AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:I411.2260479.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2022, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 24.08.2022 ersuchte die Bundespolizei von Deutschland die österreichischen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes um Rückübernahme eines tunesischen Staatsbürgers, dem die Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verweigert worden ist.
Nach der erfolgten Übernahme wurde der Beschwerdeführer in Österreich festgenommen und von Organen einer Landespolizeidirektion niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person gab der Beschwerdeführer an, XXXX zu heißen, am XXXX in Tunis geboren worden und Staatsbürger von Tunesien zu sein. Er sei ledig, gehöre zur Volksgruppe der Araber und bekenne sich zum Islam. In Hinblick auf den Zweck seines Aufenthaltes im Schengenraum teilte er mit, in Österreich keinen Asylantrag stellen zu wollen. Er möge nach Frankreich weiterreisen, um dort zu arbeiten und um zu seiner Familie zu fahren.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2022 wurde gegen den Beschwerdeführer in weiterer Folge die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt.
2. Aus dem Stande der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 29.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er Atheist sei und dadurch sehr viele Probleme und Drohungen bekommen habe. Sein Vater bedrohe ihn, dass er ihn „schlachten“ werde.
3. Am 07.09.2022 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, von Tunesien weg zu sein, weil er sich dort nicht mehr sicher fühle. Er habe Angst vor seinem Vater und vor der Gesellschaft. Das sei der Grund, weshalb er zu seiner Mutter nach Frankreich möge.
Sein Vater habe Probleme aufgrund des Verdachtes bzw. Vorwurfs der Vergewaltigung und des Menschenhandels, in Frankreich sei er im Gefängnis gewesen, weil er mit seiner Mutter Konflikte gewaltsam ausgetragen habe. Sein Vater sei verurteilt worden, habe ihn entführt und drohe der Rechtsanwältin seiner Mutter. Seit dem Jahr 2017 sei er Atheist. Drei Leute, welche ihn kennen und wissen würden, dass er religionslos sei, hätten ihn auf der Straße bedroht. Es seien Privatpersonen aus seinem Bekanntenkreis gewesen.
Anderswo in Tunesien könne er sein Leben nicht fortsetzen. Er sei einmal bei der Polizei gewesen und vertröstet worden. Er habe innerhalb Tunesiens dreimal die Adresse gewechselt und sei jedes Mal von seinem Vater aufgefunden worden, der ihn dann bedroht habe. Sein Vater schicke ihm Drohungen, ansonsten habe er keinen Kontakt.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien als unbegründet ab (Spruchpunkt I. und II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Ferner erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte das Bundesamt im Kern aus, dass dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen und eine Rückkehr nach Tunesien möglich sei.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die im vollen Umfang erhobene Beschwerde vom 23.09.2022, in welcher die Durchführung einer Verhandlung, die Übersetzung der vorgelegten Unterlagen und die zeugenschaftliche Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers zum Beweis für den Glaubensabfall, der Verfolgung durch seinen Vater und den angeschlagenen psychischen Gesundheitszustand beantragt wird.
Dem Anhang der Beschwerde wurden mehrere Unterlagen beigelegt, bei denen es sich um islamkritische Postings, Bilder von den Verletzungen der beschwerdeführenden Partei, Drohungen des Vaters des Beschwerdeführers, ein psychiatrisches Gutachten zum Zustand des Beschwerdeführers, ein Schreiben der Anwältin der Mutter des Beschwerdeführers wegen Drohungen durch den Vater, Urteile und gerichtliche Dokumente aus Frankreich, ein abgelaufenes Visa und um Berichte bezüglich der kriminellen Aktivität des Vaters des Beschwerdeführers handeln soll.
Inhaltlich wird in der Beschwerde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Ermittlungsverfahren des Bundesamtes mangelhaft gewesen sei, insbesondere sei die Befragung der Behörde absolut mangelhaft gewesen sei, da zahlreiche Umstände gar nicht thematisiert worden seien.
Bei adäquater Nachfrage hätte das Bundesamt erfahren können, dass der Beschwerdeführer nach der Scheidung seiner Eltern im Jahr 2007 von seinem Vater im Jahr 2008 entführt und illegal nach Tunesien gebracht worden sei. Das Sorgerecht sei zur Gänze seiner Mutter zugekommen. Auch habe die beschwerdeführende Partei 2018 nur anlässlich eines Urlaubs in Spanien nach Frankreich zu seiner Mutter fliehen können. Auch zur innerstaatlichen Fluchtalternative in Tunesien sei der Beschwerdeführer nicht ausreichend befragt worden. Der Vater der beschwerdeführenden Partei habe Personen bestochen, um ihn ausfindig zu machen. Sein Vater habe ihn unter anderem mit dem Umbringen bedroht und ihn daraufhin zu sich geholt. Weiters habe der Vater des Beschwerdeführers erst seit 2020 bzw. seit der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien gewusst, dass er Atheist sei. Dies sei der Auslöser für den Beginn der Drohungen und Verfolgungen des Beschwerdeführers durch seinen Vater gewesen. Der Vater habe unter anderem auch veranlasst, dass der Beschwerdeführer seine Arbeit verliert, indem er den Arbeitgeber dazu veranlasste, ihn zu kündigen.
Zu seinem Gesundheitszustand hätte der Beschwerdführer ebenfalls weitere Ausführungen machen können. So sei er zwar körperlich gesund, leide aber an psychischen Problemen. Er habe eine bipolare Störung und ADHD. Er habe mitunter sehr große Probleme sich zu konzentrieren und sei oft depressiv. Es sei nur missverstanden worden, dass er gesund sei. Eigentlich habe er angegeben, psychisch erkrankt zu sein. In Tunesien würde er außerdem keine adäquate medizinische Behandlung für seine psychische Erkrankung bekommen.
Das Thema der allgemeinen Bedrohung durch andere Personen in der tunesischen Gesellschaft hätte man ebenso genauer ermitteln müssen. Personen hätten aus Online Postings erfahren, dass der Beschwerdeführer Atheist und vom islamischen Glauben abgefallen sei. Der Beschwerdeführer sei daraufhin nicht nur bedroht, unter anderem mit dem Anzünden seines Hauses, sondern auch unter Gewaltanwendung gefangen und zusammengeschlagen worden. Der Abfall vom islamischen Glauben bedeute nach islamischen Verständnis einen hochverräterischen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem. Es sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Apostasie und wegen seiner islamkritischen Postings in Tunesien Verfolgungshandlungen ausgesetzt sei.
Zu möglichem Schutz durch die Polizei hätte der Beschwerdeführer auch weitere Ausführungen machen können. Er habe versucht, Schutz in Anspruch zu nehmen. Die tunesische Polizei habe ihm aber nicht geholfen und die Bedrohungen durch seinen Vater nicht ernst genommen, auch deshalb, weil er erwähnt habe, Atheist zu sein.
Außerdem habe die Polizei wegen der Gefährlichkeit seines Vaters nicht die Fähgkeit, ihn zu schützen. Sein Vater werde wegen diverser strafrechtlicher Delikte gesucht bzw. ist deswegen verurteilt worden. Diese Delikte seien unter anderem Menschenhandel, Entführung und Vergewaltigung. Aufgrund der Gewalttäigkeit gegenüber dem Beschwerdeführer und seiner Mutter sei der Vater der beschwerdeführenden Partei auch schon verurteilt worden. Der Vater des Beschwerdeführers habe auch Verbindungen zur Polizei in Tunesien, welche allgemein kurrupt sei, was ein Einschreiten der Polizei unwahrscheinlich mache. Dazu, dass der Vater den Beschwerdeführer über den Account des Bruders des Beschwerdeführers bedroht habe, gäbe es noch zu sagen, dass der Vater des Beschwerdeführers solche Drohungen üblicherweise nicht über sein eigenes Konto mache, um nicht einfach zurückverfolgt werden zu können. Als der Beschwerdeführer noch in Tunesien gewesen sei, sei er zumeist persönlich beschimpft worden.
Des Weiteren habe das Bundesamt eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Entgegen der Ansicht der Behörde habe der der Beschwerdeführer sein Vorbringen detailiert und lebensnah gestaltet und über seine Verfolgung frei gesprochen.
6. Mit Schriftsatz vom 27.09.2022, beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eingelangt am 05.10.2022, legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Tunesien. Er ist ledig und gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.
Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung oder sonstigen schweren Erkrankung, welcher einer Rückkehr nach Tunesien entgegensteht, und ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer stammt aus Tunis. Von 2002 bis 2007 lebte er in Malta und von 2007 bis Anfang 2008 in Frankreich. Ende 2007 trennten sich seine Eltern, woraufhin er gemeinsam mit seinem Vater nach Tunesien zurückkehrte.
Anschließend hielt er sich, abgesehen von zwischenzeitlichen Aufenthalten in Malta und Frankreich, bis Mitte 2018 mit seinem Vater in seinem Herkunftsstaat auf. Im Zeitraum von Mitte 2018 bis Mai 2020 lebte er bei seiner Mutter in Frankreich, musste allerdings dann aufgrund seiner illegalen Einreise nach Tunesien zurückkehren.
Im Juni 2022 fasste er daraufhin den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat, um zu seiner Mutter nach Frankreich zu reisen. Anfang Juli 2022 reiste er vom Flughafen Tunis mit seinem gültigen Reisepass auf dem Luftweg aus Tunesien in die Türkei aus, von wo aus er zunächst nach Serbien gelangte. In Ungarn, der Slowakei und Österreich war er auf Durchreise. Am 24.08.2022 wurde er von österreichischen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes rückübernommen, nachdem ihm die Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verweigert worden ist.
Der Beschwerdeführer ging in Malta und Frankreich jeweils in die Grundschule. Danach besuchte er in Tunis drei Jahre lang eine Hauptschule und anschließend vier Jahre lang ein Gymnasium. In Frankreich absolvierte er eine Ausbildung zum Hotel- und Gastgewerbe Assistent. Vor seiner Ausreise im Juli 2022 arbeitete er als Barkeeper in Tunis. Seine finanzielle Situation war gut.
Sein Vater, sein Halbbruder und entfernte Verwandte wie Tanten und Onkeln leben nach wie vor in Tunesien. Die Mutter sowie drei Tanten des Beschwerdeführers leben in Frankreich. Ein Onkel und eine Tante leben in Deutschland. Seinen Vater hat er zuletzt am 23.08.2022 angerufen, um ihm mittzuteilen, dass er unterwegs zu seiner Mutter ist.
Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf und verfügt im Bundesgebiet über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Er ist in Österreich nicht vorbestraft.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Entgegen dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden, ob er Atheist ist und deswegen vor seiner Ausreise von seinem Vater und Personen aus seinem Bekanntenkreis verletzt oder bedroht worden ist oder im Falle einer Rückkehr von ihnen Angriffe zu befürchten hätte. Gegen derart drohende private Verfolgungen ist der tunesische Staat zudem schutzwillig und -fähig.
Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Tunesien wird der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sein. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat Tunesien entgegenstünden. Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat.
1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
COVID-19
Letzte Änderung: 15.06.2022
Seit 1.7.2021 gilt ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19). Mit Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr und weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben ist zu rechnen (BMEIA 29.4.2022).
Seit dem 26.2.2022 müssen geimpfte Reisende, bzw. vollständig geimpfte ab 18 Jahren (sowie einmal geimpft und genesen) (AA 29.4.2022; vgl. BMEIA 29.4.2022) ein von den Behörden des Heimatlandes ausgestelltes Impfzertifikat bei der Einreise vorlegen. Vollständig geimpft sind diejenigen, deren letzte Impfung mindestens 14 Tage vor der Einreise bzw. bei Impfung mit Johnson & Johnson mindestens 28 Tage vor der Einreise abgeschlossen wurde; Einreisende müssen sich stichprobenartigen Screeningtests unterziehen (AA 29.4.2022; vgl. FD 11.5.2022).
Ungeimpfte Reisende ab 18 Jahren müssen bei Einreise einen negativen, maximal 48 Stunden alten PCR-Test vorlegen, der mit einem QR-Code versehen oder von den zuständigen Gesundheitsbehörden ausgestellt wurde. Alternativ kann auch ein, bei Einreise maximal 24 Stunden alter, Antigentest vorgelegt werden (AA 29.4.2022; vgl. BMEIA 29.4.2022). Für Reisende die ein unvollständiges Impfschema aufweisen, einschließlich derjenigen, die nur eine Impfdosis erhalten haben (bei Impfstoffen mit zwei Injektionen), gelten dieselben Einreisebestimmungen wie für Ungeimpfte (FD 11.5.2022). Nach Ankunft müssen sich ungeimpfte Reisende ab 18 Jahren in eine fünftägige Heimisolation begeben (AA 29.4.2022; vgl. FD 11.5.2022, BMEIA 29.4.2022), bei Auftreten von Symptomen sieben Tage (BMEIA 29.4.2022).
Reisende unter 18 Jahren sind von der Test- oder Impfpflicht ausgenommen (FD 11.5.2022).
Der in englischer oder französischer Sprache ausgestellte Testnachweis ist in ausgedruckter Form vorzulegen. Das Dokument wird beim Flughafen Check-in geprüft und muss bei Ankunft den Verantwortlichen des Gesundheitsministeriums im Rahmen der Temperaturkontrolle übergeben werden (AA 29.4.2022; vgl. BMEIA 29.4.2022).
Die tunesischen Behörden behalten sich das Recht vor, bei einreisenden Personen stichprobenartig Antigentests durchzuführen. Bei positivem Ergebnis ist die getestete Person zu einer fünftägigen häuslichen Quarantäne verpflichtet. Bei anhaltenden Symptomen verlängert sich die Quarantäne auf sieben Tage (AA 29.4.2022).
Ein Impfpass ist für den Zugang zu öffentlichen Plätzen für alle Personen über 18 Jahre erforderlich. Der Europäische Gesundheitspass wird von den tunesischen Behörden anerkannt (FD 11.5.2022; vgl. BMEIA 29.4.2022).
Weiters dürfen Restaurants und Cafés im Freiluftbereich 100 % und in geschlossenen Räumen 75 % ihrer Platzkapazitäten für die Bewirtung nutzen. Es ist der Impfnachweis vorzulegen und ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen (außer am Tisch). Ansonsten gilt in der Gastronomie die Einhaltung von Mindestabständen, konstante Belüftung der Räumlichkeiten sowie das Verbot der Nutzung von Wasserpfeifen. Mit Wirkung vom 1.4.2022 ist vorgesehen, die Bewirtung in geschlossenen Räumen bei voller Kapazität zu ermöglichen. Hotels und Touristenbusse dürfen wieder voll ausgelastet werden (AA 29.4.2022).
Unter Einhaltung der sanitären Vorschriften (BMEIA 29.4.2022) gilt landesweit in öffentlichen Gebäuden, Hotels und Geschäften die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes; im Großraum Tunis im gesamten öffentlichen Raum. Dies gilt auch beim Fahren eines Pkws ab einem Beifahrer (AA 29.4.2022; vgl. BMEIA 29.4.2022).
Konnte Tunesien die erste Covid-19-Infektionswelle dank dreimonatigem Lockdown epidemiologisch relativ unbeschadet überstehen, stiegen die Infektionsraten (sowie Hospitalisierungs- und Todesfälle) ab September 2020 kontinuierlich und erreichten im Juli/August 2021 dramatische Höchstwerte. Tunesien zählt mit über 25.300 Todesopfern zu den am stärksten betroffenen Ländern in Afrika. Dank großzügiger Hilfslieferungen an Ausrüstung und Impfstoff und einer intensiven Impfkampagne (dzt. Knapp 50 % Erst- und 40 % Zweitgeimpfte) ist die Situation derzeit entspannt. Dennoch wurde die Einführung eines sanitären Passes verfügt: ab dem 22.12.2021 ist dieser für den Zutritt zu allen öffentlichen Einrichtungen und am Arbeitsplatz erforderlich (ÖB 11.2021).
