrorkampf sowie die Ausforschung und das Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z. B. extremistischen und militärischen Gruppierungen, politischen Parteien, religiösen Gruppierungen und Gewerkschaften. Das KNB berichtet direkt dem Präsidenten und der Vorsitzende hat einen Sitz im Sicherheitsrat. Die zivilen Behörden behielten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab glaubwürdige Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Misshandlungen begangen hätten (USDOS 20.03.2023).
Am 20.05.2022 unterzeichnete Präsident Tokajew ein Dekret über die Reform des KNB (Universität Bremen 10.06.2022).
Das KNB untersucht Fälle von Korruption bei Offizieren des Geheimdienstes, im Antikorruptionsbüro und beim Militär (USDOS 20.03.2023).
Am 03.02.2021 unterzeichnete Präsident Tokajew ein Gesetz, das öffentliche Räte mit erweiterten Befugnissen, unter anderem im Bereich der Kontrolle von Strafverfolgungsbehörden, ausstattet. Die öffentlichen Räte wurden 2015 geschaffen und sollen als Repräsentationsorgan der Zivilgesellschaft deren Interessen gegenüber der Exekutive auf lokaler und nationaler Ebene vertreten (Universität Bremen 29.01.2021).
Am 30.07.2021 entließ Präsident Tokajew den Chef seines Präsidialsicherheitsdienstes, Kalmuchanbet Kasymow. Beobachter sehen einen Zusammenhang zu der internationalen Pegasus-Affäre. Die Spionagesoftware Pegasus war von diversen Staaten unter anderem zur Überwachung von Journalisten eingesetzt worden. Den Gerüchten zufolge soll Tokajew selbst vor seinem Amtsantritt 2019 überwacht worden sein (Universität Bremen 01.10.2021).
Am 07.09.2022 verabschiedete das Parlament eine Reihe von Verfassungsänderungen, die unter anderem einige Befugnisse des Präsidenten in Bezug auf lokale Exekutivbehörden einschränken (Universität Bremen 14.10.2022).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 149, 01.10.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/149/ZentralasienAnalysen149.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 145, 29.01.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/145/ZentralasienAnalysen145.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf )
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Gesetze verbieten Folter, aber Menschenrechtsaktivisten stellten fest, dass die innerstaatliche rechtliche Definition von Folter nicht mit der Definition von Folter in der UN-Konvention gegen Folter übereinstimmt. Der Nationale Präventivmechanismus gegen Folter (Preventive Mechanism against Torture, NPM) wurde per Gesetz als Teil des Regierungsbüros des Ombudsmanns für Menschenrechte eingerichtet (USDOS 20.03.2023).
Die inländische Nichtregierungsorganisation (NGO) Coalition Against Torture meldete im Laufe des Jahres mehr als 200 Missbrauchsfälle. Fälle, in denen Gefängnisbeamte wegen Misshandlung vor Gericht gestellt wurden, waren selten und Beamte wurden oft nur leicht bestraft. Menschenrechtsbeobachter gaben an, dass nur in seltenen Fällen z.B., wenn Informationen über einen Missbrauch veröffentlicht wurden und eine starke öffentliche Reaktion hervorriefen, die Täter zur Rechenschaft gezogen wurden. Misshandlungen ereigneten sich in Polizeizellen, Untersuchungshaftanstalten und Gefängnissen. Menschenrechtsbeobachter erklärten, dass Behörden gelegentlich Untersuchungshaft nutzten, um Gefangene zu schlagen und zu misshandeln, um damit Geständnisse zu erpressen. Beobachter nannten den Mangel an professionellen Schulungsprogrammen für Verantwortliche als Hauptursache für Misshandlungen (USDOS 12.04.2022).
Laut dem Leiter der Sondergeneralstaatsanwaltschaft, Risabek Odscharow, vom 23.02.2022 sind seit dem Ende der Januar Unruhen sechs Menschen in Untersuchungshaft gestorben. In allen Fällen wurde ein Strafermittlungsverfahren gegen Beamte wegen des Verdachtes auf Anwendung illegitimer Verhörmethoden aufgenommen (Universität Bremen 10.06.2022).
Die Polizei wendet bei Verhaftungen regelmäßig übermäßige Gewalt an und Folter wird häufig eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten, wobei jedes Jahr zahlreiche Vorwürfe über körperlichen Misshandlungen und anderen Misshandlungen dokumentiert werden. Im August 2021 soll die Generalstaatsanwaltschaft den Fall von Anatoly Reibant wiederaufgenommen haben, der 2017 nach seiner Entlassung aus dem Polizeigewahrsam starb. Ein Polizeivertreter gab später bekannt, dass keine Verbindung zwischen Reibants Tod, der als Selbstmord eingestuft wurde und den Verletzungen, die er während der Haft erlitten hatte, gefunden werden konnte (FH 28.02.2022).
Laut Generalstaatsanwaltschaft haben Beamte der Polizeibehörde des Gebietes Almaty zwischen dem 07.01.2022 und dem 17.01.2022 insgesamt 23 Bürger gefoltert, die bei Protesten in Taldykorgan (mittlerweile Gebiet Schetisu) festgenommen wurden. Demnach wird gegen fünf Beamte ermittelt (Universität Bremen 14.10.2022).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 150, 09.12.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/150/ZentralasienAnalysen150.pdf
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2021, Kasachstan 12.04.2022, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf )
Korruption
Die Regierung verfolgte selektiv Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, darunter hochkarätige Korruptions- und Folterfälle. Nichtsdestotrotz blieb die Korruption weit verbreitet, und für viele in Führungspositionen sowie für Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden herrschte Straflosigkeit (USDOS 20.03.2023).
Die Gesetze sehen Strafen für Korruption bei Beamten vor, doch die Regierung setzt die Gesetze nicht effektiv um. Obwohl die Regierung einige Schritte unternahm Beamte, die Missbrauch begingen, strafrechtlich zu verfolgen, gab es auch Straflosigkeit, insbesondere wenn es um Korruption ging, oder persönliche Beziehungen zu Regierungsbeamten bestanden. Korruption war laut Menschenrechts-NGOs bei der Exekutive, bei Strafverfolgungsbehörden, bei lokalen Regierungsverwaltungen, im Bildungssystem und der Justiz weit verbreitet (USDOS 20.03.2023).
Von Jänner bis März 2022 berichtete die Behörde zur Korruptionsbekämpfung, dass 725 Fälle von Korruption registriert und untersucht wurden und es gab 241 offizielle Verurteilungen. Von den 725 genannten Fälle kam es in 246 zu Anklagen vor Gericht und 198 Personen wurden verurteilt (USDOS 20.03.2023).
Auf Initiative von Präsident Tokayev wurde am 14.06.2022 ein Beratungsgremium, der Nationale Kurultai (davor Nationalrat des öffentlichen Vertrauens) gegründet, das unter seinem Vorsitz tagt. Zielsetzungen umfassen gesellschaftliche Konsolidierung, Aufbau vom konstruktiven Dialog zwischen der Öffentlichkeit, politischen Parteien, NGOs und Behörden. Seit 13.06.2019 funktioniert die Agentur zur Korruptionsbekämpfung als eigenständige, dem Präsidenten unmittelbar unterstellte Behörde. Davor als Nationales Antikorruptionsbüro bei der Agentur für den öffentlichen Dienst und Korruptionsbekämpfung tätig. Die Agentur hat die Koordinationsrolle in der Entwicklung und Umsetzung der Antikorruptionspolitik sowie in der Korruptionsbekämpfung und Untersuchung von Korruptionsdelikten (ÖB Jänner 2023).
Am 21.02.2022 dementierte der Pressesprecher von Präsident Tokajew die veröffentlichten Ergebnisse einer Reportage des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), laut der dieser während seiner Tätigkeit als Außenminister ein über Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln verwaltetes Vermögen von fünf Millionen US-Dollar besessen haben soll. Laut KNB vom 10.03.2022 wird gegen den ehemaligen Vorsitzenden Karim Masimow nun ebenfalls wegen des Verdachtes auf Korruption ermittelt. Demnach soll Masimow Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt zwei Millionen US-Dollar von Vertretern eines ausländischen Staates angenommen haben. Masimow wurde am 06.01.2022, einen Tag nach seiner Entlassung als KNB-Vorsitzender, wegen des Verdachtes auf Hochverrat festgenommen (Universität Bremen 10.06.2022).
Nach Angaben der Antikorruptionsbehörde fand sich die größte Anzahl von Beamten, die sich in den ersten sechs Monaten 2021 wegen Korruption verantworten mussten, in den Bereichen Polizei, Finanz und Landwirtschaft (USDOS 12.04.2022).
Im Corruption Perceptions Index 2021 lag die Republik Kasachstan auf Platz 102 von 180 (TI Index 2021) und im Jahr 2022 auf Platz 101 von 180 (TI Index 2022).
Korruption ist auf allen Regierungsebenen weit verbreitet. Korruptionsfälle werden oft auf lokaler und regionaler Ebene verfolgt, aber Anklagen gegen hochrangige politische und wirtschaftliche Eliten sind selten und treten in der Regel erst auf, nachdem eine Person bei der Führung in Ungnade gefallen ist. Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle werden oft wegen angeblicher Finanzverbrechen strafrechtlich verfolgt. Im August 2021 berichtete die kasachische Antikorruptionsbehörde, dass seit Jahresbeginn 921 gerichtliche Ermittlungen wegen Korruption eingeleitet wurden, von denen 725 vor Gericht gebracht wurden. Präsident Tokajew hat wie sein Vorgänger die Bedeutung der Bekämpfung der Korruption hervorgehoben. Seit der Einführung eines neuen Antikorruptionsgesetzes im Jahr 2020 ist es Beamten und ihren Familien verboten, Geschenke, materielle Belohnungen oder Dienstleistungen für ihre Arbeit zu erhalten (FH 28.02.2022).
Am 26.09.2022 verurteilte ein Gericht in Astana den Neffen des ersten Präsidenten Nasarbajew, Kairat Satybaldy, wegen der Veruntreuung von Geldern der Kazakhtelecom zu sechs Jahren Freiheitsentzug (Universität Bremen 14.10.2022).
Präsident Tokayev hat weitgehende politische, sozioökonomische und wirtschaftliche Reformen angekündigt, um die Wohlfahrt im Lande zu verbessern und Korruption zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang gab es Anfang Juni 2022 ein Verfassungsreferendum, welches mit großer Mehrheit angenommen wurde (WKO Stand 07.03.2023).
Am 28.10.2022 verurteilte ein Gericht in Astana den ehemaligen Gesundheitsminister Jeldschan Birtanow wegen Amtsmissbrauch zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Er soll unter anderem ein Ambulanzflugzeug für private Zwecke genutzt haben (Universität Bremen 06.01.2023).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/countries/kazakhstan
TI, Transparency International, Corruption Perceptions Index 2022, https://www.transparency.org/en/countries/kazakhstan
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2021, Kasachstan 12.04.2022, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Die kasachische Wirtschaft, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kasachische-wirtschaft.html
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 155, 06.01.2023, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/155/ZentralasienAnalysen155.pdf )
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Ombudsmann
NGOs können in Kasachstan grundsätzlich relativ leicht registriert werden, wobei auch keine Restriktionen in Bezug auf deren erlaubte Aktivitäten bestehen. In der Praxis wurde der Raum für die Zivilgesellschaft in den letzten Jahren jedoch systematisch eingeschränkt, und NGOs, die an sensiblen Themen arbeiten, werden überwacht. Allerdings ist die Gesetzgebung seit 2020 und insbesondere seit 2022 („neues Kasachstan“) einer Liberalisierung unterworfen, die allerdings erst schrittweise Platz greifen wird (ÖB Jänner 2023).
Obwohl einige staatliche Einschränkungen für Menschenrechts NGOs bestehen, arbeiten mehrere nationale und internationale Menschenrechtsgruppen mit einer gewissen Freiheit, Menschenrechtsfälle zu untersuchen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Internationale und lokale Menschenrechtsgruppen berichteten, dass die Regierung NGO-Aktivitäten zu sensiblen Themen überwachte und es zu Belästigungen kam, einschließlich Polizeibesuchen und Überwachung von NGO Büros, Mitarbeitern und deren Familienmitgliedern. Regierungsmitarbeiter waren oft nicht kooperativ oder reagierten nicht auf Fragen von NGOs (USDOS 20.03.2023).
NGOs arbeiten weiterhin, werden aber von der Regierung schikaniert, wenn sie versuchen politisch heikle Themen anzusprechen. Es gibt umfangreiche rechtliche Beschränkungen für die Gründung und den Betrieb von NGOs, einschließlich belastender Finanzvorschriften und harter Strafen bei Nichteinhaltung. Organisationen können Geldstrafen und andere Strafen für vage definierte Straftaten wie die Einmischung in Regierungsaktivitäten oder die Ausübung von Arbeiten außerhalb des Geltungsbereichs ihrer Charta verhängen. Bürger- und Menschenrechtsaktivisten warfen der Regierung vor, die COVID-19 Maßnahmen des Ausnahmezustands als Vorwand zu nutzen, um gegen Aktivisten und Kritiker vorzugehen, sie wegen Verstoßes gegen die Coronavirus-Beschränkungen und Verbreitung falscher Informationen über die Pandemie zu beschuldigen (FH 28.02.2022).
Der Ombudsmann für Menschenrechte wird vom Senat, auf Vorschlag des Präsidenten, für fünf Jahre gewählt. Der Ombudsmann prüft und untersucht Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen von Behördenmitarbeitern und Organisationen. Er gibt Empfehlungen ab und veröffentlicht Menschenrechtsberichte. Der Ombudsmann ist auch Vorsitzender des Koordinierungsrates des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter. Am 29.12.2021 wurde ein neues Gesetz unterzeichnet, welches dem Ombudsmann Immunität vor Straf- und Verwaltungsstrafverfolgung gewährte und Eingriffe in die legitimen Aktivitäten der Ombudsperson untersagt. Mit dem neuen Gesetz wurde auch ein Vertreter der Ombudsperson in allen Regionen des Landes eingerichtet. Das Referendum vom 05.06.2022 stärkte den Schutz und das Mandat der Ombudsperson weiter und begründete das Recht der Ombudsperson, beim Verfassungsgericht Beschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsakten zu erheben, wenn die Rechte und Freiheiten von Bürger beschränkt werden (USDOS 20.03.2023).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022 )
Menschenrechte
Internationale Beobachtendenkreise äußern weiterhin Bedenken hinsichtlich des Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Protestteilnehmende und berichten von glaubwürdigen Hinweisen, dass es zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und anderen Übergriffen durch Sicherheitskräfte auch gegen friedliche Protestierende gekommen sein könnte. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet, mehrere UN-Menschenrechtsexpertinnen und -experten, die USA und der Menschenrechtsbeauftragte der EU traten vor diesem Hintergrund für eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse vom Januar 2022 ein. Insbesondere Menschenrechtsorganisationen befürworten eine Untersuchung unter internationaler Beteiligung, was von der kasachischen Staatsführung abgelehnt wird, welche bislang eine rein nationale Aufarbeitung der Ereignisse verspricht (BAMF 21.02.2022).
Laut Außenministerium vom 03.02.2022 wurden als Reaktion auf die Stellungnahme von HRW vom 26.01.2022 98 Strafermittlungsverfahren wegen des Verdachtes auf unverhältnismäßige Gewaltanwendung, illegale Festnahmen und Verletzung der Menschenrechte von Festgenommenen eingeleitet (Universität Bremen 25.02.2022).
Am 15.10.2021 wurde auf der 76. UN-Generalversammlung in New York Kasachstan für den Zeitraum zwischen 2022 und 2024 als Mitglied in den UN-Menschenrechtsrat gewählt (Universität Bremen 09.12.2021).
Die Republik Kasachstan ist Mitglied der Vereinten Nationen (AA politisches Porträt Stand 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023).
Am 03.12.2020 sahen sich mehrere im Land aktive Menschenrechtsorganisationen von der kasachstanischen Regierung durch ungerechtfertigte Steuerforderungen unter Druck gesetzt. Amnesty International, Human Rights Watch, Front Line Defenders und International Partnership for Human Rights forderten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Regierung auf, diese Praxis zu unterbinden. Das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der OSZE kritisiert am 11.01.2021 die Parlamentswahl. In ihrem Bericht bemängelt sie, dass es keinen echten Wahlkampf zwischen den Parteien gegeben habe. Im Vorfeld der Wahl seien Grundfreiheiten eingeschränkt worden. Die Wähler hätten demnach keine wirkliche Auswahl gehabt und die Wahlgesetzgebung weise systematische Mängel auf (Universität Bremen 29.01.2021).
