AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:I423.2172653.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela GREML über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Nigeria, vertreten durch BRAUNSBERGER-LECHNER-LOOS Rechtsanwälte, Leopold-Werndl-Straße 9, 4400 Steyr, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 02.06.2021, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX , zu Recht:
A)Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 26.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er zusammengefasst damit begründete, dass bei einem Angriff der Gruppe Boko Haram seine Eltern getötet und deren Haus niedergebrannt worden sei und sein Leben in Nigeria in Gefahr sei.
2. Im Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersbestimmung eingeholt und das errechnete fiktive Geburtsdatum mit XXXX festgelegt.
3. Nach niederschriftlicher Einvernahme des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.09.2017 dessen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ihm wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für seine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
4. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgerichtes mit Erkenntnis vom 14.10.2020, GZ XXXX , als unbegründet ab. Eine Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde seitens des Verfassungsgerichtshofs mit Beschluss vom 09.12.2020 zu XXXX abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dieser wies die Revision des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 22.02.2021 zu Ra XXXX zurück.
5. Am 15.03.2021 stellte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Mit in diesem Zuge abgegebenen Schriftsatz vom 09.03.2021 teilte der Beschwerdeführer mit, dass ihm am 05.02.2021 eine positive Schulnachricht der Höheren technischen Bundeslehranstalt XXXX ausgestellt und er rechtmäßig selbständig erwerbständig sei sowie über ein eigenes, ausreichendes Einkommen verfüge. Daneben verfüge er über mehrere Einstellungszusagen, wo er ein zusätzlich unselbständiges Einkommen erzielen könne. Er verfüge über einen breiten österreichischen Freundeskreis, sei ehrenamtlich engagiert und verfüge über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Überdies wurde der Beschwerdeführer am 21.04.2021 niederschriftlich einvernommen.
6. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 02.06.2021 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ihm eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für seine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
7. Dagegen richtet sich die am 28.06.2021 eingelangte Beschwerde. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, es sei im Falle eines Antrages auf Aufenthaltstitel auf Grundlage des Art 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 unzulässig, diesen wegen Nichtvorliegens von Personaldokumenten zurückzuweisen. § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 sehe eine „Heilung“ in dem Fall vor, in dem das Aufenthaltsrecht nach § 8 EMRK besteht, weshalb bei einem Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen nach § 55 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel unabhängig vom Vorliegen der genannten Formalvoraussetzungen zu erteilen sei. Zudem liege auch keine rechtmäßige Belehrung vor, zumal eine Bestätigung einer Botschaft gerade nicht zwingend vorgesehen sei. In der Sache selbst wurde vorgebracht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gegeben seien.
8. Einlangend mit 29.07.2021 wurde das Jahreszeugnis der Höheren technischen Bundeslehranstalt XXXX in Vorlage gebracht, einlangend mit 16.09.2021 erfolgte die Bekanntgabe einer Adressänderung des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer legte am 14.10.2021 außerdem eine Entscheidung des LVwG XXXX vom 05.10.2021 vor, mit welchem einer Beschwerde des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit der Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde.
9. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts wurde gegenständliche Rechtsache der Gerichtsabteilung I423 am 03.01.2022 neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zu der Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Nigerias, ledig und kinderlos. Er bekennt sich zum christlichen Glauben und ist der Volksgruppe der Ika zugehörig. Seine Identität steht nicht fest.
Er ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.
Seit nunmehr (mindestens) 26.04.2016 ist der Beschwerdeführer durchgehend in Österreich aufhältig und seit 23.05.2016 auch durchgehend melderechtlich erfasst.
In Nigeria besuchte er fünf Jahre lang die Schule und absolvierte schließlich eine Friseurlehre, welche er jedoch nicht beendet hat. Bis zu seiner Ausreise lebte er mit seinen Eltern gemeinsam auf einem Bauernhof, wobei er selber in Nigeria nicht erwerbstätig gewesen war und seine Eltern für seinen Lebensunterhalt aufgekommen sind. Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben, ein Onkel väterlicherseits lebt noch in Nigeria. In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers und führt er im Bundesgebiet kein Familienleben.
Der Beschwerdeführer verfügt seit dem 10.10.2020 über eine Gewerbeberechtigung hinsichtlich dem freien Gewerbe „Abfüller und Abpacker, ausgenommen Arzneimittel, Gifte und Medizinprodukte“, wobei er monatlich etwa EUR 900,-- erwirtschaftet. Bis 07.09.2021 wohnte er bei einer Familie in XXXX , die ihm unentgeltlich ein Zimmer sowie Verpflegung zur Verfügung stellte und ihn auch finanziell unterstützte. Als Gegenleistung hat der Beschwerdeführer im Haushalt oder im Garten mitgeholfen. Seit 07.09.2021 ist er in einer Nachbargemeinde mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der Beschwerdeführer brachte eine mit 09.03.2021 datierte Einstellungszusage in Vorlage, welche ihn unter der Prämisse einer Arbeitsbewilligung im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden beschäftigen würde. Zudem liegt eine mit 02.03.2021 datierte Einstellungszusage einer GmbH vor, wonach der Beschwerdeführer bei einer Tätigkeit im Ausmaß von 20 Wochenstunden im Falle einer Aufenthaltsgenehmigung auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung EUR 2.100,-- brutto (somit EUR 1.050,--) ins Verdienen brächte. Zuvor war der Beschwerdeführer als Straßenzeitungsverkäufer tätig.