Anm.: Diese Informationen zu COVID-19 sind zum Teil ebenfalls in den Kapiteln politische Lage, Grundversorgung und Haftbedingungen eingepflegt.
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Tunesien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024 , Zugriff 29.4.2022
•BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (29.4.2022): Reiseinformationen Tunesien, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/ , Zugriff 29.4.2022
•FD - France Dipplomatie [Frankreich] (11.5.2022): Tunisie, Conseils aux Voyageurs, Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/tunisie/ , Zugriff 11.5.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien, Bericht liegt in der Staatendokumentation auf
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 17.06.2022
Die Sicherheitslage in Tunesien ist nach wie vor angespannt, geprägt von täglichen Sicherheitsoperationen von Militär und Polizei und Meldungen über vereitelte Anschläge. Das Risiko von terroristischen Anschlägen ist weiterhin gegeben, es ist aber eine Verringerung in den letzten Jahren feststellbar. Das Jahr 2015 bildete mit drei großen Anschlägen einen Höhepunkt. Gefahr geht dabei vorwiegend von Rückkehrern aus v. a. Libyen aus. Die Terrorismusbekämpfung und die Sicherheit an den Grenzen gehören weiterhin zu den wichtigsten Prioritäten der tunesischen Regierung. Die tunesischen Behörden haben eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um Terrorzellen zu zerschlagen, insbesondere wurde die Präsenz der Sicherheitskräfte im Land erhöht. Die Zahl der Terroranschläge in Tunesien ist in der Folge in den letzten Jahren zurückgegangen, da sich die Sicherheitsstrukturen des Landes erheblich verbessert haben. Seit dem Messerangriff auf eine Patrouille der Nationalgarde in Sousse im September 2020 gab es keinen nennenswerten terroristischen Vorfall mehr in einem größeren tunesischen Ballungsraum (STDOK 17.3.2022).
Die von den bisherigen Regierungen angestrebte Verbesserung der Sicherheitslage im Inneren und der Kampf gegen den Terrorismus bleiben trotz vermehrter Anstrengungen und zahlreichen Verhaftungs- und Durchsuchungsaktionen weiter eine Herausforderung. Die Sicherheitslage ist in der Stadt und in der Region um Ben Guerdane nahe der libyschen Grenze besonders angespannt. Mit verstärkter Militär- und Polizeipräsenz in diesen Regionen ist zu rechnen (AA 29.4.2022).
Laut österreichischem Außenministerium gilt (für österreichische Staatsbürger) eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für die Saharagebiete, das Grenzgebiet zu Algerien und die westlichen Landesteile. Reisewarnungen bestehen für die Region südlich der Orte Tozeur – Douz – Ksar Ghilane – Tataouine – Zarzis. Mit gewaltsamen Aktionen terroristischer Organisationen ist zu rechnen. Das militärische Sperrgebiet an der Grenze zu Algerien in der Nähe des Berges Chaambi ist teilweise vermint und kann von den Sicherheitskräften kurzfristig ausgedehnt werden. Im Westen des Landes ist mit verstärkter Militär- und Polizeipräsenz zu rechnen; es finden bewaffnete Auseinandersetzungen mit Terroristengruppen statt (BMEIA 29.4.2022). Die Behörden haben insbesondere die Präsenz der Sicherheitskräfte im Land erhöht, vor allem in den Touristenorten (EDA 6.5.2022).
Der nach der Attentatsserie von 2015 verhängte Ausnahmezustand ist nach wie vor in Kraft, wird regelmäßig verlängert und gilt im ganzen Land. Er gewährt den Sicherheitsbehörden einen erweiterten Handlungsspielraum, der von der Zivilgesellschaft kritisch beobachtet wird. Kritisch beobachtet wird auch ein Gesetzesprojekt zum Schutz der Sicherheitskräfte, welches diesen größeren Handlungsspielraum und Straffreiheit einräumen soll (ÖB 11.2021; vgl. FH 28.2.2022). Die Behörden verfügen somit über eine weitreichende Erlaubnis, die Bewegungsfreiheit von Einzelpersonen einzuschränken, und Tausende von Menschen sind von solchen Verfügungen betroffen (FH 28.2.2022).
Die angespannte Wirtschaftslage verbunden mit sozialen Problemen führt nicht nur vermehrt zu spontanen Demonstrationen, sondern auch gewalttätigen Ausschreitungen, die den Armeeeinsatz erforderlich machen. Demonstrationen und Proteste können sich spontan und unerwartet entwickeln. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften können dabei nicht ausgeschlossen werden (AA 29.4.2022; vgl. BMEIA 29.4.2022). Ferner informiert das Österreichische Außenministerium, dass es aktuell, zum 10-jährigen Jahrestag der tunesischen Revolution mit vermehrten Unruhen im ganzen Land zu rechnen ist (BMEIA 29.4.2022). So fanden sich am Sonntag [8.5.2022] im Epizentrum der großen Proteste, im Zeichen jener Kundgebungen, die 2011 den ehemaligen Staatschef Zine El Abidine Ben Ali stürzten, Hunderte Tunesier und demonstrierten zur Unterstützung von Präsident Kaïs Saïed und seiner seit Juli 2021 getroffenen außergewöhnlichen Maßnahmen, die von Kritikern als Staatsstreich bezeichnet wurden. Die Kundgebung fand auf der zentralen Bourguiba-Allee in der Hauptstadt statt. Die Demonstranten trugen Transparente mit der Aufschrift "Wir alle sind Kaïs Saïed" und forderten die strafrechtliche Verfolgung von korrupten Politikern, was einem häufigen Ausspruch des Staatschefs entsprach (France 24 8.5.2022; vgl. BAMF 9.5.2022).
Auch wenn sich die Effizienz der Sicherheitsbehörden in der Reaktion auf mutmaßliche Angriffe verbessert hat, wurden in den letzten Jahren die meisten militanten Anschläge vereitelt. Im Jänner 2022 vereitelte die tunesische Polizei hat einen Anschlag. Eine Rückkehrerin aus Syrien, plante mit einem Sprengstoffgürtel Angriffe auf Touristengebiete. Im November 2021 erschoss die Polizei einen Extremisten, der die Beamtem in Tunis mit einem Messer und Hackbeil angreifen wollte (Reuters 29.1.2022).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Tunesien - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024 , Zugriff 29.4.2022
•BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.5.2022): Briefing Notes, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
•BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (29.4.2022): Tunesien - Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/ , Zugriff 29.4.2022
•EDA - Eidgenössisches Department für Auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (6.5.2022): Reisehinweise für Tunesien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/tunesien/reisehinweise-tunesien.html#par_textimage_0 , Zugriff 6.5.2022
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2068830.htm , Zugriff 13.4.2022
•France 24 (8.5.2022):Hundreds rally in support of Tunisian President Saied, https://www.france24.com/en/africa/20220508-hundreds-rally-in-support-of-tunisian-president-saied , Zugriff 10.5.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien, Bericht liegt in der Staatendokumentation auf
•Reuters (29.1.2022): Tunisia thwarts alleged terrorist attack targeting tourist areas (29.1.2022), https://www.reuters.com/world/africa/tunisia-thwarts-alleged-terrorist-attack-targeting-tourist-areas-2022-01-28/ , Zugriff 6.5.2022
•STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (17.3.2022): Themenbericht intern: Nordafrika - Terrorismus in Ägypten, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 17.06.2022
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor (BS 23.2.2022; vgl. FH 28.2.2022, USDOS 12.4.2022). Im Allgemeinen respektiert die Regierung die richterliche Unabhängigkeit auch in der Praxis (BS 23.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Allerdings schreitet die Justizreform seit der Revolution nur langsam voran (FH 28.2.2022; vgl. AA 19.2.2021). Die Justizreform war und ist einer der wichtigsten Säulen des tunesischen Transitionsprozesses, der vorläufig zu einem Stillstand gekommen ist. Zwischen den Prinzipien der Verfassung und den Gesetzen, die in Tunesien tatsächlich in Kraft sind, gibt es noch große Diskrepanzen (ÖB 11.2021).
Auch weiterhin finden sich zahlreiche Richter aus der Ben-Ali-Ära auf der Richterbank und aufeinanderfolgende Regierungen versuchen regelmäßig, Gerichte zu manipulieren. Mit den 2016 verabschiedeten Rechtsvorschriften wurde der Oberste Justizrat eingesetzt, der für die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz und die Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts zuständig ist. Die Ratsmitglieder wurden in diesem Jahr von Tausenden von Juristen gewählt. In einem Bericht des Direktors für den Nahen Osten und Nordafrika der Internationalen Juristenkommission vom Dezember 2021 wird den tunesischen Behörden jedoch vorgeworfen, dass sie es versäumt haben, Reformen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz und zur Ermächtigung des Obersten Justizrats zu verabschieden, wie dies in früheren Gesetzen zur Übergangsjustiz vorgesehen war (FH 28.2.2022). Der Oberste Justizrat konnte seine Arbeit als neues Selbstverwaltungsorgan der Justiz erst aufnehmen, nachdem eine Gesetzesänderung die internen Konflikte der Richterschaft neutralisiert hatte. Als nächster Schritt soll die Konstituierung eines ordentlichen Verfassungsgerichts erfolgen. Bislang wacht eine provisorische Instanz über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor ihrem Inkrafttreten (AA 19.2.2021). Ein Verfassungsgericht wurde bislang nicht eingesetzt; es existiert nur ein provisorisches Verfassungsgericht, das bis zur Suspendierung der Verfassung über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesentwürfen wachte. Eine anhaltende gesetzgeberische Herausforderung bleibt die Harmonisierung der gesamten bestehenden Rechtsordnung mit der neuen Verfassung (AA 29.4.2022)
Dem Justizsystem mangelt es an Effizienz und Unabhängigkeit; lange Verfahrensdauer, mangelnde Beachtung der Prozedere und Kapazität haben Vertrauensverlust in der Bevölkerung zur Folge. Die heikle Sanierung in Richtung einer unabhängigen und professionellen Justiz ist dringend geboten, um Korruption und Steuerflucht effizient zu bekämpfen. Das Fehlen eines Verfassungsgerichtshofs wird auch international angeprangert (ÖB 11.2021). Präsident Saïed verkündete am 1.6.2022 per Dekret die Entlassung von insgesamt 57 rechtsprechenden Personen, denen Korruption, Schutz von terroristischen Organisationen und sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird. Schon zuvor kam es zu Streiks von rechtsprechenden Personen, sodass Gerichtssäle im gesamten Land geschlossen wurden. Zahlreiche Protestierende, darunter Anwältinnen und Anwälte, Aktivistinnen und Aktivisten, versammelten sich u. a. vor dem Justizpalast in Tunis. Am 4.6.2022 verurteilten die Gewerkschaften die fortgesetzte Einmischung des Präsidenten in die Justiz (BAMF 13.6.2022).
Seit der Verabschiedung der Verfassung im Jahr 2014 ist es den verschiedenen Parlamenten nicht gelungen, das Verfassungsgericht einzurichten, ein wichtiges unabhängiges Justizorgan, das für die Einhaltung der Verfassung sorgen soll (HRW 13.1.2022). Der Verfassungsgerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die Verfassungsmäßigkeit von Dekreten und Gesetzen zu prüfen, war 2021 noch nicht eingerichtet. Die Bemühungen des Parlaments, die Einrichtung des Gerichts voranzutreiben, wurden im April 2021 von Präsident Saïed zurückgewiesen, was die politische Pattsituation zwischen Exekutive und Legislative weiter verschärfte. Das Fehlen eines Verfassungsgerichts erschwerte die Debatte über die Verfassungsmäßigkeit von Saïeds Notstandsmaßnahmen (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022).
Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist gesetzlich verankert, und die unabhängige Justiz setzte dieses Recht im Allgemeinen durch, obwohl sich die Angeklagten darüber beschwerten, dass die Behörden die gesetzlichen Bestimmungen über die Gerichtsverfahren nicht konsequent befolgten. Vor zivilen Gerichten haben Angeklagte das Recht auf die Unschuldsvermutung. Sie haben auch das Recht, einen Anwalt zu konsultieren oder auf öffentliche Kosten einen Anwalt stellen zu lassen, Zeugen gegen sich zu konfrontieren, Zeugen und Beweise vorzulegen und Urteile gegen sie anzufechten. Das Gesetz schreibt vor, dass Angeklagte unverzüglich und detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert werden müssen, gegebenenfalls mit freier Auslegung. Sie müssen auch ausreichend Zeit und Gelegenheit erhalten, ihre Verteidigung vorzubereiten, und dürfen nicht gezwungen werden, auszusagen oder Schuld zu bekennen (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2047265/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_19.02.2021.pdf , Zugriff 7.10.2021
•BAMF- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.6.2022): Briefing Notes, 13. Juni 2022, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
•BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Tunesien Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/TUN , Zugriff 13.4.2022
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2068830.htm , Zugriff 13.4.2022
•HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2066567.html , Zugriff 13.4.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien, Bericht liegt in der Staatendokumentation auf
•USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2071185.html , Zugriff 20.4.2022
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 17.06.2022
Dem Innenministerium untersteht die Nationalpolizei (Exekutivfunktion in Städten) und die Nationalgarde bzw. Gendarmerie (Exekutivfunktion in ländlichen Gebieten und Grenzsicherung). Zivile Behörden kontrollieren den Sicherheitsapparat, wiewohl es weiterhin regelmäßig zu ungestraften Übergriffen durch die Sicherheitskräfte kommt (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022, CIA 12.4.2022). Die Nationalpolizei ist in erster Linie für die Strafverfolgung in den Großstädten zuständig, während die Nationalgarde (Gendarmerie) für die Sicherheit der Grenzen sorgt und in kleineren Städten und ländlichen Gebieten patrouilliert (CIA 12.4.2022). Im Jahr 2021 gingen die Sicherheitskräfte in mehreren Teilen des Landes weiterhin mit Gewalt gegen sozioökonomische Proteste vor (HRW 13.1.2022). Die Regierung unternahm Schritte, um gegen Beamte zu ermitteln, die mutmaßlich Übergriffe begangen hatten, aber die Untersuchungen waren nicht transparent und es kam häufig zu langen Verzögerungen und verfahrenstechnischen Hindernissen (USDOS 12.4.2022).
Da Beamte ungestraft Zivilisten und Häftlinge misshandeln, und die Polizeigewerkschaft sich gegen Reformbemühungen zur Lösung des Problems gewehrt hat, wurden 2021 mehrere öffentlichkeitswirksame Fälle von polizeilichen Übergriffen und Schikanen auf Video aufgezeichnet und veröffentlicht (FH 28.2.2022).
Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben-Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. Die Rolle der Sicherheitskräfte während des Umsturzes aber teilweise auch bei gewaltsam aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen im Frühjahr 2011 vertieften den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und den Sondereinheiten des Innenministeriums. Zwar wurde die Geheimpolizei („police politique“) aufgelöst, allerdings steht eine umfassende Reform des Innenministeriums und der nachgeordneten Behörden bis heute aus. Die Sicherheitskräfte stehen immer wieder in der Kritik; es mangelt an Transparenz, zudem hält die Straflosigkeit für Vergehen der Sicherheitskräfte an (AA 29.4.2022).