Am 04.02.2021 meldeten sechs Menschenrechtsorganisationen, darunter Echo, die Aufhebung von Strafzahlungen durch die Steuerbehörde, welche diese zuvor gegen sie verhängt hatte (Universität Bremen 06.04.2021).
Es gab weder Berichte über Personen für deren Verschwinden staatlichen Behörden gesorgt hätten, oder wonach derartiges von staatliche Behörden angeordnet worden wäre (USDOS 20.03.2023).
(AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, politisches Porträt, 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/politisches-portrait/206674
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 21.02.2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw08-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 151, 25.02.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/151/ZentralasienAnalysen151.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 145, 29.01.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/145/ZentralasienAnalysen145.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 146, 06.04.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/146/ZentralasienAnalysen146.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 150, 09.12.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/150/ZentralasienAnalysen150.pdf
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/ )
Versammlungs- und Vereinsfreiheit sowie Medien
Die Gesetze sehen eingeschränkt Versammlungs- und Vereinsfreiheit vor, aber es gibt erheblichen Beschränkungen dieser Rechte. Gegner kritisieren, dass die Gesetze zur friedlichen Versammlungsfreiheit restriktiv seien sowie nicht an die internationalen Standards heranreichen. Ernsthafte Einschränkungen blieben bestehen. Organisatoren von Versammlungen müssen lokalen Behörden im Voraus benachrichtigen und auf deren Zustimmung warten. Das Gesetz besagt, dass alle Versammlungen mit Ausnahme von Einzelstreikposten, nur in von den Behörden ausgewiesenen Gebieten abgehalten werden dürfen. Spontane Zusammenkünfte sind verboten, Ausländern und Staatenlosen wird das Recht auf friedliche Versammlung verweigert (USDOS 20.03.2023).
Das Versammlungsrecht ist nominell in der kasachischen Verfassung verankert (Art. 23, einfachgesetzliche Umsetzung 1969), blieb jedoch in der Praxis erheblich eingeschränkt. Das Versammlungsrecht wurde bisher dadurch verletzt, dass nur Aktivitäten von registrierten Organisationen erlaubt sind. Nunmehr sind verschiedene Kategorien von Organisationen festgelegt (politische Parteien, Gewerkschaften, kommerzielle Entitäten, NPOs), sodass de facto ein weiter Spielraum gegeben ist. Prinzipiell soll sich jede Organisation auf die in ihrer Satzung niedergelegten Zielsetzungen beschränken, wobei dies faktisch jedoch nur bei Wahlbeobachtung (Notwendigkeit statutarischer Festlegung) oder Vornahme ungesetzlicher Aktivitäten (etwa Aufhetzung) zum Tragen kommt. Alle Versammlungen müssen nur mehr notifiziert werden, wobei den Behörden innerhalb von fünf Tagen ein Einspruchsrecht zukommt. 2022 wurden laut kasachischem Justizministerium (EU-KAZ Menschenrechtsdialog) von 1.022 rund 273 nicht beeinsprucht; über 700 waren nicht zu genehmigende Ein-Personen Kundgebungen sowie Absagen aufgrund bereits anderweitig vergebener Zeitslots, wobei jegliche Ablehnung eine Neuanmeldung erforderlich macht. Im Falle von Gewerkschaftsversammlungen wird zwischen legalen und illegalen Streiks unterschieden, wobei illegale Streiks mögliche gerichtliche Kündigungen nach sich ziehen können. Legalität liegt vor, wenn Arbeitnehmervertreter den Arbeitgeber mit ihren Forderungen konfrontiert haben und angemessene Frist zur Erfüllung der Forderungen verstrichen ist ohne entsprechende Reaktion. Aktuell wird das Arbeitsrecht Kasachstans gemeinsam mit Vertretern der ILO (International Labour Organisation) einer Revision unterzogen, wobei auch die Streikbestimmungen revidiert werden sollten (ÖB Jänner 2023).
Trotz verfassungsmäßiger Garantien schränkt die Regierung die Versammlungsfreiheit stark ein. Präsident Tokajew überarbeitete im Mai 2020 das Gesetz über die öffentliche Versammlung um von Gruppen nicht mehr zu verlangen, dass sie die Erlaubnis der staatlichen Behörden einholen müssen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit versammeln. Stattdessen müssen Gruppen drei bis sieben Tage im Voraus benachrichtigen und dann auf die Genehmigung durch die lokale Verwaltung warten. Kritiker sagen, dass der Staat weiterhin einschränkt, wer wo protestieren kann, da nur offiziell registrierte Gruppen benachrichtigen dürfen und Versammlungen nur an staatlich anerkannten Orten erlaubt sind, die sich oft weit vom Zentrum der Städte entfernt befinden (FH 28.02.2022).
Am 02.11.2022 unterzeichnete Präsident Tokajew ein Gesetz zur einmaligen Amnestierung von über 1.500 Personen, die sich im Januar 2022 an unangemeldeten Versammlungen oder illegalen Demonstrationen beteiligt hatten (Universität Bremen 06.01.2023).
Das Vereinigungsrecht ist ebenfalls in der kasachischen Verfassung verankert und unterscheidet im Rahmen der Gesetzesnovelle 2022 (Inkrafttreten 2023 drei Monate nach erfolgter Promulgation am 5.10.2022) nunmehr zwischen politischen Parteien, Gewerkschaften, kommerziellen Entitäten und NPOs. Die Zulassungszahlen für politische Parteien wurden stark heruntergesetzt (anstelle von 20.000 nur mehr 5.000 Mitglieder notwendig, anstelle von 600 Mitgliedern pro Region nur mehr 200, anstelle von 1.000 Unterschriften nur mehr 700, anstelle von 6 Monaten Prüfungsfrist nur mehr eine Woche in Form von Notifizierung und bei Nichtuntersagung anschließende Registrierung). Allerdings führt die Ungültigkeit einzelner Stimmen (etwa auch bei Präsidentschaftswahlen, 118.000 Antragsstimmen notwendig) zur Ungültigkeit aller Stimmen. Bestimmungszweck von NPOs (nicht professionellen Organisationen) ist von Bedeutung insbesondere bei Wahlbeobachtung, da statuarische Erwähnung erforderlich ist. Die Bildung von Gewerkschaften, kommerziellen Entitäten ist nur mehr anzeigepflichtig und unterliegt keinem Genehmigungsverfahren mehr. Im Falle der Ablehnung ist klarzustellen, welchen zwingenden Gesetzesbestimmungen die Zielsetzung der Organisation wiedersprechen würde (Beispiel Verbot einer Interessens-vertretung Prostituierter [ÖB Jänner 2023]).
Obwohl die Verfassung Rede- und Pressefreiheit vorsieht, schränkte die Regierung die Meinungsfreiheit ein und übte mit verschiedenen unfairen Mitteln Einfluss auf Medien aus, darunter Inhaftierung, Inhaftierung, Straf- und Verwaltungsgebühren, Gesetze, Belästigungen, Lizenzbestimmungen und Internetbeschränkungen (USDOS 20.03.2023).
In Kasachstan sind über 5.000 Medienunternehmen tätig (Stand: September 2022). Wegen Eingriff in die – rechtmäßige – Tätigkeit der Medien, ist strafrechtliche Verantwortung vorgesehen. Im Juni 2020 wurden Verleumdung sowie Anstiftung des sozialen, nationalen, religiösen etc. Unfriedens entkriminalisiert (Journalisten wurden v.a. wegen Verleumdung von Beamten verklagt [(ÖB Jänner 2023)].
Die Unabhängigkeit der Medien ist in Kasachstan stark eingeschränkt. Während die Verfassung Pressefreiheit vorsieht, wird der größte Teil des Mediensektors vom Staat oder regierungsfreundlichen Eigentümern kontrolliert und die Regierung hat wiederholt unabhängige Verkaufsstellen belästigt oder geschlossen. Selbstzensur ist üblich. Die Behörden nutzen auch Internet-Blackouts, um den Zugang zu Medienkanälen einzuschränken (FH 28.02.2022).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 155, 06.01.2023, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/155/ZentralasienAnalysen155.pdf )
Haftbedingungen
Nach Angaben von Prison Reform International (PRI) werden Männer und Frauen in Gefängnissen getrennt untergebracht und Untersuchungshäftlinge getrennt von verurteilten Häftlingen (USDOS 20.03.2023).
Die Bedingungen in Untersuchungshaftanstalten und Gefängnissen sind hart. Berichten von RFE/RL zufolge ist die Zahl der Selbstmorde unter Gefangenen in den letzten Jahren gestiegen; Mindestens ein Insasse starb 2021 durch Selbstmord, und mehrere andere haben sich aus Protest gegen die Haftbedingungen absichtlich verletzt (FH 28.02.2022).
Die Bedingungen in den Gefängnissen sind in der Regel hart, manchmal lebensbedrohlich und Einrichtungen entsprechen nicht internationalen Gesundheitsstandards. Gesundheitliche Probleme unter Häftlingen bleiben in vielen Fällen unbehandelt oder werden durch die Haftbedingungen verschlechtert. Die Sanitäreinrichtungen und die medizinische Versorgung in den Gefängnissen sind schlecht und es gibt einen erheblichen Mangel an medizinischem Personal (USDOS 20.03.2023).
Anlässlich des 30. Jahrestages der Unabhängigkeit Kasachstans am 16.12.2021 verabschiedet das Parlament am 03.11.2021 ein Gesetz, das über 2.300 Strafgefangenen und über 11.000 Personen mit Bewährungsstrafen Amnestie gewährt (Universität Bremen 09.12.2021).
Im August 2021 soll die Generalstaatsanwaltschaft den Fall von Anatoly Reibant wiederaufgenommen haben, der 2017 nach seiner Entlassung aus dem Polizeigewahrsam starb. Ein Polizeivertreter gab später bekannt, dass keine Verbindung zwischen Reibants Tod, der als Selbstmord eingestuft wurde und den Verletzungen, die er während der Haft erlitten hatte, gefunden werden konnte (28.02.2022).
Laut dem Leiter der Sondergeneralstaatsanwaltschaft, Risabek Odscharow, vom 23.02.2022 sind seit dem Ende der Januar Unruhen sechs Menschen in Untersuchungshaft gestorben. In allen Fällen wurde ein Strafermittlungsverfahren gegen Beamte wegen des Verdachtes auf Anwendung illegitimer Verhörmethoden aufgenommen (Universität Bremen 10.06.2022). Das Gesetz verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, dennoch kam es zu derartigen Vorfälle (USDOS 20.03.2023).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 150, 09.12.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/150/ZentralasienAnalysen150.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf )
Todesstrafe
Am 29.12.2021 überzeichnete der Präsident der Republik Kasachstan Kassym-Jomart Tokayev ein Gesetz über die Abschaffung der Todesstrafe (AI 24.05.2022)
Am 29.12.2021 unterzeichnete Präsident Tokajew das Gesetz zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe. Die in der ursprünglichen vom Parlament verabschiedeten Fassung erhaltene Ausnahme für schwere Kriegsverbrechen wurde am 23.12.2021 vom Senat kassiert (Universität Bremen 25.02.2022).
Nach offiziellen Angaben vom 02.01.2021 hat Staatspräsident Qassym-Schomart Toqajew die Ratifizierung des Zweiten Fakultativprotokolls des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch das Parlament unterzeichnet und damit die Todesstrafe in Kasachstan abgeschafft. Die Todesstrafe war 2003, außer für Vergehen in terroristischen Kontexten, ausgesetzt worden (BAMF 11.01.2021).
(AI, Amnesty International, Death Sentences and Executions 2021, 24.05.2022, https://www.amnesty.org/en/documents/act50/5418/2022/en/
BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 11.01.2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2044075/briefingnotes-kw02-2021.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 151, 25.02.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/151/ZentralasienAnalysen151.pdf )
Bevölkerung
Die kasachische Bevölkerung setzt sich aus den folgenden Bevölkerungsgruppen zusammen: ca. 68 % Kasachen, 19,3 % Russen, 3,2 % Usbeken; 1,5 % Ukrainer, 1,5 % Uiguren, 1,1 % Tataren, 1 % Deutsche und 4,4 % sonstige (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Das kasachische Volk ist sehr tolerant und gastfreundlich (WKO Stand 07.03.2023).
(CIA, The World Factbook, Kasachstan, letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Kasachstan Reisen, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/nach-kasachstan-reisen.html )
Sprachen
In der Republik Kasachstan verstehen 83,1 % der Bevölkerung Kasachisch. Ungefähr 22,3 % der Bevölkerung sind dreisprachig (Kasachisch, Russisch und Englisch). 94,4 % der Bevölkerung verstehen Russisch, das im täglichen Geschäftsleben gesprochen und als „Sprache der interkulturellen Verständigung“ bezeichnet wird (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Internetnutzer können frei auf die meisten internationalen Nachrichtenplattformen zugreifen, aber nur ein kleiner Prozentsatz der Kasachen konsumiert Inhalte in Englisch. Es gibt in Russisch viel mehr inländische Onlineinformationen als in Kasachisch, das gilt auch für Nachrichtenportale und soziale Medien. Das Volumen von Internetinhalten in kasachischer Sprache nimmt langsam zu. Alle öffentlichen Einrichtungen sind verpflichtet zumindest kasachisch- und russischsprachige Versionen ihrer Websites bereitzustellen und viele privatwirtschaftliche Einrichtungen folgen diesem Beispiel. Das Land hat mit dem Übergang vom kyrillischen Alphabet zum lateinischen Alphabet begonnen, mit dem erklärten Ziel, die kasachische Sprache mit den meisten Kodierungen und Schriftarten für die digitale Kommunikation kompatibel zu machen (FH 18.10.2022).
(FH, Freedom House, Freedom on the Net 2022, Kasachstan, 18.10.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-net/2022
CIA, The World Factbook, Kasachstan, letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/ )
Religion
Die Verfassung definiert das Land als säkularen Staat und sieht Religions- und Glaubensfreiheit vor, ebenso die Freiheit Religionszugehörigkeit abzulehnen. Diese Rechte dürfen nur durch Gesetze und nur in dem Umfang eingeschränkt werden, der für den Schutz des Verfassungssystems, der öffentlichen Ordnung, der Menschenrechte und Freiheiten sowie der Gesundheit und Moral der Bevölkerung erforderlich ist (USDOS 02.06.2022)
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und einige Religionsgemeinschaften praktizieren ohne staatliche Einmischung. Aktivitäten von nicht registrierten religiösen Gruppen sind jedoch verboten, und registrierte Gruppen unterliegen einer strengen staatlichen Aufsicht. Die Regierung hat weitreichende Befugnisse, Organisationen zu verbieten, die sie als „extremistisch“ bezeichnet (FH 28.02.2022).
Der Ausschuss für Religiöse Angelegenheiten, als Teil des Ministeriums für Soziale Entwicklung, ist für religiöse Fragen zuständig (USDOS 02.06.2022).
Ca. 70,2 % der Bevölkerung gehören dem Islam an, 26,2 % sind Christen (hauptsächlich Russisch-Orthodox), 0,2 % gehören anderen Religionen an, es gibt 2,8 % Atheisten und 0,5 % können nicht zugeordnet werden (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Laut des letztes Zensus aus dem Jahr 2009 identifizieren sich 96,7 % der Bevölkerung mit einem Glauben und 92,8 % bezeichneten sich selbst als religiös. Die Bevölkerung besteht zu rund 70 Prozent aus sunnitischen Muslimen, zu 26 Prozent aus Christen, davon die Mehrheit Russisch-Orthodox (weiter Gruppen sind beispielsweise römisch-katholisch, griechisch-katholisch, Protestanten, ...). Andere religiöse Gruppen, die zusammen weniger als fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen sind Juden, Buddhisten, Bahá'í, Hare Krishnas und Scientologen. Ethnische Kasachen und andere zentralasiatische ethnische Gruppen sind meistens Muslime und ethnische Russen und Ukrainer meistens Christen (USDOS 02.06.2022).
Ethnische Kasachen und andere zentralasiatische ethnische Gruppen identifizieren sich in erster Linie als Muslime und ethnische Russen und Ukrainer identifizieren sich in erster Linie als Christen. Die russisch-orthodoxe Kirche wird in der Republik Kasachstan staatlich anerkannt und es gibt eine russisch-orthodoxe Schule für die Ausbildung russisch-orthodoxe Priester (USDOS 02.06.2022).
