ASVG §351c
ASVG §351g
ASVG §351h
ASVG §351j Abs1
AVG §13 Abs7
AVG §59
B-VG Art130 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VO-EKO §22
VO-EKO §23 Abs1 Z2
VO-EKO §23 Abs2 Z5
VO-EKO §24 Abs1
VO-EKO §24 Abs2
VO-EKO §25 Abs1
VO-EKO §25 Abs2
VO-EKO §25 Abs3
VO-EKO §27 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W147.2231020.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Anna BUCSICS, Mag.a Sylvia HOFINGER und Mag.a Dr.in Sabine VOGLER sowie den fachkundigen Laienrichter ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Beschwerden der XXXX , vertreten durch Dr.in Monika Gillhofer, Dr.in Marie-Luise Plank, Rechtsanwälte in 1010 Wien, gegen die Bescheide des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger vom 31. März 2020, Zl. VPM- 68.1/20/Sk:Hi:Btm/Pba Abschnitt IV/4753-2019, betreffend die Anträge auf Aufnahme der Arzneispezialitäten
1) XXXX mit der bestimmten Verwendung„(Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
- Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
- Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
- Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
- Regelmäßige HbA1c -Bestimmungen sind durchzuführen.
- Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
- Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
- Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.“,
2) XXXX mit der bestimmten Verwendung„(Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
- Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
- Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
- Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
- Regelmäßige HbA1c -Bestimmungen sind durchzuführen.
- Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
- Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
- Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
- Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
und
3) XXXX mit der bestimmten Verwendung„(Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
- Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
- Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
- Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
- Regelmäßige HbA1c -Bestimmungen sind durchzuführen.
- Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
- Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
- Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
- Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
in den Erstattungskodex gemäß § 11 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 16/2020, beschlossen:
A)
Die Verfahren werden gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Anna BUCSICS, Mag.a Sylvia HOFINGER und Mag.a Dr.in Sabine VOGLER sowie den fachkundigen Laienrichter ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Beschwerden der XXXX , vertreten durch Dr.in Monika Gillhofer, Dr.in Marie-Luise Plank, Rechtsanwälte in 1010 Wien, gegen die Bescheide des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger vom 31. März 2020, Zl. VPM- 68.1/20/Sk:Hi:Btm/Pba Abschnitt IV/4753-2019, betreffend die Anträge auf Aufnahme der Arzneispezialitäten
1) XXXX mit der bestimmten Verwendung:„(Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch Fachärztinnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.
Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“,
2) XXXX mit der bestimmten Verwendung:„(Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch Fachärztinnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.
Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
und
3) XXXX mit der bestimmten Verwendung:„(Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.“
in den Erstattungskodex gemäß § 11 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 16/2020, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, und § 351c ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2020, als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von 7 860 Euro binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu tragen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.
III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Anna BUCSICS, Mag.a Sylvia HOFINGER und Mag.a Dr.in Sabine VOGLER sowie den fachkundigen Laienrichter ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Anträge der XXXX , vertreten durch Dr.in Monika Gillhofer, Dr.in Marie-Luise Plank, Rechtsanwälte in 1010 Wien, auf Prüfung von „Vertragsklauseln“ bzw. „Standardpassagen“ und auf Annahme eines Anbots zum Abschluss eines Preismodells im Zuge der Beschwerden gegen die Bescheide des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger vom 31. März 2020, Zl. VPM- 68.1/20/Sk:Hi:Btm/Pba Abschnitt IV/4753-2019, gemäß § 11 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 16/2020, beschlossen:
A)
Die Anträge werden gemäß Art. 130 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019, als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Gemeinsamer Verfahrensgang:
1. Mit Eingabe vom 17. Oktober 2019 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten (mit dem Wirkstoff: Semaglutid) in den Gelben Bereich des Erstattungskodex. Die beantragten Arzneispezialitäten wurden von der Beschwerdeführerin gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO („Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip“) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO („Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen“) eingestuft. Die Aufnahme wurde zu einem Listen-FAP von XXXX EUR für alle Wirkstoffstärken mit einem verwendungsabhängigen Refundierungsmodell und zunächst folgenden bestimmten Verwendungen beantragt:
für die Wirkstoffstärken 0,5 mg und 1 mg (Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
„Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
Regelmäßige HbA1c-Bestimmungen sind durchzuführen.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
für die Wirkstoffstärke 0,25 mg (Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
„Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
Regelmäßige HbA1c-Bestimmungen sind durchzuführen.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.“
Mit Eingabe vom 14. Februar 2020 wurden die Anträge in Bezug auf die bestimmten Verwendungen modifiziert. Folgende bestimmten Verwendungen wurden dabei alternativ beantragt:
für die Wirkstoffstärken 0,5 mg und 1 mg (Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.
Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
für die Wirkstoffstärke 0,25 mg (Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.“
2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies der Dachverband der Sozialversicherungsträger die Anträge nach Übermittlung vorläufiger Stellungnahmen und Befassung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ab.
Zwar entsprächen der gemäß § 23 Abs. 2 VO-EKO festgestellte Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialitäten den Anträgen, die aufgrund des Vergleichs der beantragten Arzneispezialitäten mit den festgestellten therapeutischen Alternativen gemäß § 24 Abs. 2 VO-EKO festgestellte Fallgruppe entspreche jedoch nicht den Anträgen. Es sei kein (wesentlicher) Zusatznutzen, sondern am ehesten ein gleicher oder ähnlicher Patienten-/ Patientinnennutzen im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen des EKO nachgewiesen worden.
Die vom antragsstellenden Unternehmen beantragten Verwendungen als Drittlinientherapie könnten aus medizinischer Sicht akzeptiert werden.