Das Militär genießt aufgrund seiner zurückhaltenden Rolle während der Revolution 2011 ein sehr hohes Ansehen in der Bevölkerung, welches bis dato anhält. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z. B. der Süden Tunesiens militärische Sperrzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren, aber auch der inneren Sicherheit (AA 29.4.2022).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Tunisia 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070284.html , Zugriff 13.4.2022
•CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.4.2022): The World Factbook - Tunisia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/tunisia/ , Zugriff 13.4.2022
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia
https://www.ecoi.net/en/document/2068830.html , Zugriff 13.4.2022
•HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Tunisia,
https://www.ecoi.net/en/document/2066567.html , Zugriff 13.4.2022
•USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2071185.html , Zugriff 20.4.2022
Korruption
Letzte Änderung: 17.06.2022
Wegen der endemischen Korruption im Land (FH 28.2.2022) nimmt Tunesien auf dem Corruption Perceptions Index von Transparency International (2021) Platz 44 von 180 ein (TI 2022).
Die Nationale Kommission zur Korruptionsbekämpfung (INLUCC) wurde 2011 gegründet und sollte nach der Verfassung von 2014 durch ein ständiges Gremium, die Kommission für gute Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung (IBGLCC), ersetzt werden. Die INLUCC, die mit der Untersuchung und Verhinderung von Korruption und der Ausarbeitung von Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung beauftragt ist, setzte ihre Arbeit mit unzureichender Finanzierung und wenig Befugnissen fort, um rechtliche Schritte zu erzwingen. Der politische Konflikt um die Kommission eskalierte im Jahr 2021. Im Juni entließ Premierminister Mechichi den INLUCC-Vorsitzenden Imed Boukhris, nachdem Boukhris Korruptionsvorwürfe gegen mehrere Minister erhoben hatte, die Mechichi bei seiner Kabinettsumbildung im Jänner 2021 ernannt hatte (FH 28.2.2022).
Am 20.8.2021 ordnete Präsident Kaïs Saïed die Schließung der INLUCC an (USDOS 12.4.2022) und ließ das Hauptquartier von der Polizei räumen (FH 28.2.2022) und enthob „vorübergehend“ Anour Ben Hassane, den amtierenden INLUCC-Präsidenten, seines Amtes. Am 20.8.2021 stellten die Behörden den ehemaligen Präsidenten der Organisation, Chawki Tabib, aufgrund unklarer Anklagen unter Hausarrest; der Hausarrest wurde am 10.10.2022 wieder aufgehoben (USDOS 12.4.2022).
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzt im Allgemeinen das Gesetz nicht effektiv um. Im Laufe des Jahres 2021 gab es zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung, und einige Parlamentsabgeordnete wurden wegen Korruptionsvorwürfen angeklagt und festgenommen (USDOS 12.4.2022).
Die Antikorruptionsgesetzgebung gilt seit jeher als schwach. Präsident Saïed rechtfertigte seine Machtübernahme im Juli 2021 unter anderem damit, dass sie notwendig sei, um die Korruption im politischen Establishment zu beseitigen. Die anschließenden Reiseverbote und Haftbefehle gegen Politiker und Geschäftsleute veranlassten Kritiker, Saïed zu beschuldigen, die Korruptionsbekämpfung zu instrumentalisieren, um seine politischen Gegner auszuschalten (FH 28.2.2022).
Eine der ersten Auswirkungen der Ereignisse vom 25.7.2021 war die Aufhebung der parlamentarischen Immunität vor Strafverfolgung durch den Präsidenten. Daraufhin wurden mehrere hochkarätige Korruptionsermittlungen wieder aufgenommen (IWPR 5.8.2021). Die Anwendung von Artikel 80 durch Präsident Saïed wurde als Maßnahme angewandt um gegen die weitverbreitete Korruption durch Beamte und Geschäftsleute vorzugehen (JF 13.8.2021).
Seit dem Coup vom 25.7.2021 verordnete das Innenministerium unter dem Titel „Korruptionsbekämpfung“ Ausreiseverbote und Hausarreste für Abgeordnete, höhere Bedienstete und Geschäftsleute (ÖB 11.2021). Die tunesische Staatsanwaltschaft teilte am 27.7.2021 mit, sie habe gegen die Ennahda, die liberale Partei Qalb Tounes und die Aïch-Tounsi-Bewegung Ermittlungen wegen des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung aufgenommen. Es gehe um den Verdacht der Finanzierung aus dem Ausland und der Annahme von Geldern unbekannter Herkunft während des Wahlkampfes 2019. Saïed kündigte daraufhin eine umfassende Anti-Korruptions-Offensive an, die auch Hunderte von Unternehmen einschließe, wie er bei einem Treffen mit einem Arbeitgeberverband verlauten ließ (BAMF 2.8.2021).
Vor dem Hintergrund der schwachen Durchsetzung der Gesetze haben Korruptionsvorwürfe die jüngsten Wahlen und die politische Dynamik erheblich beeinflusst. Nabil Karoui, der Präsidentschaftskandidat für 2019, verbrachte einen Großteil der Wahlkampfzeit in Haft wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Im Juli 2020 wurde der damalige Premierminister Fakhfakh zum Rücktritt gezwungen, nachdem bekannt wurde, dass er Anteile an Unternehmen hielt, die an öffentlichen Aufträgen beteiligt waren (FH 28.2.2022). Einen Monat nach seinem Rücktritt entließ der damalige geschäftsführende Premierminister Fakhfakh den INLUCC-Präsidenten Chawki Tabib. Dieser Schritt wurde von vielen als Racheakt von Fakhfakh kritisiert. Tabib und seine Behörde hatten an den Ermittlungen zu Fakhfakhs angeblichem Interessenkonflikt mitgewirkt und Beweise an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
•BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw31-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 7.10.2021
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia 28 February 2022
https://www.ecoi.net/en/document/2068830.html , Zugriff 13.4.2022
•IWPR - Institute for War and Peace Reporting (5.8.2021): Ten Years on From Revolution, Tunisia in Uncharted Waters, https://www.ecoi.net/en/document/2057656.html , Zugriff 7.10.2021
•JF - Jamestown Foundation (13.8.2021): Tunisia’s Tense Political Situation and Consequences for Counterterrorism; Terrorism Monitor Volume: 19 Issue: 16, https://www.ecoi.net/en/document/2058727.html , Zugriff 7.10.2021
•ÖB - Österreichische Botschaften [Österreich] (24.8.2021): Betreff: StP Saied verlängert Ausnahmezustand, Bericht liegt bei der Staatendokumentation auf
•TI - Transparency International (2022): Corruption Perceptions Index 2021, Tunisia,
https://images.transparencycdn.org/images/CPI2021_Report_EN-web.pdf , Zugriff 13.4.2022
•USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2071185.html , Zugriff 20.4.2022
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 17.06.2022
Die tunesische Verfassung vom 26.1.2014 enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Tunesien hat die meisten Konventionen der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte einschließlich der entsprechenden Zusatzprotokolle ratifiziert. Vereinzelt noch bestehende Vorbehalte wurden 2011 größtenteils zurückgezogen. Eine ständige Herausforderung bleibt die Anpassung der nationalen Rechtsordnung an die neue Verfassung (AA 29.4.2022). Seit der Verabschiedung der Verfassung im Jahr 2014 ist es den aufeinanderfolgenden Parlamenten nicht gelungen, das Verfassungsgericht einzurichten, ein wichtiges unabhängiges Justizorgan, das die Einhaltung der Verfassung gewährleisten soll. Das Parlament konnte nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreichen und Präsident Saïed weigerte sich im April 2021, ein Gesetz zu unterzeichnen, das die Zweidrittelmehrheit herabgesetzt hätte (HRW 13.1.2022).
Mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts der Wahrheits- und Würdekommission am 24.6.2020, einer staatlichen Einrichtung, die 2013 gegründet wurde, um systematische Menschenrechtsverletzungen aufzudecken und zu untersuchen, die in Tunesien über einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten aufgetreten sind, bleiben die Empfehlungen der Kommission zur Umsetzung wichtiger institutioneller Reformen unerfüllt (HRW 13.1.2022).
Im Vergleich zu den weitreichenden Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit vor der Revolution 2011 haben sich die Bedingungen für unabhängige Medienberichterstattung in den letzten Jahren zwar grundlegend verbessert, jedoch bleiben sie weiterhin verbesserungsfähig. Es wurden wichtige rechtliche Grundlagen zum Schutz der freien Presse geschaffen und offizielle und informelle Strukturen, die zur Unterdrückung freier Meinungsäußerung eingesetzt wurden, größtenteils abgeschafft. Die Meinungs- und Pressefreiheit, sowie auch das Recht auf Zugang zu Informationen und Kommunikationsnetzwerken wurden in den Artikeln 31 und 32 der Verfassung von 2014 ausdrücklich gestärkt. Die Medien berichten - in unterschiedlicher Qualität - frei und offen (AA 19.2.2021; vgl. FH 28.2.2022). Viele unabhängige Medien, darunter mehrere Online-Nachrichtenseiten, sind seit der Revolution von 2011 entstanden, und Befürworter der Pressefreiheit haben ihre Besorgnis über die erhebliche politische Einflussnahme auf eine Reihe großer privater Medienunternehmen zum Ausdruck gebracht (FH 28.2.2022).
In Tunesien sind Presse- und Informationsfreiheit unbestreitbare Errungenschaften der neuen, 2014 verabschiedeten Verfassung. Doch nach der Machtergreifung von Präsident Kaïs Saïed am 25.7.2021, der den Ausnahmezustand verhängte, sind ernsthafte Bedenken aufgekommen (RSF 3.5.2022).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit somit gewährleistet und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen, wie wohl es weiterhin Restriktionen gibt (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022), v.a. nach der Verhängung außergewöhnlicher Maßnahmen durch Präsident Saïed am 25.7.2021 (USDOS 12.4.2022). Diese Einschränkungen finden sich z. B. in Bezug auf sicherheitsrelevante Themen. Seit den Ausweitungen der Antiterrormaßnahmen hat sich diese Tendenz verstärkt. Journalisten und Blogger, die Kritik an Sicherheitskräften üben, müssen weiterhin mit Strafen rechnen (AA 19.2.2021). Mit der Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere sechs Monate, verfügten nun auch die Sicherheitskräfte über erweiterte Befugnisse, was unter anderem zur Einschränkung der Pressefreiheit führt (BAMF 11.1.2021). Artikel 31 der Verfassung 2014 garantiert die Presse- und Meinungsfreiheit in Tunesien und gilt als eine der größten Errungenschaften der Revolution 2011. In den letzten Jahren verzeichnet Tunesien jedoch einen leichten Rückgang hinsichtlich besagter Freiheiten. Während der COVID-19 Krise wurden verstärkt Blogger und Journalisten bedroht, festgenommen und öffentlich bloßgestellt; 2020 wurden Journalisten von einer Parlamentssitzung ausgeschlossen, wodurch ihr Recht auf Zugang zum Parlament für alle Bürger verletzt wurde (ÖB 11.2021). So demonstrierten, trotz des Versammlungsverbotes hunderte Menschen aufgrund steigender COVID-19-Fälle am 14.1.2022 in Tunis. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern sowie Schlagstöcken gegen die Demonstrierenden vor. Dutzende Menschen wurden verhaftet. Zudem wurden mehrere Journalisten von der Polizei z. T. gewaltsam an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert. Am 14.1.2022 jährte sich der Sturz des Diktators Zine el-Abidine Ben Ali zum elften Mal (BAMF 17.1.2022).
Medienangaben zufolge protestierten am Freitag [5.5.2022] Journalisten in Tunis gegen die zunehmende Repression der Presse durch staatliche Stellen. In der von Reporter ohne Grenzen veröffentlichen Rangliste für Pressefreiheit, fiel Tunesien von Platz 73 (2021) im Jahr 2022 auf aktuell Platz 94 (BAMF 9.5.2022; vgl. RSF 3.5.2022).
Aktivisten äußerten sich besorgt über die staatlichen Interferenzen in den Medien und die Konzentration des Medienbesitzes in den Händen einiger weniger politischer Parteien oder Familien. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden das Strafgesetzbuch und die Militärgerichtsbarkeit dazu genutzt, um gegen Journalisten, Rechtsanwälten und Aktivisten der Zivilgesellschaft vorzugehen (USDOS 12.4.2022). Journalisten sind im Zusammenhang mit ihrer Arbeit zunehmendem Druck und Einschüchterung durch Regierungsbeamte ausgesetzt. Sicherheitskräfte schlossen das Büro des katarischen Nachrichtendienstes Al-Jazeera in Tunis am Tag, nachdem Saïed im Juli 2021 seine außergewöhnlichen Befugnisse erklärt hatte. Reporter ohne Grenzen stellte in den Tagen vor Saïeds Ankündigung einer neuen Regierung mehrere Fälle von Belästigung und Inhaftierung von Journalisten fest. Das Nationale Syndikat tunesischer Journalisten (SNJT) protestierte gegen den Trend, Journalisten und Aktivisten an Militärgerichte zu verweisen. Reporter, die über die Sicherheitskräfte oder Proteste berichten, sind besonders anfällig für Belästigungen, körperliche Misshandlungen und Festnahmen (FH 28.2.2022). Am 26.7.2021 veröffentlichte die SNJT eine Erklärung, in der sie Präsident Saïed aufforderte, die Pressefreiheit zu schützen, nachdem berichtet wurde, dass Sicherheitsbeamte in die Zentrale von Al-Jazeera in Tunis eindrangen und die Mitarbeiter des Büros aufforderten das Gebäude zu verlassen. Im Dezember 2021 blieben die Büros von Al-Jazeera weiterhin geschlossen, und ihre Lizenzen wurden nicht erneuert; die Journalisten arbeiteten weiterhin vom Hauptsitz des SNJT aus (USDOS 12.4.2022).
Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird durch vage und repressive Gesetze eingeschränkt. Das Militärjustizsystem verstärkte die Strafverfolgung von Zivilisten, darunter vier Personen, die den Präsidenten öffentlich kritisiert hatten. Ab Juli ermittelte und verfolgte die Militärjustiz mindestens zehn Zivilisten, darunter vier wegen Kritik an Präsident Saïed, was eine erhebliche Zunahme gegenüber den Vorjahren darstellt (AI 29.3.2022).
Ebenso existieren weiterhin Einschränkungen bei der Kritik an der Religion. Rechtlich verankert ist dies u. a. in Artikel 6 der Verfassung, der den "Schutz des Sakralen" garantiert. Es kommt immer wieder zu einzelnen Fällen von fragwürdiger Strafverfolgung von Journalisten und freischaffenden Bloggern (AA 19.2.2021).
Der seit 2015 geltende und immer wieder verlängerte Ausnahmezustand hat der Polizei weitreichende Befugnisse zur Verhaftung und Inhaftierung von Personen unter sicherheits- oder terrorismusbezogenen Anschuldigungen eingeräumt, und es kam im Laufe des Jahres weiterhin zu willkürlichen Verhaftungen. Zivilisten werden immer noch vor Militärgerichte gestellt, insbesondere wegen Verleumdung der Armee. Zu den Personen, die im Jahr 2021 vor Militärgerichte gestellt wurden, gehörten Gesetzgeber, Geschäftsleute, Journalisten und Blogger (FH 28.2.2022).
Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird durch vage und repressive Gesetze eingeschränkt. Das Militärjustizsystem verstärkte die Strafverfolgung von Zivilisten, darunter vier Personen, die den Präsidenten öffentlich kritisiert hatten. Ab Juli 2021 ermittelte und verfolgte die Militärjustiz mindestens zehn Zivilisten, darunter vier wegen Kritik an Präsident Saïed, was eine erhebliche Zunahme gegenüber den Vorjahren darstellt (AI 29.3.2022).