Im Vorfeld des siebenten Kongresses der Anführer der Welt- und traditionellen Religionen in Nur-Sultan empfing Präsident Tokajew am 13.09.2022 unter anderem Papst Franziskus, den Großmufti des Kaukasus, Paschazadeh, den Patriarch der Orthodoxen Kirche von Jerusalem, Theophilos III., und den Hohen Vertreter des UN-Generalsekretärs für die Allianz der Zivilisationen, Moratinos zu jeweiligen Gesprächen über Möglichkeiten der Förderung des globalen interreligiösen Dialoges. Am 14.09.2022 eröffnete Präsident Tokajew in Nur-Sultan den siebten Kongress der Anführer der Welt- und traditionellen Religionen. In seiner Ansprache äußert Tokajew Sorge angesichts eines „Zusammenbrechens der Systeme internationaler Sicherheit vor unseren Augen“, weshalb „die moralische Autorität der geistlichen Anführer“ für die Förderung von „Wohlwollen, Dialog und Zusammenarbeit“ heute „wichtiger denn je“ sei (Universität Bremen 14.10.2022).
(CIA, The World Factbook, Kasachstan, letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/
FH, Freedom House, Freedom in the World 2022, Kasachstan, 28.02.2022, https://freedomhouse.org/country/kazakhstan/freedom-world/2022
USDOS, United States Department of State, Jahresbericht Religionsfreiheit 2021, Kasachstan, 02.06.2022, https://www.state.gov/reports/2021-report-on-international-religious-freedom/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 154, 14.10.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/154/ZentralasienAnalysen154.pdf )
Beziehungen zur Russischen Föderation
Das kasachische Zivilrecht wird vom römisch-germanischen Recht und sowohl in Theorie als auch Praxis von der Russischen Föderation beeinflusstes (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Ca. 10 % der kasachischen Exporte gehen in die Russische Föderation und diese mit ca. 34% der größte Importeur in die Republik Kasachstan; die Russische Föderation ist zudem Hauptwaffenlieferant (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Kasachstan hat eine vielfältige Bevölkerung, bestehend aus asiatischen ethnischen Gruppen (überwiegend Kasachen sowie Usbeken, Uiguren und Tataren) und ethnischen Europäern (hauptsächlich Russen, aber auch Ukrainer und Deutsche). Etwa zwei Drittel der Bevölkerung Kasachstans sind heute Kasachen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts, als Kasachstan industrialisiert wurde, kamen in Wellen ethnische Russen und Deportierte aus anderen Teilen der Sowjetunion, bis die russische Bevölkerung den Kasachen zahlenmäßig überlegen war. In den 1990er Jahren, nach der Unabhängigkeit Kasachstans, begannen russische und andere ethnische Europäer auszuwandern, während einige ethnische Kasachen aus den Nachbarländern China und der Mongolei in ihre Heimat zurückkehrten. Infolgedessen änderte sich die ethnische Zusammensetzung des Landes und eine kasachische Mehrheit wurde wiederhergestellt. In den letzten Jahren hat sich Kasachstan von einem hauptsächlich entsendenden Migrantenland zu einem Aufnahmeland für Migranten entwickelt. Aufgrund seines ölgetriebenen Wirtschaftsbooms ist Kasachstan zu einem beliebteren Reiseziel geworden. Das Land braucht hochqualifizierte Arbeitskräfte in den Bereichen Industrie, Wirtschaft und Bildung sowie gering qualifizierte Arbeitskräfte in Landwirtschaft, Märkten, Dienstleistungen und Bauwesen. Kasachstan ist zunehmend auf Wanderarbeiter angewiesen, vor allem aus Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan, um seinen Arbeitskräftemangel zu beheben. Gleichzeitig wandern weiterhin hochqualifizierte Kasachen auf der Suche nach höheren Gehältern oder Weiterbildung aus, meist in die Russische Föderation (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Am 06.01.2022 wurde laut dem CSTO-Sekretariat das 1.850 Soldaten umfassende russische Truppenkontingent der „Friedensmission“ per Luftbrücke nach Kasachstan verlegt. Demnach stand bei der Mission der Schutz strategisch wichtiger Objekte im Vordergrund (Universität Bremen 25.02.2022).
Am 10.02.2022 empfing Russlands Präsident Wladimir Putin Präsident Tokajew in Moskau zu Gesprächen. Laut Tokajew hätten beide Staaten eine „Nachbarschaft von Gottes Gnaden“. Tokajew dankte Putin für die Bereitstellung russischer Truppen für die „CSTO-Friedensmission“ im Januar (Universität Bremen 10.06.2022).
Am 12.06.2022 wurde der erste Präsident Nasarbajew anlässlich des „Tag Russlands“ in Moskau vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen. Beide bringen ihr Vertrauen in eine weiterhin freundliche Zusammenarbeit zwischen den Ländern zum Ausdruck. Am 15.06.2022 äußert Präsident Tokajew Im Interview mit dem russischen staatlichen TV-Sender Rossija 24, dass Kasachstan weiterhin auf „intensive Weise“ mit Russland zusammenarbeiten, jedoch keine gegen Russland verhängten Sanktionen umgehen oder verletzen wird. Am 17.06.2022 nahm Präsident Tokajew am 25. Internationalen Wirtschaftsforum St. Petersburg teil. Auf einem Panel mit seinem russischen Amtskollegen Putin äußert Tokajew, dass die bilaterale Zusammenarbeit sehr große Erfolge aufzuweisen habe und sich besonders in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft und Investitionen stetig entwickle. Kasachstan wird Tokajew zufolge Taiwan, Kosovo, Südossetien, Abchasien sowie die „quasi-staatlichen Territorien“ Donezk und Luhansk weiterhin nicht anerkennen. Laut Finprom.kz vom 28.06.2022 ist die Zahl der in Kasachstan tätigen ausländischen Firmen um 12,7 % auf 25.000 angestiegen, davon die meisten aus Russland (Universität Bremen 29.07.2022).
(CIA, The World Factbook, Kasachstan, letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr.151, 25.02.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/151/ZentralasienAnalysen151.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr.152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr.153, 29.07.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/153/ZentralasienAnalysen153.pdf )
Frauen
Kein Gesetz schränkt die Beteiligung von Frauen oder Angehörigen von Minderheiten am politischen Prozess ein, aber traditionelle Einstellungen hinderten Frauen manchmal daran, hohe Ämter zu bekleiden oder eine aktive Rolle im politischen Leben zu spielen (USDOS 20.03.2023).
Die Gesetze schreiben eine kombinierte Quote von 30 Prozent für Frauen und Jugendliche für Listen von Wahlkandidaten vor (USDOS 12.04.2022).
Die Situation in Bezug auf Frauenrechte in Kasachstan ist im Vergleich mit anderen Ländern der Region relativ gut. 2022 belegt Kasachstan den 65. Platz (von 146) im World Economic Forum Gender Gap Index. Obwohl in der Verfassung die Gleichberechtigung der Geschlechter garantiert und auch die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert wurde, existiert eine bedeutsame Kluft zwischen den Gesetzen und Ihrer Umsetzung, besonders da in Kasachstan traditionell-religiöse Geschlechtsnormen vorherrschen. So ist häusliche Gewalt die Todesursache für 400 Frauen jährlich. Während nur 17% der Frauen physische oder sexuelle Gewalt meldeten, liegt die Melderate häuslicher Gewalt lauf informeller Information des „UN Woman Office KAZ“ als auch der stellvertretende Sozialministerin N. Sagindykova bei nur 66 %. Während die Behörden versuchen, das Problem häuslicher Gewalt durch das Programm „Kasachstan frei von Gewalt“ anzugehen, wird sexuelle Belästigung nicht kriminalisiert und die Regierung scheint keine Initiative zu zeigen, dies zu ändern. Besonders in den südlichen Regionen des Landes existiert die Praxis von Zwangsehen auch von Minderjährigen sowie des traditionellen Brautraubes zum Zweck eben solcher Zwangsehen. Der einzige Versuch, diese Ehen zu regulieren, wurde aus dem Entwurf für ein neues Religionsgesetz gestrichen. Regierungsvorlagen 2022 umfassen verbesserten Schutz von Frauen und Mädchen gegen häusliche Gewalt in Umsetzung der Istanbul Konvention bzw. wurde ein Kommunikationsforum von VN Women unter Einbeziehung von Fach Ministerien, dem Amt der MR-Ombudsperson sowie Botschaften geschaffen. Nachhaltiges Ziel ist verbessertes Training staatlicher Organe (Polizei, andere Sicherheitskräfte, Justizbehörden) und die Kriminalisierung jeglicher Gewaltanwendung in der Familie (ÖB Jänner 2023).
Am 08.03.2022 demonstrierten bei einer genehmigten Kundgebung anlässlich des internationalen Frauentages in Almaty ca. 1.000 Personen und andere für eine Modernisierung der staatlichen Geschlechterpolitik und mehr staatliche Maßnahmen gegen häusliche Gewalt (Universität Bremen 10.06.2022).
Fast 600 Frauen und Kinder wurden seit 2019 aus Konfliktzonen in Syrien repatriiert (37 Männer, 157 Frauen und 413 Kinder). Experten haben festgestellt, dass das Wiedereingliederungsprogramm sehr erfolgreich war und gut ressourcenmäßig und personell ausgestattet ist, um Dienstleistungen in staatlichen Rehabilitationszentren zu erbringen. Geburtsurkunden wurden den in Konfliktzonen geborenen Kindern ausgehändigt, und ihre Mütter erhielten Ausweisdokumente, um die Integration zu erleichtern XXXX ).
Nach Angaben von Prison Reform International (PRI) werden Männer und Frauen in Gefängnissen getrennt untergebracht und Untersuchungshäftlinge getrennt von verurteilten Gefangenen (USDOS 20.03.2023).
Ein Grenzschutzbeamter der Abteilung für militärische Ermittlungen des Innenministeriums deckte Aktivitäten einer kriminellen Gruppe auf, die ein Bordell in der Region Atyrau betrieb, in welchem Frauen, darunter Migrantinnen aus Usbekistan, im Rahmen von Menschenhandel zu Sexdienstleistungen gezwungen wurden (USDOS 29.07.2022).
Die Gesetze kriminalisieren sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung und verhängt Strafen von bis zu acht Jahren Gefängnis oder lebenslanger Freiheitsstrafen, wenn das Verbrechen gegen Minderjährige begangen wurde. Es gab Berichte über die Zurückhaltung von Polizei und Justiz auf Berichte über Vergewaltigungen zu reagieren, insbesondere in Fällen von Vergewaltigung durch Ehegatten. Nach Angaben von Menschenrechtsverteidigern gelangten weniger als ein Prozent der Vergewaltigungsklagen vor Gericht. Am 09. Februar verurteilte ein Gericht in Almaty sowohl einen ehemaligen Staatsanwalt als auch einen ehemaligen Manager einer lokalen Bank zu acht Jahren Haft, weil sie 2019 eine Vergewaltigung begangen hatten. Die Polizei weigerte sich zunächst die Beschwerde aufzunehmen als das Opfer das Verbrechen zum ersten Mal meldete, registrierte den Fall aber später offiziell aufgrund der Beharrlichkeit ihres Anwalts. Widerstand der Polizei, Verzögerungen, Versuche die Anzeige zu vertuschen und andere Hürden verzögerten die Ermittlungen. Das Opfer wurde von den Verwandten der Angreifer unter Druck gesetzt und eingeschüchtert, die versuchten sie zu zwingen, die Anzeige zurückzuziehen. Am 10. August verurteilte ein Gericht in Almaty den ehemaligen KNB-Leiter Sabyrzhan Narynbayev wegen versuchter Vergewaltigung und verurteilte ihn zu acht Jahren Gefängnis. Im September 2020 war Aiya Umurzakova auf dem Weg zu ihrem Dorf gewesen und Narynbayev hatte sie angegriffen, geschlagen, versucht sie zu vergewaltigen und bedrohte ihr Leben. Anwälte überredeten sie Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Vor und während des Gerichtsverfahrens berichtete Umurzakova von Druck und Drohungen des Angreifers und dessen Familie die versuchten sie davon zu überzeugen, den Fall fallen zu lassen, indem sie Geld anboten. Gegen sie wurde ein Betrugsverfahren eingeleitet, weil sie angeblich Geld von dem Angeklagten genommen hätte um ihre Beschwerde zurückzuziehen, sich aber danach geweigert hätte, dies zu tun. Das Gericht befand Umurzakova des Betrugs für nicht schuldig (USDOS 12.04.2022).
NGOs schätzten, dass jährlich mehr als 400 Frauen durch Gewalt des Ehegatten starben. Das Gesetz definiert verschiedene Arten von häuslicher Gewalt wie z.B. physische, psychische, sexuelle und wirtschaftliche Gewalt und erklärt die Zuständigkeiten lokaler und nationaler Behörden und NGOs bei der Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt. Die Gesetze sehen Verfahren für den Erlass einstweiliger Verfügungen vor und 24stündige Verwaltungshaft für mutmaßliche Täter. Das Gesetz sieht bei einer Verurteilung wegen Misshandlung und Körperverletzung durch den Ehegatten, ebenso wie bei Köperverletzung, Höchststrafen bis zu zehn Jahren Gefängnis vor. Das Gesetz erlaubt die Erlassung eines Verbots des Gemeinsamen Lebens des Angreifers mit seinem Opfer, wenn der Täter alternative Unterkunftsmöglichkeiten hat. Das Gesetz ermöglicht es Opfern häuslicher Gewalt, unabhängig vom Wohnort, eine angemessene Versorgung zu erhalten. Laut Gesetz werden Geldstrafen durch Verwaltungshaft ersetzt, wenn die Zahlung von Geldbußen durch den Täter den Interessen des Opfers schadet. Die Regierung unterhält in jeder Region Unterkünfte für Opfer häusliche Gewalt. Nach Angaben des Innenministeriums gibt es 49 Krisenzentren, von denen 39 mit Unterkünfte ausgestattet sind. Nach Angaben des Innenministeriums umfassten die Reformen formelle Schulungen von Polizei und Richtern in Fällen häuslicher Gewalt und einen Plan für Wiederholungstäter, wonach die Anwendung von einstweiligen Verfügungen erhöht und die Strafen auf Freiheitsstrafen ausweitet werden (USDOS 12.04.2022).
Berichten zufolge boten NGOs hunderten von Opfern von Menschenhandel im Jahr 2021 Unterkunft, Rechtsbeistand und andere Dienstleistungen an. Eine NGO berichtete, dass sie 200 Opfer identifiziert habe (193 Opfer von Zwangsarbeit, sechs Opfer von Sexhandel und ein Opfer von Sexhandel und Zwangsarbeit, darunter 166 Männer und 34 Frauen) und 193 Opfern geholfen habe, darunter 161 Opfer aus Usbekistan, 24 Opfer aus Kasachstan und 12 Opfer aus Russland, Tadschikistan und der Ukraine; die Staatsbürgerschaft von drei Opfern war unbekannt (USDOS 29.07.2022).
Obwohl gesetzlich verboten, setzte sich die Praxis der Entführung von Frauen und Mädchen zur Zwangsheirat in einigen abgelegenen Gebieten fort. Das Gesetz sieht Gefängnisstrafen von sieben bis zwölf Jahren sowie die Verurteilung wegen Entführung vor (USDOS 20.03.2023).
Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt 18 Jahre, kann aber in Fällen von Schwangerschaft oder gegenseitigen Vereinbarung, auch durch Eltern oder Erziehungsberechtigte, auf 16 Jahre gesenkt werden (USDOS 20.03.2023).
(USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net
USDOS, US Department of State, April 2021 bis März 2022 Menschenhandel, Kasachstan, 29.07.2022, https://www.state.gov/reports/2022-trafficking-in-persons-report/kazakhstan/
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2021, Kasachstan 12.04.2022, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/ )
Minderjährige
Das allgemeine Mindestalter für eine Beschäftigung beträgt 16 Jahre. Mit Erlaubnis der Eltern können Minderjährige im Alter von 14 bis 16 Jahren jedoch leichte Arbeiten ausführen, die ihre Gesundheit oder Bildung nicht beeinträchtigen. Das Gesetz verbietet Minderjährigen die Ausübung gefährlicher Arbeit und beschränkt die Dauer des Arbeitstages für Arbeitnehmer unter 18 Jahren. Das Gesetz kriminalisiert die Herstellung und den Vertrieb von Kinderpornografie und sieht Verwaltungsstrafen für den Verkauf von pornografischem Material an Minderjährige vor. Das Land verhängt Verwaltungsstrafen für Kinderpornographie. Täter, die wegen Sexualdelikten an Minderjährigen verurteilt wurden, erhalten bezüglich Kindern ein lebenslanges Arbeitsverbot (USDOS 12.04.2022).