Die vom antragstellenden Unternehmen beantragten Verwendungen als Zweitlinientherapie hätten grundsätzlich aus medizinischer Sicht akzeptiert werden können.
Gemäß den wirtschaftlichen Vorgaben, die sich aus diesen Einstufungen ergeben, sei die Wirtschaftlichkeit weder für die Dritt- noch für die Zweitlinie gegeben.
Daher seien die Voraussetzungen für die Anführung im Gelben Bereich des Erstattungskodex nicht gegeben, und die Anträge somit gemäß § 27 VO-EKO abzuweisen und die Arzneispezialitäten aus dem Roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen gewesen.
2.1. Im Rahmen der pharmakologischen Evaluation wurde festgestellt, dass die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialitäten aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen, also die Festlegung des Innovationsgrades der beantragten Arzneispezialität gemäß § 23 Abs. 2 VO-EKO den Angaben in den Anträgen entspreche. Die beantragten Arzneispezialitäten hätten einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip und seien gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO einzustufen.
2.2. Bei der Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO hielt der Dachverband zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin selbst die im Gelben Bereich des Erstattungskodex gelisteten Arzneispezialitäten XXXX , XXXX und XXXX ohne Dosisangaben als therapeutische Alternativen angegeben habe.
Nach Ansicht des Dachverbandes seien darüber hinaus weitere therapeutische Alternativen für die folgende medizinisch-therapeutische Evaluation mit folgenden Dosierungen heranzuziehen:
EKO-Bereich: Y (Gelb), R (Rot)
Die Hinzuziehung der SGLT-2-Inhibitoren wurde damit begründet, dass auch für diese Daten zu kardiovaskulären Endpunkten vorlägen und ihr Einsatz besonders bei Patienten / Patientinnen mit bestehender kardiovaskulärer Erkrankung sinnvoll erscheine (Davies et al., 2018). Die Beschwerdeführerin habe letztendlich „alternativ“ für die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten auch die gleiche Therapielinie, wie die SGLT-2-Inhibitoren im EKO hätten, beantragt.
Die Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Packungsgrößen habe ergeben, dass die beantragten Packungsgrößen zweckmäßig seien.
2.3. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten / Patientinnen, die für die Behandlung mit den beantragten Arzneispezialitäten in Frage kämen und die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten / Patientinnen durch die Behandlung mit den beantragten Arzneispezialitäten im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und 2 VO-EKO hätte ergeben, dass die im Antrag angegebene Fallgruppe § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO - die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen - nicht nachvollziehbar sei.
Die Fallgruppe sei wie folgt festzustellen: „Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten“ (§ 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO).
Zusammenfassend sei im Rahmen der medizinisch-therapeutischen Evaluation festzuhalten, dass im Hinblick auf kardiovaskuläre Endpunkte, welche für die Patienten-/ Patientinnenpopulation von großer Relevanz seien, im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (GLP-1-Analoga und SGLT-2-Inhibitoren mit kardiovaskulärem Nutzen) am ehesten von einem ähnlichen Nutzen von Semaglutid auszugehen sei. Im Rahmen der SUSTAIN-6-Studie seien kardiovaskuläre Vorteile von Semaglutid versus Placebo gezeigt worden. Jedoch hätten auch für Liraglutid und Dulaglutid bereits kardiovaskuläre Vorteile belegt werden können (LEADER-Studie, REWIND-Studie). Die Mortalität jeglicher Ursache sei unter Semaglutid (SUSTAIN-6-Studie) nicht gesenkt worden, während sie unter Liraglutid (LEADER-Studie) und unter Empagliflozin (EMPA-REG-Outcome Trial) statistisch signifikant gesenkt worden wären. In direkten Vergleichsstudien von Semaglutid mit den GLP-1-Analoga Exenatid (SUSTAIN-3-Studie) und Dulaglutid (SUSTAIN-7-Studie) habe eine überlegene Wirksamkeit hinsichtlich HbA1c-Reduktion und Gewichtsreduktion gezeigt werden können. Allerdings würden gastrointestinale Nebenwirkungen, welche häufiger zu Studienabbrüchen führen (bis 9 % EPAR), häufiger unter Semaglutid auftreten. In der direkten Vergleichsstudie mit Liraglutid (SUSTAIN-10-Studie) sei eine unzureichende Dosierung von Liraglutid (1,2 mg) verwendet worden. Der Vergleich mit der höheren Semaglutid-Dosierung sei daher hier nicht aussagekräftig. Prinzipiell würden auch SGLT-2 Inhibitoren mit kardiovaskulärem Nutzen (wie Empagliflozin) eine therapeutische Alternative darstellen und würden bei Patienten / Patientinnen mit bestehender kardiovaskulärer Erkrankung in der Zweitlinie, wie auch von der Beschwerdeführerin letztendlich zusätzlich beantragt, empfohlen (Davies et al., 2018).
Eine Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten anhand der für die Patienten-/Patientinnenpopulation wichtigsten Parameter (kardiovaskuläre Endpunkte und Mortalität jeglicher Ursache) im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen ergebe daher einen vergleichbaren Nutzen im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO.
2.3.1. Folgende Schlüsselstudien seien eingereicht worden:
SUSTAIN-6-Studie: multizentrische, randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Studie mit dem zusammengesetzten primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Schlaganfall und nicht-tödlichem Myokardinfarkt.