Am 07.12.2016 erwarb der Beschwerdeführer sein ÖSD Zertifikat auf dem Sprachniveau A1, am 03.04.2017 auf den Niveau A2 und am 05.07.2017 auf dem Niveau B1. Im Zeitraum 08.01.2018 bis 21.12.2018 nahm er am Lehrgang „Pflichtschulabschluss“ im Rahmen der Bund/Länder-Vereinbarung mit gesamt 1154 Unterrichtseinheiten teil und erwarb am 18.12.2018 den Pflichtschulabschluss an einer Neuen Mittelschule. Zudem absolvierte er im Zeitraum 02.09.2019 bis 10.10.2019 einen Deutschkurs auf dem Niveau B2/1 und im Zeitraum 14.10.2019 bis 21.11.2019 auf dem Niveau B2/2, wobei er die Sprachprüfung B2 am 25.11.2019 nicht bestanden hat. Seit September 2020 besucht der Beschwerdeführer die Höhere technische Bundeslehranstalt XXXX im Bereich Maschinenbau mit Betriebspraxis mit dem Ausbildungsschwerpunkt Fahrzeugtechnik (4-jährig, Fachschule), wobei er die erste Klasse mit Juli 2021 positiv abschloss, was ihn zum Aufstieg in die 10. Schulstufe berechtigte. Seit November 2017 ist der Beschwerdeführer einmal wöchentlich als ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Seniorenwohnheim tätig, seit 05. Juli 2018 ist er zudem Mitglied in einem Garten-Verein und dort ehrenamtlich engagiert. Daneben ist er auch in der christlichen Gemeinde verfestigt und verfügt über einen umfassenden Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet und wird durchwegs als sympathische, hilfsbereite und ehrgeizige Person beschrieben.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.
Nach rechtskräftig negativer Entscheidung über seinen Asylantrag am 14.10.2020 kam der Beschwerdeführer nicht nach, wobei er sich seines illegalen Aufenthalts auch bewusst war.
Dem Beschwerdeführer wurde seitens der belangten Behörde aufgetragen, binnen vier Wochen einen Reisepass und eine Geburtsurkunde vorzuweisen. Zudem wurde er darüber belehrt, dass dies anderenfalls als Nichtmitwirkung im Verfahren gewertet wird. Daneben wurde auch auf die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags auf Heilung eines Mangels gemäß § 4 AsylG-DV 2005 hingewiesen. Einen solchen stellte der Beschwerdeführer nicht. Bis dato behauptete er auch nicht, sich in irgendeiner Weise um die Ausstellung eines Reisepasses bzw. einer Geburtsurkunde bemüht zu haben.
1.2. Zur Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria droht dem Beschwerdeführer weder die reale Gefahr der Folter, noch unmenschliche Bestrafung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn in Nigeria die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat (Stand 03.09.2021) des Beschwerdeführers stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
1.3.1. Politische Lage
Nigeria ist in 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2020; vgl. AA 5.12.2020; GIZ 12.2020a) mit insgesamt 774 LGAs/Bezirken unterteilt (GIZ 12.2020a; vgl. AA 16.1.2020). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) und eines Landesparlamentes (State House of Assembly) geführt (GIZ 12.2020a; vgl. AA 5.12.2020). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 5.12.2020).
Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem präsidialen Regierungssystem (AA 23.3.2021). Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Elemente eines demokratischen Rechtsstaates, einschließlich eines Grundrechtskataloges, und orientiert sich insgesamt am US-Präsidialsystem. Einem starken Präsidenten, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, und einem Vizepräsidenten, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und der ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen und gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 5.12.2020).
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Parteizugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen, ethnischer Zugehörigkeit und vor allem strategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 5.12.2020). Gewählte Amtsträger setzen im Allgemeinen ihre Politik um. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird jedoch durch Faktoren wie Korruption, parteipolitische Konflikte, schlechte Kontrolle über Gebiete, in denen militante Gruppen aktiv sind, und die nicht offengelegten Gesundheitsprobleme des Präsidenten beeinträchtigt (FH 3.3.2021).
Bei den Präsidentschaftswahlen am 23.2.2019 wurde Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Amt bestätigt (GIZ 12.2020a). Er erhielt 15,1 Millionen Stimmen und siegte in 19 Bundesstaaten, vor allem im Norden und Südwesten des Landes. Sein Herausforderer, Atiku Abubakar, erhielt 11,3 Millionen Stimmen und gewann in 17 Bundesstaaten im Südosten, im Middle-Belt sowie in der Hauptstadt Abuja (GIZ 12.2020a; vgl. BBC 26.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag mit 36 Prozent deutlich niedriger als 2015. Überschattet wurden die Wahlen von gewaltsamen Zwischenfällen mit mindestens 53 Toten. Wahlbeobachter und Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten außerdem Organisationsmängel bei der Durchführung der Wahlen, die Einschüchterung von Wählern sowie die Zerstörung von Wahlunterlagen an einigen Orten des Landes. Die Opposition sprach von Wahlmanipulation (GIZ 12.2020a).
Die Nationalversammlung besteht aus zwei Kammern: Senat und Repräsentantenhaus. Aus den letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 2019 ging die Regierungspartei All Progressives‘ Congress (APC) siegreich hervor. Sie konnte ihre Mehrheit in beiden Kammern der Nationalversammlung vergrößern. Die größte Oppositionspartei, die People’s Democratic Party (PDP) hatte von 1999-2015 durchgehend den Präsidenten gestellt. 2015 musste sie zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung seitdem geschwächt (AA 5.12.2020).