Neben Journalisten wurden auch politische Blogger aufgrund von Beleidigungs- und Verleumdungsgesetzen strafrechtlich verfolgt. Journalistische Verbände kritisieren die Versuche der neuen Regierung, die Interaktionen von Beamten mit der Presse einzuschränken und zu kontrollieren (FH 28.2.2022). Verschiedene Quellen wie u. a. RSF und die tunesische Journalismusgewerkschaft SNJT berichteten am 15.10.2021, dass es nach der Entmachtung des Parlaments sowie des früheren Regierungschefs mehrfach zu Übergriffen auf Journalisten durch Polizei und Demonstrierende gekommen sei. Ebenso mit der Begründung, dass dem Islamismus zu viel Raum gegeben wird, wurde das Büro des Fernsehsenders Al-Jazeera gestürmt (BAMF 18.10.2021).
Die Verfassung garantiert das Recht auf friedliche Versammlungen und Demonstrationen (FH 28.2.2022; vgl. AA 29.4.2022); allerdings schränkt die Regierung diese aus Gründen der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Ordnung oder wegen bürokratischer Verzögerungen bei der Erteilung von Genehmigungen, ein (USDOS 12.4.2022). Trotz häufiger Verbote öffentlicher Versammlungen im Rahmen der Covid-19-Maßnahmen der Regierung kam es das ganze Jahr über zu Protesten, bei denen es häufig um sozioökonomische Rechte ging. Während der Demonstrationswelle im Jänner nahm die Polizei mehr als 1.500 Personen fest (AI 29.3.2022). Seit dem 25.7.2021 hat zwar die Anzahl politischer Proteste gegen die Politik des Staatspräsidenten zugenommen; bislang sind diese allerdings auf einem niedrigen Niveau und auf die Hauptstadt Tunis begrenzt. Landesweit kommt es regelmäßig zu Protesten gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zu Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit kommt es immer wieder; seit 2020 meist begründet mit der COVID-19-Pandemie, so zuletzt auch am 14.1.2021 (ehemaliger „Revolutionstag“); ein unverhältnismäßiger Einsatz polizeilicher Mittel war vor allem bei Jugendprotesten im Januar und Februar 2021 festzustellen; oftmals beklagt auch die Presse Einschränkungen ihrer Berichterstattung durch Sicherheitskräfte bei friedlichen Protesten (AA 29.4.2022). Die Übergänge zwischen legitimen Protesten gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik einerseits und periodisch auftretenden gewaltsamen Ausschreitungen und Plünderungen andererseits sind oft fließend. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Sicherheitsorgane friedliche Versammlungen und Demonstrationen in der Regel zuverlässig schützen, aber bei Rechtsverletzungen auch entsprechend robust auftreten. Nur vereinzelt kommt es dabei zu unverhältnismäßigem Einsatz polizeilicher Mittel (AA 19.2.2021). Die landesweiten Proteste am 15.1.2021 wurden mit exzessiver Gewalt durch die Sicherheitskräfte unterdrückt. Polizeibeamte sollen Demonstranten verprügelt, Hunderte von ihnen, darunter viele Minderjährige, verhaftet, übermäßig viel Tränengas zur Auflösung der Proteste verschossen und Journalisten angegriffen haben (HRW 13.1.2022).
Vereinigungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 29.4.2022), jedoch wird diese nicht immer von der Regierung respektiert (USDOS 12.4.2022). Das 2011 liberalisierte Vereinsrecht (Dekret 88) basiert auf dem Grundsatz der bloßen Erklärung der Vereinsgründung gegenüber dem Generalsekretariat der Regierung. Gleichwohl enthält das Vereinsrecht Möglichkeiten der Sanktionierung von nicht-rechtstreuen sowie verfassungswidrigen Vereinigungen. Der StP hat am 24.2.2021 angekündigt, das Dekret 88 durch eine wesentlich restriktivere NGO-Gesetzgebung ersetzen zu wollen, u. a. um die ausländische Finanzierung zu unterbinden (AA 29.4.2022). Mehrere NGOs berichteten die Registrierung von Vereinen durch unnötige bürokratische Hürden mittels rechtswidriger Praxis, manchmal aus politischen Gründen (USDOS 12.4.2022).
Die primäre Behörde der Regierung zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und zum Kampf gegen Bedrohungen der Menschenrechte ist das Justizministerium. Das Ministerium versagt allerdings dabei, Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Innerhalb des Präsidentenbüros ist der Hohe Ausschuss für Menschenrechte und Grundfreiheiten eine von der Regierung finanzierte Agentur, die mit der Überwachung der Menschenrechte und der Beratung des Präsidenten betraut ist. Die Wahrheits- und Würdekommission (IVD) wurde 2014 gegründet, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen (FH 28.2.2022).
Anfang 2018 stimmte das Parlament gegen eine Verlängerung des Mandats der Kommission, eine Entscheidung, die sich kritisch äußerte, weil sie die Bemühungen um eine Übergangsjustiz schwächte. Die Kommission legte ihren Abschlussbericht im März 2019 vor und veröffentlichte ihn offiziell im Juni 2020. Sie stützte sich dabei auf mehr als 62.000 Beschwerden, die tunesische Bürger wegen Menschenrechtsverletzungen gegen den Staat eingereicht hatten. Tunesische Gerichte prüften zum Jahresende 69 Anklagen und 131 Überweisungen der IVD (FH 28.2.2022). Die Regierung hat den Abschlussbericht der IVD im Juni 2020 offiziell veröffentlicht, aber bis November noch keinen Aktionsplan vorgelegt, der laut Gesetz innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung des Berichts veröffentlicht werden müsste. Auf eine Erklärung der zivilgesellschaftlichen Koalition für Übergangsjustiz aus dem Jahr 2020, in der die Regierung und der Oberste Justizrat aufgefordert wurden, sich mit den Herausforderungen zu befassen, mit denen die spezialisierten Strafgerichte (SCC) konfrontiert sind, die eingerichtet wurden, um die vom IVD überwiesenen Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Finanzverbrechen zu beurteilen, gab es keine offizielle Antwort. Zu diesen Problemen gehörten die Weigerung der Polizeigewerkschaften, mit den Obersten Strafgerichten bei der Zustellung von Vorladungen und anderen Ersuchen zusammenzuarbeiten, die regelmäßige Rotation der Richter der Obersten Strafgerichte und der Teilzeitstatus der Richter. Bis zum Jahresende wurde keiner der 204 Fälle, die an die (SCC) verwiesen wurden und in denen mehr als 1.100 Opfer von Übergriffen zwischen 1955 und 2013 betroffen waren, gelöst (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.2.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2047265/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_19.02.2021.pdf , Zugriff 7.10.2021
•AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Tunisia 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070284.html , Zugriff 13.4.2022
•BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.5.2022): Briefing Notes, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
•BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.1.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw03-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 11.5.2022
•BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.1.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw02-2021.html , Zugriff 7.10.2021
•BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (18.10.2021): Briefing Notes, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia, 28 February 2022
https://www.ecoi.net/en/document/2068830.html , Zugriff 13.4.2022
•HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Tunisia,
https://www.ecoi.net/en/document/2066567.html , Zugriff 13.4.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien, Bericht liegt in der Staatendokumentation auf
•RSF - Reporters Sans Frontières (3.5.2022): RSF 2022 Index Middle East - North Africa: Generalized decline and deadly East, https://www.ecoi.net/en/document/2072332.html , Zugriff 4.5.2022
•USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2071185.html , Zugriff 20.4.2022
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 17.06.2022
98-99 % der Bevölkerung sind Muslime – mehr oder weniger praktizierend. Die meisten sind Sunniten. Neben Muslimen leben in Tunesien rund 25.000 Christen (zum Großteil Katholiken), wobei die Gemeinden zum Großteil aus ausländischen Bürgern bestehen, und 1.500 Juden (CIA 12.4.2022; vgl. USDOS 12.4.2022, AA 29.4.2022). Die jüdische und christliche Bevölkerung Tunesiens wird als gleichberechtigte Bürger akzeptiert (BS 2022). Des Weiteren gibt es noch Schiiten und Baha’i (CIA 12.4.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).
Der Islam ist offizielle Religion Tunesiens und der Staatspräsident muss laut Verfassung Muslim sein (USDOS 2.6.2022). Artikel 6 der tunesischen Verfassung garantiert die Religions- und Glaubensfreiheit (NMFA 1.12.2021; vgl. AA 29.4.2022). Im April 2021 kam es Berichten zur Folge während des Pessachfestes zu Übergriffen und zu Belästigungen von Juden durch Sicherheitskräfte (USDOS 12.4.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).
Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird in Tunesien mit gewissen Einschränkungen gewährt (AA 29.4.2022). Die Verfassung reflektiert das herrschende Gleichgewicht zwischen religiösem und säkularem Lager in Gesellschaft und Politik: Der Islam ist als Religion des Landes anerkannt, aber die islamische Scharia wurde nicht in der Verfassung verankert. Ein ziviler Staat ist die Grundlage der Verfassung, in der ausdrücklich auf die universellen Menschenrechte Bezug genommen wird (AA 29.4.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).
Bis zur Revolution im Jänner 2011 konnte der Islam über die Befolgung der grundlegenden muslimischen Riten hinaus kaum gesellschaftliche und politische Aktivitäten entfalten. Außerhalb der Gebetszeiten blieben die Moscheen geschlossen. Zudem wurden die Freitagspredigten sowie alle religiösen Gemeinschaften vom Staat überwacht. Mit der Revolution ist der Islam im gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes allmählich immer sichtbarer geworden (AA 29.4.2022).
Es ist rechtlich möglich, vom Islam zum Christentum zu konvertieren. Missionierung und das Verteilen religiösen Materials sind der katholischen Kirche jedoch verboten (AA 29.4.2022). Es gibt erheblichen gesellschaftlichen Druck gegen die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion (USDOS 2.6.2022). Tunesische Konvertiten (einige Hundert im Land) werden innerhalb ihres sozialen und familiären Umfelds zwar zunächst häufig geächtet, mittelfristig aber gesellschaftlich wieder akzeptiert und integriert (AA 29.4.2022); Konvertiten werden häufig schikaniert und diskriminiert (FH 28.2.2022; vgl. NMFA 1.12.2021).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•BS - Bertelsmann Stiftung (2022): Tunesien Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/TUN , Zugriff 13.4.2022
•CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.4.2022): The World Factbook - Tunisia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/tunisia/ , Zugriff 13.4.2022
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia, 28 February 2022
https://www.ecoi.net/en/document/2068830.html , Zugriff 13.4.2022
•NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [NL] (1.12.2021): Algemeen ambtsbericht Tunesië, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068198/kort-thematisch-ambtsbericht-tunesie-december-2021.pdf , Zugriff 21.4.2022
•USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2071185.html , Zugriff 20.4.2022
•USDOS - US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Tunisia, 2 June 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2074048.htm , Zugriff 14.6.2022
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 17.06.2022
Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022), Emigration sowie Wiedereinbürgerung. Die Regierung respektiert im Allgemeinen diese Rechte auch in der Praxis (USDOS 12.4.2022). Am 24.7.2021 verlängerte Präsident Saïed den Ausnahmezustand, der seit seiner Verhängung im Jahr 2015 nach einer Reihe von Terroranschlägen fast ununterbrochen verlängert wurde, bis Anfang 2022 (HRW 13.1.2022). Ferner genehmigte Präsident Saïed, nach dem 25.7.2021, Berichten zufolge die Anwendung von Reiseverboten für Personen mit anhängigen Gerichtsverfahren und die Regierung schloss im Laufe des Jahres aufgrund von COVID-19-Bedenken vorübergehend ihre Grenze zu Libyen (USDOS 12.4.2022). Im Jahr 2017 verabschiedete der Gesetzgeber Maßnahmen, die die Behörden verpflichten, strengere Verfahren zu durchlaufen, um Reiseverbote zu erlassen oder Pässe einzuziehen. Allerdings haben die Behörden im Rahmen des Ausnahmezustands weitreichende Befugnisse, die Bewegungsfreiheit von Personen einzuschränken, ohne formale Anklagen zu erheben. Die Bewegungsfreiheit wird seit 2020 auch durch COVID-19-bezogene Maßnahmen behindert, wobei einige Einschränkungen vom Militär durchgesetzt werden. Unabhängig davon kritisierten Menschenrechtsgruppen die nach der Machtübernahme des Präsidenten im Juli 2021 verhängten Reiseverbote als willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit (FH 28.2.2022). Zivilgesellschaftliche Gruppen berichteten, dass das Innenministerium weiterhin Reisen einiger Personen unter Verwendung der informellen Reiseverbotsliste des Innenministeriums, bekannt als „S17“-Beobachtungsliste, einschränkt (USDOS 12.4.2022).
Im Jahr 2017 verabschiedete der Gesetzgeber Maßnahmen, die die Behörden verpflichten, strengere Verfahren zu durchlaufen, um Reiseverbote zu erlassen oder Pässe einzuziehen. Allerdings haben die Behörden im Rahmen des Ausnahmezustands weitreichende Befugnisse, die Bewegungsfreiheit von Personen einzuschränken, ohne formale Anklagen zu erheben. Die Bewegungsfreiheit wird seit 2020 auch durch COVID-19-bezogene Maßnahmen behindert, wobei einige Einschränkungen vom Militär durchgesetzt werden. Unabhängig davon kritisierten Menschenrechtsgruppen die nach der Machtübernahme des Präsidenten im Juli 2021 verhängten Reiseverbote als willkürliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit (FH 28.2.2022). Zivilgesellschaftliche Gruppen berichteten, dass das Innenministerium weiterhin Reisen einiger Personen unter Verwendung der informellen Reiseverbotsliste des Innenministeriums, bekannt als „S17“-Beobachtungsliste, einschränkt (USDOS 12.4.2022).
Am 25.7.2021 hat Staatspräsident Saïed, unter Berufung auf den Notstands-Artikel 80 der tunesischen Verfassung, die Regierungsgeschäfte übernommen (AA 29.4.2022). Am selben Tag kam es zur Suspendierung des Parlaments und der parlamentarischen Immunität und einige Gesetzgeber und politische Persönlichkeiten waren repressiven Maßnahmen wie Reiseverboten, Inhaftierung und Hausarrest ausgesetzt (FH 28.2.2022). Zudem haben die tunesischen Behörden ohne Begründung und ohne richterliche Anordnung rechtswidrige und willkürliche Reiseverbote gegen Personen verhängt und damit deren Recht auf Bewegungsfreiheit eklatant verletzt (AI 26.8.2021). Ab August 2021 untersagte die Flughafenpolizei willkürlich mindestens 50 Tunesiern die Ausreise ins Ausland, ohne einen Gerichtsbeschluss, einen Zeitrahmen oder eine Erklärung zu liefern (AI 29.3.2022; vgl. AI 26.8.2021). Betroffen waren Richter, hohe Staatsbedienstete und Beamte, Geschäftsleute und ein Parlamentarier (AI 26.8.2021 vgl. USDOS 12.4.2022). Nach tunesischem Recht können nur Justizbehörden Reiseverbote anordnen (AI 29.3.2022; vgl. AI 26.8.2021, USDOS 12.4.2022). Zudem schreibt das tunesische Gesetz Nr. 75-40 vor, dass die Verbote begründet werden und die Betroffenen informiert werden müssen, ferner haben diese auch das Recht die Entscheidung anzufechten (AI 26.8.2021; vgl. USDOS 12.4.2022).
Präsident Saïed erklärte am 16.8.2021, die Verbote seien Teil der Bemühungen, Personen, die der Korruption verdächtigt werden oder ein Sicherheitsrisiko darstellen, an der Flucht aus dem Land zu hindern (AI 29.3.2022; vgl. AI 26.8.2021). Ende 2021 wurde diese Praxis eingestellt, nachdem der Präsident die Sicherheitskräfte aufgefordert hatte, diese Verbote nicht ohne richterliche Anordnung zu verhängen (AI 29.3.2022). Zwischen Juli und Oktober 2021 stellten die Behörden mindestens elf Personen unter Hausarrest, in einigen Fällen ohne eine klare Erklärung. Alle Anordnungen wurden bis Ende des Jahres aufgehoben (AI 29.3.2022). Präsident Kaïs Saïed rechtfertigte diese Beschränkungen als Teil der Bemühungen, Personen, die der Korruption verdächtigt werden oder eine Sicherheitsbedrohung darstellen, an der Flucht aus dem Land zu hindern (AI 26.8.2021).