SUSTAIN-7-Studie: multizentrische, randomisierte, aktiv-kontrollierte, open-label Studie. Es seien Wirksamkeit und Sicherheit von Semaglutid versus Dulaglutid in unterschiedlichen Dosierungen untersucht worden, primärer Endpunkt sei die HbA1c-Veränderung gewesen.
SUSTAIN-10-Studie: multizentrische, randomisierte, aktiv-kontrollierte, open-label Studie. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Semaglutid versus Liraglutid sei untersucht worden, primärer Endpunkt sei die HbA1c-Veränderung nach 30 Wochen gewesen.
Im Anschluss wurden seitens des Dachverbandes die SUSTAIN-6-, SUSTAIN-7- und LEADER-Studien und das EMPA-REG-Outcome Trial genauer dargestellt. Bei der LEADER-Studie sei die Wirkung von Liraglutid (GLP-1-Analogon), bei der SUSTAIN-6-Studie von Semaglutid (GLP-1-Analogon) und beim EMPA-REG-Outcome Trial von Empagliflozin (SGLT-2 Inhibitor) im Hinblick auf den zusammengesetzten primären Endpunkt bestehend aus kardiovaskulärem Tod, nicht-fatalem Myokardinfarkt oder nicht-fatalem Schlaganfall untersucht worden.
2.3.2. Wirksamkeit
Bei der eingereichten SUSTAIN-10-Studie (NCT03191396) handle es sich um eine multizentrische, randomisierte, aktiv-kontrollierte, open-label Studie. Sie sei an erwachsenen DM-Patienten / Patientinnen ohne adäquate glykämische Kontrolle und mit stabiler Dosierung für die letzten 90 Tage von 1 - 3 oralen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe, SGLT-2 Inhibitoren, Metformin oder Kombinationen von den genannten) durchgeführt worden. 577 Patienten / Patientinnen seien 1:1 auf 1,0 mg Semaglutid 1 x wöchentlich versus 1,2 mg Liraglutid 1 x täglich randomisiert worden. Hinsichtlich HbA1c-Veränderung nach 30 Wochen sei eine Überlegenheit gezeigt worden (HbA1c -1,7 % vs. -1,0 % unter Semaglutid vs Liraglutid, ETD (estimated treatment difference) -0,69, 95 % CI -0,82 - -0,56, p < 0,0001 für Überlegenheit). Eine Gewichtsreduktion von 5,8 kg vs. 1,9 kg mit Semaglutid vs. Liraglutid sei verzeichnet worden (ETD -3,83, 95 % CI -4,57 - -3,09, p < 0,0001). Die unerwünschten Ereignisse im Rahmen der Studie hätten im Wesentlichen denjenigen anderer Studien zu Semaglutid und Liraglutid entsprochen. Vorwiegend sei es zu gastrointestinalen Nebenwirkungen gekommen (v.a. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö), welche unter Semaglutid häufiger aufgetreten seien (43,9 % unter Semaglutid vs. 38,3 % unter Liraglutid). Diese seien meist mild oder moderat gewesen. Unter Semaglutid sei es häufiger zu Studienabbrüchen aufgrund von unerwünschten Ereignissen gekommen (11,4 % vs. 6,6 %), größtenteils bedingt durch gastrointestinale Nebenwirkungen (7,6 % unter Semaglutid vs. 3,8 % unter Liraglutid). Zu kritisieren sei, dass im Rahmen dieser Studie die höhere Semaglutid-Dosierung (1 mg) und eine niedrige Dosierung von Liraglutid (1,2 mg) gewählt worden sei. In der LEADER-Studie sei eine mittlere Dosierung von 1,78 mg Liraglutid täglich verabreicht worden. Laut Fachinformation von XXXX (Wirkstoff Liraglutid) sei eine Dosierung von 1,2 mg bis 1,8 mg Liraglutid täglich vorgesehen.
2.3.3. Sicherheit
Das Nebenwirkungsprofil der SUSTAIN-6-Studie habe im Wesentlichen demjenigen anderer GLP-1-Analoga entsprochen, ausgenommen einer erhöhten Rate an Retinopathiekomplikationen (Glaskörperblutung, Erblindung, Indikation zur intravitrealen Injektion oder Photokoagulation) (Marso et al., 2016). Im Rahmen der SUSTAIN-6-Studie hätten 50 Patienten / Patientinnen unter Semaglutid (3 %) und 29 Patienten / Patientinnen in der Placebogruppe (1,8 %) derartige Komplikationen entwickelt. Dabei hätten 84 % der betroffenen Patienten / Patientinnen unter Semaglutid bei Baseline eine Retinopathie aufgewiesen, versus 82,8 % der Patienten / Patientinnen im Placebo-Arm.
Gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö) seien bei 50,7 % der Patienten / Patientinnen unter Semaglutid 0,5 mg, 52,3 % unter Semaglutid 1 mg und bei 35,4 % der Patienten / Patientinnen unter Placebo aufgetreten (Marso et al., 2016).
Im Vergleich zu anderen GLP-1-Analoga seien gastrointestinale Nebenwirkungen in folgender Häufigkeit aufgetreten:
SUSTAIN-7-Studie: 43 % der Patienten / Patientinnen unter Semaglutid 0,5 mg, 44 % unter Semaglutid 1 mg, 33 % unter Dulaglutid 0,75 mg, 48 % unter Dulaglutid 1,5 mg
SUSTAIN-3-Studie: 41,8 % unter Semaglutid 1 mg versus 33,3 % unter Exenatid 2 mg / Woche
SUSTAIN-10-Studie: 43,9 % unter Semaglutid 1 mg versus 38,3 % unter Liraglutid 1,2 mg. Das Sicherheitsprofil von Empagliflozin entspreche im Wesentlichen demjenigen anderer SGLT-2 Inhibitoren, gehäuft seien Genitalmykosen aufgetreten. Amputationen seien unter Empagliflozin in einer ähnlichen Häufigkeit wie unter Placebo aufgetreten.