Gesetze und Institutionen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen wurden 2019 unterzeichnet. Fälle von Missbrauch in Waisenhäusern und Jugendgefängnissen sowie der Verkauf von Waisenkindern zu Zwecken von Adoption werden weiterhin vonseiten der Zivilgesellschaft berichtet. Aktuell in Vorbereitung stehende Gesetzesänderungen sollen eine Kriminalisierung jeglicher Gewaltanwendung sicherstellen (ÖB Jänner 2023).
Die Republik Kasachstan hat das internationale Übereinkommen über Kinderarbeit ratifiziert. Im Jahr 2021 machte Kasachstan minimale Fortschritte bei den Bemühungen, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen. Die Regierung genehmigte zweckgebundene Mittel für Agenturen zur Bekämpfung des Kinderhandels, erhöhte die Strafen für Sexualverbrechen gegen Kinder und nahm Kinderarbeitsidentifikatoren in die Checklisten der Arbeitsinspektion auf. Darüber hinaus verabschiedete sie einen neuen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels für den Zeitraum 2021 bis 2023 und veröffentlichte eine Reihe von Berichten über aktuelle Aktionspläne zur Bekämpfung von Menschenhandel und Kinderarbeit. Trotz neuer Initiativen zur Bekämpfung der Kinderarbeit hat die Republik Kasachstan jedoch nur minimale Fortschritte gemacht, da es ein Gesetz eingeführt wurde welches den Fortschritt zur Beseitigung der Kinderarbeit verzögert. Am 30.12.2021 unterzeichnete der Präsident der Republik Kasachstan ein Gesetz welches die Umstände, unter denen unangekündigte Inspektionen durchgeführt werden können, erheblich einschränkt. Das neue Gesetz, das am 01.01.2023 in Kraft trat, kodifiziert und erweitert die bestehende Praxis der Regierung seit Januar 2020. Nach dem neu überarbeiteten Unternehmergesetzbuch sind unangekündigte Inspektionen in allen Fällen verboten es sei denn, es liegen zwingende Gründe und Beweise vor die einer Beschwerde beigefügt sind, oder wenn eine Inspektion von Justiz- oder Steuerbehörden angeordnet wird. Das Fehlen unangekündigter Inspektionen kann dazu führen, dass potenzielle Verstöße gegen Kinderarbeitsgesetze und andere Arbeitsmissbräuche am Arbeitsplatz unentdeckt bleiben. Kinder in Kasachstan sind den schlimmsten Formen der Kinderarbeit ausgesetzt, einschließlich kommerzieller sexueller Ausbeutung, manchmal als Folge von Menschenhandel. Kinder engagieren sich auch in Kinderarbeit auf Märkten. Der Regierung fehlen aktuelle, umfassende und detaillierte Forschungen zur Kinderarbeit, auch in der Baumwollproduktion. Darüber hinaus sind Arbeitsinspektionen von Kleinunternehmen nur in Fällen zulässig, die eine Massenbedrohung für Leben und Gesundheit, Recht und soziale Ordnung oder nationale Sicherheit darstellen (USDOL 28.09.2022).
Kasachstan hat über 670 Frauen und Kinder aus Internierungslagern für IS-Verdächtige und ihre Familien aus dem Nordosten Syriens zurückgebracht. Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass viele dieser Kinder zur Schule gehen und sich erfolgreich integrieren, dass Familien jedoch oft nicht in der Lage sind, Geburtsurkunden oder Sterbeurkunden für jene Väter von Kindern zu erhalten, die in Syrien getötet wurden. Ohne Sterbeurkunden haben Familien keinen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen und ohne Geburtsurkunden kann Kindern der Zugang zu Bildungseinrichtungen verweigert werden (HRW 12.01.2023).
(HRW, Human Rights Watch World Report 2023, Kasachstan, 12.01.2023, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/kazakhstan
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2021, Kasachstan 12.04.2022, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan/
USDOL, US Department of Labor, Jahresbericht zur Kinderarbeit 2021, Kasachstan, 28.09.2022, https://www.dol.gov/agencies/ilab/resources/reports/child-labor/kazakhstan
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net )
Grundversorgung und Wirtschaft
30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und damit gegebener Unabhängigkeit ist Kasachstan von den zentralasiatischen Ländern dank Rohstoffreichtum (Öl, Chrom, Uran, Kupfer, Mangan) das stabilste und wohlhabendste Land, und auch bis auf weiteres die regionale Führungsmacht, wobei Usbekistan sich zumindest wirtschaftspolitisch Kasachstan annähert (ÖB Jänner 2023).
Laut der Pressestelle des Premierministers vom 01.09.2022 werden die im April und Juni 2022 erlassenen Quoten für die Ausfuhr von Weizen und Mehl in Erwartung einer guten Getreideernte in Höhe von über 13 Millionen Tonnen Weizen aufgehoben (Universität Bremen 14.10.2022).
Nachdem die kasachische Wirtschaft im Jahr 2020 aufgrund niedriger Rohstoffpreise und pandemiebedingt um 2,6 % schrumpfte, konnte dieser Einbruch bereits 2021 wieder aufgeholt werden. Zahlreiche staatliche Unterstützungs-Maßnahmen für die Wirtschaft, höhere Rohstoffpreise und eine robuste Inlandsnachfrage ergaben 2021 ein Wirtschaftswachstum von 4,1 %. Die aktuellen Wachstumsaussichten sind trotz des Krieges in der Ukraine und den engen wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland gut: es wird prognostiziert, dass die Wirtschaft bis 2026 im Durchschnitt um 3 bis 4 % wachsen wird. Die kasachische Industrie – insbesondere der Ölsektor – bleibt weiterhin Kasachstans Wirtschaftsmotor (WKO Stand 07.03.2023).
Präsident Tokayev hat weitgehende politische, sozioökonomische und wirtschaftliche Reformen angekündigt, um die Wohlfahrt im Lande zu verbessern und Korruption zu bekämpfen. Auch soll sich der Staat aus der Wirtschaft zurückziehen (WKO Stand 07.03.2023).
Laut Premierminister Alichan Smailow wurden am 08.02.2022 die Gaspreise bis zum 01.01.2024 staatlich fixiert (Universität Bremen 10.06.2022).
Am 09.03.2021 wurde laut Wirtschaftsministerium der nationale Entwicklungsplan, der bis 2025 gelten soll, verabschiedet. Der Plan sieht unter anderem eine Reihe von Maßnahmen zur wirtschaftlichen Regeneration nach der COVID-19 Pandemie vor (Universität Bremen 06.04.2021).
Seit 26.06.2019 übernimmt per Dekret von Präsident Tokajew der Staat die Kreditschulden von nach einem bestimmten Kriterienkatalog definierten bedürftigen Familien bis jeweils maximal 300.000 Tenge (ca. 800 US-Dollar). Davon sind nach Tokajews Worten drei Millionen Menschen betroffen, von denen 255.000 mit einem Schlag kreditschuldenfrei würden. Nach Angaben von Finanzminister Alichan Smailow wird die Schuldenübernahme den Staat insgesamt 105 Milliarden Tenge (ca. 277 Millionen US-Dollar) kosten (Universität Bremen 26.07.2019).
Kasachstans Bodenschätze (Erdöl, Erdgas, Erzvorräte) bilden den Grundstein der Wirtschaft und die Haupteinnahmequelle. Nach Unruhen im Jänner 2022 wurde eine neue Verfassung verabschiedet und umfangreiche politische und wirtschaftliche Reformen versprochen. Angestrebt wird eine Privatisierung, Modernisierung und Diversifizierung der Wirtschaft sowie eine vorsichtige demokratiepolitische Öffnung des Landes. Kasachstan hat die ersten wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, trotz der engen Verflechtungen mit Russland, relativ gut überstanden und für 2022 sowie für 2023 wird ein Wachstum von 4 % prognostiziert. Um die Risiken für die Wirtschaft, die durch einen Rückgang der Exporte nach Russland und logistische Probleme im Handel über Russland entstehen, in Zukunft zu minimieren, versucht Astana, seine Absatzmärkte und Transportwege für Exporte zu diversifizieren. Hier wird vor allem China und die Trans-Caspian International Transport Route ins Auge gefasst. Im Doing Business Index liegt das Land ab 25 Platz und damit an erster Stelle in Zentralasien. Das Land will bis 2050 ebenfalls zu den 30 innovativsten Staaten der Welt zählen (WKO November 2022).
Die Republik Kasachstan ist unter anderem Mitglied der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der Welthandelsorganisation, der Eurasischen Wirtschaftsunion, der Organisation zur kollektiven Sicherheit und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Mit der EU hat Kasachstan im Jahr 2015 ein erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen abgeschlossen, das am 01.03.2020 in Kraft getreten ist (AA politisches Porträt Stand 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023).
Am 08.11.2022 ordnete Präsident Tokajew die Erhöhung des Erdölexportes über die Häfen Aktau und Kuryk (beide Gebiet Mangystau) auf jährlich 20 Millionen Tonnen an (Universität Bremen 06.01.2023).
(WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Die kasachische Wirtschaft, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kasachische-wirtschaft.html
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdfUniversität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 136, 26.07.2019, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen136.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 146, 06.04.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/146/ZentralasienAnalysen146.pdf
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Kasachstan, Länderreport, November 2022, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/kasachstan-laenderreport.pdf
AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, politisches Porträt, 19.10.2022, abgefragt am 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/politisches-portrait/206674
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 155, 06.01.2023, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/155/ZentralasienAnalysen155.pdf )
Sozialleistungen
Ca. 4,3 % der kasachischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (CIA Factbook letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023).
Die Arbeitslosenquote der 15-64jährigen lag im Jahr 2022 in der Republik Kasachstan bei 4,9 % (WKO Februar 2023).
Soziale Absicherungen für vulnerable Bevölkerungsgruppen bestehen landesweit (ÖB Jänner 2023).
Am 16.11.2021 löste die United States Agency for International Development (USAID) ihr Büro in Kabul auf und verlegt dieses nach Almaty (Universität Bremen 09.12.2021).
Am 01.01.2019 traten die von Präsident Nasarbajew verordneten Richtlinien zur Verbesserung des sozialen und wirtschaftlichen Wohlergehens der Bevölkerung in Kraft, damit steigt unter anderem der Mindestlohn um 50% auf 42.000 Tenge (ca. 111 US-Dollar [Universität Bremen 22.02.2019]). Am 01.09.2021 ordnete Präsident Tokajew die Anhebung des Mindestlohnes von aktuell 42.500 Tenge (ca. 100 US-Dollar) auf 60.000 Tenge (ca. 141 US-Dollar) ab dem 01.01.2022 an (Universität Bremen 01.10.2021).
Am 14.01.2022 wurde der öffentliche soziale Fond „Für das Volk Kasachstans“ zur Lösung offener Probleme im sozialen und gesundheitlichen Bereich sowie für Angelegenheiten der Kinder geschaffen. Beantragungen und Auszahlungen erfolgen nicht direkt, sondern im Wege karitativer Organisationen, die Bedürftigen (Einzelpersonen sowie auch KMUs vor allem zu Schadensfällen während der Jännerunruhen 2021) im Einzelfall helfen. Die aktuelle Summe, über die der Fond „Für das Volk Kasachstans“ mit Stand 30.09.2022 beläuft sich auf 131,7 Milliarden Tenge (umgerechnet ca. 283 Millionen Euro). Unter den größten Geldgebern befinden sich:
- Eurasian Resources Group mit 30 Milliarden Tenge (ca. 64,5 Millionen Euro) sowie
- Fond von Timur und Dinara Kulibayev (zweite Tochter von Ex-Präsident Nazarbayev) – 12 Milliarden Tenge (ca. 25,8 Millionen Euro) und
- Fond von Bulat Utemuratov (Eigentümer Verny Capital Gruppe) – 10 Milliarden Tenge (ca. 21,5 Millionen Euro [(ÖB Jänner 2023)].
Familienbeihilfe
Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem Haushaltseinkommen. Familienbeihilfe wird an Personen mit Behinderung und an bestimmte schutzbedürftige Personen und Familien ausgezahlt. Einkommensüberprüfung: Die Leistung wird reduziert, wenn das regelmäßige monatliche Haushaltseinkommen (ohne staatliche Sozialleistungen) 50% des gesetzlichen monatlichen Mindestlohns übersteigt. Der gesetzliche monatliche Mindestlohn beträgt 28.284 Tenge (29.698 Tenge Stand Jänner 2019).
Krankengeld
Die tägliche Höhe wird auf nach der Grundlage des durchschnittlichen Tagesverdienstes des Arbeitnehmers berechnet. Leitungen werden periodisch auf Grundlage des Verbraucherpreisindex angepasst.
Geburtenbeilhilfe
Ein Pauschalbetrag in der Höhe von 91.390 Tenge wird für jedes Kind, bis zu drei Kindern, bezahlt; 151.515 Tenge für jedes weitere Kind.
Mutterschaftsgeld
Nicht versicherte Frauen, die Kinder betreuen die jünger als zwei sind, können monatliches Betreuungsgeld erhalten, das zwischen 13.853 und 21.405 Tenge beträgt. Diese Leistung wird über den Staatshaushalt finanziert.
Bei versicherten Frauen wird die Höhe nach dem durchschnittlichen Monatsverdienst der Versicherten in den vorausgegangenen 12 Monaten, für einen Zeitraum von 126 Tagen (70 Tage vor und 56 Tage nach der Geburt des Kindes) bezahlt. Bei komplizierten Geburten und Mehrlingsgeburten kann der Zeitraum um weiter 14 Tage verlängert werden. Die Leitungen werden periodisch auf Grundlage des Verbraucherpreisindex angepasst.
Kinderbetreuungsgeld
Eine leistungsabhängige Zahlung, welche auf dem durchschnittlichen Monatsverdienst der Eltern in den vorausgegangenen 24 Monate basiert und ab dem Ende des bezahlten Mutterschaftsurlaubs bis zur Erreichung des ersten Lebensjahres des Kindes bezahlt wird. Die Leitungen werden periodisch auf Grundlage des Verbraucherpreisindex angepasst.
Medizinische Leistungen für Arbeitnehmer
Zu den Leistungen zählen allgemeine Versorgung und jene durch Spezialisten, Krankenhausaufenthalte, Labordienstleistungen, Zahnpflege, Mutterschaftspflege und Transporte. Die medizinischen Leistungen für Unterhaltsberechtigte sind die gleichen wie für den Versicherten.
Arbeitsunfälle
Vorläufiger Invaliditätsbeihilfe (Arbeitgeberhaftung): 100% des Verdienstes des Arbeitnehmers, ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit bis zur Genesung oder festgestellten dauerhafter Behinderung. Zu den medizinischen Leistungen für Arbeitnehmer zählen allgemeine Versorgung und jene durch Spezialisten, Krankenhausaufenthalte, Labordienstleistungen, Transporte, Geräte und Rehabilitation.
Arbeitslosigkeit
Es gibt Leistungen für Erwerbstätige und Selbständige, inklusive ausländische Bürger und Personen ohne Staatsangehörigkeit die dauerhaft in Kasachstan wohnen. Ausgeschlossen: arbeitende Rentner. Die monatliche Leistung richtet sich nach dem durchschnittlichen monatlichen Verdienst in den vorangegangenen 24 Monaten multipliziert mit der Einkommensersatzquote und dem „abgedeckten Periodensatz“. Die Einkommensersatzquote beträgt 0,3. Der „abgedeckte Periodensatz“ beträgt 0,7 bei mindestens sechs aber nicht weniger als 12 Monaten Deckung; 0,75 bei mindestens 12, aber weniger als 24 Monaten; 0,85 bei mindestens 24 aber weniger als 36 Monaten; 0,9 bei mindestens 36 aber weniger als 48 Monaten; 0,95 bei mindestens 48 aber weniger als 60 Monaten; 1,0 mit 60 oder mehr Monaten Abdeckung. Die Dauer der Leistung richtet sich nach den Versicherungszeiten des Versicherten.