Einer Flucht innerhalb Tunesiens werden durch die geringe Größe des Landes enge Grenzen gesetzt. Ein Verlassen besonders gefährdeter Gebiete in den Grenzregionen ist grundsätzlich möglich (AA 29.4.2022).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Tunesien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024 , Zugriff 29.4.2022
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Tunisia 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070284.html , Zugriff 13.4.2022
• AI - Amnesty International (26.8.2021): Tunisia: President must lift arbitrary travel bans, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/08/tunisia-president-must-lift-arbitrary-travel-bans/?utm_source=annual_report&utm_medium=epub&utm_campaign=2021&utm_term=english , Zugriff 29.4.2022
•FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Tunisia, 28 February 2022
https://www.ecoi.net/en/document/2068830.html , Zugriff 13.4.2022
•HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Tunisia,
https://www.ecoi.net/en/document/2066567.html , Zugriff 13.4.2022
•USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2071185.html , Zugriff 20.4.2022
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung: 17.06.2022
Elf Jahre nach der Jasminrevolution konnten die hohen Erwartungen hinsichtlich eines besseren und gerechteren Lebens in wirtschaftlicher Hinsicht nicht realisiert werden. Großen Fortschritten im Bereich Meinungsfreiheit und Parteienvielfalt stehen eine schwere Wirtschaftsrezession und eine Verarmung weiter Bevölkerungsschichten gegenüber. Keiner der zahlreichen Regierungen seit 2011 ist es gelungen, substanzielle und für die Bevölkerung spürbare Verbesserungen ihrer Lebensumstände herbeizuführen; das Gegenteil war der Fall (ÖB 11.2021). Tunesien erlebt derzeit einen Zustand des Aufruhrs und der Spannungen, da die meisten Grundnahrungsmittel von den Märkten ausgegangen sind, insbesondere Zucker und Speiseöl. Parallel dazu heizten die hohen Preise und die steigenden Steuern und Treibstoffkosten, parallel zur verspäteten Zahlung der Gehälter, die Situation an (MW 11.3.2022).
Nach dem Corona-bedingten Einbruch im Jahr 2020 konnte Tunesien im vergangenen Jahr 2021 wiederum ein Wirtschaftswachstum von +3,4 % verbuchen; Profiteure beim BIP-Zuwachs waren der verarbeitende Sektor, die Energiewirtschaft und die Dienstleister; die Aussichten auf 2022 mit einem BIP-Zuwachs von +2,6 % sind nicht gerade berauschend, doch eine gute Touristensaison über den Sommer und Herbst und der anhaltende Trend, Tunesien als verlängerte Werkbank europäischer Firmen für viele Industriebereiche zu sehen, stützt die Prognosen, auch wenn der Krieg, den Russland über die Ukraine gebracht hat, die Weizen- und Energieimporte Tunesiens stark verteuert (WKO 29.3.2022). Der Agrarsektor kam vergleichsweise gut durch das Corona-Jahr 2020. Und auch zu Beginn 2020 lief die Produktion von Phosphat gut. Die Pharmaindustrie gilt weiterhin als Hoffnungsträger und bietet Exportchancen. Nachdem es 2019 gute Aussichten für die Textilbranche gab, ist die Produktion im letzten Jahr um circa 20 % zurückgegangen (ABG 11.2021).
Der politische Stillstand, das Ausbleiben von Touristen und die sich nur zögerlich erholende europäische Industrieproduktion verhinderten ein höheres Wachstum. Vorausgesetzt, die pandemische Lage im Land bleibt beherrschbar, könnte das BIP im Jahr 2022 etwa 3,5 % erreichen. Die Rückkehr der Touristen läuft gegebenenfalls an, aber wird nicht gleich das Niveau von 2019 erreichen. Eine Erholung der globalen Konjunktur dürfte der exportorientierten Industrie unter die Arme greifen (GTAI 12.1.2022).
Mit mehr als 100.000 Beschäftigten ist Tunesien ein etablierter IT-Standort. Zudem etabliert sich das Land als Start-up-Hub für die Region. E-Commerce und Digitalisierung profitieren auch in Pandemiezeiten. Wegen niedriger Gehälter wandern jährlich etwa 2.500 Informatiker ins Ausland ab (ABG 11.2021).
Gemäß Weltbankstatistiken leben mehr als 2,5 Mio. Tunesier (bei einer Bevölkerung von 12 Mio.) unter der Armutsgrenze. Allein aufgrund der Covid-Krise kamen über 600.000 dazu. Somit ist deren Zahl von 15,5 % vor der Krise auf 21 % angestiegen. Es bestehen regional große Unterschiede. In einigen Regionen im Landesinneren beträgt der Armutsanteile über 50 %. Die Regierung lässt den Ärmsten – von der Weltbank finanzierte – unregelmäßig direkte Unterstützungen zukommen, ohne allerdings die zugrunde liegenden Ursachen zu bekämpfen (ÖB 11.2021).
Weitere 25,4 % der Bevölkerung leben in Armut, d.h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn (sogenannter SMIG), der umgerechnet bei ca. 140 Euro liegt. Auch für die bisherige Mittelschicht wird die Diskrepanz zwischen Verdienst und Deckung der tatsächlichen Bedürfnisse immer größer und die Verschuldung der Privathaushalte hat stark zugenommen. Die Kaufkraft der tunesischen Bevölkerung ist seit der Revolution 2011 um 30 % zurückgegangen. Grund für die dramatische Verschlechterung der Einkommenssituation sind jahrelanges (so gut wie) Nullwachstum, im Jahr 2020 eine schwere Rezession bedingt durch Covid, hohe Inflation, der stets zunehmende Mangel an Arbeitsplätzen für die z.T. schlecht bzw. nicht den Bedürfnissen entsprechend ausgebildeten Arbeitskräfte (dzt. 18,3 % Arbeitslosigkeit), ein Niedergang des in Tunesien sehr bedeutenden staatlichen Industriesektors, Misswirtschaft, Korruption und ein völliger. Der Wegbruch des Tourismus traf Tunesien besonders hart, trägt er doch 11 % zum BNP bei (ÖB 11.2021).
[Bei einer in drei tunesischen Städten (Great Tunis, Sousse und Sfax) durchgeführten Umfrage zu sozioökonomischen Faktoren wurden, mittels Computer Assisted Telephone Interviewing (CATI)-Methode und Quotenstichproben auf der Grundlage der neuesten verfügbaren offiziellen Bevölkerungsdaten in jeder der genannten Zielstädte, Einwohner, bzw. eine Stichprobe von 300 Personen zwischen 16 und 35 Jahren, von One to One for Research and Polling befragt. Die Datenerhebung begann am 5. Januar 2022 und endete am 8. Januar 2022]
42 % der Befragten geben an, dass sie ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit Lebensmitteln versorgen können, was eine schwierige Situation für den Großteil der Befragten darstellt. Problematischer ist es, wenn es um den Kauf von grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhe geht, denn nur 16 % schaffen es, ihren Haushalt mit diesen Gütern zu versorgen, 28 % schaffen es gerade so, und 53 % können diese Art von Gütern entweder kaum oder gar nicht für ihren Haushalt besorgen. Dennoch geben 44 % der Befragten an eher zufrieden zu sein mit ihrem Leben, was sich auch in der Statistik wiederspiegelt; da unter den Einwohner mit niedrigen Einkommen, 37,3 % der Befragten eher zufrieden sind und 28,2 % gaben an gar nicht zufrieden zu sein. 16,7 % sind sehr zufrieden mit ihrem Leben. Die für dieses Ergebnis ausschlaggebende demografische Variable ist das Einkommensniveau (BFA, ONE TO ONE 5.2.2022).
Waren die Herausforderungen in wirtschaftlicher, sozialer, moralischer und kultureller Hinsicht bereits bisher enorm, sind sie nun seit Ausbruch der Covid-19 Krise Mitte März 2020 nochmals um ein Vielfaches verschärft: die Arbeitslosigkeit, seit Jahren gemäß offiziellen Statistiken 15,6 %, ist auf 18 % gestiegen und dürfte weiter auf 20 % bis Jahresende steigen (ÖB 11.2021). Die Inflation ist nach einem kurzzeitigen Rückgang wieder gestiegen (GTAI 12.1.2022); die Inflationsschätzung der tunesischen Zentralbank für 2022 kam bei 6,8 %% zu liegen; die aktuelle Tendenz lässt jedoch einen zweistelligen Wert erwarten (10,5 %); die Arbeitslosigkeit erreichte 18,4 %% im Vorjahr und könnte 2022 leicht auf 17,8 % zurückgehen (WKO 29.3.2022). Zu dem hohen Anteil an jungen und diplomierten Arbeitslosen kommen die Schulabbrecher (jährlich ca. 100.000), die vom privaten Sektor und vor allem auch im Tourismus krisenbedingt Entlassenen sowie das Heer an Beschäftigten des informellen Sektors (der auf 50 % der Wirtschaftsleistung geschätzt wird), welchen ihre Existenzgrundlage entzogen wurde (ÖB 11.2021). Angesichts einer Rekord-Jugendarbeitslosigkeit von über 30 % und einer steigenden Inflation sind soziale Proteste vorprogrammiert und finden bereits statt. Der einflussreiche Gewerkschaftsdachverband UGTT hat seine harte Haltung gegenüber einem Reformprogramm bereits ausgedrückt (GTAI 12.1.2022)
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist zwar vor allem dank staatlicher Subventions- und Interventionspolitik bis auf saisonale Versorgungsengpässe einigermaßen gesichert, hingegen besteht ein eklatantes Einkommensgefälle zwischen wohlhabenderer Küstenregion sowie dem Großraum Tunis (mit allein ca. 50 % der Bevölkerung) und den benachteiligten ruralen Gebieten im Hinterland (ÖB 11.2021). So variiert die Beschäftigungsquote je nach Region innerhalb Tunesiens. Tendenziell ist die Lage an der Küste und im Norden des Landes besser, was auf die Tourismusbranche sowie die dort angesiedelte Industrie zurückzuführen ist (ABG 11.2021).
Tunesien ist ein Niedriglohnland. Die durchschnittlichen Monatslöhne im produzierenden Gewerbe liegen zwischen 500 und 800 Dinar. Arbeiter im öffentlichen Sektor verdienen rund 900 Dinar, Beamte 1.000-1.600 Dinar. Der staatliche Mindestlohn (sogenannter SMIG), liegt umgerechnet bei ca. 140 Euro. Etwa 25,4 % der Bevölkerung lebt in Armut, bzw. lebt von weniger als dem staatlichen Mindestlohn (ÖB 11.2021)
Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (AA 29.4.2022). Das tunesische Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Grundschutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95 % (ÖB 11.2021). Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 29.4.2022). Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien (ÖB 11.2021).
Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Gemäß Nationalem Statistikinstitut INS zählt der informelle Sektor rund 1,5 Mio. Beschäftigte, die nicht mit einer Finanzhilfe rechnen können. Laut tunesischem Industrieverband UTICA wurden alleine während der ersten Covid-19-Welle 165.000 Arbeitsplätze vernichtet. Während der Covid-Lockdowns kam es zu zahlreichen Protesten, da sich viele ihrer Einkommensgrundlage beraubt sahen. Die früher relativ breite, weit definierte Mittelschicht Tunesiens aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten sieht ihre Kaufkraft zunehmend schwinden und droht, in die Prekarität abzugleiten. Die schmale Oberschicht aus traditionell einige Wirtschaftszweige beherrschenden Familien ist mehr an Machterhalt als an Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskräfte interessiert. Die allmächtige traditionelle Gewerkschaft UGTT lehnt bisher jede Änderung des Status quo rigoros ab und behindert so eine Umstrukturierung des ineffizienten auf Nepotismus und Rentenmentalität beruhenden öffentlichen Sektors. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Ausbilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP) (ÖB 11.2021).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•ABG - Africa Business Guide (11.2021): Länderprofil Wirtschaft in Tunesien: Junge Demokratie mit Blick auf Europa, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/tunesien#267576 , Zugriff 4.5.2022
•BFA Staatendokumentation (Autor), ONE TO ONE for Research and Polling (Autor) (5.4.2022): Dossier Tunisia; Socio-Economic Survey 2022, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
•GTAI - Germany Trade & Invest (12.1.2022): Tunesien: Tunesiens Wirtschaft zwischen Zweifel und Optimismus, https://www.gtai.de/de/trade/tunesien/wirtschaftsumfeld/tunesiens-wirtschaft-zwischen-zweifel-und-optimismus-241246 , Zugriff 4.5.2022
•MW - MideastWire (11.3.2022): Experts to Arabi 21: Confusing social tension in Tunisia foreshadows explosion, https://mideastwire.com/page/articleFree.php?id=77461 , Zugriff 12.5.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien, Bericht liegt in der Staatendokumentation auf
•WKO - Wirtschaftskammer Österreich (29.3.2022): Die tunesische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-tunesische-wirtschaft.html , Zugriff 4.5.2022
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 17.06.2022
Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau (AA 29.4.2022). Tunesien hat lange Zeit in das Gesundheitswesen investiert, es gibt in allen Landesteilen staatliche Gesundheitseinrichtungen. Allerdings sind die rund 2.200 Einrichtungen trotz guter medizinischer Ausbildung der Beschäftigten oft in desolatem Zustand (ÖB 11.2021). Üblicherweise ist eine weitreichende Versorgung in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen (AA 29.4.2022). Die Gesundheitskrise hat einige Stärken des tunesischen Gesundheitssystems aufgezeigt. Die Behörden waren in der Lage, schnell und wirksam zu handeln, um die erste Welle von Infektionen im Keim zu ersticken, was ihre Kompetenz im Umgang mit großen Krisen unterstreicht. Die kleine Pharmaindustrie des Landes hat sich als außerordentlich wertvoll erwiesen. Sie liefert etwa die Hälfte der in Tunesien verwendeten Medikamente und stellt COVID-19-Testkits her. Dies ist ein aktuelles Beispiel, das die gute Ausbildung der Arbeitskräfte des Landes zeigt - ein komparativer Vorteil für internationale Investoren. Wenn sie strategisch genutzt werden, könnten sich die Bestrebungen Europas, unter anderem einige wichtige pharmazeutische Produktionen von Asien in seine Nachbarschaft zu verlagern, als Segen für Tunesien erweisen. Die Verlagerung wird möglicherweise nicht schnell genug erfolgen, um den durch die Pandemie bedingten Rückgang der Tourismuseinnahmen zu kompensieren. Mittelfristig kann jedoch eine Zunahme der verarbeitenden Industrie dringend benötigte wertschöpfende Arbeitsplätze und einen stetigeren Devisenstrom als der Tourismus bieten (BS 23.2.2022).
[Bei einer in drei tunesischen Städten (Great Tunis, Sousse und Sfax) durchgeführten Umfrage zu sozioökonomischen Faktoren wurden, mittels Computer Assisted Telephone Interviewing (CATI)-Methode und Quotenstichproben auf der Grundlage der neuesten verfügbaren offiziellen Bevölkerungsdaten in jeder der genannten Zielstädte, Einwohner, bzw. eine Stichprobe von 300 Personen zwischen 16 und 35 Jahren, von One to One for Research and Polling befragt. Die Datenerhebung begann am 5. Januar 2022 und endete am 8. Januar 2022]
Die Verfügbarkeit von Fachärzten ist insbesondere in Sfax nicht mehr so einfach wie früher. Etwa 34,7 % der befragten Einwohner gaben an, dass sie immer Zugang zu Fachärzten haben, wogegen in Groß-Tunis und Sousse etwa 44 % der befragten Einwohner angaben immer Zugang zu Fachärzten zu haben. Grundsätzlich ist für Frauen die Verfügbarkeit zu Fachärzten höher als jene für Männer. 44,7 % der befragten Frauen gaben an immer Zugang zu haben, wogegen 22 % angaben, nur eingeschränkten Zugang zu haben (BFA, ONE TO ONE 5.2.2022).