2.3.4. Indirekter Vergleich mit anderen GLP-1-Analoga und Empagliflozin (kardiovaskuläre Endpunkte)
Die Risikoreduktion im zusammengesetzten primären Endpunkt der SUSTAIN-6-Studie sei vorwiegend durch eine statistisch signifikante Reduktion der Rate der nicht-tödlichen Schlaganfälle zustande gekommen. Die Reduktion der Rate an nicht-tödlichen Myokardinfarkten sei nicht statistisch signifikant gewesen, und es sei zu keinem Unterschied hinsichtlich des Auftretens von kardiovaskulärem Tod gekommen. Patienten / Patientinnen ohne bestehende kardiovaskuläre Erkrankung bei Baseline hätten kein statistisch signifikantes Ergebnis hinsichtlich des primären Endpunkts aufgewiesen (HR 1,00, 95 % CI 0,41 - 2,46; p = 0,49) (Marso et al., 2016).
Bei 3,8 % der Patienten / Patientinnen in der Semaglutid-Gruppe und 6,1 % in der Placebogruppe sei es zu einem Neuauftreten oder zu einer Verschlechterung einer bestehenden Nephropathie (Persistenz einer Makroalbuminurie, Verdoppelung der Kreatininkonzentration im Serum, Kreatinin-Clearance < 45 ml/min) im Rahmen der SUSTAIN-6-Studie gekommen (HR 0,64; 95 % CI 0,46 - 0,88). Dabei sei lediglich die persistierende Makroalbuminurie statistisch signifikant mit 2,7 % unter Semaglutid vs. 4,9 % unter Placebo ausgefallen (HR 0,54, 95 % CI 0,37 - 0,77, p = 0,001).
Im Rahmen der LEADER-Studie (Liraglutid), im Rahmen des EMPA-REG-Outcome Trials (Empagliflozin) und im Rahmen der REWIND-Studie (Dulaglutid) habe im zusammengesetzten primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Schlaganfall und nicht-tödlicher Myokardinfarkt) ebenso ein statistisch signifikantes Ergebnis gezeigt werden können.
Die Studienpopulationen der LEADER-Studie und der SUSTAIN-6-Studie seien bei wesentlichen Einschlusskriterien vergleichbar gewesen. Die Studiendauer habe sich allerdings deutlich unterschieden (SUSTAIN-6: 2,1 Jahre, LEADER: 3,8 Jahre) und die Studienpopulationen der LEADER-Studie sei deutlich größer gewesen (9340 versus 3297 randomisierte Patienten / Patientinnen).
Die Wirksamkeit vom GLP-1-RA Dulaglutid 1,5 mg versus Placebo sei im Rahmen der REWIND-Studie (NCT01394952) überprüft worden. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt habe ebenfalls aus kardiovaskulärem Tod, nicht-fatalem Myokardinfarkt und nicht-fatalem Schlaganfall bestanden. Lediglich 31 % der Patienten / Patientinnen hätten bei Baseline eine bestehende kardiovaskuläre Erkrankung aufgewiesen. 9.901 Patienten / Patientinnen mit durchschnittlichem HbA1c von 7,3 % seien eingeschlossen worden. Die mediane Follow-up Periode habe 5,4 Jahre betragen, und es sei zu einer relativen Risikoreduktion von 12 % im zusammengesetzten primären Endpunkt gekommen (12 % unter Dulaglutid vs. 13,4 % unter Placebo, HR 0,88; 95 % CI 0,79 - 0.99, p = 0,026).
2.3.5. Retinopathiekomplikationen unter Semaglutid
Aufgrund der erhöhten Rate an Retinopathiekomplikationen in der SUSTAIN-6-Studie (3 % mit Semaglutid vs. 1,8 % mit Placebo) sei eine Post-Authorization-Safety-Study (PASS) designt worden (NCT03811561). Innerhalb von 5 Jahren sollen dabei bei 1.500 Patienten / Patientinnen die Effekte von Semaglutid auf die Progression der diabetischen Retinopathie untersucht werden. Ergebnisse würden für 2025 erwartet.
2.3.6 Mortalität jeglicher Ursache
Die Mortalität jeglicher Ursache wurde in der SUSTAIN-6-Studie nicht statistisch signifikant gesenkt (HR 1.05, 95 % CI 0.74 - 1.50, p = 0.79). In der LEADER-Studie hingegen wurde eine statistisch signifikante Reduktion der Mortalität jeglicher Ursache verzeichnet (HR 0.85, 95 % CI 0.74-0.97, p = 0,02). Auch im EMPA-REG-Outcome Trial wurde die Mortalität jeglicher Ursache unter Empaglifozin statistisch signifikant gesenkt (HR 0,68, 95 % CI 0,57 - 0,82, p < 0,001).
2.3.7. Direkte Vergleichsstudien mit anderen GLP-1-RA (HbA1c)
Direkte Vergleichsstudien zu anderen GLP-1-Analoga seien durchgeführt worden. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Semaglutid versus Dulaglutid sei im Rahmen der SUSTAIN-7-Studie untersucht worden. HbA1c sei dabei in den jeweils höheren und niedrigeren Wirkstoffstärken stärker unter Semaglutid als unter Dulaglutid gesenkt worden. Miteinander verglichen seien dabei jeweils nur die höheren und niedrigeren Wirkstoffstärken worden. Patienten / Patientinnen mit vorbestehender proliferativer Retinopathie und therapiebedürftiger Makulopathie seien aus der Studie ausgeschlossen worden.
