VwGH Ra 2016/21/0022

VwGHRa 2016/21/002225.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des A D in G, vertreten durch PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Julius-Raab-Platz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. November 2014, G301 2011685- 2/5E, betreffend (u.a.) Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Dominikanischen Republik, kam Mitte Juni 2003 - damals zwanzigjährig - rechtmäßig nach Österreich zu seiner Mutter und seinem österreichischen Stiefvater. Er erhielt in der Folge Niederlassungsbewilligungen und zuletzt am 24. Juni 2005 einen (nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" geltenden) Niederlassungsnachweis.

2 Mit seiner damaligen österreichischen Lebensgefährtin - die häusliche Gemeinschaft wurde (spätestens) Ende Juli 2009 beendet - hat der Revisionswerber zwei minderjährige Kinder (geboren am 3. November 2004 und am 25. Februar 2007), die ebenfalls österreichische Staatsbürger sind und im Haushalt der Mutter leben. In Österreich befinden sich - neben Mutter und Stiefvater - noch weitere Verwandte des Revisionswerbers.

3 Der Revisionswerber wurde erstmals im Jänner 2008 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG (vorschriftswidriges Überlassen von Kokain in einem insgesamt die Grenzmenge übersteigenden Ausmaß in sieben Fällen im Zeitraum April 2007 bis Mitte November 2007) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Er befand sich deshalb vom 13. November 2007 bis 15. Jänner 2008 in Haft.

4 Mit weiterem Gerichtsurteil vom 11. Februar 2013 wurde über den Revisionswerber (im zweiten Rechtsgang) rechtskräftig (v.a.) wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 3 SMG (nach einer Verurteilung wegen Suchtgifthandels gewerbsmäßiges vorschriftswidriges Überlassen von Kokain in einem insgesamt die Grenzmenge das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Ausmaß im - teilweise unterbrochenen - Zeitraum von Sommer 2006 bis September 2008) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren verhängt.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht insbesondere den raschen Rückfall durch Tatbegehung unmittelbar nach der Enthaftung im ersten Strafverfahren und die Delinquenz während der Anhängigkeit dieses Verfahrens, den längeren Deliktszeitraum, die mehrfache Qualifikation, die über das Maß des Notwendigen zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit bei weitem hinausgehende Tatwiederholung sowie das Überschreiten der Grenzmenge um ein Vielfaches als erschwerend. Mildernd wirkte sich hingegen kein Umstand aus.

Der Revisionswerber befindet sich seit seiner Festnahme am 28. Juli 2011 durchgehend in Haft. Seine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe wird am 28. März 2016 erfolgen.

5 Angesichts dieser Straftaten wurden gegen den Revisionswerber mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. August 2014 (u.a.) gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 (und 5) FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren erlassen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 18. November 2014 wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid des BFA zur Gänze als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber, dem hierfür vom Verfassungsgerichtshof die Verfahrenshilfe bewilligt worden war, zunächst eine Beschwerde nach Art. 144 Abs. 1 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde allerdings mit Beschluss vom 20. November 2015, E 56/2015-20, ab und trat sie unter einem antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 In der Folge brachte der Revisionswerber beim BVwG innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG durch den beigegebenen Verfahrenshelfer (§ 61 Abs. 7 VwGG) die vorliegende (außerordentliche) Revision ein, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof nach der gemäß § 30a Abs. 7 VwGG erfolgten Aktenvorlage erwogen hat:

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision richten sich in erster Linie gegen die vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung und in diesem Zusammenhang auch gegen die iSd § 52 Abs. 5 FPG erstellte Gefährdungsprognose.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits in seinem Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033, zum Ausdruck gebracht, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sei. Das gelte sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. dazu auch noch mittlerweile zahlreiche daran anschließende Entscheidungen, aus der letzten Zeit etwa den Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0142, mwN).

13 Das in Bezug auf die genannten Gesichtspunkte vom BVwG fallbezogen erzielte Ergebnis kann aber angesichts der dem Revisionswerber zur Last liegenden mehrfach qualifizierten Straftaten nach dem SMG, die letztlich eine rechtskräftige Verurteilung zu sieben Jahren Freiheitsstrafe nach sich zogen, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

14 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang mehrfach darauf rekurriert, die Straftaten lägen schon lange zurück, wird außer Acht gelassen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme eines Wegfalls der sich durch das bisherige Fehlverhalten manifestierten Gefährdung in erster Linie das - hier vom Revisionswerber noch nicht gezeigte - Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist. Im Übrigen berücksichtigt die Revision nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt judizierte, bei derart schweren Verbrechen nach dem SMG stehe weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot (bzw. einem Einreiseverbot) entgegen (vgl. zu beiden Gesichtspunkten etwa nur den Beschluss vom 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014, mwN; siehe beispielsweise auch das Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, Zl. 2010/21/0335).

15 Der Revisionswerber und seine Angehörigen haben daher die durch das Einreiseverbot bewirkte Trennung im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität der vorliegenden Art in Kauf zu nehmen. Dasselbe gilt für die in der Revision noch angesprochenen Schwierigkeiten des Revisionswerbers bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat.

16 Weiters wird in der Revision noch unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Unterlassung einer in der Beschwerde ausdrücklich beantragten Verhandlung, die der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber und der Darstellung der Intensität seiner familiären Bindungen in Österreich hätte dienen sollen, gerügt.

17 Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt darauf hingewiesen hat, der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks komme bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (vgl. etwa aus der letzten Zeit das Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101, Punkt 4.2. der Entscheidungsgründe, mwN). Allerdings kann gemäß dem auch im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-VG - trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Antrages - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. zu dieser Voraussetzung des Näheren das Erkenntnis vom 22. Jänner 2015, Ra 2014/21/0052, Punkt 4. der Entscheidungsgründe).

18 Diese Voraussetzung war hier gegeben. Die in diesem Zusammenhang in der Revisionsbegründung ins Treffen geführten Umstände hätten nämlich - wie sich schon aus den Ausführungen unter Rz 13 bis 15 ergibt - im vorliegenden, insoweit ganz eindeutigen Fall zu keinem anderen Ergebnis, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung, führen können; ihnen fehlt daher die Relevanz, sodass diesbezüglich kein entscheidungswesentlicher klärungsbedürftiger Sachverhalt vorlag.

19 Diese Auffassung scheint - wie noch der Vollständigkeit anzumerken ist - im Übrigen auch dem in dieser Sache ergangenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20. November 2015 zugrunde zu liegen. Er hat nämlich zu der in der Beschwerde an ihn behaupteten, durch die Unterlassung einer Verhandlung bewirkten Verletzung des Art. 47 GRC (nur) auf sein Erkenntnis vom 14. März 2012, U 466/11 u.a., VfSlg. 19.632/2012, verwiesen. In diesem Erkenntnis hat sich der Verfassungsgerichtshof mit der (im Verhältnis zu § 21 Abs. 7 BFA-VG inhaltlich gleichlautenden) Vorgängerregelung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung mit der GRC näher befasst. Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Dem ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039 (Punkt 3.1.3. der Entscheidungsgründe), auch für § 21 Abs. 7 BFA-VG gefolgt. Das brachte erkennbar nunmehr auch der Verfassungsgerichtshof durch die gewählte Begründungstechnik zum Ausdruck und er ist bei Verwerfung des Beschwerdeeinwands, das BVwG habe zu Unrecht keine Verhandlung durchgeführt, offenbar von der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall, also von einem hinreichend geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG, ausgegangen.

20 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass in der Revision keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2016

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