Eine stark angestiegene Anzahl an gut ausgestatteten Privatkliniken bedient meist Ausländer, u. a. zahlungskräftige Libyer und Algerier (ÖB 11.2022; vgl. AA 29.4.2022). Außerhalb der Hauptstadt ist mit einigen Einschränkungen zu rechnen (AA 29.4.2022).
Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV-Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich jedoch um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema (AA 29.4.2022).
Aktuell ist die medizinische Versorgung aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht gewährleistet, da die Krankenhäuser ihre Kapazitätsgrenzen erreicht haben (BMEIA 29.4.2022). Gerade die Covid-19-Pandemie hat starke Defizite aufgezeigt (ÖB 11.2021).
2005 wurden die beiden Krankenkassen (CNSS: Caisse nationale de sécurité sociale und CNRPS: Caisse nationale de retraite et de prévoyance sociale) zur Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM) zusammengelegt. Allerdings ist diese Kasse mit ca. 1 Milliarden Dinar hoch verschuldet – fehlende Beitragszahlungen und verteuerte Medikamente sind nur einige der Gründe (ÖB 11.2021).
In Einzelfällen kann es also - insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten - Versorgungsprobleme geben. Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. In Einzelfällen ist also eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den allermeisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich (AA 29.4.2022).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Tunesien: Reise- und Sicherheitshinweise, Medizinische Versorgung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024 , Zugriff 29.4.2022
•BFA Staatendokumentation (Autor), ONE TO ONE for Research and Polling (Autor) (5.4.2022): Dossier Tunisia; Socio-Economic Survey 2022, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
•BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (29.4.2022): Reiseinformationen Tunesien, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/ , Zugriff 29.4.2022
•BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Tunesien Country Report 2022, https://bti-project.org/de/reports/country-report/TUN , Zugriff 13.4.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien 2021, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf
Rückkehr
Letzte Änderung: 17.06.2022
Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrunde liegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in § 35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bis 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im vergangenen Jahr ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen dann nicht zur Anwendung, wenn Personen das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 29.4.2022).
Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 29.4.2022).
Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und eingeschränkten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen u. a. der Schweiz und Norwegens (Programm AVRR). Rückkehrprojekte umfassen z. B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben oder im Bereich der Landwirtschaft, haben jedoch gem. Beobachtungen bislang kaum Erfolg gezeigt (ÖB 11.2021).
Als zweite Institution ist das ICMPD seit 10. Juni 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm). Neben Ländern wie Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko und Syrien wird Tunesien dabei als „Plattform“ (interaktiv zu verfolgen unter: www.eurotun-migr.net ) für folgende Arbeitsbereiche gesehen:
• IBM: Integrated Border Management (IBM): technische und operative Unterstützung der nationalen Institutionen im Bereich grüne und blaue Grenzsicherung
• MIEUX: Migration EU Expertise : eine gemeinsame EU-ICMPD Initiative zur Stärkung der Nationalen Migrationsstrategie, insbesondere des Nationalen Migrationsobservatoriums (ONM)
Im Dezember 2020 hat die UGTT, der tunesischen Gewerkschaft, ein Büro für ausländische ArbeiterInnen zum Schutz gegen Ausbeute, Rassismus und Verletzung ihrer sozialen - wie wirtschaftlichen Rechte eröffnet (ÖB 11.2021).
Quellen:
•AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.4.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Tunesien (Stand: März 2022), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe?func=ll&objId=23675904&objAction=Open&nexturl=%2FOTCS%2Fcs%2Eexe%3Ffunc%3Dsrch%2ESearchCache%26cacheId%3D1094784449 , Zugriff 7.6.2022
•ÖB - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht Tunesien 2021, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf.
1.4. Jahresbericht zur Religionsfreiheit (Berichtszeitraum 2021) des US Department of State:
Executive Summary
The 2014 constitution declares the country’s religion to be Islam. The constitution also declares the country to be a “civil state." The constitution designates the government as the “guardian of religion" and obligates the state to disseminate the values of “moderation and tolerance." It prohibits the use of mosques and other houses of worship to advance political agendas or objectives and guarantees freedom of belief, conscience, and exercise of religious practice. Press reported in August that Slimane Bouhafs, an Algerian Christian refugee living in Tunisia since 2018, was forcibly returned to Algeria on August 25 to face terrorism charges. Bouhafs previously served two years in prison in Algeria on charges including “offending Islam." The High Independent Authority for Audiovisual Communications (HAICA) ordered the closure of several news outlets, including some with religious affiliations, for not complying with HAICA licensing requirements. HAICA regulations prohibit outlets with political or religious affiliation from broadcasting. On October 5, the Ministry of Interior enforced HAICA’s order to close Zitouna TV, which frequently broadcasts religious programming, for violating its operating license by being affiliated with the Nahda political party, which describes itself as being comprised of Muslim democrats. On November 2, the government ordered the closure of Quran Kareem, a religious radio station for also operating without a license. In announcing the decision, HAICA said that Quran Kareem was “promoting hate speech to incite violence and hatred." On November 18, a Tunisian court overturned HAICA’s decision to confiscate Zitouna TV and Radio Quran broadcasting equipment, but upheld HAICA’s decision to confiscate Nessma TV’s equipment. HAICA announced plans to appeal the court’s decision to ensure all media outlets are treated equally under the authority’s regulatory mandate. The government continued not to recognize the Baha’i Faith or grant its association legal status, despite a 2020 administrative court ruling in favor of allowing the Baha’i Faith to establish an association. The General Prosecutor appealed the ruling in 2020 and the case remained ongoing at year’s end. Wearing the niqab remained prohibited, although this law was generally not enforced. Christian sources and the multicultural Attalaki Association for Freedom and Equality (Attalaki Association) continued to state there was strong governmental and societal pressure not to discuss a church’s activities or theology publicly and reported several instances of security forces banning Christians from meeting in hotels or private homes. Christian citizens stated the government did not fully recognize their rights, particularly as they pertain to the establishment of a legal entity or association that would grant them the ability to establish an Arabic-language church or a cemetery. The Attalaki Association reported continued positive exchanges with members of parliament regarding efforts to combat hate speech based on religion and license a Christian cemetery and Arabic-language church, prior to President Kais Saied’s suspension of Parliament on July 25. Jewish groups said they continued to worship freely, and the government continued to provide security for synagogues and partially subsidized restoration and maintenance costs, but the government continued to fail to act on a 2019 petition to establish a Jewish community association. In February, the municipal government of Dar Chaaban in Nabeul evicted Shia residents who were using residential property for religious meetings.
Christian converts from Islam said threats from members of their families and other persons reflected societal pressure against Muslims leaving the faith. Some atheists reported facing societal pressure to conceal their atheism, including by participating in Islamic religious traditions. On March 9-10, Free Constitutional Party (PDL) members allegedly attempted to break into the Qatar-based International Union for Muslim Scholars (IUMS) national headquarters in Tunis, which PDL president Abir Moussi called a Muslim Brotherhood-sponsored terrorist organization. The Karama Coalition political grouping, described by some think tanks and NGOs (nongovernmental organizations) as a coalition that includes Islamists, organized a counterprotest and there were violent clashes among PDL, IUMS, Karama Coalition, and some Nahda supporters until security forces used tear gas to disperse the crowds. In April, Jewish leaders and Attalaki stated that there were several assaults targeting Jews during Passover. Some members of the Christian community said that citizens who attended church services faced pressure from family members and others in their neighborhood not to attend.
The U.S. Ambassador and embassy officials continued to maintain regular contact with government officials, including in the Ministry of Religious Affairs (MRA), Office of the Presidency, and Ministry of Relations with Constitutional Bodies, Civil Society and Human Rights, to discuss issues concerning religious freedom and encourage tolerance of religious minorities. Conversations also focused on government efforts to control activities in mosques, difficulties facing Baha’i and Christian citizens, reports of antisemitic acts, and threats to converts from Islam to other faiths. Throughout the year, embassy officers discussed religious diversity and dialogue with leaders of the Muslim, Christian, Jewish, and Baha’i communities.
Section I. Religious Demography
The U.S. government estimates the total population at 11.8 million (midyear 2021), of which approximately 99 percent is Sunni Muslim. Christians, Jews, Shia Muslims, Baha’is, and nonbelievers constitute less than 1 percent of the population. There are approximately 7,000 Christians who are citizens, according to the Christian community, most of whom are Anglicans or Protestants. The MRA estimates there are approximately 30,000 Christian residents, most of whom are foreigners, and of whom 80 percent are Roman Catholic. Catholic officials estimate Church membership at fewer than 5,000, widely dispersed throughout the country. The remaining Christian population is composed of Protestants, Russian Orthodox, French Reformists, Anglicans, Greek Orthodox, Jehovah’s Witnesses, and members of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints. The Jewish community numbers approximately 1,400, according to the MRA. One-third of the Jewish population lives in and around the capital, and the remainder lives on the island of Djerba and in the neighboring town of Zarzis. There is a small Baha’i community, but reliable information on its numbers is not available.
Section II. Status of Government Respect for Religious Freedom
Legal Framework
The constitution declares Islam is the country’s religion, but the constitution also declares the country to be a “civil state." The constitution designates the government as the “guardian of religion" and requires the president to be Muslim. It guarantees freedom of belief, conscience, and exercise of religious practices. The constitution also states that mosques and houses of worship should be free from partisanship. It obligates the state to disseminate the values of moderation and tolerance, protect holy sites, and prevent takfir (Muslim accusations of apostasy against other Muslims). The law requires that all religious services be celebrated within houses of worship or other nonpublic settings. These restrictions extend to public advertisement of religious services. The constitution lists reasons for potential restrictions on the rights and freedoms it guarantees, including protecting the rights of others, requirements of national defense, and public order, morality, or health. The constitution guarantees the right to public education and says the state will “work to consolidate the Arab-Muslim identity in the younger generations."
The penal code criminalizes speech likely “to cause harm to the public order or morality," as well as acts undermining public morals in a way that “intentionally violates modesty."
There is no legal prohibition of proselytism, but the law criminalizes forced conversions.
Religious groups may form and register associations under the law to establish a bank account, conduct financial activities such as charity work, and receive favorable tax treatment, including tax-free donations from government-approved associations, provided the association does not purport to represent all believers of a religious group or use the name of a religious group. To establish an association, a religious group must submit a registered letter to the Prime Minister’s Office stating the purposes of the association; copies of the national identity cards of its founders, who must be citizens; and two copies of the articles of association signed by the association’s founders or their representatives. The articles of association must contain the official name of the association in Arabic and any foreign language, if appropriate; its address; a statement of its objectives; membership criteria; membership fees; and a statement of organizational structure, including identification of the decision-making body for the association. The law requires that associations and political parties respect the rule of law and basic democratic principles. The law prohibits associations from engaging in for-profit activities, providing material support to individual political candidates, or adopting bylaws or taking actions to incite violence or promote hatred, fanaticism, or discrimination on the basis of religion. Once established, an association may receive tax-exempt income from organizations, including foreign organizations that have a prior agreement with the government.
Once an association receives the return receipt from the Prime Minister’s Office, it has seven days to submit an announcement of the name, purpose, and objectives of the association to the government press. The government press has 15 days to publish the announcement in the government gazette, which constitutes the association’s official registration. In the event the government does not return a registered receipt within 30 days, an association may proceed to submit its documents for publication and obtain registration. A foreign association may establish a branch in the country, but the government may also reject its registration request if the government finds the principles or objectives of the foreign association contravene the law.
Violations of the provisions of the law related to associations are punishable, first by a warning of up to 30 days from the secretary general of the government, who reports directly to the Prime Minister, then by a court order suspending the association’s activities for up to 30 days if the violations persist. If the association is still in violation of the law, the secretary general may then appeal to the court for dissolution of the association. Under the law, associations have the right to appeal court decisions.
Registered associations have the right to organize meetings and demonstrations, to publish reports and leaflets, to own real estate, and to engage in “all types of civil activities."
A 1964 modus vivendi with the Holy See grants official recognition to the Roman Catholic Church. The modus vivendi allows the Church to function in the country and provides state recognition of the Catholic Church, although it restricts religious activities and services to the physical confines of authorized churches and prohibits construction of new churches and the ringing of church bells. A limited number of Catholic schools and charities may operate under the modus vivendi, but their financial activities are conducted through registration as an association and their affiliation with the Church is not publicized.
The law states that the government oversees Islamic prayer services by subsidizing mosques, appointing imams, and paying their salaries. The Grand Mufti, appointed by the President, is charged with declaring religious holidays, issuing certificates of conversion to Islam, attending to citizens’ inquiries, representing the country at international religious conferences, providing opinions on school curricula, and studying and writing about Islam, including offering religious guidance and issuing fatwas. The MRA suggests themes for Friday sermons but does not regulate their content. The government may initiate administrative and legal procedures to remove imams whom authorities determine to be preaching “divisive" theology.
By law, new mosques may be constructed, provided they are built in accordance with national urban planning regulations. The MRA pays for construction of mosques, although private and foreign donors are also able to contribute to construction costs. Mosques become government property upon completion, after which the government must maintain them.
Students in public schools attend mandatory courses on the principles of Islam for approximately one hour per week. Non-Muslim students generally attend these courses but may seek an exemption. The curriculum for secondary school students also includes references to the history of Judaism and Christianity. Religious groups may operate private schools.
Provisions of law addressing marriage, divorce, and other personal status issues are largely based on principles of civil law, combined with elements of sharia. Laws of inheritance are principally based on requirements in sharia, but there are some provisions that allow for exceptions as outlined in the Code of Personal Status.
Newly married couples must state explicitly in the marriage contract whether they elect to combine their possessions or to keep them separate. Sharia inheritance law in some instances provides men with a larger share of an inheritance. Some families avoid the application of sharia by executing sales contracts between parents and children to ensure that daughters receive shares of property equal to that given to sons. Non-Muslim women and their Muslim husbands may not inherit from each other, unless they seek a legal judgment based on the rights enshrined in the constitution. The government considers all children of those marriages to be Muslim and forbids those children from inheriting from their mothers. Spouses may, however, freely give up to one-third of their estate to whomever they designate in their will.
The law does not list religion as a prohibited basis for political parties but prohibits political parties from using religion to call for violence or discrimination.
Military service is required for males 20-23 years of age for compulsory one-year service, and males 18-23 years of age may volunteer for military service. There is no option for alternative service for conscientious objectors.
The country is a party to the International Covenant on Civil and Political Rights.
Government Practices
Press reported that Slimane Bouhafs, an Algerian Christian refugee living in Tunisia since 2018, was forcibly returned to Algeria on August 25 to face terrorism charges. Bouhafs previously served two years in prison in Algeria on charges including “offending Islam." The Office of the UN High Commissioner for Refugees granted Bouhafs refugee status in 2019. On August 30, several civil society organizations issued a joint statement condemning Bouhafs’ expulsion. On September 3, President Saied reportedly told the Tunisian League of Human Rights (LTDH), a local human rights organization, that the government would investigate the incident, but as of December, there were no updates to the investigation.