Bei der SUSTAIN-3-Studie (randomisiert, open-label) sei die Wirksamkeit und Sicherheit von Semaglutid 1,0 mg versus Exenatid 2 mg als add-on zu anderen oralen Andidiabetika (OAD) erhoben worden. Der mittlere HbA1c sei um 1,5 % unter Semaglutid versus 0,9 % unter Exenatid gesenkt worden (ETD -0.62 % [95 % CI -0.80, -0.44, p < 0,001 für Nichtunterlegenheit und Überlegenheit). Bei ähnlichem Sicherheitsprofil seien gastrointestinale Nebenwirkungen häufiger unter Semaglutid aufgetreten (41,8 % versus 33,3 %).
Im Rahmen der SUSTAIN-10-Studie sei Liraglutid mit Semaglutid verglichen worden, allerdings sei für Liraglutid eine unzureichende Dosierung eingesetzt worden.
Die kleinen Unterschiede hinsichtlich der HbA1c-Veränderung seien allerdings im Vergleich zu den obigen harten Endpunkten von geringer klinischer Relevanz.
2.3.8. Die Überprüfung der beantragten Verwendung habe ergeben, dass diese in Bezug auf eine Drittlinientherapie aus medizinischer Sicht akzeptiert werden können.
Die beantragten Verwendungen hinsichtlich Zweittherapie hätten grundsätzlich aus medizinischer Sicht akzeptiert werden können, hätten allerdings um die Passage „Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II" und um die Angaben zur eGFR ergänzt werden sollen.
2.3.9. Eine Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben gemäß § 24 Abs. 3 VO-EKO bei vorgelegten pharmaökonomischen Studien entfalle aufgrund der medizinischen Fallgruppenzuordnung.
2.3.10. Zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 2020 zu den vorläufigen Feststellungen führte der Dachverband in den Bescheiden Folgendes aus:
2.3.10.1 Die Beschwerdeführerin argumentiere, dass als therapeutische Alternativen im Zuge einer Verwendung als Drittlinien-Therapie Wirkstoffe auf ATC-Ebene 4 heranzuziehen wären und ein Vergleich mit SGLT-2-Inhibitoren im Sinne von § 23 Abs. 1 Z 1 VO-EKO nicht maßgebend sei. Als therapeutische Alternativen nenne die Beschwerdeführerin XXXX (Wirkstoff Liraglutid), XXXX (Wirkstoff Dulaglutid) und XXXX (Wirkstoff Exenatid).
Dem wurde seitens des Dachverbandes im Bescheid entgegnet, dass die therapeutischen Alternativen auf ATC-Ebene 4 in der Evaluation angeführt seien. Darüber hinaus seien SGLT-2-Inhibitoren auf Basis der Ergebnisse von kardiovaskulären Outcome-Studien gelistet worden, da im Hinblick auf kardiovaskuläre Endpunkte, welche für die betroffenen Patienten / Patientinnen von großer Relevanz seien, von einem ähnlichen Nutzen ausgegangen werden könne und ein Vergleich der SGLT-2-Inhibitoren mit GLP-1-RA daher als zweckmäßig erachtet werden könne und nicht unerwähnt bleiben solle. Die Zulässigkeit der Heranziehung von Vergleichsprodukten auch auf Ebene 3 des ATC-Codes sei zuletzt durch das BVwG bestätigt worden. Demnach sei ein Rückgriff auf die 3. Ebene insbesondere dann zulässig, wenn dadurch eine bessere Vergleichbarkeit möglich sei (vgl. BVwG vom 19. Dezember 2019, W127 2216868-1/12E - Entyvio). Auch sei eine Einschränkung im Hinblick auf die Evaluierung von Alternativtherapien, die sich lediglich auf die chemische Zusammensetzung bzw. den Wirkmechanismus beziehe, der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen (vgl. BVwG vom 19. April 2018, W118 2137445-1). Aufgrund der beantragten Drittlinien-Therapie (entsprechend anderer GLP-1-RA) seien primär XXXX und XXXX , für welche ebenfalls kardiovaskuläre Vorteile gezeigt worden seien, als therapeutische Alternativen für die Evaluation herangezogen worden. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.2.2020 „alternativ" die Verwendung Zweitlinientherapie beantragt, weshalb die Behauptung jedenfalls nicht nachvollziehbar sei, da in der Zweitlinientherapie SGLT-2-Inhibitoren die relevanten Vergleichsprodukte darstellen würden.