Rentensystem
Eine Alterspension gibt es für erwerbstätige Bürger Kasachstans mit mindestens sechs Beitragsmonaten vor dem 01.01.1998. Das Pensionsalter bei Männern beträgt 63 Jahre, bei Frauen 58 Jahre und sechs Monate (wobei bei Frauen das Pensionsalter bis zum Jahr 2027 schrittweise auf 63 Jahre ansteigen wird). Für Männer im Alter von 55 Jahren oder Frauen mit 50 (wobei bei Frauen das Pensionsalter bis zum Jahr 2027 schrittweise auf 55 Jahre ansteigen wird), wenn der Kontostand ausreicht, um eine Leistung zu finanzieren, die zumindest dem Mindestbetrag der monatlichen Altersrente entspricht. Die monatliche Mindestaltersrente beträgt 33.745 Tenge (36.109 Tenge Stand 2019). Die monatliche Altersrente beträgt 54% des gesetzlichen monatlichen Mindestlohns zuzüglich weitere 2% für jedes Jahr der abgedeckten Beschäftigung bei mehr als 10 Jahren (Stand Jänner 2019). Der gesetzliche monatliche Mindestlohn beträgt 28.284 Tenge (29.698 Tenge Stand Jänner 2019).
Eine Alterssolidaritätsrente (Sozialversicherung) gibt es ab 63 Jahren bei Männern mit mindestens 25 Beitragsjahren oder 58 Jahren und sechs Monaten bei Frauen mit mindestens 20 Beitragsjahren; 50 Jahren bei Männern mit mindestens 25 Beitragsjahren oder 45 Jahren bei Frauen mit mindestens 20 Beitragsjahren, wenn diese mindestens sechs Beitragsmonate vor dem 01.01.1998 haben und mindestens fünf Jahre im Zeitraum zwischen 1949 und 1963 in bestimmten ökologisch geschädigten Zonen gelebt haben; oder ab 53 Jahren bei Müttern bei denen mindestens fünf Kinder bis zum Alter von acht Jahren aufgewachsen sind. Die Rente beträgt 60% des durchschnittlichen Monatsverdienstes der Versicherten in den besten drei aufeinanderfolgenden Jahren nach 1995 plus 1% des durchschnittlichen Monatsverdienstes für jedes Jahr, das 25 Jahre überschreitet (bei Männer) oder 20 Jahre (bei Frauen) der gedeckten Beschäftigung. Die monatliche Alterssolidaritätsrente beträgt 33.745 Tenge (36.108 Tenge Stand Jänner 2019). Der Höchstbetrag der monatlichen Alterssolidaritätsrente beträgt 75% des durchschnittlichen Monatsverdienstes des Versicherten in den besten drei nach 1995. Wenn der Versicherte nicht die Beitragsanforderungen für eine vollständige Rente erfüllt, wird eine reduzierte Rente ausbezahlt.
Hinterbliebenenrente (Sozialversicherung)
Wird an anspruchsberechtigte überlebende Familienmitglieder einer versicherten Person gezahlt. Dazu gehört ein/e Witwe/r im Rentenalter, Behinderte, Personen die Kinder betreuen die jünger als drei Jahre sind, Kinder die jünger als 18 Jahre sind (23 Jahre bei Vollzeitstudium; keine Begrenzung bei vor dem 18 Lebensjahr eingetretener Behinderung), jeder Verwandte, der ein Kind betreut, das jünger als drei Jahre ist sowie betreuungsbedürftige Personen, die nicht arbeiten können.
Hinterbliebenensozialrente (staatliche Sozialhilfe)
Wird bezahlt, wenn der Familienernährer stirbt, und dieser keinen Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente (Sozialversicherung oder individuelles Konto) hatte. Zu den anspruchsberechtigten Hinterbliebenen gehört ein/e Witwe/r im Rentenalter, Behinderte, Personen die Kinder betreuen die jünger als acht Jahre sind, Kinder unter 18 Jahren (23 Jahre, wenn ein Vollzeitstudent; keine Begrenzung, wenn vor dem 18. Lebensjahr behindert); jeder Verwandte, der ein Kind betreut, das jünger als acht Jahre ist sowie betreuungsbedürftige Personen, die nicht arbeiten können (SSA März 2019).
Laut Berdibek Saparbajew, Minister für Arbeit und Sozialschutz, am 24.06.2019, sind die Renten seit der kasachstanischen Unabhängigkeit um insgesamt 80% gestiegen. Die aktuelle Grundrente liegt bei 27.000 Tenge (71 US-Dollar), die Höchstrente bei 85.785 Tenge (226 US-Dollar (Universität Bremen 26.07.2019).
Am 17.06.2020 gründeten in Nur-Sultan mehrere Politaktivisten die informelle „Liga der Unterstützer für die Nur-Otan-Partei“. Nach eigenen Angaben wolle die Liga, welche sich selbst als dezidierter Unterstützer der Regierungspartei Nur-Otan betrachtet, „den zivilgesellschaftlichen Dialog zur Lösung von dringlichen sozialen Fragen“ fördern (Universität Bremen 15.07.2020).
(CIA, The World Factbook, Kasachstan, letzte Aktualisierung am 28.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Länderprofil Kasachstan, Februar 2023, https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-kasachstan.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 149, 01.10.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/149/ZentralasienAnalysen149.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 142, 15.07.2020, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen142.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 133, 22.02.2019, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen133.pdf
SSA, United States Social Security Administration, Übersicht über Sozialversicherungssysteme, Kasachstan 2018, März 2019 https://www.ecoi.net/en/file/local/2005502/kazakhstan.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 136, 26.07.2019, http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen136.pdf
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 150, 09.12.2021, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/150/ZentralasienAnalysen150.pdf
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net )
Medizinische Versorgung
Derzeit gelten keine pandemiebedingten Einreisebeschränkungen (BMEIA Stand 31.03.2023).
Die COVID-19 bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wurden landesweit weitestgehend aufgehoben. Bei COVID-19 Symptomen oder Kontakt mit Infizierten kontaktieren Sie die Hotline der kasachischen Gesundheitsbehörden unter der Telefonnummer +7 7172 768 043 oder 1406 (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 31.03.2023).
Im Zeitraum von 03.01.2020 bis zum 29.03.2023 gab es in der Republik Kasachstan 1.500.531 bestätigte Fälle von COVID-19 Infektionen und 19.071 Todesfälle; es wurden bis 19.02.2023 33.691.195 Einheiten Schutzimpfungen verabreicht (WHO, Kasachstan Stand 29.03.2023, abgefragt am 31.03.2023). Im selben Zeitraum gab es in der Republik Österreich 6.024.875 bestätigte Fälle von COVID-19 Infektionen und 22.082 Todesfälle; es wurden bis 19.03.2023 20.391.9297 Einheiten Schutzimpfungen verabreicht (WHO, Österreich Stand 29.03.2023 abgefragt am 31.03.2023).
Die WHO hat im Januar 2019 das Verzögern oder Auslassen von Impfungen zur Bedrohung der globalen Gesundheit erklärt. Insbesondere der fehlende Impfschutz gegen Masern birgt bei international steigenden Fallzahlen ein hohes Risiko. Durch sexuelle Kontakte, bei Drogengebrauch (unsaubere Spritzen oder Kanülen) und Bluttransfusionen besteht grundsätzlich ein hohes HIV-Übertragungsrisiko. Tuberkulose stellt in Kasachstan ein relevantes Gesundheitsproblem dar. Es werden immer noch über 100 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr erfasst. Die Resistenzrate des Tuberkelerregers gegen die üblichen Tuberkulosemedikamente ist relativ hoch. In den letzten Jahren wurden pro Jahr zwischen ca. 2000 – 3000 Bruzellosekrankungen erfasst. Diese bakterielle, fieberhafte Erkrankung kann durch Kontakt mit kranken Tieren (Schafen, Ziegen, Rinder) oder Genuss von nicht ausreichend gekochten Tierprodukten übertragen werden. Vom Genuss von rohen Milchprodukten ist unbedingt abzuraten. Jährlich sterben in Kasachstan immer noch vereinzelt Menschen an Tollwut. Ein gültiger Impfschutz und Vorsicht mit streunenden Hunden sind die beste Vorbeugung. Jedes Jahr kommt es in ländlichen Regionen zu einzelnen, kleinen Ausbrüchen der bakteriellen Milzbrand Infektion, die überwiegend durch kranke Rinder verursacht werden. Ein Infektionsrisiko besteht nur bei Kontakt mit Vieh, oder Umgang mit deren Produkten (Fellen, rohe Milch- bzw. Fleischprodukte). Die hoch fieberhafte Virusinfektion Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber tritt in Kasachstan sporadisch auf. Jedes Jahr kommt es in ländlichen Regionen von April bis Oktober zu einzelnen, kleinen Ausbrüchen, auch mit tödlichen Verläufen. Übertragen wird das Virus durch Zecken von Nutztieren wie Schafen, Ziegen, Rinder und Kamelen sowie über Blut infizierter Tiere und Menschen. Schutz vor Zecken und Abstand von Tieren wird empfohlen. Die ärztliche und zahnärztliche Versorgung in Kasachstan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. Leichte Erkrankungen können in den größeren Städten des Landes behandelt werden. Inzwischen gibt es vor allem in Almaty und Astana vereinzelt kleinere Kliniken mit internationalem Standard (SOS International, IMC, Interteach). Die Ausstattung der Apotheken in Kasachstan entspricht nicht europäischem Standard, jedoch sind in der Regel ausreichend Medikamente zur Behandlung unkomplizierter Krankheiten vorhanden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 31.03.2023).
Die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern entspricht nicht europäischem Standard. In der Nähe der Stadt Semipalatinsk, im Osten des Landes, wurden zwischen 1949 und 1989 zahlreiche Atomversuche durchgeführt. Das Testgelände und seine Umgebung gelten als radioaktiv verseucht. Verzichten Sie deshalb in dieser Region auf den Genuss gewisser einheimischer Nahrungsmittel wie Milchprodukte, Eier, Pilze etc. (BMEIA Stand 31.03.2023).
Seit der COVID-19 Pandemie gibt es seitens der kasachischen Regierung starke Bestrebungen die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Zahlreiche Krankenhäuser und Heilanstalten sollen modernisiert und ausgebaut werden wodurch sich Geschäftschancen für hochwertige medizinische Geräte und Arzneimittel aller Art ergeben (WKO 07.03.2023).
(BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation, Republik Kasachstan, unverändert gültig seit 23.03.2023, Stand 31.03.2023, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan
WHO, World Health Organization, COVID-19 Fälle, Republik Kasachstan, Stand 29.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://covid19.who.int/region/euro/country/kz
WHO, World Health Organization, COVID-19 Fälle, Republik Österreich, Stand 29.03.2023, abgefragt am 31.03.2023, https://covid19.who.int/region/euro/country/at
WKO, Wirtschaftskammer Österreich, Die kasachische Wirtschaft, Stand 07.03.2023, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-kasachische-wirtschaft.html
AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 01.12.2022, Stand 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342 )
Bewegungsfreiheit und Rückkehr
Derzeit gelten keine pandemiebedingten Einreisebeschränkungen (BMEIA Stand 31.03.2023).
Die COVID-19 bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wurden landesweit weitestgehend aufgehoben (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 31.03.2023).
Flugverbindungen bestehen mit den meisten Ländern, aufgrund der internationalen Sanktionen gegen Russland sind allerdings die meisten Flugverbindungen von Kasachstan nach Russland unterbrochen (WKO Stand 22.07.2022).
Am 11.04.2022 wurden sämtliche für die Einreise auf dem Landweg geltenden Beschränkungen, die im Zuge der Pandemie eingeführt wurden, aufgehoben (Universität Bremen 10.06.2022).
Laut dem Gesetz über die Migration können kasachische Staatsangehörige ihren Wohnsitz und ihren Aufenthaltsort innerhalb Kasachstan frei wechseln. Laut Art. 9 dieses Gesetzes besteht allgemeine Meldepflicht des Wohnsitzes. Ständige Registrierung (Hauptwohnsitz) ist erforderlich ab dem 14. Lebensjahr innerhalb von zehn Tagen nach dem Bezug der Unterkunft. Vorübergehende Registrierung (Nebenwohnsitz) – erforderlich beim Aufenthalt ab einem Monat (ÖB Jänner 2023).
Die Gesetze garantieren landesweite Bewegungsfreiheit, Reisen ins Ausland, Auswanderung und Rückkehr. Trotz einiger rechtlicher Beschränkungen, werden diese Rechte im Allgemeinen von der Regierung respektiert. Die Regierung kooperierte mit dem Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen um Schutz und Hilfe für intern Vertriebene, Flüchtlinge, heimkehrende Flüchtlinge, Asylwerber, Staatenlose und andere Schutzbedürftige zu gewähren (USDOS 20.03.2023).
Prinzipiell haben Abgeschobene nach ihrer Rückkehr nicht mit schlechter Behandlung zu rechnen. Das Jusan-Programm „Foreign Fighters Reintegration“ ist als erfolgreich anzusehen mit 85%iger Reintegrationsquote gemäß kasachischem Justizministerium und Staatsanwaltschaft (ÖB Jänner 2023).
(AA, Auswärtiges Amt, Kasachstan, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 01.12.2022, Stand 31.03.2023, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342
Universität Bremen, Forschungsstelle Osteuropakunde, Zentralasien Analysen, Nr. 152, 10.06.2022, https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/152/ZentralasienAnalysen152.pdf
ÖB, Österreichische Botschaft Astana, Asylländerbericht Kasachstan, Stand Jänner 2023, https://www.ecoi.net
USDOS, US Department of State, Jahresbericht Menschenrechtslage 2022, Kasachstan 20.03.2023, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-practices/kazakhstan//
BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation, Republik Kasachstan, unverändert gültig seit 23.03.2023, Stand 31.03.2023, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan )
2. Beweiswürdigung:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer:
Die Identitäten der Beschwerdeführer konnten nach widersprüchlichen Namensangaben und mangels Vorlage von Identitätsdokumenten mit Lichtbild im Original nicht festgestellt werden. Obwohl die Beschwerdeführer problemlos wiederholt legal mit ihren kasachischen XXXX Richtung Österreich ausreisten, wurden diese bis dato nicht vorgelegt. Die kasachischen Geburtsurkunden von P2 und P3 stellen mangels Lichtbild keine Identitätsdokumente dar, damit konnte aber zumindest die Verwandtschaft zu P1 glaubhaft gemacht werden:
„…R: Wieso haben in der ersten niederschriftlichen Befragung beim Bundesamt für fremdenwesen und Asyl widersprüchlich zum früheren Vorbingen behauptet, Ihr Sohn heiße XXXX ?
„… XXXX …“ (Anmerkung: Erstbefragung am XXXX Seite 03 bzw. Akt BFA Seite 05)
„… XXXX …“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.02.2020, Seite 04 bzw. Akt BFA Seite 113)
P: Es ist so, dass er nach dem Vater den Familienname XXXX hat.
R: Warum wurde ihrem Sohn ein kasachischer XXXX auf den Namen XXXX ausgestellt, wenn er tatsächlich XXXX heißt?
P: Weil ich das so gemacht habe, ich habe meinen Familiennamen auf XXXX umändern lassen.
R: Wann haben Sie ihren Familiennamen auf XXXX umändern lassen?
P: Als ich zurückkehrte.
R: Wann?
P: Die neuen XXXX habe ich glaube ich XXXX bekommen und mein Sohn XXXX .
R: Wie haben Sie vor XXXX geheißen?
P: Ich hatte meinen Mädchennamen. XXXX . Diesen hatte ich von ca. XXXX .
R: Können Sie nachweisen, dass Sie in dieser Zeit XXXX hießen?
P: Nein, kann ich nicht.
P: Auf der Geburtsurkunde steht es, dass sein Vater der Hr. XXXX ist. Da die Ehe nicht standesamtlich registriert war, in der Geburtsklinik wurde deswegen der Familienname auf meinen Namen XXXX eingetragen.
R: Können Sie beweisen, dass der Vater Ihrer Sohnes XXXX ist?
P: Nein, ich habe diesbezüglich kein Dokument…“ (Verhandlungsschrift Seite 10)
Bei ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung dürfte P1 jedoch nicht bedacht haben, dass – widersprüchlich zu ihren Behauptungen - aus der Geburtsurkunde von P3, welche kurz nach dessen Geburt von den kasachischen Behörden in XXXX ausgestellt wurde hervorgeht, dass der Name seines Vaters „ XXXX “ lautet und nicht „ XXXX “ („ XXXX “ und hat ihre nach den Geburten angeblich erfolgte Namensänderung auf den im ersten Asylverfahren behaupteten Familiennamen „ XXXX bis dato nicht nachweisen können.
Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Religionszugehörigkeit von P1, zur Muttersprache der Beschwerdeführer, zum Wohnort sowie den Verwandten im Herkunftsstaat beruhen auf den diesbezüglich gleichbleibenden Behauptungen von P1 im Lauf der Asylverfahren:
„…R: Was ist die Muttersprache Ihrer Kinder (Anmerkung: P2 und P3)?
P: Russisch.
R: Haben Ihre Kinder in der Schule Kasachisch gelernt?
P XXXX …“ (Anmerkung: Verhandlungsschrift Seite 07)
b) Zu den bisherigen Verfahrensverläufen:
Die Feststellungen zu den bisherigen Verfahrensverläufen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und den Beschwerdeakten des Bundesverwaltungsgerichts; für eine ausführliche Darstellung siehe I. Verfahrensgang.
c) Zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen:
Die Feststellung, dass P3 keine Fluchtgründe hat, beruht darauf, dass derartiges von P1 nicht vorgebracht wurde.
Da P1 bis P3 bereits problemlos legal im XXXX aus Republik Kasachstan ausreisten, freiwillig am XXXX dorthin zurückkehrten, um laut Angaben von P1 am XXXX neuerlich problemlos, legal mit ihren kasachischen XXXX über einen internationalen Flughafen aus der Republik Kasachstan auszureisen und von P1 nur im ersten Asylverfahren behauptet wurde, dass P1 (jedoch nicht P3), Probleme mit kasachischen Behörden hatten, aber nicht im zweiten Asylverfahre, kann dies nicht festgestellt werden:
„…R: Sie haben in den zweiten Asylverfahren angegeben, dass Sie mit P2 und P3 am XXXX problemlos legal über einen internationalen Flughafen mit ihren kasachischen XXXX und EU-Visa aus der Republik Kasachstan ausgereist sind (Anmerkung: Erstbefragung am XXXX Seite 04f bzw. Akt BFA Seiten 07 und 09), nachdem Ihrem XXXX dessen XXXX ausgestellt wurde (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2020, Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 169). Das würde, zumindest auf den ersten Blick, nicht unbedingt dafürsprechen, dass Sie Probleme mit kasachischen Behörden hatten. Wollen Sie dazu etwas angeben?
P: Wir haben uns versteckt. Wir hatten die Dokumente und Pässe.
R wiederholt die Frage.
P: Mit den Behörden hatte ich ja keine Probleme.
R…“ (Verhandlungsschrift Seite 13)
Dass weiters nicht festgestellt werden kann, dass P1 im Herkunftsstaat seit dem Jahr 2013 von unbekannten Banditen verfolgt wird, weil ihr Lebensgefährte und Vater von P3, XXXX diesen Männern Geld schuldet, P1 von diesen vorgeworfen wurde, eine Bombenlegerin, Terroristin und Wahhabiten zu sein, P1 sich, um die Schulden zu begleichen, einer islamistischen Gruppierung anschließen hätte müssen und/oder sich hätte verhüllen sollen, P1 von den ihr drohenden Männern zu einem Terrorakt geschickt hätte werden sollten und/oder P1 für diese arbeiten und einen Hijab tragen sollte, oder weil P1 im Jahr XXXX die Nase gebrochen wurde, sie deshalb am XXXX aus der Republik Kasachstan fliehen musste, oder P1 von diesen Männern am XXXX vergewaltigt wurde, nachdem sich P1 weigerte für sie zu arbeiten, beruht auf dem Umstand, dass dieses Vorbringen von P1 nicht glaubhaft ist:
Bereits vorab war nicht zu übersehen, dass P1 in den ersten und zweiten Asylverfahren widersprüchliche Angaben zu den Identitäten von P1 bis P3 machte (siehe dazu 2. Beweiswürdigung a zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer), bis dato immer noch nicht die kasachischen XXXX , oder andere kasachische Identitätsdokumente in Vorlage brachte und damit aufzeigt, dass sie nichts dabei findet Identitäten nach blieben auszutauschen bzw. nicht einmal die elementarsten Angaben zum Namen gleichbleibend zu gestalten, was erhebliche Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit von P1 weckt:
„…R: Was ich nicht verstehe ist, dass Sie einerseits im Jahr XXXX die ersten Anträge auf internationalen Schutz wegen Verfolgung in der Republik Kasachstan stellen, aber keine Probleme darin sehen, wegen des schlechten Gesundheitszustandes Ihrer Mutter freiwillig am XXXX in die Republik Kasachstan zurückkehren. Wenn ich persönlich danach zweite Asylanträge stellen wollte, würde ich, wenn ich bereits am XXXX mit dem Flugzeug ausreise doch nicht damit bis zum letzten Tag des Visums dem XXXX warten?
„… Ich bin mit meinen Kindern am XXXX von Kasachstan legal mit kasachischen RP nach Moskau geflogen. Dort blieben wir zwei Nächte, bis wir einen Anschlussflug …“ (Anmerkung: Erstbefragung am XXXX Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 09).
„… L: Aufgrund des Ermittlungsstandes und einer durchgeführten VIS-Abfrage, wurde festgestellt, dass Sie mit einem XXXX Visum (gültig von XXXX ) nach Österreich eingereist sind. Entspricht das den Tatsachen?
A: Ja, das entspricht der Wahrheit…“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.02.2020, Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 115)
P: Ich habe schon am XXXX um Asyl angesucht.
R: Wollen Sie sonst noch etwas zur Frage angeben, warum Sie solange gewartet haben?
P: Wir sind nach XXXX gekommen und mein Sohn ist sehr krank geworden. Als es ihm besserging, brachte man uns am XXXX und ich bin gleich zur Polizei gegangen.
R: Was war das für eine Krankheit, die Sie wochenlang davon abgehalten hat Anträge auf internationalen Schutz zu stellen?
P: Er hat Fieber gehabt und hat Husten gehabt.
R: 3 Wochen lang?
P: Die letzte Woche haben wir keine Transportmöglichkeit und haben uns nicht ausgekannt.
R: Warum haben Sie heute die kasachischen XXXX mit den Visa nicht vorgelegt?
P: Ich habe diese Pässe noch in XXXX verbrannt.
R: Statt sie ganz einfach klein zu zerreißen oder zu zerschneiden und im Abfall zu entsorgen machen Sie in einem fremden Land extra ein Feuer um sie zu verbrennen (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.02.2020, Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 117). Hat das nicht fürchterlich gestunken?
P: Ich habe die Pässe zerrissen und verbrannt, aber sie waren noch nicht vollständig zerrissen und verbrannt.
R: Und da machen Sie im Sommer ein Feuer?
P. ich hatte große Angst, dass man mich nach Kasachstan zurückschickt.
R: Da verbrennen Sie extra noch die Visa mit denen Sie gültige Aufenthaltstitel für die EU hatten?
P: Ich dachte nicht darüber nach. Ich kann das heute auch nicht nachvollziehen, was damals in meinem Kopf war…“ (Verhandlungsschrift Seite 15f).
Da P1 im Verfahren nicht nachvollziehbar darlegen konnte, weshalb ausgerechnet P1, als orthodoxe Christin, von den Männern denen XXXX bereits seit dem Jahr XXXX Geld schulden soll, vorgeworfen werden sollte, eine Bombenlegerin, Terroristin und Wahhabitin zu sein, konnten diese Behauptungen, mangels Plausibilität nicht festgestellt werden.
Dass P1 ihre angeblichen Fluchtgründe dermaßen vage schilderte und konkrete Fragen extrem ausweichend beantwortete zeigt auf, dass P1 die angeblichen Vorfälle frei erfunden hat und Zeit brauchte um sich Antworten auszudenken, wie folgender, exemplarisch ausgewählter, Ausschnitt aus der Verhandlungsschrift aufzeigt:
„…R: Sie geben an in den zweiten und dritten niederschriftlichen Befragungen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass Sie nach Ihrer Rückkehr zunächst keine Probleme hatten, diese hätten nach XXXX begonnen. Da Sie am XXXX ausgereist sind, hätte Ihre Probleme somit entweder nach einem Jahr – also im Sommer – oder nach eineinhalb Jahren - im Winter XXXX - beginnen müssen. Bei derart dramatischen Ereignissen, wenn die Verfolger nach Jahren erstmals wieder erscheinen weiß man doch zumindest ob es Sommer oder doch Winter war. Wollen Sie dazu etwas angeben?
„…F: Was war nachdem Sie freiwillig zurückgereist sind?
A: Es war alles in Ordnung, ich habe gedacht, es wäre alles überstanden. […] Nach einem Jahr oder eineinhalb Jahren waren „Sie“ auf einmal wieder da…“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2020, Seite 05 bzw. Akt BFA Seite 169)
„…Als ich XXXX aus Österreich zurückgekehrt bin, war circa ein bis eineinhalb Jahre lang eine Ruhe …“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.12.2020, Seite 06 bzw. Akt BFA Seite 247)
P: Das war in dieser Zeit 1 oder 1 ½ Jahre nach meiner Rückkehr.
R wiederholt die Frage nach der Jahreszeit.
P: Wenn man einfach von unterwegs in ein Auto gezehrt wird, das war ein Stress
R: ...“ (Verhandlungsschrift Seite 14)
Der Umstand, dass P1 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst konkret angab, bis zum Monat ihrer Ausreise konkret XXXX , an ihrer Wohnadresse gelebt zu haben und ihrer Arbeit nachgegangen zu sein, später jedoch dieses Vorbringen so austauschte, dass es zur angeblichen Vergewaltigung am XXXX passt, zeigt auf, dass P1 ein frei erfundenes Vorbringen präsentiert:
„…R: Einerseits behaupten Sie in der zweiten niederschriftlichen Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bis XXXX gearbeitet zu haben, etwas später erneut, dass Sie bis zur Ihrer Ausreise im Jahr XXXX gearbeitet haben, widersprüchlich dazu geben sie etwas später jedoch an, dass Sie nach dem XXXX nicht mehr zu Hause waren bzw. in der dritten Befragung, dass Sie sich außerhalb der Stadt XXXX versteckt hätten. Wollen Sie dazu etwas angeben?
„…genau Adresse (n) im Herkunftsstaat: Land Kasachstan
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
[…]
Berufserfahrung als 1) XXXX
Berufl. Tätigkeit die letzten fünf Jahre: von XXXX
[…]
Meine letzte Arbeitsstelle hatte ich von XXXX
[…]
A: Am XXXX ist es passiert
[…]
A: Ich war die ganze Zeit bei der Freundin meiner Mutter aufhältig.
[…]
F: Waren danach noch irgendwelche Vorfälle?
A: Nein, danach war nichts mehr. Ich bin praktisch nicht mehr zuhause gewesen, nur wegen dem Visum kurz…“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2020, Datenblatt Seiten 01 und 03 bzw. Akt Seiten 151 und 155 sowie Befragung Seiten 03, 06 und 09 bzw. Akt BFA Seiten 165, 171 und 177)
„…F: Wo haben Sie sich damals versteckt?
A: XXXX , meine Mutter hat dort eine Freundin…“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.12.2020, Seite 04 bzw. Akt BFA Seite 243)
P: Das ist nicht richtig. Ich weiß es genau, ich weiß das genaue Datum und ich weiß, wie es genau war. Der letzte Arbeitstag war am XXXX
R: Sie kehren freiwillig am XXXX
in die Republik Kasachstan zurück. Ihr fluchtauslösendes Ereignis war am XXXX bzw. geben Sie an diesem Tag von Unbekannten vergewaltigt worden zu sein, warten danach aber noch auf EU-Visa und reisen erst mehr als zwei Monate später am XXXX aus. Warum sind Sie nicht sofort ausgereist?
„… Der letzte Vorfall passierte im XXXX , es war glaublich am XXXX […] haben mich vergewaltigt […] am XXXX ist es passiert. XXXX fuhren wir dann in eine andere Stadt um die Visa zu machen, dort musste wir auch Fingerabdrücke abgeben…“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2020, Seite 05f bzw. Akt BFA Seiten 169 und 171)
P: Ich konnte nicht gleich ausreisen, weil ich zuerst ein Visum brauchte. Bei der anderen Frage hat mir das BFA vorgehalten, dass ich in einer anderen Stadt gelebt habe. Dazu möchte ich jetzt erklären, dass ich in keiner anderen Stadt war, sondern XXXX …“ (Verhandlungsschrift Seite 17f).
Dass P1 zuletzt in der Beschwerdeverhandlung behauptete, sich XXXX versteckt zu haben, widersprüchlich dazu jedoch in der niederschriftlichen Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.12.2022 angab, sich außerhalb der XXXX , versteckt zu haben, rundete das Bild der Unglaubwürdigkeit ab:
„… F: Wo lebet Ihre Mutter derzeit?
A: Mein Mutter lebt bei der Freundin, wo wir uns zuletzt versteckt hielten, XXXX ...“ (niederschriftliche Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.12.2020)
Dass P1 davor - widersprüchlich zur Behauptung in der Befragung am 14.12.2022, ihre Mutter lebe „ XXXX “- in der niederschriftlichen Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2020 angegeben hatte, ihre Mutter leben nach wie vor in der Wohnung XXXX sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt:
„…F: Beziehen Sie Alimente für XXXX ?
P: Ja. [..]
In XXXX , [..] dort habe ich gemeinsam mit meiner Mutter und meinen beiden Kindern gelebt. Dies ist eine Wohnung. Meine Mutter lebt dort nach wie vor…“ (niederschriftliche Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2020)
Dass P1 im gesamten Verfahren nicht angeben konnte, wer diese ihr drohenden Männer sind, obwohl sie von diesen bereits seit dem Jahr XXXX (!) verfolgt wird, und welche Arbeiten sie für die Männer hätte erledigen sollte, rundete das Bild ihrer persönlichen Unglaubwürdigkeit ab.
Da das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass P1 die Existenz dieser unbekannten Männer frei erfunden hat, kann in Folge nicht festgestellt werden, dass P1 von ihnen vergewaltigt wurde; vielmehr ist davon auszugehen, dass P1 tatsächlich, wie ursprünglich von P1 zu Beginn des Verfahrens angegeben, bis zur Ausreise im XXXX an ihrer Wohnadresse gelebt und gearbeitet hat.
Auch zwei im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Kopien von Fotos mit „blauen Flecken“ – eines zeigt ein Hämatom unterhalb des rechten Auges von P1 und das andere ein Hämatom an einem Oberarm - sind nicht geeignet das unglaubwürdige Vorbringen von P1 zu unterstützen, da P1 weder nachweisen kann, wann konkret diese Fotos entstanden sind, noch in welchem Zusammenhang ihr das Hämatom am Auge zugefügt wurde, vor allem aber, weil das gesamte Vorbringen von P1 nicht plausibel ist.
Auf Grund der widersprüchlichen Angaben zur angeblich im Jahr XXXX gebrochenen Nase und mangels zeitlichem Zusammenhang zur Ausreise am XXXX , kann diese Behauptung nicht als Fluchtgrund festgestellt werden:
„…R: Wie oft wurde Ihnen wann die Nase gebrochen?
P: Das erste Mal XXXX und dann als ich wieder zurückgekommen bin und sie mich gefunden haben, ca. XXXX oder XXXX , aber dass zweite Mal hat man mich geschlagen und mir nicht die Nase gebrochen.
R wiederholt die Frage.
P: Das erste Mal XXXX und das zweite Mal nach meiner Rückkehr, diese war im Jahr XXXX , wurde mir die Nase XXXX oder XXXX gebrochen.
R: Beim BFA wussten Sie noch, dass es XXXX war.
P: Ich kann es nicht genau sagen, ob XXXX oder XXXX .
R: Ihnen wird XXXX die Nase gebrochen und Sie sehen keinen Grund für eine Ausreise?
P: Der Ausreisegrund bestand für mich schon damals, als man mich das zweite Mal gefunden hat.
R: Ihnen wird XXXX die Nase gebrochen und Sie sehen keinen Grund für eine Ausreise?
P: Zuerst nicht. Ich habe Angst gehabt, dass die Verfolgungen wieder beginnen.
R: Können Sie Beweismittel vorlegen aus denen hervorgeht, dass die gebrochene Nase das Ergebnis einer Gewalttat und nicht z.B. eines Unfalls war?