HAICA ordered the closure of several media outlets, including some with religious affiliations, for not complying with HAICA licensing requirements. HAICA regulations do not permit media outlets to be affiliated with political parties or religious groups. On October 5, the Ministry of Interior enforced HAICA’s order to close Zitouna TV, which frequently broadcast religious programming, for violating its operating license by being affiliated with the Nahda political party, which describes itself as being comprised of Muslim democrats. HAICA said it ordered the closure because the station lacked an operating license. On November 2, HAICA ordered the closure of Quran Kareem, a religious radio station, also for operating without a license. In announcing the decision, HAICA said that Quran Kareem was “promoting hate speech to incite violence and hatred." On November 18, a court overturned HAICA’s decision to confiscate Zitouna and Radio Quran’s equipment. HAICA announced it was considering an appeal to ensure all media outlets are treated equally, under the authority’s regulatory mandate.
As part of the Ministry of Justice’s ongoing rehabilitation program for countering violent extremism, the Committee General for Prisons and Rehabilitation continued to maintain an agreement with the MRA to permit vetted and trained imams to lead religious sessions with prisoners identified as extremists. As part of the ministry’s measures to counter violent extremism, prisons prohibited organized communal prayers but permitted individual detainees to have religious materials and to pray in their cells.
In November, Minister of Religious Affairs Brahim Chaibi chaired a three-day workshop in partnership with the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights to promote the role of religious leaders in disseminating values of tolerance, the right to difference, the fight against violence, and upholding freedom of expression. The workshop also addressed ways to combat incitement to hatred, violent speech, and the role of imams in eradicating such speech.
Baha’i leaders again reported harassment by security force personnel during the year. Baha’i leaders reported that some community members received phone calls from individuals claiming to be security forces. One leader said that a security officer called him and asked him to go to the police station without providing any official authorization.
The Baha’i community’s efforts to establish an association remained ongoing at year’s end. After a 2020 court ruling in favor of allowing Baha’is to form an association, the General Prosecutor presented an appeal to the court referencing a nonpublic fatwa issued by the Grand Mufti in 2016, which stated that Baha’i Faith members were apostates and infidels and therefore should not be permitted to practice their faith. The appeal remained pending at year’s end.
According to a 2020 NGO Minority Rights Group International (MRGI) report, because the Baha’i community remained unregistered, it could not have a bank account, organize money collection, or establish religious schools. In 2020, the Baha’i community petitioned the Minister of Local Affairs to establish a Baha’i cemetery but did not receive a reply by year’s end.
The government continued to publicly urge imams to disseminate messages of moderation and tolerance to counter what it said were threats of violent extremism. Since 2015, the MRA has conducted regular training sessions for imams on how to disseminate these messages. According to several local mosque committees in charge of mosque operations that are chosen by congregation members, the government generally allowed the committees to manage the daily affairs of their mosques and choose their own imams, with the exception of imams for Friday prayers, who were selected exclusively by the MRA. Regional MRA representatives within each governorate had to vet, approve, and appoint both the local mosque committees and the imams. According to an official from the MRA, the government standardized and enforced mosque opening and closing times, except for certain mosques with cultural or historical significance and very small community mosques.
The government continued to mandate the wearing of face masks to prevent the spread of COVID-19, although the niqab remained officially prohibited. The government prohibited the wearing of niqabs in administrative and public institutions in order to “maintain public security and guarantee optimal implementation of safety requirements," although women who wore niqabs in these settings were generally not detained. Government officials denied that the restriction limited religious freedom and stressed that its goal was to promote improved security.
In April, in response to the increase in COVID-19 cases and government restrictions to prevent the spread of the disease, the annual Lag B’Omar Pilgrimage to the Ghriba Synagogue in Djerba, the oldest synagogue in Africa, was closed to the public, with attendance limited to an invitation-only basis. A small, private ceremony for worshippers was held and attended by religious observers.
Christian citizens continued to state there was strong governmental and societal pressure not to discuss a church’s activities or theology publicly. Christian sources stated that security forces banned a meeting of 25 Christians in September in a hotel in the city of Hammamat for reasons unrelated to COVID-19 concerns. According to the Attalaki Association, police reportedly interrogated a Tunisian pastor in Nabeul Governorate for holding a religious gathering. After interrogating him for five hours without his attorney present, they released him. Police told him he was banned from holding future religious gatherings in the Nabeul Governorate.
The Attalaki Association reported that in March, security forces detained a Canadian pastor for reportedly hosting a gathering of Christian students at his residence in Nabeul. Police reportedly told him to sign papers stating he would not hold religious gatherings of any type in the future.
Members of the Christian community reported the government allowed churches to operate within set guidelines and provided security for their services. The government generally restricted public religious services or processions outside churches as agreed under the 1964 modus vivendi with the Vatican. The Santa Costa Church did not hold a celebration in August in the streets of the city of La Goulette in honor of the Catholic Feast of the Assumption due to government COVID-19 restrictions on gatherings.
Christian citizens reported the government continued to deny them the right to establish a legal entity or association that would give them the ability to establish an Arabic-language church or a cemetery. The Christian community, however, again did not submit a formal request for an association or legal status during the year, due in part to COVID-19-related restrictions. Christian cemeteries existed for foreign members of the Christian community; Christian citizens, however, continued to need permission from the government to be buried in any of these cemeteries. Citizens reported they generally did not request such permission due to what they said was a pattern of governmental nonresponse. Prior to President Saied’s suspension of Parliament on July 25, the Attalaki Association reported continued exchanges with members of parliament representing the Nahda political party, Tahya Tounes political party, the Reform bloc in parliament, and the Union for Religious Affairs to discuss efforts to combat hate speech based on religion and to license a Christian cemetery and Arabic-language church.
Jewish groups said they continued to worship freely, and the government continued to provide security for synagogues and partially subsidized restoration and maintenance costs. Government employees maintained the Jewish cemetery in Tunis but not those located in other cities, including Sousse and El-Kef. According to Jewish community representatives, the synagogue of Tataouine, which was placed on the national heritage registry in 2020, remained under state protection to prevent further degradation of the building.
In accordance with government permits, the Jewish community operated private religious schools, and Jewish children were allowed to split their academic day between public schools and private religious schools or attend either type of school full-time. The government-run Essouani School and the Houmt Souk Secondary School in Djerba remained the only public schools where Jewish and Muslim students studied together, primarily because of the small size and geographic concentration of the Jewish community. At these schools, Muslim students attended Islamic education lessons on Saturdays while their Jewish classmates could choose to attend classes on religion at a Jewish school in Djerba.
Representatives from the Jewish community reported that in October, as a follow-up to the application they first filed in 2019, they submitted legal documents related to establishing a Jewish community association to the MRA and to the Minister, who had vowed to support the request. There were no additional updates to the petition, however. The Jewish community initiated the applications to establish associations in order to better advocate with the government on behalf of Jewish community interests and serve as an organizing body for the Jewish communities in Gabes, Medenine, and Tunis.
According to the Attalaki Association, in February, the municipality of Dar Chaaban in Nabeul told Shia residents of a house to vacate the premises because the land permit authorized the property for habitation, not for religious services by members of the Shia community. The municipality demolished the building.
Media reported that in January, the Conference of European Rabbis (CER) accused President Saied of using language that blamed Jews for “the instability of the country" in a video posted on Facebook during which he spoke to citizens following unrest in several townships outside Tunis. The CER issued a statement on January 19 saying such talk “constitutes an immediate threat for the physical and moral integrity of Tunisian Jewish Citizens." On January 20, the Presidency denied that Saied had mentioned any religion in his speech and said “there was no reasonable motive to deal with the question of religion in the context of protests." The Presidency said Saied spoke with Chief Rabbi of Tunisia Haim Bittan to reassure him Tunisian Jews enjoyed the same “solicitude and protection" from the state as other citizens.
On May 18, the parliament issued a statement protesting Israeli actions targeting Hamas and expressing its solidarity with the Palestinian people against the “brutal aggression of the usurping Zionist entity against the Palestinian people in Jerusalem, Gaza, the West Bank and within the territories occupied in 1948, and the accompanying destruction, displacement, Judaization and brutal and racist terrorist acts targeting Palestinian civilians." In a plenary session of Parliament, deputies condemned Israeli attacks, describing them as “brutal" and “terrorist." They also condemned “the policy of settlement, siege and racial discrimination practiced by the Zionist entity against the Palestinian people."
Section III. Status of Societal Respect for Religious Freedom
Some atheists reported receiving family and societal pressure to return to Islam or conceal their atheism, including, for instance, by fasting during Ramadan and abstaining from criticizing Islam. Some converts to Christianity reported strong family and societal rejection, including threats, and some of them were reportedly beaten and forced to leave their homes on account of their beliefs.
On March 9-10, PDL members allegedly attempted to break into the International Union for Muslim Scholars (IUMS) national headquarters in Tunis. Referring to Qatar-based IUMS as a Muslim Brotherhood-sponsored terrorist organization, PDL president Abir Moussi called on Governor of Tunis Chedly Boualleague to shut down the organization. The Karama Coalition political grouping, described by some think tanks and NGOs as a coalition that includes Islamists, organized a counterprotest outside IUMS headquarters. The confrontation between PDL, on one hand, and IUMS, Karama Coalition, and some Nahda supporters, on the other, resulted in violent clashes between demonstrators until security forces used tear gas to disperse the crowds. Tunis Governor Boualleague authorized security forces on March 10 to disassemble sit-in tents erected by PDL, IUMS, and Karama Coalition supporters. Qatari IUMS Secretary General Ali Al-Qaradaghi described Moussi’s actions as criminal and told media he planned to sue Moussi for attacking a legally authorized organization. On March 10, Nahda issued a statement condemning PDL’s “authoritarian" actions against a “legal association that is licensed and operates within the rules established by the Associations Decree."
In April, Jewish leaders stated that there were assaults targeting members of the community during Passover. In Djerba, a man allegedly beat a child (with reports differing as to whether the victim was a 10- or 16-year-old), and two men allegedly attempted to strangle a young woman near her home in a separate incident. The young woman’s family filed a complaint with police. The Attalaki Association issued a statement on April 7 describing two additional incidents targeting the Jewish community: a man who allegedly shouted, “get out of our country!" to a Jewish man, and a Customs officer who reportedly beat and removed the pants of a merchant and said, “see how we treat the Jews!" Attalaki’s statement emphasized solidarity with the Jewish community and the rejection of all forms of discrimination, violence, and hate. The statement also called on law enforcement to investigate each of the incidents and hold those responsible accountable.
According to the Anti-Defamation League, on May 19, at a demonstration in Tunis protesting Israeli actions against Hamas, participants carried a banner with the Star of David and the phrase “COVID1948." Other banners included a swastika over the word “Zionism" and another with the phrase “Genocide in Gaza."
According to the MRGI, some civil society organizations reported that there were a growing number of Muslim converts to Christianity, but that social taboos remained so strong and widespread that these individuals generally preferred to keep their conversions secret. Many faced ostracism and even violence from their own families due to the stigma surrounding conversion from Islam. Some members of the Christian community said that citizens who attended church services faced pressure from family members and others in their neighborhood not to attend. Christians reported family members frequently accused converts of bringing “shame" to the family by their conversion. The Attalaki Association reported that non-Christian family members harassed Christians.
Christian sources reported that local churches continued to coordinate with government officials to help the churches’ sub-Saharan congregants pay for rent, food, and basic necessities after many had lost their jobs due to the COVID-19 pandemic.
Baha’i leaders reported that the Baha’i Faith community held virtual religious gatherings, respecting COVID-19 pandemic lockdown and curfew orders.
In a poll conducted by a Dubai-based public relations firm in June and involving a team of international experts, 19 percent of the country’s citizens between the ages of 18 and 24 agreed that religion was “the most important" factor to their personal identity, compared with 34 percent overall for youth polled in the 17 Arab states included in the survey.
Section IV. U.S. Government Policy and Engagement
The Ambassador and embassy officials continued to maintain regular contact with government officials, including in the MRA, the Office of the Presidency, and the Ministry of Relations with Constitutional Bodies, Civil Society, and Human Rights to discuss issues concerning religious freedom and encourage tolerance of religious minorities. Conversations also focused on government efforts to control activities in mosques, difficulties facing Baha’i and Christian citizens, reports of antisemitic acts, and threats to converts from Islam to other faiths.
Embassy officials maintained frequent contact with leaders of religious groups, including members of the Baha’i, Christian, and Jewish communities, throughout the country to discuss the impact of the security situation on religious groups and the freedom of religious minorities to worship without restrictions by the government or threats from the community. The embassy continued to support programs designed to highlight religious tolerance and counter violent extremism related to religion, including informal youth-led conversation groups to discuss issues of religious tolerance and alternatives to violence; a program working with scout troops to learn how to recognize and combat signs of religious radicalization; and several research programs aimed at identifying and countering religious radicalization and violent extremism, especially in youth. An embassy representative attended the private worship service in the Ghriba Synagogue in Djerba in April.
The embassy granted its first award directly to a Tunisian NGO in early March. The $177,000 program is designed to promote religious diversity through interfaith dialogues, start a social media campaign to raise awareness of religious freedom, and advocate for reforms to improve freedom of religion in the country
1.5. Zur aktuell vorliegenden Covid-19 Pandemie:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses ).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses ).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen.
Die medizinischen Hauptindikationen sind:
-fortgeschrittene chronische Lungenkrankheiten, welche eine dauerhafte, tägliche, duale Medikation benötigen
-chronische Herzerkrankungen mit Endorganschaden, die dauerhaft therapiebedürftig sind, wie ischämische Herzerkrankungen sowie Herzinsuffizienzen
-aktive Krebserkrankungen mit einer jeweils innerhalb der letzten sechs Monate erfolgten onkologischen Pharmakotherapie (Chemotherapie, Biologika) und/oder einer erfolgten Strahlentherapie sowie metastasierende Krebserkrankungen auch ohne laufende Therapie
-Erkrankungen, die mit einer Immunsuppression behandelt werden müssen
-fortgeschrittene chronische Nierenerkrankungen
-chronische Lebererkrankungen mit Organumbau und dekompensierter Leberzirrhose ab Childs-Stadium B
-ausgeprägte Adipositas ab dem Adipositas Grad III mit einem BMI >= 40
-Diabetes mellitus
-arterielle Hypertonie mit bestehenden Endorganschäden, insbesondere chronische Herz- oder Niereninsuffizienz, oder nicht kontrollierbarer Blutdruckeinstellung.
Diese medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html ).
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers gründen sich primär auf seine diesbezüglichen glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des sichergestellten Reisepasses fest.
Ob der Beschwerdeführer – wie in der Beschwerde behauptet wird – an psychischen Problemen in Form einer bipolaren Störung und/oder an ADHD leidet, konnte nicht festgestellt werden. In der niederschriftlichen Einvernahme am 07.09.2022 sagte der Beschwerdeführer nämlich aus, gesund zu sein, und bestätigte am Ende der Einvernahme nach erfolgter Rückübersetzung die Richtigkeit seiner Angaben durch seine Unterschrift. Unabhängig davon leidet er jedenfalls an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, welche einer Rückkehr nach Tunesien entgegensteht und seine Arbeitsfähigkeit ausschließen würde. Mit dem in der Beschwerde vorgelegten Bericht eines französischen Krankenhauses, welches eine am 28.11.2007 durchgeführte Untersuchung der Mutter des Beschwerdeführers zum Gegenstand hat, wird keine aktuelle Erkrankung des Beschwerdeführers aufgezeigt.