2.3.10.2. Die festgestellte Fallgruppe gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO sei für die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht nachvollziehbar:
a) Die gewichtsreduzierenden Effekte der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten seien nicht berücksichtigt worden. Das Unternehmen argumentiere, dass für XXXX im Verfahren Abschnitt IV/2772-2013 ein Zusatznutzen aufgrund der gewichtsreduzierenden Effekte vom Dachverband anerkannt worden sei. In den aktiv-kontrollierten Studien mit XXXX (SUSTAIN-3-Studie), XXXX (SUSTAIN-7-Studie) und XXXX (SUSTAIN-10-Studie) hätten die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten jeweils einen stärker gewichtsreduzierenden Effekt gezeigt. Der Kritik, dass eine niedrige Liraglutid Dosierung (1,2 mg) in der SUSTAIN-10-Studie verwendet worden sei, werde seitens der Beschwerdeführerin entgegengehalten: Ca. 50 % der Patienten / Patientinnen in Österreich würden mit 1,2 mg Liraglutid behandelt, dem stünde eine durchschnittliche Tagesdosis von etwa 1,5 mg resultierend aus der Analyse der Abrechnungsdaten gegenüber (Maschinelle Heilmittelabrechnung).
b) Das Ausmaß der statistisch signifikanten Reduktionen des HbA1c-Wertes unter den verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten im Vergleich zu anderen GLP-1- Rezeptor-Agonisten sei nicht berücksichtigt worden.
c) Die Effektgröße hinsichtlich der Reduktion von kardiovaskulären (3-MACE) und renalen Ereignissen im Vergleich zu anderen GLP-1-Rezeptor-Agonisten sei nicht berücksichtigt worden.
d) Die Evaluierungen des G-BA aus Deutschland, die einen Zusatznutzen für T2DM-Patienten /Patientinnen mit kardiovaskulärem Risiko anerkennen, würden nicht in die Evaluation mit einfließen.
2.3.10.3. Diesen Punkten wurde seitens des Dachverbandes wie folgt widersprochen:
Ad a) Das therapeutische Umfeld und die Studienlage hätten sich seit der Aufnahme von XXXX in den EKO geändert. Einerseits seien nun bereits drei GLP-1-RA im EKO gelistet, andererseits seien zum damaligen Zeitpunkt von keinem GLP-1-RA kardiovaskuläre Outcome-Studien vorgelegen.
HbA1c-Veränderungen und Gewichtsveränderungen seien Surrogatparameter und im Vergleich zu den harten kardiovaskulären Endpunkten von geringer Relevanz für die betroffenen Patienten / Patientinnen. Für zwei im EKO gelistete GLP-1-RA würden nun bereits kardiovaskuläre Vorteile festgestellt ( XXXX , XXXX ).
Ad b) HbA1c-Veränderungen und Gewichtsreduktion seien Surrogatparameter und nicht per se patienten-/patientinnenrelevant, wesentlich relevanter seien die harten Endpunkte (kardiovaskulärer Tod, Mortalität jeglicher Ursache, nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall) für die betroffenen Patienten / Patientinnen.
Ad c) Die kardiovaskulären Outcome-Studien seien jeweils nur im Placebo-Vergleich durchgeführt worden und seien aufgrund der unterschiedlichen Studienpopulationen nur eingeschränkt miteinander zu vergleichen. Es sei keine direkte Vergleichsstudie mit anderen GLP-1-RA betreffend kardiovaskulärer Endpunkte durchgeführt worden.
Die Beschwerdeführerin versuche in der Stellungnahme den Eindruck zu erwecken, dass sich eine höhere Wirksamkeit von Semaglutid bezüglich des zentralen „3-MACE“ im indirekten Vergleich ableiten lasse. Hierzu würden krude Ereignisraten bzw. daraus abgeleitete Number-Needed-to-Treat (NNT) Kennzahlen deskriptiv verglichen werden. Dieses Vorgehen sei jedoch aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar und potentiell irreführend:
1. Das Unternehmen stütze sich in seinen Darstellungen auf krude Ereignisraten aus den Studien, in dem es die Anzahl an beobachteten „3-MACE“-Ereignissen mit der Patienten-/Patientinnenzahl in Beziehung setze. Aus den so geschätzten Risiken werde die Number Needed to Treat (NNT) abgeleitet, die in weiterer Folge zum Vergleich der Präparate herangezogen werde. Diese kruden Ereignisraten seien jedoch zur Beurteilung der Wirksamkeit nur wenig aussagekräftig, da nicht nur das Eintreten eines „3-MACE“ Ereignisses, sondern auch die Dauer bis zum Eintreten des Ereignisses betrachtet werden müsse. Aus den kruden Ereignisraten könnten keine validen Aussagen über das Risiko, innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein „3-MACE“ Ereignis zu erleiden, abgeleitet werden, da dieses Vorgehen die unterschiedlichen Beobachtungszeiten (Rechtszensierungen) der Patienten / Patientinnen innerhalb der Studien fälschlicherweise ignoriere. Hierzu müssten geeignete statistische Methoden der Ereigniszeitanalyse verwendet werden (etwa der Kaplan-Meier Schätzer oder die Cox Regression), die die unterschiedlichen Beobachtungszeiten adäquat berücksichtigen. Diese Methoden würden im Übrigen auch korrekterweise in allen diskutierten Studien zur Testung der kardiovaskulären Endpunkte verwendet werden (SUSTAIN-6, LEADER, REWIND, EXSCEL, EMPA-REG-OUTCOME). Die Beschwerdeführerin stütze sich in ihrer Stellungnahme jedoch nicht auf diese Ergebnisse, sondern führe vereinfachte, wenig aussagekräftige und potentiell irreführende Ergebnisse aus eigenen Berechnungen an.
2. Die NNT sei stark abhängig vom zeitlichen Verlauf. Je nachdem, für welchen Zeitraum man die NNT betrachte, verändere sich die NNT-Kennzahl mitunter stark. Insbesondere durch die unterschiedlichen medianen Follow-Up-Zeiten der Studien (von 2,1 Jahre (SUSTAIN-6) bis 5,4 Jahre (REWIND)) sei der Vergleich der NNT daher nicht zulässig und führe potentiell zu einer Überschätzung der Wirksamkeit von Semaglutid. Das einfache rechnerische Umlegen der NNT auf ein Jahr, wie von der Beschwerdeführerin durchgeführt, könne wissenschaftlich nicht gerechtfertigt werden.