Am 9.3.2019 wurden Wahlen für Regionalparlamente und Gouverneure in 29 Bundesstaaten durchgeführt. In den restlichen sieben Bundesstaaten hatten die Gouverneurswahlen bereits in den Monaten zuvor stattgefunden. Auch hier kam es zu Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Ausschreitungen (GIZ 9.2020a). Kandidaten der APC von Präsident Buhari konnten 17 Gouverneursposten gewinnen, jene der oppositionellen PDP 14 (Stears 9.4.2020). Regionalwahlen haben großen Einfluss auf die nigerianische Politik, da die Gouverneure die Finanzen der Teilstaaten kontrollieren und für Schlüsselsektoren wie Gesundheit und Bildung verantwortlich sind (DW 11.3.2019).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.3.2021): Nigeria - Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/innenpolitik/205844 , Zugriff 20.5.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl3_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
BBC - BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3 , Zugriff 23.8.2021
DW - Deutsche Welle (11.3.2019): EU: Nigerian state elections marred by ’systemic failings’, https://www.dw.com/en/eu-nigerian-state-elections-marred-by-systemic-failings/a47858131 , Zugriff 20.5.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2021 , Zugriff 20.5.2021
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria,https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
Stears News (9.4.2020): Governorship Election Results, https://nigeriaelections.stearsng.com/governor/2019 , Zugriff 20.5.2021
1.3.2. Sicherheitslage
Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 5.12.2020).
Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz (AA 5.12.2020), vorwiegend durch Boko Haram (FH 2021; vgl. UKFCDO 19.5.2021), sowie ISWA [Islamischer Staat Westafrika] und anderen Gruppen (UKFCDO 16.8.2021). Die Aktivitäten der Islamisten haben sich von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Staaten ausgeweitet (EASO 6.2021). Obwohl Präsident Buhari in den ersten Jahren seiner Regierungszeit angab, Boko Haram „technisch“ besiegt zu haben, gibt er nun [Anm.: Stand Juli 2021] zu, dass es seiner Regierung nicht gelingt, den Aufstand zu stoppen (BBC 19.7.2021).
Im Middle Belt kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern (AA 5.12.2020; vgl. FH 3.3.2021). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 5.12.2020). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 5.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Tausende sind in dem Konflikt um knappe Ressourcen getötet worden (BBC 19.7.2021).
Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnensezessionistischen Bewegungen [u.a. IPOB - Indigenous People of Biafra] und der Staatsgewalt. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Partikularinteressen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen (AA 5.12.2020).
Zunehmend kritisch für die allgemeine Sicherheitslage in Nord- und Zentralnigeria ist die aus den nordwestlichen Bundesstaaten Sokoto, Zamfara, Katsina und Kaduna ausgehende Bandenkriminalität (insb. Viehdiebstähle, Überfälle, Entführungen) (AA 5.12.2020; vgl. EASO 6.2021). Bemühungen der Sicherheitskräfte haben eher zur Verdrängung der Aktivitäten in bisher nicht betroffene Gebiete als zur effektiven Verfolgung der Kriminellen geführt (AA 5.12.2020). Seit Dezember 2020 wurden mehr als 1.000 Schüler entführt und viele wurden erst wieder nach Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen (BBC 19.7.2021).
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die „Operation Restore Peace“ in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 und im Oktober 2020 [Anm.: im Rahmen der EndSARS Proteste] forderten diese in Abuja, Lagos und anderen Städten zahlreiche Todesopfer (AA 3.8.2021).
Anfang Oktober 2020 führte eine massive Protestwelle zur Auflösung der Spezialeinheit SARS am 11.10.2020 (Guardian 11.10.2020; vgl. EASO 6.2021). Die Einheit wurde in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt und seine Beamten sollen einer zusätzlichen Ausbildung unterzogen werden (DS 16.10.2020; vgl. EASO 6.2021). Nach Oktober 2020 wurde eine Kommission aus Nationaler Menschenrechtskommission (NHRC) und zivilgesellschaftlichen Gruppen zur Untersuchung der Polizeieinsätze während der Protestwelle eingesetzt (EASO 6.2021).
In der Zeitspanne März 2020 bis März 2021 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.888), Kaduna (1.103), Zamfara (938). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (5), Bauchi (16), Jigawa (16) (CFR 12.4.2021). Gemäß dem Global Peace Index 2020 findet sich Nigeria auf Platz 147 von 163 Ländern. Gemäß Brooking haben intensive Unsicherheit und Gewalt seit 2018 in Nigeria Bestand bzw. haben diese zugenommen (EASO 6.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.8.2021): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5 , 18.8.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
BBC - BBC News (19.7.2021): Nigeria’s security crises - five different threats, https://www.bbc.com/news/world-africa-57860993 , Zugriff 18.8.2021
BBC - BBC News (25.10.2020): Nigeria protests: Police chief deploys ’all resources’ amid street violence, https://www.bbc.com/news/world-africa-54678345 , Zugriff 21.2.2021
CFR - Council on Foreign Relations (12.4.2021): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483 , Zugriff 18.8.2021
DS - Der Standard (16.10.2020): Berüchtigte „Sars“-Polizeieinheit in Nigeria nach Protesten abgeschafft, https://www.derstandard.at/story/2000120951836/beruechtigte-sars-polizeieinheit-in-nigeria-nach-protesten-abgeschafft , Zugriff 28.10.2020
EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf , Zugriff 17.8.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2021 , Zugriff 20.5.2021
Guardian, The (11.10.2020): Nigeria to disband Sars police unit accused of killings and brutality, https://www.theguardian.com/world/2020/oct/11/nigeria-to-disband-sars-police-unit-accused-of-killings-and-brutality , Zugriff 28.10.2020
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (16.8.2021): Foreign travel advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria , Zugriff 18.8.2021
1.3.3. Grundversorgung
Nigeria ist die größte Volkswirtschaft Afrikas. Die Erdölproduktion ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Aufgrund des weltweiten Verfalls der Erdölpreise rutschte Nigeria 2016 jedoch in eine schwere Rezession, die bis zum zweiten Quartal 2017 andauerte. 2018 wuchs die nigerianische Wirtschaft erstmals wieder um 1,9 Prozent. Getragen wurde das Wachstum vor allem durch die positive Entwicklung von Teilen des Nicht-Öl-Sektors (Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe) (GIZ 6.2020). 2020 wurde die Wirtschaft des Landes schwer durch den COVID-bedingten Verfall der internationalen Ölpreise getroffen. Für 2020 wird mit einem Rückgang des BIP von ca. 3,2 Prozent bei einem Wachstum der Bevölkerung in etwa gleicher Höhe gerechnet. Bereits im 4. Quartal 2020 hat die Wirtschaft jedoch wieder zu expandieren begonnen. 2021 sollte sie, getragen von Ölpreisen um 60 US-Dollar pro Fass, um 1,5 bis 2,5 Prozent real wachsen (WKO 16.6.2021).
Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 5.12.2020). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 6.2020). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 5.12.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 6.2020).
Über 70 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 6.2020). Dennoch ist Nigeria in diesem Bereich keineswegs autark, sondern auf Importe, vor allem von Reis, angewiesen. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2020).
Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Insgesamt hat sich der Prozentsatz an Unterernährung in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegt nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen aber weiterhin zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2020). Mit Stand August 2020 benötigen gemäß UN 10,6 Millionen Menschen in Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa humanitäre Hilfe (HumAngle 11.8.2020).
Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 12.2020b). 87 Millionen Nigerianer (40 Prozent der Bevölkerung) leben in absoluter Armut, d.h. sie haben weniger als 1 US-Dollar pro Tag zur Verfügung (GIZ 6.2020). Gemäß Schätzungen der Weltbank leben mehr als 90 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag und 92 Prozent der Bevölkerung müssen mit einem Einkommen von weniger als 5,50 Dollar pro Tag auskommen (ÖB 10.2020). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 12.2020b). Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 6.2020).
Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 12.2020b). Die letzten offiziellen Zahlen dazu stammen aus dem 3. Quartal 2018. Demnach waren damals 42 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung entweder arbeitslos oder unterbeschäftigt. Seither werden Arbeitslosenzahlen, angeblich aus Kostengründen, nicht mehr veröffentlicht. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen (ÖB 10.2020). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2020; vgl. BS 2020).
Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als „self-employed“ suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 12.2020b). Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).
Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2020). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2020).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung und Lebensmittelpreise variieren nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2020).
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf , Zugriff 18.5.2020
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 1.9.2021 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar]
HumAngle (11.8.2020): Number of People Requiring Humanitarian Aid in North-East Nigeria Highest in Five Years, https://humanglemedia.com/number-of-people-requiring-humanitarian-aid-in-north-east-nigeria-highest-in-five-years/ , Zugriff 6.8.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (16.6.2020): Die nigerianische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html , Zugriff 23.8.2021
1.3.4. Rückkehr
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2020).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 5.12.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2020). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 5.12.2020).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 5.12.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2020). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 5.12.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2020) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 5.12.2020; vgl. ÖB 10.2020). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2020).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 5.12.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2020).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 5.12.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.12.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2042796/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Nigeria_%28Stand_September_2020%29%2C_05.12.2020.pdf , Zugriff 17.5.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052064/NIGR_%C3%96B_BERICHT_2020_10.pdf , Zugriff 28.5.2021
2. Beweiswürdigung:
Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes samt Vorakt zu GZ I415 2172653-1.
2.2. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Fremdenregister, der Grundversorgung, dem Gewerbeinformationssystem Austria sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.3. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers basieren auf dem dahingehend unstrittigen Akteninhalt. Der Umstand, wonach der Beschwerdeführer ledig ist und keine Kinder hat, fußt einerseits auf den diesbezüglichen Angaben bzw. Nicht-Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Antragstellung am 15.03.2021 (AS 1 und AS 3), welche er andererseits auch derart im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde bestätigte (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123). Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit wurden bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.10.2020, GZ XXXX ) festgestellt, wobei seine in der christlichen Gemeinde geknüpften Kontakte dies noch unterstreichen vermögen (Empfehlungsschreiben AS 51, AS 55 und AS 75). Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme führte der Beschwerdeführer aus, gesund zu sein (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 126), wobei auch dem unstrittigen Akteninhalt nichts Gegenteiliges zu entnehmen war. In der Folge ergeben sich damit keinerlei Hinweise auf medizinische Indikationen für die Zuordnung des Beschwerdeführers zur COVID-19-Risikogruppe entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/202. Die Feststellung zu dessen Arbeitsfähigkeit und -willigkeit ergibt sich aufgrund des Gesundheitszustands und des Alters sowie aus den vorgelegten Einstellungszusagen.
In Hinblick auf seinen Aufenthalt im Bundesgebiet seit (mindestens) 26.04.2016 kann auf das Datum seiner Asylantragstellung, welches auch im Fremdenregisterauszug zur Person des Beschwerdeführers ersichtlich ist, verwiesen werden. Seine durchgehende melderechtliche Erfassung seit dem 24.05.2016 ergibt sich aus den entsprechenden Eintragungen im Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellungen hinsichtlich dem Schulbesuch des Beschwerdeführers in Nigeria, seiner (nicht beendeten) Friseurlehre und dem Leben mit seinen Eltern, ohne selbst in Nigeria erwerbstätig gewesen zu sein, basieren auf den diesbezüglichen eigenen Schilderungen (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123), welche mit den Feststellungen im Erkenntnis vom 14.10.2020, GZ XXXX , übereinstimmen. Derart verhält es sich auch in Zusammenhang mit den verstorbenen Eltern, worauf bereits die Angaben des Beschwerdeführers, wonach (nur) noch ein Onkel väterlicherseits in Nigeria leben würde, schließen lassen (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123). Den Umstand, wonach keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich leben, bestätigte der Beschwerdeführer zuletzt im Zuge von seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123). In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer nicht verheiratet ist, keine Kinder hat und auch keine Beziehung führt, war die Feststellung zu treffen, dass er im Bundedesgebiet kein Familienleben führt (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123 und AS 126).