P: Nein, kann ich nicht.
R…“ (Verhandlungsschrift Seite 13f)
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es in der Republik Kasachstan keinerlei Vorschriften gibt, wonach Frauen einen Hijab tragen müssten. P1 könnte sich zudem im Fall von - bloß unterstellter - Angst vor Wahhabiten jederzeit an die kasachischen Behörden wenden, da die kasachischen Behörden alles unternehmen, derartige Strömungen zu unterbinden. Aus den Länderfeststellungen geht zusammengefasst hervor, dass die kasachischen Gesetze es verbieten, dass sich Parteien auf Grund einer Religion bilden, d.h. aber auch, dass islamische Parteien in der Republik Kasachstan verboten sind. Die kasachische Verfassung definiert das Land als säkularen Staat und sieht Religions- und Glaubensfreiheit vor, ebenso die Freiheit Religionszugehörigkeit abzulehnen. Die kasachische Regierung hat sogar weitreichende Befugnisse, Organisationen zu verbieten, die sie als „extremistisch“ bezeichnet. Hingegen wird die russisch-orthodoxe Kirche in der Republik Kasachstan staatlich anerkannt und es gibt eine russisch-orthodoxe Schule für die Ausbildung russisch-orthodoxe Priester. Aus einem Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Religionsfreiheit in Kasachstan geht zudem hervor, dass die kasachische Regierung keinerlei Interesse daran hat wahhabitische/extremistische Strömungen im Land zu etablieren, im Gegenteil, ist die Regierung doch säkularisiert und versucht derartiges zu verhindern und die Gesellschaft mittels Legislative vor extremistischen Terroranschlägen zu schützen: „…Obwohl die Rahmenbedingungen für die freie Religionsausübung gegeben sind, entstehen regelmäßig Konflikte. Durch vereinzelte islamistische Terroranschläge vornehmlich in den Großstädten des Landes wird die Diskussion über Religionsfreiheit immer wieder angestoßen. Auf die Anschläge im Jahr 2011 folgten beispielsweise Gesetze, die eine verbesserte Sicherheitslage gewährleisten und der Bevölkerung Schutz vor religiösem Extremismus bieten sollten. […] Auch für muslimische Gemeinden wurden in den letzten Jahren zahlreiche Moscheen neu eröffnet. Zwei Großprojekte stechen hierbei besonders hervor. Die Hazrat Sultan Moschee in Astana, welche 2012 ihre Tore öffnete, besitzt eine 51 Meter hohe und 28 Meter breite Kuppel mit vier 77 Meter hohen Minaretten. Bis zu 10.000 Gläubige finden hier Platz. Diese größte Moschee Zentralasiens wurde durch Geldmittel aus Saudi-Arabien finanziert. Ihr Bau war mit der Absicht verbunden, den Wahhabismus in Kasachstan zu fördern. Der Wahhabismus ist als traditionalistische Auslegung des Islam die vorherrschende Religion im Königreich Saudi-Arabien. Jedoch verfehlten die Initiatoren ihr Ziel und schafften es nicht, ihre Form des Islam zu etablieren…“ (KAS, Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht zur Religionsfreiheit Kasachstan 2020, https://www.kas.de/documents/266501/0/MIS_12733_La ̈nderbericht_47_Kasachstan_WEB+%281%29.pdf/7a41bae4-dbe0-2ad9-50e6-e7a4c0e2858c?version=1.0&t=1600950036066)
Zusammengefasst geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass P1 und P3 nie aus der Republik Kasachstan fliehen mussten, sondern P1 persönlich unglaubwürdig ist, ihr Vorbringen zu sämtlichen angeblichen Ausreisegründen frei erfunden hat und die zweiten Asylverfahren in Österreich dazu benützt, fremdenrechtliche Migrationsvorschriften zu umgehen.
d) Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zum Wohnort, zur gemeinsamen Wohnung mit der Mutter von P1 in XXXX und den wiederholten, problemlosen legalen Ausreisen Richtung Österreich, ergeben sich aus den Angaben von P1 im Lauf der Asylverfahren.
P1 hat nie behauptet wegen der aktuelle Sicherheitslage ausgereist zu sein oder deswegen mit P2 und P3 nicht in die Republik Kasachstan zurückkehren zu können. Die Sicherheitslage in die Republik Kasachstan hat sich seit der letzten Ausreise der Beschwerdeführer nicht verschlechtert. Derzeit gibt es laut aktuellen Länderfeststellungen mit Stand 31.03.2023 in der Republik Kasachstan einen guten Sicherheitsstandard mit Sicherheitsstufe 01; laut Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gibt es sechs Sicherheitsstufen von 01= gut bis 06 = Reisewarnung (BMEIA Stand 31.03.2023), weshalb die aktuelle Sicherheitslage in der Republik Kasachstan einer Rückkehr von P1 und P3 nicht entgegensteht.
P1 hat in keinem ihrer Asylverfahren behauptet wegen Medikamentenmangel oder mangelnder medizinischer Versorgung mit P2 und P3 wiederholt von der Republik Kasachstan nach Österreich gekommen zu sein. P1 hat zwar in der Beschwerdeverhandlung erstmals eine fachärztliche Stellungnahme vom XXXX XXXX und Medikation XXXX in Vorlage gebracht, dabei handelt es sich aber um keine lebensbedrohliche Erkrankung, die Medikation ist nur XXXX verordnet wurden und P1 gab zudem in der Beschwerdeverhandlung ausdrücklich an gesund zu sein, dass auch ihre Kinder gesund sind und es wurden seither keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht, aus denen Gegenteiliges hervorgehen würde:
„…R: Sind Sie geistig und körperlich in der Lage der heutigen Verhandlung zu folgen?
P: Ja.
[…]
R: Sind Sie und Ihre beiden Kinder (Anmerkung: P2 und P3) gesund?
P: Ja.
[…]
R: Sind Sie aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen?
P: Nein…“ (Verhandlungsschrift Seiten 07f)
Die Feststellungen zur Schul- und Berufsausbildung von P1, ihrer beruflichen Tätigkeit als XXXX beruhen auf den Angaben von P1. Es ist auf Grund der langjährigen Schul- und Berufsausbildung von P1 im Herkunftsstaat, dem Umstand, dass ihre Mutter als nächste Verwandte, mit den Beschwerdeführern auch schon vor der wiederholten Ausreise in einer Wohnung wohnte und nach wie vor dort lebt, der bis zur letzten Ausreise bestehenden Erwerbsmöglichkeiten von P1 in Verbindung mit 1. Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer, Grundversorgung und Wirtschaft; Sozialleistungen; medizinische Versorgung, nicht davon auszugehen, dass die gesunden P1 und P3 Gefahr laufen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie ärztliche Versorgung, Medikamente, Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. P1 konnten in der Republik Kasachstan immer die Bedürfnisse des täglichen Lebens für sich und ihrer Kinder stillen, ihre Existenzgrundlage ist bei Rückkehr wieder durch ihre Arbeit gesichert. Die Beschwerdeführer sind - nach etwas mehr als XXXX Abwesenheit - dort nach wie vor mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut und können auf ein nach wie vor dort bestehendes familiäres und soziales Netzwerk zurückgreifen.
Zudem wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen zu den Spruchpunkten II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
e) Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich:
Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich beruht auf dem Vorbringen von P1 im Lauf der Verfahren, auf Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Zentrales Fremdenregister, Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregister) und schriftlichen Stellungnahmen samt vorgelegten Unterlagen.
Die bei P1 - die nur A1 Deutschkurse besucht und immer noch keine Deutschprüfung absolviert hat - immer noch nicht ausreichend vorhandenen Deutschkenntnisse zeigten sich in der Beschwerdeverhandlung; danach wurden keine weiteren Integrationsunterlagen in Vorlage gebracht. Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund der allgemeinen Lebenserfahren davon aus, dass P3, der in Österreich schulpflichtig ist, altersgerecht Deutsch spricht, wobei herausragende schulische Leistungen nicht vorgebracht wurden.
Die Feststellungen womit P1 die Tage in Österreichmit verbringt, ergeben sich aus ihren Angaben in der Beschwerdeverhandlung:
„...R: Sind Sie österreichisches Vereinsmitglied?
P: Nein.
R: Wer bezahlt Ihre Krankenversicherung in Österreich?
P: Wer bezahlt?
R: Gehen Sie arbeiten, oder leben Sie von der Grundversorgung?
P: Ich lebe vom österreichischen Staat.
R: Wie verbringen Sie und Ihre Kinder die Tage? Was machen Sie und Ihre Kinder den ganzen Tag lang?
P: Was wir machen? Jetzt gibt es Sommerferien. Wir gehen spazieren und manchmal wenn es warm ist, gehen wir schwimmen ins Schwimmbad. Wir gehen auch am Abend spazieren.
R: Fühlen Sie sich in Österreich integriert und falls ja, warum?
P: Ich möchte mich integrieren, bekomme aber keine Möglichkeit dazu.
R: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
P: Wie ich mir meine Zukunft vorstelle? Ich stelle mir meine Zukunft so vor, dass meine Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Ich möchte die Deutsche Sprache lernen. Ich will nicht den ganzen Tag zuhause sitzen, ich will mich entwickeln.
R: Wie wollen Sie sich entwickeln?
P: Ich werde mich bemühen, die deutsche Sprache zu lernen. Ich versuche über Youtube Deutsch zu lernen, aber die Sorgen um die Zukunft stören dabei. Wenn ich gut die Sprache erlernen würde, würde ich die Kurse problemlos absolvieren.
R: Dafür sind die Kurse doch da, damit Sie Deutsch lernen?
P: Es ist schwerer für mich, weil der Vortrag in Deutsch und nicht in Russisch ist und daher lerne ich schwerer Deutsch…“ (Verhandlungsschrift Seite 21f)
Bis dato wurden keine weiteren Kursbestätigungen oder Unterlagen in Vorlage gebracht oder angegeben, dass sich aktuell daran etwas geändert hätte.
Die Feststellungen, wonach P1 in Österreich – im Gegensatz zum Herkunftsstaat - nach wie vor nicht berufstätigt ist bzw. P1, im Gegensatz zur Republik Kasachstan, in Österreich noch nie eigenes Einkommen erwirtschaften konnte, ergeben sich aus den Angaben von P1 in der Beschwerdeverhandlung. Aus einem aktuellen Auszug aus dem Grundversorgungssystem und einem Sozialversicherungsauszug geht hervor, dass P1 nach wie vor keiner Arbeit nachgeht bzw. die Beschwerdeführer in Österreich durchgehend von der österreichischen Grundversorgung leben; für eine ausführliche Interessenabwägung zwischen den privaten und den öffentlichen Interessen am Verbleib in Österreich wird auf 3. Rechtliche Beurteilung zu den Spruchpunkten IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
f) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:
Die Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer beruhen auf dem in der Beschwerdeverhandlung dargetanen Dokumentationsmaterial und etwas aktuelleren Berichten derselben Quellen. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben keinen Einwand gegen die Heranziehung dieser Informationsquellen (deren Inhalt sich seit der Beschwerdeverhandlung nicht entscheidungswesentlich geändert hat) erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen hauptsächlich von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Die inhaltlich übereinstimmenden Länderberichte befassen sich mit der aktuellen Lage in der Republik Kasachstan.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I. dieser Erkenntnisse:
Zu den Spruchpunkten I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In den Spruchpunkten I. der Bescheide wurden die Anträge von P1 und P2 auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG).
Wie bereits weiter oben 2. Beweiswürdigung c zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen ausgeführt, wurden für P3 keine Fluchtgründe angegeben. Das Bundesverwaltungsgericht geht nach einer Beschwerdeverhandlung davon aus, dass P1 sämtliche Ausreisegründe frei erfunden hat. Da P1 persönlich unglaubwürdig ist und nicht glaubhaft machen kann, dass sie oder P3 in Zukunft einer Verfolgungsgefahr in der Republik Kasachstan ausgesetzt sein werden, sind die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der gegenständlichen Bescheide abzuweisen.
Zu den Spruchpunkten II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In den Spruchpunkten II. der Bescheide wurde die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigen einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden (§ 8 Abs. 2 AsylG).
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0309).
Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Asylwerber nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307; 23.02.2016, Ra 2015/01/0134).
Der Verwaltungsgerichtshof hat überdies in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, 2019/19/0006-3, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 06.11.2018, 2018/01/0106, zusammengefasst klargestellt, dass § 8 Abs. 1 AsylG, auch wenn er nicht der Statusrichtlinie entspricht, nach wie vor anzuwenden ist.
P1 hat sämtliche angebliche Verfolgungen frei erfunden (siehe 2. Beweiswürdigung c zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen) und die Beschwerdeführer reisten wiederholt problemlos, legal aus der Republik Kasachstan aus und P1 stellte erst am XXXX , gegenständliche zweite Anträge auf internationalen Schutz.
P1 hat nie behauptet wegen der Sicherheitslage im Herkunftsstaat ausgereist zu sein und P1 und P3 können wieder in ihre Wohnung, in der nach wie vor die Mutter von P1 lebt, nach XXXX zurückkehren. Derzeit gilt in der Republik Kasachstan ein guter Sicherheitsstandard mit Sicherheitsstufe 01; siehe dazu weiter oben 2. Beweiswürdigung d zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25.04.2022, Ra 2022/20/0044-7, ausgesprochen, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 09.12.2021, Ra 2021/14/0340 bis 0341, mwN). Zum Erkrankungen betreffenden Aspekt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) jüngst im Urteil (der Großen Kammer) vom 07.12.2021, Savran/Dänemark, 57467/15, neuerlich (unter Hinweis auf EGMR [Große Kammer] 13.12.2016, Paposhvili/Belgien, 41738/10) betont, dass es Sache des Fremden ist, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er würde im Fall der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einem realen Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterzogen. Erst wenn solche Beweise erbracht werden, ist es Sache der Behörden des ausweisenden Staats, im Zuge der innerstaatlichen Verfahren jeden dadurch aufgeworfenen Zweifel zu zerstreuen und die behauptete Gefahr einer genauen Prüfung zu unterziehen, im Zuge derer die Behörden im ausweisenden Staat die vorhersehbaren Konsequenzen der Ausweisung auf die betroffene Person im Empfangsstaat im Lichte der dort herrschenden allgemeinen Lage und der persönlichen Umstände des Betroffenen erwägen müssen. Die Verpflichtungen des ausweisenden Staats zur näheren Prüfung werden somit erst dann ausgelöst, wenn die oben genannte (hohe) Schwelle überwunden wurde und infolge dessen der Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK eröffnet ist (dazu VwGH 25.04.2022, Ra 2021/20/0448, mwN).
P3 ist gesund und das Bundesverwaltungsgericht geht nicht davon aus, dass diese (hohe) Schwelle bei der P1 erreicht ist. P1 leidet an keiner akut lebensbedrohlichen Krankheit. P1 hat in der Beschwerdeverhandlung eine fachärztliche Stellungnahme des XXXX vorgelegt. Dabei handelt es sich aber um keine lebensbedrohliche Erkrankung, die Medikation wurde nur XXXX verordnet und P1 gab zudem in der Beschwerdeverhandlung ausdrücklich an gesund zu sein. P1 hat in der Beschwerdeverhandlung auch nicht angegeben in den vergangenen Jahren in Österreich Medikamente eingenommen zu haben. P1 war weder zum Zeitpunkt ihrer freiwilligen Ausreise aus Österreich in medizinischer Behandlung, noch hat sie diese nach der Rückkehr im Herkunftsstaat benötigt, oder nach ihrer neuerlichen Einreise nach Österreich, sondern erstmals unmittelbar vor der Beschwerdeverhandlung. Auch nach der Beschwerdeverhandlung wurden keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht, aus denen hervorgehen würde, dass P1 aktuell in medizinischer Therapie ist. P1 hat in der Beschwerdeverhandlung auch nicht angegeben, dass sie in der Vergangenheit jemals auf Grund einer Erkrankung gehindert war ihrer Arbeit nachzugehen (sie arbeitete im Herkunftsstaat sogar bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise XXXX ; siehe dazu 2. Beweiswürdigung), oder eine aktuelle Erkrankung vorliegt, die sie daran hindern würde zu arbeiten.