3. Die Beschwerdeführerin vergleiche indirekt und rein deskriptiv die jeweiligen Wirksamkeitsschätzungen gegenüber Placebo und ignoriere hierbei völlig die unterschiedliche statistische Unsicherheit, die mit diesen Wirksamkeitsschätzungen einhergehe. Auch dieses Vorgehen sei statistisch nicht valide und potentiell irreführend.
Aus Mangel an direkten Vergleichsstudien müsse ein aussagekräftigerer indirekter Vergleich über die in den Studien als relevante Endpunkte getesteten Hazard Ratios bzgl. des „3-MACE“ Endpunktes angestellt werden. Bei der Schätzung dieser Hazard Ratios würden die unterschiedlichen Beobachtungszeiten der Patienten / Patientinnen adäquat mit einfließen, zudem seien sie unter bestimmten Annahmen zeitunabhängig und somit eher über Studien hinweg vergleichbar. Eine Berücksichtigung der statistischen Unsicherheiten in diesen Schätzungen sei durch Standardmethoden für quantitative indirekte Vergleiche (Bucher-Methode) möglich.
Während numerisch die geschätzte Wirksamkeit von Semaglutid gegenüber Placebo (HR 0,74) im indirekten Vergleich zwar etwas höher ausfalle als für Vergleichspräparate gegenüber Placebo (HRs zwischen 0,86 und 0,91), sei diese Wirksamkeitsschätzung von Semaglutid gegenüber Placebo jedoch auch mit der größten statistischen Unsicherheit behaftet. Nach derzeitiger Evidenzlage erscheine es nicht unplausibel, dass die tatsächliche Wirksamkeit von Semaglutid gegenüber Placebo in einer ähnlichen Größenordnung liege, wie die der Vergleichspräparate. Die Konfidenzintervalle der Vergleichspräparate vs. Placebo seien fast vollständig im wesentlich breiteren Konfidenzintervall von Semaglutid gegenüber Placebo enthalten.
Stelle man einen indirekten quantitativen Vergleich der Präparate über den gemeinsamen Placebo-Brückenkomparator an, zeige sich nach derzeitiger Datenlage kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Semaglutid und den Vergleichspräparaten im studienübergreifenden indirekten Vergleich bezüglich des „3-MACE“-Endpunkts (Semaglutid vs. Dulaglutid: HR 0,84, KI [0,64; 1,10], p = 0,211; Semaglutid vs. Liraglutid: HR 0,85, KI [0,65; 1,11], p = 0,240; Semaglutid vs. Exenatid OW: HR 0,81, KI [0,62; 1.06], p = 0,124; Semaglutid vs. Empagliflozin: HR 0,86, KI [0,65; 1,15], p = 0,30).
Nach derzeitiger Evidenzlage könne auch nicht von einer höheren Wirksamkeit bezüglich renaler Ereignisse zu den Vergleichspräparaten ausgegangen werden. Neben den bereits oben angeführten Limitationen (keine direkten Vergleichsstudien, indirekte Vergleiche in der Stellungnahme wenig aussagekräftig) handle es sich bei den renalen Ereignissen um einen explorativen Endpunkt, der zur Erbringung eines konfirmatorischen Wirkungsnachweises nicht geeignet sei. Zum formalen Beleg einer Überlegenheit bzgl. renaler Ereignisse wäre eine prospektiv geplante konfirmatorische Studie mit dieser Zielsetzung notwendig.
Des Weiteren seien Retinopathiekomplikationen in der SUSTAIN-6-Studie gehäuft unter Semaglutid aufgetreten (3 % unter Semaglutid vs. 1,8 % unter Placebo).
Ad d) Die Evaluierungen des G-BA würden keinen Zusatznutzen für Patienten / Patientinnen mit kardiovaskulärem Risiko anerkennen. Stattdessen werde ein „Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen für Patienten mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung in Kombination mit weiterer Medikation zur Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren“ gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie angegeben. Der G-BA beziehe sich hierbei direkt auf die SUSTAIN-6-Studie und damit auf die in dieser Studie in der Vergleichsgruppe verwendete Vergleichstherapie. Einen notwendigen Beleg für einen Zusatznutzen gegenüber den relevanten Vergleichsprodukten im EKO könne aus der SUSTAIN-6-Studie jedoch nicht abgeleitet werden, und diesen führe auch der G-BA nicht an.
Diese Evaluierung werde unabhängig von den Evaluierungen des G-BA durchgeführt. Auf Basis der Evaluation liege kein Zusatznutzen im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen vor.
Aus medizinischer Sicht wäre es wünschenswert, GLP-1-Rezeptor-Agonisten in der Zweitlinie zu erstatten. Dabei sollte sich sowohl der Verwendungstext im EKO als auch die Ökonomie an die der SGLT-2-Inhibitoren (Zweitlinie im EKO und nachgewiesener kardiovaskulärer Nutzen) annähern (siehe Studienergebnisse des EMPA-REG-Outcome Trials in der Evaluation).
2.4. Gemäß den wirtschaftlichen Vorgaben, die sich aus den Einstufungen der medizinisch-therapeutischen Evaluation ergeben hätten, sei die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben.