Der exakte Wortlaut seiner Gewerbeberechtigung samt Entstehungsdatum ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria, wobei der Beschwerdeführer auf Nachfrage auch seinen daraus resultierenden monatlichen Verdienst beziffern vermochte (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 124). Daneben schilderte er auch die näheren Umstände der Unterstützung durch die Familie in XXXX (AS 124), die mit Umzug in eine Nachbargemeinde im September 2020 zumindest hinsichtlich freier Kost und Logis geendet hat. Die Einstellungszusagen einer GesB und einer GmbH sind aktenevident (AS 11 und AS 13). Dass der Beschwerdeführer zuvor als Straßenzeitungsverkäufer tätig gewesen war, wurde bereits im Erkenntnis vom 14.10.2020, GZ XXXX , festgestellt, darüber hinaus weisen auch einige der in Vorlage gebrachten Empfehlungsschreiben auf diese Tätigkeit des Beschwerdeführers hin (AS 47, AS 51, AS 75, AS 77, AS 79 und AS 85).
Sämtliche Urkunden in Zusammenhang mit den Sprachkenntnissen und dem Schulbesuch des Beschwerdeführers im Bundesgebiet liegen im Verwaltungsakt ein (AS 21, AS 23, AS 25, AS 35, AS 33, AS 27, AS 29, AS 19 und AS 31). Das Jahreszeugnis der ersten Klasse der Höheren technischen Bundeslehranstalt brachte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26.07.2021 in Vorlage. Ebenfalls im Verwaltungsakt befindlich sind die Bestätigungen der jeweiligen Einrichtungen hinsichtlich der ehrenamtlichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers (AS 99 und AS 45). In mehreren Empfehlungsschreiben wird auch auf den Beschwerdeführer in Zusammenhang mit der christlichen Gemeinde eingegangen (AS 51, AS 55 und AS 75), und kann aufgrund der Vielzahl von einer guten Integration des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann. Auch seitens seiner Klassenkameraden wurden Empfehlungsschreiben ausgestellt und belegen diese den weitreichenden Freundes- und Bekanntenkreis, wobei aus diesen auch die Personenbeschreibung des Beschwerdeführers entnommen wurde (AS 43, AS 47 bis AS 89, AS 151).
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers basiert auf dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug der Republik Österreich.
Dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass dieser nach wie vor im Bundesgebiet aufhältig ist. Daneben führte er vor der belangten Behörde selbst aus, nicht ausgereist zu sein, weil er hier in Österreich eine Zukunft aufgebaut, Deutsch gelernt und Freunde, welche für ihn wie eine Familie wären, habe und er seit September 2020 die Schule besuche (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123). Die Frage der belangten Behörde nach dem Bewusstsein über seinen unrechtmäßigen Aufenthalt bejahte der Beschwerdeführer (AS 122).
Trotz der im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme erfolgten Aufforderung des Beschwerdeführers, binnen vier Wochen einen Reisepass und eine Geburtsurkunde vorzuweisen und der damit einhergehenden Belehrung, dass dies anderenfalls als Nichtmitwirkung im Verfahren gewertet werde (niederschriftliche Einvernahme vom 21.04.2021, AS 122), hat der Beschwerdeführer bis dato keinerlei Versuche unternommen, um den Erhalt eines Reisedokumentes bzw. einer Geburtsurkunde zu erwirken. Auch die Zeit nach Beschwerdeerhebung hat er nicht genutzt, um entsprechende Bemühungen in Zusammenhang mit der Erlangung identitätsbekundender Dokumente zu demonstrieren. Der Hinweis der belangten Behörde über die Möglichkeit zur Stellung eines Antrages auf Heilung eines Mangels wurde in der Niederschrift vom 21.04.2021 protokolliert (AS 122). Einen solchen hat der Beschwerdeführer jedoch nicht gestellt und dies auch nicht behauptet. Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese davon ausging, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Daneben wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass für die Heilung eine Bestätigung der Botschaft vonnöten sei (niederschriftliche Einvernahme vom 21.04.2021, AS 122).
2.4. Zur Rückgefährdung des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr nach Nigeria bzw. einer Abschiebung nach Nigeria beruhen auf den in Punkt II. 1.3. getroffenen Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat.
Hierbei verkennt das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers nicht, dass es in einzelnen Bereichen des Herkunftsstaates zu Gewaltausbrüchen kommt, jedoch ist nach den Länderfeststellungen Nigeria kein klassisches Bürgerkriegsland. Ein bewaffneter innerstaatlicher oder zwischenstaatlicher Konflikt besteht demnach nicht, sodass eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr aufgrund solcher Konflikte ausgeschlossen werden kann. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt generell keine Bedrohung im Sinne des Art 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar und wird entsprechend den Länderfeststellungen selbst eine alleinstehende Person, die nach Nigeria zurückgeführt wird und dort in keinem privaten Verband Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet.