Bei P1 handelt es sich um eine XXXX arbeitsfähige Frau XXXX mit XXXX Berufserfahrung in der Republik Kasachstan, welche den jedenfalls bei weitem überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat. P1 hat nie behauptet aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist zu sein oder an Hunger oder unter Armut gelitten zu haben; vielmehr konnte sie problemlos einen Beruf erlernen und arbeiten gehen. P1 hat auch nicht behauptet, dass sie vor ihrer Rückkehr nach Österreich mit P2 und P3 in der Republik Kasachstan obdachlos gewesen wäre oder, dass die Beschwerdeführer an Hunger gelitten hätten.
Die Mutter der volljährigen P1 lebt nach wir vor in jener Wohnung in XXXX , in der die Beschwerdeführer ebenfalls vor ihrer letzten Ausreise gelebt haben und P1 ging auch bis zur letzten Ausreise ihrer Arbeit als XXXX nach, um damit den Lebensunterhalt für ihre Familie zu finanzieren. Aus den aktuellen Länderberichten geht nicht hervor, dass sich die wirtschaftliche Lage im Herkunftsstaat seit der Ausreise der Beschwerdeführer verschlechtert hätte. Selbst wenn die wirtschaftliche Lage in der Republik Kasachstan schlechter ist als jene in Österreich, ist es P1 zumutbar wieder – wie auch schon vor ihrer letzten Ausreise - durch eine notfalls auch weniger attraktive Arbeit den unbedingt notwendigen Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu bestreiten. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, ausgeübt werden können. P1 hat im Herkunftsstaat ihre Schulbildung abgeschlossen, eine XXXX absolviert und als XXXX gearbeitet und ist damit in der Lage wieder, wie auch schon in den vergangenen XXXX , den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu bestreiten.
Drohende Obdachlosigkeit ist, schon aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführer auch schon zuletzt in XXXX gemeinsam mit der Mutter von P1 in einer Wohnung lebten, in der die Mutter von P1 nach wie vor lebt bzw. in die P1 und P3 zurückkehren können, nicht zu befürchten; es wäre P1 aber auch zumutbar, dass sie sich eine eigene Wohnung mietet. Wie aus den Feststellungen f zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer, Sozialbeihilfen und Rückkehr hervorgeht, besteht in der Republik Kasachstan ein Sozialsystem, mag es auch nicht mit dem österreichischen im Leistungsumfang vergleichbar. Dazu kommt, dass P1 und P3 nicht nur wieder auf die umfassende Unterstützung der Mutter von P1, sondern wohl auch auf jene des Vaters von P3 zählen können, zumal P1 persönlich unglaubwürdig ist und sowohl das angebliche Verschwinden des angeblichen Vaters von P3 - der entgegen der Behauptungen von P1 dass er XXXX heißt, laut vorgelegten Geburtsurkunde von P3 nicht diesen Namen führt – als auch die seither XXXX bestehende Verfolgung frei erfunden hat (siehe 2. Beweiswürdigung c zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen). Die Beschwerdeführer kehrten unter Gewährung der Rückkehrhilfe am XXXX in die Republik Kasachstan zurück, um sich um die erkrankte Mutter von P1 zu kümmern, die sie als XXXX im Herkunftsstaat zurückgelassen haben.
In jedem Fall setzt eine durch die Lebensumstände im Zielstaat bedingte Verletzung des Art. 3 EMRK eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr voraus. Die bloße Möglichkeit eines dem Art. 3 EMRK widersprechenden Nachteils reicht hingegen nicht aus, um Abschiebungsschutz zu rechtfertigen (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174).
Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass der arbeitsfähigen P1, oder P3, in der Republik Kasachstan eine extrem schlechte wirtschaftliche Lage und „außergewöhnliche Umstände“ wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen.
Für die Republik Kasachstan kann auch unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen nicht festgestellt werden, dass in diesem Staat eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat als unrechtmäßig erscheinen ließe.
Irgendein besonderes „real risk“, dass es durch die Rückführung von P1 und P3 in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde, kann nicht erkannt werden; außergewöhnliche Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR, die gegen eine Abschiebung in die Republik Kasachstan sprechen würden, sind nicht erkennbar, weshalb die Beschwerden gegen die Spruchpunkte II. der Bescheide abzuweisen sind.
Zu den Spruchpunkten III. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In den Spruchpunkten III. wurden gemäß § 57 AsylG Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.
Das Bundesamt hat gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2021, ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382c EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Da weder von P1 noch für P3 während der Verfahren behauptet wurde, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2021, vorliegen, erweisen sich die Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. als unbegründet.
Zu den Spruchpunkten IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In den Spruchpunkten IV. wurden gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. Nr. 145/2017, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 des § 10 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ist der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,4. der Grad der Integration,5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 verfügen, unzulässig wäre. (§ 9 Abs. 3 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Betreffend Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer ist Folgendes zu erwägen:
P1 ist die Mutter der minderjährigen P2 und P3. Die Mutter von P1 lebt nach wie vor in der Republik Kasachstan. Da P1 und P3 im gleichen Maße von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind (bezüglich P2 siehe weiter unten Spruchpunkt II. dieser Erkenntnisse), kann im Fall der gemeinsamen Rückkehr kein Eingriff in das zwischen ihnen bestehende Familienleben erkannt werden.
Geht man im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben von P1 und P3 in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zu Lasten von P1 und P3 aus und die Ausweisung stellt jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar.
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055).
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen. Es ist auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216).
Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.08.2011, 2008/21/0605; E 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; E 30.06.2016, Ra 2016/21/0165; VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253-12).
Vorauszuschicken ist, dass bereits weiter oben unter 3. Rechtliche Beurteilung zu den Spruchpunkten II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgeführt wurde, dass P1 nach wie vor über sehr starke Bindungen zum Herkunftsstaat verfügt, hat sie doch den bei weitem überwiegenden Teil ihres Lebens, sogar XXXX , in der Republik Kasachstan verbracht, dort ihre Schul- und Berufsausbildungen abgeschlossen, mit P2 und P3 ihre Familie gegründet und ist zudem während des ersten Asylverfahrens freiwillig mit P2 und P3 zurückgekehrt.
Im Gegensatz dazu hielt sich P1 währende des ersten Asylverfahrens nur XXXX Jahre legal in Österreich auf und lebte danach wieder mehr als drei Jahre im Herkunftsstaat. P1 hat am XXXX ihren zweiten Asylantrag gestellt und hält sich somit erst wieder seit XXXX Jahren in Österreich auf. Das Verhalten von P1, die nichts dabei fand in den Asylverfahren bis zuletzt in der Beschwerdeverhandlung immer wieder bewusst unwahre Angaben zu machen, ist nicht geeignet eine solide Basis für ihre Integration zu schaffen.
Die im Herkunftsstaat als XXXX ausgebildete und bis zuletzt als XXXX arbeitende P1 konnte in der Republik Kasachstan – im Gegensatz zu Österreich - stets den Lebensunterhalt bestreiten. P1 hat sich im Herkunftsstaat XXXX ausreichend qualifizierte Berufserfahrung aneignen können und war immer, bis zur letzten Reise nach Österreich, erfolgreich am kasachischen Arbeitsmarkt integriert. In Österreich ist P1 hingegen nicht selbsterhaltungsfähig und lebte schon während ihres ersten Asylverfahrens bzw. seit ihrer Rückkehr nach Österreich am XXXX ausschließlich von der Grundversorgung. Sie hat lediglich einen A1 Deutschkurs besucht, sprach in der Beschwerdeverhandlung nur wenig Deutsch und hat immer noch keine einzige Deutschprüfung bestanden. P1 verbringt die Tage damit sich um ihre Kinder und den Haushalt zu kümmern sowie spazieren zu gehen. Eine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet ist nicht ersichtlich und mangels für den Berufsalltag ausreichender Deutschkenntnisse in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 05.10.2017, Ra 2017/21/0119, ausgeführt, dass das „Kindeswohl“ bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 zu berücksichtigen ist (Hinweis B 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 bis 0062; E 22.11.2012, 2011/23/0451; E 12.09.2012, 2012/23/0017; VfGH 12.10.2016, E 1349/2016). Soweit, wie im vorliegenden Fall, Kinder von der Rückkehrentscheidung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (Urteile des EGMR vom 18.10.2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Rz 58, und vom 06.07.2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Rz 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie seine Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter („adaptable age“; Urteile des EGMR vom 31.07.2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Rz 66, vom 17.02.2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Rz 60, und vom 24.11.2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Rz 46) befinden (VwGH 21.04.2011, 2011/01/0132). Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass dem minderjährigen P3 der objektiv unrechtmäßige Aufenthalt subjektiv nicht im gleichen Ausmaß wie P1 zugerechnet werden kann (VfGH 07.10.2014, U 2459/2012 u.a.).
Vorauszuschicken ist, dass die Vertreterin der Beschwerdeführer keine Befragung von P3 in der Beschwerdeverhandlung beantragt hat. Das Bundesverwaltungsgericht sah im Sinne des „Kindeswohls“ keinen Grund dafür, da man eine Befragung in einer Gerichtsverhandlung unmündigen Minderjährigen nur dann zumutet, wenn dies unerlässlich ist, wie z.B. im Fall von unbegleiteten Minderjährigen. In diesen Erkenntnissen werden jedenfalls alle Angaben von P1 für P3 samt vorgelegten Unterlagen (vor allem auch zur Integration) berücksichtig und dem Verfahren von P3 zu Grunde gelegt. Zudem kann man auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung ohnehin davon ausgehen, dass Kinder spätestens ab dem Besuch eines österreichischen Kindergartens oder der Schule Deutsch sprechen.
Es war die Entscheidung der gesetzlichen Vertreterin P1 nochmals ihren Herkunftsstaat zu verlassen. In Folge soll und darf die Verantwortung der gesetzlichen Vertreterin P1 für Integration nicht einfach auf P3 überwälzt werden. Wären der damals erst XXXX P3 in der Beschwerdeverhandlung befragt worden, reicht die Integration von P1 aber schließlich doch nicht aus um in Österreich bleiben zu dürfen, würde P3 sein Leben lang glauben, es wäre seine „Schuld“, dass P3 in der Beschwerdeverhandlung z.B. „nicht gut genug“ war oder der „persönliche Eindruck“ von P3 nicht ausgereicht hätte und seine Mutter P1 seinetwegen nicht in Österreich bleiben darf. Da ohnehin alle Angaben die P1 für P3 gemacht hat nicht bezweifelt werden, gab es keinen Grund dafür den zum Zeitpunkt der Beschwerdeverhandlung erst XXXX P3 zu befragen. Kinder sollen im Sinne des „Kindeswohls“ ihre Kindheit so unbeschwert wir irgendwie möglich erleben. Es gab keinen plausiblen Grund dafür den XXXX dem unnötigen Stress auszusetzen in der Beschwerdeverhandlung auszusagen; vor allem vor dem Hintergrund möglicher negativer psychischer Folgen für sein restliches Leben.
P3 wurden in der Republik Kasachstan geboren, seine Muttersprache ist Russisch, er besuchte im Herkunftsstaat den Kindergarten und XXXX Das Bundesverwaltungsgericht geht dennoch jedenfalls zu Gunsten von P3 davon aus, dass P3 altersgerecht Deutsch beherrscht. Für P3 wurden insgesamt aber keine besonders guten schulischen Leistungen dargelegt und auf Grund der Tatsache, dass seither keine weitere Schulnachricht in Vorlage gebracht wurde, kann derartiges nicht festgestellt werden. Nachdem P3 - mangels ausreichender Deutschkenntnisse von P1 – seit seiner Geburt in seiner Muttersprache Russisch erzogen wird und XXXX , ist nicht davon auszugehen, dass seine neuerliche Rückkehr zu seinen dort lebenden Verwandten – allen voran seine Großmutter und sein Vater- mit unzumutbaren Härten verbunden sein wird. P3 hat erst vor einem halben Jahr die österreichische XXXX , weshalb seine Rückkehr in eine kasachische Schule zumutbar ist. Zudem bedarf P3 aufgrund seines jungen Alter weiterhin der Unterstützung seiner Mutter, die von einer Rückkehr in die Republik Kasachstan betroffen ist.
Es ist insgesamt nicht davon auszugehen, dass P3 nach nur XXXX Jahren in Österreich im Fall seiner Rückkehr mit unüberwindbaren Schwierigkeiten konfrontiert sein wird, zumal er nach wie vor von seiner Mutter erzogen wird und ein gutes Verhältnis zu seiner Großmutter in der Republik Kasachstan hat; die Gepflogenheiten im Heimatland sind P3 sohin nicht fremd. Eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat steht in Anbetracht der aufgezeigten Umstände, insbesondere des weiteren Zusammenlebens im Familienverband mit seiner Mutter und der Möglichkeit des Kontakts mit seinem Vater (Anmerkung: P1 ist persönlich unglaubwürdig, weshalb sie auch nicht glaubhaft machen kann, dass der Vater von P3 verschwunden ist; siehe dazu 2. Beweiswürdigung c zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen), seinem Kindeswohl nicht entscheidungsmaßgeblich entgegen.
Es liegen keine besonderen Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich vor und allfällige freundschaftliche Beziehungen sind zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich P1 ihrer unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Insgesamt kann keine Integrationsverfestigung von P1 und P3 in Österreich glaubhaft gemacht werden und aus dem Privatleben von P1 und P3 sind keine objektiven Gründe ersichtlich, die Rückkehrentscheidungen entgegenstehen würden.
P1 und P3 ist es nicht verwehrt, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG in Zukunft legal in das Bundesgebiet einzureisen. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung - die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht bzw. wiederholte Asylantragstellungen und die mit Einbringung von Asylanträgen verbundenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen dürfen -, wiegen jedenfalls schwerer als das Interesse von P1 und P3 am Verbleib in Österreich.
Nach Maßgabe der Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, überwiegt nach wie vor das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes von P1 und P3 im Bundesgebiet ihre persönlichen Interessen am Verbleib und es liegt durch die angeordneten Rückkehrentscheidungen keine Verletzung des Art. 8 EMRK vor, weshalb die Beschwerden gegen die Spruchpunkte IV. der Bescheide von P1 und P3 abzuweisen sind.
Zu den Spruchpunkten V. der Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In den Spruchpunkten V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Abschiebungen der Beschwerdeführer nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig sind.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß § 50 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde bereits verneint (siehe 3. Rechtliche Beurteilung zu den Spruchpunkten II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl).
Gemäß § 50 Abs. 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG). Das Vorbringen von P1 zu sämtlichen angeblichen Gründen die zur Flucht aus der Republik Kasachstan geführt haben sollen war unglaubwürdig und P1 kann auch nicht glaubhaft machen, dass P1 oder P3 in Zukunft asylrelevante Probleme bekommen werden (siehe 2. Beweiswürdigung c zu den von P1 behaupteten Fluchtgründen sowie 3. Rechtliche Beurteilung zu den Spruchpunkten I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl).
Die Abschiebung ist schließlich gemäß § 50 Abs. 3 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, unzulässig, solange dieser die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Republik Kasachstan nicht.
Insgesamt sind daher die Beschwerden gegen die Spruchpunkte V. der Bescheide abzuweisen.
Zu A) Spruchpunkt II. dieser Erkenntnisse:
Zu den Spruchpunkten VI. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:
In den Spruchpunkten VI. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Wie bereits weiter oben ausgeführt, wird im Verfahren von XXXX mit Beschluss vom heutigen Tag, XXXX , die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird im Verfahren von P2, nach deren niederschriftlicher Befragung zu deren Integration und Prüfung aktueller Integrationsunterlagen, eine Bescheid zu erlassen haben. Aus diesem Grund wird die Frist für die freiwillige Ausreise von P1 und P3 bis 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung im Asylverfahren von P2 erstreckt sodass - sollte im Asylverfahren von P2 eine inhaltlich anderslautende Entscheidung getroffen werden – P1 als Mutter der minderjährigen P2 die Möglichkeit offen stünde, im Rahmen eines Familienverfahrens, entsprechende Anträge zu stellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revisionen:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
In den konkreten Fällen sind Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der Beweiswürdigung wird ausgeführt, dass den Angaben von P1 zu den angeblichen Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zuzubilligen ist, P1 persönlich unglaubwürdig ist und keine Gefährdung im Fall der Rückkehr von P1 oder P3 in ihren Herkunftsstaat vorliegt. Bei P1 und P3 liegt nach ihrem zuletzt durchgehend XXXX Jahre dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet keine ausreichende Integration in Österreich vor. Diese Erkenntnisse beschäftigen sich vor allem mit der Erforschung und Feststellung von Tatsachen und es ergaben sich im Lauf der Verfahren keine Hinweise auf das Vorliegen von ungeklärten Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.
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