Die Feststellung zur mangelnden Integration des Beschwerdeführers ergibt sich aus der kurzen Aufenthaltsdauer und dem Fehlen von maßgeblichen Integrationsschritten.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
In der niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer, als er zu seinen Gründen für die Ausreise aus Tunesien befragt wurde, an, von Tunesien weg zu sein, weil er sich dort nicht mehr sicher fühle und Angst vor der Gesellschaft und seinem Vater habe (Protokoll vom 07.09.2022, S. 13). An anderer Stelle in der Einvernahme führte er zudem aus, seit 2017 Atheist zu sein und von drei Privatpersonen aus seinem Bekanntenkreis auf der Straße bedroht worden zu sein, welche ihn kennen und wissen würden, dass er religionslos sei (Protokoll vom 07.09.2022, S. 7, 13).
Das Bundesamt hielt das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführer für nicht glaubhaft und führte im angefochtenen Bescheid in der Beweiswürdigung insbesondere zwei nachvollziehbare Argumente ins Treffen. Einerseits hat der Beschwerdeführer sich nach der Rücküberstellung von Deutschland in der Einvernahme vor Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.08.2022 eindeutig zum Islam bekannt (Protokoll vom 24.08.2022, S. 1), andererseits hat er seinen Vater angerufen, als er nach Österreich kam, um ihm mitzuteilen, dass er unterwegs zu seiner Mutter sei (Protokoll vom 07.09.2022, S. 11).
In Anbetracht dieser Argumente ist es für für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehar, warum das Bundesamt dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte. Die Angabe, er gehöre dem Islam an, stellt ein gegen seine Konfessionslosigkeit sprechendes gewichtiges Indiz dar. Daran können auch die mit der Beschwerde in Vorlage gebrachten Postings auf Facebook (AS 231 ff), auf denen unter anderem Memes der Seite XXXX abgebildet sind, nichts ändern, da diese nicht für eine ernsthafte Abwendung des Beschwerdeführers vom Islam bzw. für seine Hinwendung zum Atheismus aus innerer Überzeugung sprechen.
Weiters lässt die Kontaktaufnahme mit seinem Vater die behauptete Bedrohung durch seinen Vater nicht glaubhaft erscheinen. Es ist nicht plausibel, warum der Beschwerdeführer mit seinem Vater Kontakt aufgenommen und ihn über seine Reise zu seiner Mutter informiert hat, schließlich behauptet er im Verfahren, Angst vor seinem Vater zu haben und von ihm mit dem Umbringen bedroht zu werden.
Mit seiner Aussage bei der Einvernahme am 24.08.2022, er möge nach Frankreich reisen, um dort zu arbeiten und zu seiner Familie zu fahren (Protokoll vom 24.08.2022, S. 3) dürfte der Beschwerdeführer den wahren Grund für seine Ausreise aus Tunesien genannt haben. Auch vor diesem Hintergrund ist sein Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft zu qualifizieren.
Gegen eine Verfolgung und die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht ferner der Umstand, dass er erst im Juli 2022 ausgereist ist, obwohl laut dem Vorbringen in der Beschwerde sein Vater bereits im Jahr 2020 Kenntnis von seinem Glaubensabfall erlangt hat.
Der Beschwerdeführer hielt sich von Mitte 2020 bis zu seiner Ausreise im Juli 2022 ca. 2 Jahre lang in Tunesien auf (Protokoll vom 07.09.2022, S. 6, 8), obwohl er insbesondere behauptet, dass die Kenntnisnahme seines Vaters vom Atheismus seit 2020 der Auslöser für den Beginn von Drohungen und Verfolgungen gewesen sei, er trotz mehrmaligen Wohnsitzwechsels von seinem Vater aufgefunden worden sein und keinen Schutz von den tunesischen Polizisten erhalten haben soll.
Eine Person, die - wie der Beschwerdeführer behauptet – verfolgt zu werden und keinen Schutz in ihrem Herkunftsstaat erhalten zu können, wäre nicht für einen derart relativ längeren Zeitraum weiter in ihrem Herkunftsstaat geblieben. Die späte Ausreise lässt sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft erscheinen.
Weiters fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer zwar im Zeitraum von Mitte 2018 bis Mai 2020 in Frankreich aufhältig war, jedoch dort nicht um Asyl ansuchte. Die unterbliebene Asylantragstellung in Frankreich ist insoweit nicht logisch nachzuvollziehen als der Beschwerdeführer im Verfahren vorbringt, seit 2017 Atheist zu sein und nach der Scheidung seiner Eltern von seinem Vater im Jahr 2008 entführt und illegal nach Tunesien gebracht worden zu sein und nur 2018 anlässlich eines Urlaubs in Spanien nach Frankreich zu seiner Mutter fliehen habe können.
Im Rahmen der Beschwerdeerhebung legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen zur Stützung seines Fluchtvorbringens vor. Darunter befindet sich insbesondere ein Strafurteil eines französischen Gerichts vom 18.06.2019 (AS 265-268) über die Verurteilung seines Vaters zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen Kindesentführung im Tatzeitraum von Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011. Aus dem an die Staatsanwaltschaft Frankreichs gerichtetem Schreiben der Anwältin der Mutter des Beschwerdeführers vom 20.11.2008 (AS 276) geht hervor, dass es sich beim Vater des Beschwerdeführers um eine extrem gewalttätige Person handle, die aus Frankreich ausgewiesen wurde, aber wieder nach Frankreich einreiste, um den Beschwerdeführer zu entführen und nach Tunesien zurückzubringenn. Laut dem Schreiben vom 20.11.2008 sei zudem die Anwältin telefonsich vom Vater des Beschwerdeführers bedroht worden.
Die der Beschwerde beigelegten Unterlagen stützen somit einen Teil des erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers. Folglich ist es noch umso weniger nachzuvollziehen, warum der Beschwerdeführer während seines Aufenthalts in Frankreich im Zeitraum von Mitte 2018 bis Mai 2020 keinen Asylantrag stellte. Des Weiteren gilt zu berücksichtigen, dass die vorgelegten französischsprachigen Dokumente Sachverhalte betreffen, die bereits lange in der Vergangenheit liegen. Über das aktuelle Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater können die Dokumente nur bedingt Auskunft geben. Aus den in Vorlage gebrachten Lichtbildern, auf denen Verletzungen des Beschwerdeführers zu sehen sein sollen (AS 250-253), ergibt sich außerdem nicht, ob es sich bei der abgebildeten Person tatsächlich um den Beschwerdeführer handelt und wann und auf welche Weise diese Verletzungen entstanden sind. Insbesondere lässt sich aus den Fotos nicht ableiten, ob die Verletzungen wirklich dem Vater des Beschwerdeführers oder den gennanten Personen aus seinem Bekanntenkreis zuzuschreiben sind.
Unabhängig davon, ob die Aussagen des Beschwerdeführers letztlich glaubhaft sind oder nicht, würde es sich zudem bei den von ihm behaupteten Bedrohungen um eine Verfolgung durch einzelne Privatpersonen handeln und nicht um eine dem tunesischen Staat zuzurechnende Verfolgung. Dieser Privatverfolgung hätte der Beschwerdeführer – wie in der rechtlichen Beurteilung noch ausgeführt wird - durch Inanspruchnahme des Schutzes der staatlichen Behörden in Tunesien begegnen können. Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat und die grundsätzliche Schutzwilligkeit und –fähigkeit der tunesischen Sicherheitsbehörden in Fällen privater Verfolgung steht mangels gegenteiliger Hinweisen in den Länderfeststellungen außer Zweifel.
Aus den zitierten Länderinformationen lässt sich im Übrigen auch nicht entnehmen, dass Atheisten in Tunesien generell mit Verfolgungshandlungen rechnen müssten. In Tunesien besteht grundsätzlich Religions und Meinungsfreiheit. Einige Atheisten berichten, seitens ihrer Familie und der Gesellschaft unter Druck gesetzt zu werden, zum Islam zurückzukehren oder ihren Atheismus zu verbergen, indem sie zum Beispiel während des Ramadan fasteten und sich der Kritik am Islam enthielten. In Tunesien herrscht durchaus ein hoher sozialer Druck, am Islam und den kulturellen Eigenheiten festzuhalten, daraus ergibt sich aber noch keine im Allgemeinen bestehende Gefahr für Atheisten, in Tunesien verfolgt zu werden, und keine Schutzunfähig und Schutzunwilligkeit der tunesischen Behörden hinsichtlich von Atheisten.
Im Ergebnis ist damit die Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers durch das Bundesamt nicht zu beanstanden. Bei einer Gesamtbetrachtung war daher festzustellen, dass ihm bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung drohen wird.
2.4. Zum Herkunftsstaat und zur Covid 19 Pandemie:
Dass Tunesien als sicherer Herkunftsstaat gilt, ergibt sich aus der Herkunftsstaatenverordnung.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation für Tunesien vom 17.06.2022 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Diese Länderinformationen stützen sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat mit seiner Aussage in der niederschriftlichen Einvernahme am 07.09.2022, es sei in Tunesien nicht sicher, diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. In der Beschwerde wird moniert, dass die im angefochtenen Bescheid zitierten Länderinformationen hinsichtlich der Religionsfreiheit und der Situation von Atheisten unvollständig, veraltet und allgemein gehalten seien. Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Tunesien zitiert. Inwieweit diese unvollständig oder veraltet seien wurde in dier Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. In der Beschwerde wurden auch keine Quellen zitiert, welche im Vergleich zu den Länderinformationen mit Stand 17.06.2022 aktueller wären und in Bezug auf die Situation von Atheisten neuere Erkenntnisse bringen.
Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich auch keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.
Die Feststellungen zur Covid 19 Pandemie und zum Jahresbericht zur Religionsfreiheit ergeben sich aus den zitierten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative - § 11 Abs 1 AsylG). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, bestehen einige stichhaltige Anhaltspunkte, die das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen lassen.
Zur behaupteten Privatverfolgung durch seinen Vater und anderen Personen aus seinem Bekanntenkreis ist außerdem festzuhalten, dass es sich bei der dargestellten Verfolgung durch Privatpersonen jedenfalls weder um eine von einer staatlichen Behörde ausgehende noch um eine dem Staat zurechenbare Verfolgung handelt, die von den staatlichen Einrichtungen in Tunesien geduldet würde.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. etwa VwGH vom 21.04.2011, 2011/01/0100mwN). Davon ist angesichts der Länderfeststellungen zu Tunesien nicht auszugehen.
Eine allgemeine, offensichtliche Schutzunwillig- und Schutzunfähigkeit der tunesischen Sicherheitsbehörden lässt sich aus den aktuellen Länderberichten nicht ableiten und in Tunesien besteht zum jetzigen Zeitpunkt ein im Grundsatz funktionierendes Exekutiv- und Sicherheitswesen, mag es auch grundlegende Probleme vor allem hinsichtlich der Effizienz und Unabhängigkeit des Justizsystems geben.
Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer den Schutz der tunesischen Sicherheitsbehörden nicht in Anspruch nehmen kann, mag er auch gegenteiliges behaupten. Aus dem aktuellen Länderbericht ergeben sich auch Hinweise, wonach tunesische Sicherheitskräfte Atheisten keinen Schutz bieten würden.
Dem Beschwerdeführer ist es daher durchaus zumutbar, dass er sich dem Schutz vor einer allfälligen privaten Verfolgung des tunesischen Polizeiapparates bedient.
Außerdem besteht in Tunesien - selbst bei Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung in einem Teil des Landes - grundsätzlich in anderen Teilen des Landes eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG, die im Allgemeinen auch zumutbar ist (zu diesem Erfordernis vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.03.2011, 2008/01/0047). Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Erwachsenen, dem ein Ortswechsel ohne weiteres möglich ist. Es steht dem Beschwerdeführer frei, sich an einem anderen Ort, der weit vom Wohnsitz seines Vaters und Bekanntenkreises entfernt ist, niederzulassen und dies wird von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes für zumutbar gehalten. Der Beschwerdeführer ist jung, leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen, ist arbeitsfähig, verfügt über eine Schulbildung sowie Berufserfahrung und sollte im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Dem Beschwerdeführe droht in Tunesien keine asylrelevante Verfolgung und ganz allgemein besteht in Tunesien, einem sicheren Herkunftsstaat (§ 1 Z 11 Herkunftsstaaten-Verordnung – HStV), derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, bloß aufgrund seiner Anwesenheit einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe in Tunesien besteht.
Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Exzeptionelle Umstände, die gegen eine Rückkehr sprechen würden, liegen nicht vor. Der volljährige Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist arbeitsfähig. Er schloss eine Schulausbildung aus und absolvierte eine Ausbildung zum Hotel- und Gastgewerbe Assistent. Zudem arbeitete er als Barkeeper in Tunis und war seine finanzielle Situation gut.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der Beschwerdeführer leide an psychischen Problemen bzw. an einer bipolaren Störung und er würde in Tunesien keine Behandlung erhalten, ist zu entgegnen, dass ausweislich der Länderinformationen in Tunesien psychische Krankheiten behandelt werden können.
Zudem nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die hg. Beschlüsse vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 183 und Rz 189 ff).
Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Tunesien nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können.
Des Weiteren steht die Covid 19 Pandemie einer Rückkehr nicht entgegen. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer schwerwiegenden COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Bei volljährigen, Männern ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 überwiegend symptomlos oder mit nur geringen Symptomen. Die konkrete Situation des Beschwerdeführers spricht nicht für eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 2, 3 EMRK. Selbst bei einer Infektion ist nämlich aufgrund seines Alters und seiner gesundheitlichen Situation davon auszugehen, dass er diese relativ komplikationslos überstehen wird. Auch wenn einzelne Personen zwar schwer erkranken oder sogar versterben können, besteht nach den derzeit verfügbaren Informationen jedoch jedenfalls keine „reale“ Gefahr hierfür. Es liegen daher auch im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer COVID-19-Erkrankung nicht solche exzeptionellen Umstände vor, die bei Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte darstellten (vgl. etwa VwGH, 05.08.2020, Ra 2020/14/0199-8).
Die Krankenhäuser in Tunesien sind an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen, dies beudetet aber nicht, dass der Beschwerdeführer sich in Tunesien mit dem Covid 19 Virus infiziert und einen schwerwiegenden Verlauf erleidet, der behandlungsbedürftig ist. Zudem beduetet der Umstand, dass zurzeit wegen der Pandemie keine medizinishce Versorgung garantiert werden kann nicht, dass der Beschwerdeführer im dringenden fall überhaupt keine Behandlung in Anspruch nehmen könnte.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
3.3.1. Rechtslage
Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.
Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
3.4.1. Rechtslage
Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich.
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet; VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war) und des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) überwiegen angesichts des kurzen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers die öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes das Interesse an der Achtung seines Privat- und Familienlebens.
Es liegen keine Aspekte einer außerordentlichen Integration des Beschwerdeführers vor. Es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter Bindungen allenfalls hätte ergeben können.
Das vorliegende Asylverfahren wurde rasch abgeschlossen und der andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers war entweder unrechtmäßig oder beruhte auf einem letztlich unbegründeten Asylantrag, weshalb er während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.
Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Ebenso wenig vermag die strafgerichtliche Unbescholtenheit seine persönlichen Interessen entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG mit einzubeziehen (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).
Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall des jungen, volljährigen und arbeitsfähigen Beschwerdeführers nicht vor. Hinzu kommt, dass ihm die sprachlichen und kulturellen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut sind.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG abzuweisen war.
3.5. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
3.5.1. Rechtslage
Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 52 Abs 9 FPG abzuweisen war.
3.6. Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs 1a FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG abzuweisen war.
3.7. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt.
Da der Beschwerdeführer aus Tunesien, einem sicheren Herkunftsstaat, stammt hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung zu Recht aberkannt.
Nach § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten.
Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 BFA-VG abzuweisen war.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Im vorliegenden Fall steht der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund der Erhebungen des Bundesamtes und dem Beschwerdevorbringen fest. Der Beweiswürdigung durch das Bundesamt hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).
Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung betreffend die Glaubhaftmachung von Fluchtgründen oder die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes an einen jungen, arbeitsfähigen Mann noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