Beim jungen, gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer sind im Zuge des Verfahrens auch keine besonderen Vulnerabilitäten hervorgekommen, welche es zu berücksichtigen gäbe. Er hat den Großteil seines Lebens, nämlich knapp 19 Jahre, in Nigeria verbracht, ist dort aufgewachsen und hat dort seine Enkulturation erfahren. Bereits deshalb kann nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers ausgegangen werden, vielmehr von einem Vertrautsein mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der nigerianischen Kultur. Letztlich besteht kein Zweifel daran, dass sich der Beschwerdeführer in die dortige Gesellschaft ohne gröbere Probleme wieder eingliedern wird können. Dabei wird eine alleinstehende Person, die nach Nigeria zurückgeführt wird und dort in keinem privaten Verband Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet, insbesondere, da für den Beschwerdeführer die Möglichkeit besteht, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Daneben bestünde für den Beschwerdeführer auch die Möglichkeit, den Kontakt zu seinem in Nigeria lebenden Onkel herzustellen. Der Beschwerdeführer kann seine existenziellen Grundbedürfnisse auch aus selbständiger Arbeit sichern, wobei ihm seine Berufserfahrung als Friseur (obgleich nicht verkannt wird, dass er die Ausbildung nicht abgeschlossen hat), als Abfüller und Abpacker und auch als Zeitungsverkäufer diesbezüglich dienlich sein kann. Gegenständlich ist damit jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in Nigeria wird ansiedeln können und eine (in Nigeria vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte auch sichergestellte) Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen wird (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter Punkt II. 1.3. bzw. 1.3.3. im Speziellen).
Aus einer Zusammenschau der zitierten Quellen ergibt sich sohin eine Sicherheitslage, die es einer Person wie dem Beschwerdeführer erlaubt, in Nigeria relativ unbehelligt zu leben, ohne zwingend damit rechnen zu müssen, Opfer von Verfolgung, willkürlicher Gewalt oder kriegerischen Auseinandersetzungen zu werden. Im Übrigen vermochte der Beschwerdeführer auch selbst keine außerhalb seiner eigenen Person liegenden Gründe nennen, welche gegen eine Rückkehr bzw. für die reale Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung, unmenschlichen Behandlung, der Todesstrafe bzw. einer wie immer gearteten existentiellen Bedrohung sprechen würden. So beschränkt sich sein Vorbringen in Zusammenhang mit der Frage, weshalb er nach rechtskräftiger Entscheidung nicht ausgereist sei darauf, dass er in Nigeria nichts übrig, hier in Österreich seine Zukunft aufgebaut und Freunde habe sowie eine Schule besuche (niederschriftliche Einvernahme am 21.04.2021, AS 123)
Auch angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie ergeben sich keinerlei Rückführungshindernisse in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dass er derzeit an einer COVID-19-Infektion leidet oder im Hinblick auf eine etwaige Vorerkrankung zu einer vulnerablen Personengruppe gehören würde, wurde nicht vorgebracht. Es fehlt sohin auch vor dem Hintergrund der aktuellen COVID-19-Pandemie an den geforderten außergewöhnlichen Umständen im Sinne des Art 3 EMRK (zur "Schwelle" des Art 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).
2.5. Zum Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser, handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, 99/01/0210).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer traten den Quellen und deren Kernaussagen zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens substantiiert entgegen, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen waren. Die obgenannten Länderfeststellungen konnten daher der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Zurückweisung des Antrages gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2). Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
Entsprechend § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 ist der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachkommt.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG-DV 2005 sind ein gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG) bzw. eine Geburtsurkunde oder ein dieses gleichzuhaltende Dokument im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels anzuschließen, wobei die seitens des Beschwerdeführers beantragte „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 explizit in § 3 Abs. 2 Z 1 AsylG-DV 2005 genannt ist.
Nach § 4 Abs. 1 Z 1 bis Z 3 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls (Z 1), zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK (Z 2) oder im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war (Z 3).
Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 4 Abs. 2 AsylG-DV 2005).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Beschwerdefall
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments bei Unterbleiben einer Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV 2005 grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung (zuletzt VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0214 mit Hinweis auf VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0039; VwGH 14.04.2016, Ra 2016/21/0077; VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0187).
Fallgegenständlich ist der belangten Behörde entsprechend den Feststellungen dahingehend zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK kein gültiges Reisedokument bzw. keine Geburtsurkunde beilegte, weshalb dieser mangelhaft eingebracht worden ist. Das Bundesamt wies ihn entsprechend den Ausführungen unter Punkt II. 1.1. bzw 2.3. auf seine Mitwirkungspflicht hin und forderte ihn auch im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme dazu auf, binnen vier Wochen ein gültiges Reisedokument sowie eine Geburtsurkunde vorzulegen, dies unter dem Hinweis, dass auch die Möglichkeit zur Stellung eines Antrages auf Heilung gemäß § 4 AsylG-DV 2005 besteht.
Weder hat der Beschwerdeführer jedoch einen derartigen Antrag gestellt, noch dargelegte, dass er überhaupt einen Versuch unternommen hätte, ein Reisedokument bzw. eine Geburtsurkunde zu erwirken. Als Konsequenz vermag er damit nicht darzulegen, dass er sich um die Ausstellung eines Reisepasses und Geburtsurkunde oder eines sonstigen Ausweisdokuments durch seinen Herkunftsstaat überhaupt bemüht hätte, weshalb eine Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 ausscheidet.
Eine Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV 2005 scheitert bereits in Anbetracht der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.
Zur Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 hat der VwGH ausgesprochen, dass die Bedingung, wonach die Erteilung des Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 MRK erforderlich sein muss, in jenen Konstellationen, in denen von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist, voraussetzungsgemäß erfüllt ist. Auch im Fall eines Antrags auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels gilt, dass die Voraussetzungen für die verfahrensrechtliche Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 die gleichen sind wie für die materielle Stattgabe des verfahrenseinleitenden Antrags. Die Prüfung, ob einem Heilungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 stattzugeben ist, unterscheidet sich also – wie der Beschwerdeführer diesbezüglich zu Recht in seiner Beschwerde anmerkt – inhaltlich nicht von der Beurteilung, ob der Titel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist. Daraus folgt auch, dass bei einem Antrag nach § 55 AsylG 2005 in Bezug auf die Heilung nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 in erster Linie und vorrangig die Voraussetzungen der Z 2 der genannten Bestimmung zum Tragen kommen und dass es unzulässig ist, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen wegen Nichtvorlage von Identitätsdokumenten zurückzuweisen (VwGH 21.01.2017, Ra 2016/21/0168 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0187 und VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
Der Beschwerdeführer übersieht aber in seiner Argumentation im Beschwerdeschriftsatz, dass Voraussetzung für die Möglichkeit einer Heilung zunächst die Stellung eines entsprechenden Antrags ist. Davon geht auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner oben bereits zitierten Judikatur aus („[…] Die Prüfung, ob einem Heilungsantrag nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylGDV 2005 stattzugeben ist, unterscheidet sich […]“), und ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 („Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: […]“).
Da der Beschwerdeführer unbestritten keinen Mängelheilungsantrag trotz ordentlicher Belehrung darüber gestellt hat, konnte eine Prüfung nicht erfolgen. Daneben lassen sich auch für eine vermeintlich nicht rechtmäßige Belehrung keine Anhaltspunkte erkennen, wurde doch der Beschwerdeführer nachweislich auf die Möglichkeit zur Stellung eines Antrages auf Mängelheilung hingewiesen. Alleine der Hinweis, wonach eine Bestätigung der Botschaft vonnöten sei, dass kein Reisepass oder keine Geburtsurkunde ausgestellt werde, vermag nicht zu einer „falschen“ Belehrung führen.
Im Ergebnis ist vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Nichterfüllens der allgemeinen Mitwirkungspflicht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen hat.
Indem der Beschwerdeführer die erforderlichen, gültigen identitätsbezeugenden Dokumente nicht vorgelegt hat, ist er seiner gesetzlich normierten Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten trotz diesbezüglich nachweislicher Aufforderung nicht ausreichend nachgekommen. Insgesamt hat der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren damit nicht im Sinne des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 erkennbar und ausreichend mitgewirkt. Sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK wurde daher zu Recht von der belangten Behörde zurückgewiesen, sodass vor diesem Hintergrund Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden war.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist nach § 10 Abs. 3 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Nach § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).
3.2.2. Anwendung auf den gegenständlichen Beschwerdefall
Die belangte Behörde hat sich zutreffend auf § 52 Abs. 3 FPG gestützt, da der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zurückgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer hat das Bestehen eines familiären Verhältnisses im Bundesgebiet nicht vorgebracht und auch nicht behauptet, weshalb ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers folglich zu verneinen ist.
Es bleibt daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt damit nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212 mwN).
Generell hat der VwGH bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212 mit Hinweis auf VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058; VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; VwGH 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Erst einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen und ist diese Rechtsprechung zu Art 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. zuletzt etwa VwGH 23.07.2021, Ra 2018/22/0282 mit Hinweis auf VwGH 26.02.2015, Ra 2015/22/0025; VwGH 19.11 2014, 2013/22/0270).
Gegenständlich gilt zu berücksichtigen, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers zwar, gerechnet von der Antragstellung am 26.04.2016 eine gewisse, auch auf - dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnende - Verzögerungen zurückgehende Dauer erreichte. Der bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes am 14.10.2020, etwa viereinhalbjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Ungeachtet der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, welche im Übrigen in der Folge schließlich auch vom Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde, verblieb der Beschwerdeführer weiterhin wissentlich illegal im Bundesgebiet, ließ die Frist zur freiwilligen Ausreise ungenutzt verstreichen und kam bis dato seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, was zu seinen mittlerweile über fünfeinhalbjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet führt. Diesbezüglich liegt entgegen dem Beschwerdevorbringen auch keine unverschuldete Verfahrensdauer vor.
Zwar wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer durchaus beachtliche integrative Bemühungen, wie das Erlernen der deutschen Sprache auf Niveau B1, den Erwerb eines Pflichtschulabschlusses, den Besuch der Höheren technischen Bundeslehranstalt XXXX , seine selbständige Tätigkeit (welche sich jedoch vor dem Hintergrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes als nicht erlaubt darstellt) sowie die ehrenamtliche Mitarbeit in einem Seniorenwohnheim und einem Verein erkennen hat lassen. Dies gilt es jedoch vor dem Hintergrund, dass eine Vielzahl der Integrationsmaßnahmen erst nach Erlassung des vollinhaltlich negativen Bescheides der belangten Behörde vom 14.09.2017 bzw. auch nach dem Erlassen des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesververwaltungsgerichtes gesetzt wurden und er sich zum Zeitpunkt des Entstehens seines Privatlebens seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, zu betrachten. Der überwiegende Teil der integrativen Momente, abgesehen vom positiven Abschluss der 9. Schulstufe und seine gewerbliche Tätigkeit, wurden dabei bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.10.2020, GZ XXXX , entsprechend gewürdigt. Diese berücksichtigungswürden Schritte zur Integration in Österreich hat der Beschwerdeführer während der folgenden Monate einfach fortgesetzt, dies obwohl ihm gegenüber nunmehr eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung bestand; diese Schritte erfolgten insofern daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus.
Damit ist zwar – wenn auch kein Familien-, jedoch ein entsprechendes schützenswürdiges Privatleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gegeben, welches jedoch maßgeblich relativierend vor dem Hintergrund zu betrachten ist, dass er sich (bereits nach Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz in erster Instanz) seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 16.06.2021, Ra 2020/18/0457 mit Hinweis auf VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; VwGH 22.12.2009, 2009/21/0348).
Hinsichtlich seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407 mit Hinweis auf VwGH 19.02.2014, 2013/22/0028).
Bei der Interessenabwägung nach Art 8 EMRK ist unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Bedacht zu nehmen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). In dieser Hinsicht ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in Nigeria sozialisiert wurde und dort eine fünfjährige Schulbildung erfahren hat, womit auch entsprechende Sprachkenntnisse einhergehen. Insgesamt hat er über 19 Jahre in Nigeria verbracht. In Anbetracht des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, kann angenommen werden, dass er in der Lage ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeitsleistung zu erwirtschaften, wobei diesbezüglich auf die Erwägungen unter Punkt II. 2.4. hinzuweisen bleibt.
Letztlich besteht kein Zweifel daran, dass sich der Beschwerdeführer in die dortige Gesellschaft letztlich problemlos wieder eingliedern können wird. Es sind im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer infolge des langjährigen Aufenthalts im Ausland der Kultur seines Herkunftsstaates so weit entrückt wäre, dass eine Reintegration in die Gesellschaft des Herkunftsstaates nicht mehr möglich oder zumutbar wäre.
In rechtlicher Hinsicht bleibt abschließend noch auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen trotz langjährigem Aufenthalt und erfolgter Integrationsschritte seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht wurde:
VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit beziehungsweise Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; drei Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied), VwGH 17.05.2017, Ra 2017/22/0059 (mehr als achtjährige Aufenthaltsdauer; Tätigkeit als Zeitungsverteiler, Gewerbeberechtigung, Sozialversicherung und Einstellungszusage für Vollbeschäftigung als "Pizzafahrer"; Freundschaften zu Österreichern im Bundesgebiet), VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0076 (knapp sechsjähriger Aufenthalt, legale Beschäftigung seit 2012, gute Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit), VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034 (achtjähriger Aufenthalt, Tätigkeit in einem Massagesalon, Selbsterhaltungsfähigkeit).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA VG ist die belangte Behörde in einer Zusammenschau der oben dargelegten Erwägungen somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - insbesondere unter Berücksichtigung der Weigerung, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, damit seine Integration weiter voranzutreiben und in der Folge einen Aufenthaltstitel zu erwirken - das persönliche Interesse desselben am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Dass das LVwG XXXX in seinem (gekürzten) Erkenntnis vom 05.10.2021, GZ XXXX , auf Integrationsschritte des Beschwerdeführers Bezug nimmt und von einem Überwiegen der privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen ausgeht, vermag an diesem Umstand nichts zu ändern, zumal das LVwG ausschließlich über Tatbestand des § 120 Abs. 1b FPG als Prüfgegenstand abgesprochen hat.
Würde sich der Beschwerdeführer gegenständlich erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, würde dies überdies letztlich auch dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen bzw. dessen ungeachtet einfach illegal im Bundesgebiet verbleiben, um damit eine Integration und in der Folge die Verleihung eines Aufenthaltstitels vorantreiben zu wollen. In letzter Konsequenz würde dies zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; vgl. dazu auch das Erkenntnis VfSlg 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").
Im Ergebnis zeigt sich ein Überhang der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im Vergleich zu seinen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet und ist eine Verletzung des Art 8 EMRK im Falle seiner Rückkehr nicht zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund bedarf folglich auch Spruchpunkt II. keiner Korrektur.
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer grundsätzlich nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).
3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
3.3.1. Rechtslage
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Im gegenständlichen Fall trifft keine der Voraussetzungen des § 50 FPG zu.
In Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, (lediglich) den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, ist es nicht Aufgabe der belangten Behörde oder des BVwG, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044).
Aus dem gesamten Akteninhalt und dem Beschwerdevorbringen gehen keine konkreten Gründe hervor, die für eine Unzulässigkeit seiner Abschiebung sprechen würden. Der Beschwerdeführer ist nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Generell stellt die allgemein herrschende Situation in Nigeria keine Bedrohung im Sinne des Art 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar und wird entsprechend den Länderfeststellungen selbst eine alleinstehende Person, die nach Nigeria zurückgeführt wird und dort in keinem privaten Verband Sicherheit finden kann, nicht automatisch einer lebensbedrohlichen Situation überantwortet.
Es ist letztlich im Zuge einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass sich der junge, gesunde, arbeitsfähige Beschwerdeführer in Nigeria wird ansiedeln können und eine (in Nigeria vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte auch sichergestellte) Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen wird. Er verfügt über eine Schulbildung und hat mehr als 19 Jahre seines Lebens in Nigeria verbracht, wo er aufgewachsen ist und sozialisiert wurde. Zudem ist es ihm unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Daneben bestünde für den Beschwerdeführer auch die Möglichkeit, den Kontakt zu seinem in Nigeria lebenden Onkel herzustellen. Es ergibt sich damit insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation gilt anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Nigeria davon betroffen ist. Selbst unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie erweist sich das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer allfälligen Erkrankung für den Beschwerdeführer als einen gesunden Mann unter 30 ohne Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe als sehr gering, sodass diese gegenständlich keine Entscheidungsrelevanz in Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Abschiebung zu entfalten vermag und sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass eine Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre (vgl. VwGH 22.01.2021, Ra 2020/01/0423).
Dementsprechend war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden.
3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Derartige „besondere Umstände“ wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer Beschwerdeverhandlung ist im vorliegenden Fall auf Basis des § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG zu beurteilen, wonach eine Verhandlung (u. a. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. (vgl. zu § 58 Abs. 10 AsylG 2005 VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0341 mwN) In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichtes, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen.
Ein ausdrücklicher solcher Antrag lag nicht vor. Es ist auch trotz aufenthaltsbeendender Maßnahme nicht ersichtlich, dass eine Verhandlung geboten wäre. Selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten ist für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb auch zur Beurteilung der Rückkehrentscheidung eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Mängelheilung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur allgemeinen Mitwirkungspflicht iSd § 58 Abs. 11 AsylG 2005 ab, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
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