2.4.1. Die Beschwerdeführerin habe für die beantragte bestimmte Verwendung als Drittlinientherapie für einen Zeitraum von vier Abrechnungsjahren ab Aufnahme in den EKO einen effektiven FAP bzw. effektive Behandlungskosten von XXXX EUR für 4 Wochen für alle Wirkstoffstärken geboten. Nach diesen vier Jahren solle der Listenpreis auf den effektiven Preis von XXXX EUR gesenkt werden, anderenfalls die Anführung im EKO endet.
Für die beantragte bestimmte Verwendung als Zweitlinientherapie habe die Beschwerdeführerin für die ersten zwei Abrechnungsjahre ab Aufnahme in den EKO einen effektiven FAP bzw. effektive Behandlungskosten von XXXX EUR für 4 Wochen für alle Wirkstoffstärken, somit ident zur Drittlinientherapie, angeboten. Für die folgenden zwei Abrechnungsjahre werde ein effektiver FAP bzw. effektive Behandlungskosten von XXXX XXXX EUR für 4 Wochen erreicht. Nach diesen vier Jahren solle der Listenpreis auf den effektiven Preis der zweiten Stufe von XXXX EUR gesenkt werden, anderenfalls die Anführung im EKO endet.
Für beide angebotenen Therapielinien sei ein Refundierungsmodell angeboten worden.
2.4.2. Die Preiskommission habe am 10. Oktober 2019 einen EU-Durchschnittspreis für alle Wirkstoffstärken von XXXX EUR festgestellt. Die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten würden daher die Anforderungen gemäß § 30b Abs. 1 Z 4 lit b ASVG iVm § 25 Abs. 6 VO-EKO erfüllen, wonach für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex der Preis der gegenständlichen Arzneispezialitäten den EU-Durchschnittspreis jedenfalls nicht überschreiten dürfe.
2.4.3. Aufgrund des Ergebnisses der medizinisch-therapeutischen Evaluation werde festgestellt, dass gemäß § 25 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 5 VO-EKO iVm § 1 Abs. 2 iVm § 3 Abs. 2 der ökonomischen Beurteilungskriterien der Grundsätze der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission von der Wirtschaftlichkeit auszugehen sei, wenn die Behandlungskosten der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten idR mindestens 10 % unter jenen des im Gelben Bereich angeführten günstigsten Vergleichsproduktes lägen.
Die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten würden gemäß der medizinisch-therapeutischer Evaluation einen ähnlichen therapeutischen Nutzen zu den gelisteten Vergleichstherapien (SGLT-2-Inhibitoren und GLP1-Analoga) im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO aufweisen.
Für die beantragte Verwendung als Drittlinientherapie sei der Erstattungsstatus der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten am besten mit jenem der anderen GLP-1-Analoga vergleichbar, da der beantragte Verwendungstext jenem der GLP-1-Analoga entspreche und für die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten ebenfalls die Aufnahme in den Gelben Bereich des EKO, RE1, beantragt werde.
Auf Basis der medizinischen Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO wäre die Wirtschaftlichkeit nach § 25 Abs. 2 Z 2 VO-EKO gegeben, wenn die Behandlungskosten zumindest 10 % unter jenen der günstigsten therapeutischen Alternative – dies sei XXXX (Dulaglutid) – lägen. Daher wäre für die Wirtschaftlichkeit zumindest ein FAP iHv. XXXX EUR erforderlich. Dieser FAP werde von der Beschwerdeführerin jedoch nur für die Zweitlinientherapie in der zweiten Stufe, nicht aber für die Drittlinientherapie geboten.
Somit sei festzuhalten, dass für die beantragte Verwendung als Drittlinientherapie die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben sei.
Aus ökonomischer Sicht sei für die alternativ beantragte Verwendung als Zweitlinientherapie folgendes zu sagen: In der Zweitlinie wäre der Erstattungsstatus der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten am besten mit den in der medizinisch-therapeutischen Evaluation angeführten SGLT-2-Inhibitoren vergleichbar, aufgrund der Therapielinie und der Beantragung für RE2.
In diesem Fall wäre die Wirtschaftlichkeit gegeben, wenn die Behandlungskosten zumindest 10 % unter jenen der günstigsten therapeutischen Alternative – dies sei Empagliflozin – lägen. Daher wäre für die Wirtschaftlichkeit zumindest ein FAP iHv. XXXX EUR erforderlich. Dieser FAP sei für die Zweitlinientherapie nicht geboten worden. Im Übrigen werde mit dem angebotenen Preis ab Aufnahme für die ersten 2 Jahre nicht einmal der für die Drittlinie wirtschaftlich erforderliche Preis erreicht.
2.5. Daher seien die Voraussetzungen für die Anführung im Gelben Bereich des Erstattungskodex nicht gegeben und seien die Anträge somit abzuweisen und die Arzneispezialitäten aus dem Roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen gewesen.
3. Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerden und focht diese in ihrem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften an und erachtet sich in folgenden Punkten beschwert:
Keine Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten in den Gelben Bereich des Erstattungskodex bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen;
Keine gesetzmäßige und judikaturkonforme Anwendung von § 24 Abs. 2 Z VO-EKO und damit die Feststellung eines entsprechenden zusätzlichen Patienten-/ Patientinnennutzens unter anderem auch auf Basis des Ausmaßes der HbA1-C Senkung und des Ausmaßes der Gewichtsreduktion.
Keine gesetzeskonforme Auslegung von § 23 Abs. 2 VO-EKO im Hinblick auf die Auswahl des Vergleichsproduktes bezogen auf die Zweitlinientherapie.
Keine Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Hinblick auf die bisherige Verwaltungspraxis im Bereich (i) der Beurteilung des Patienten- / Patientinnennutzens anhand von HbA1-c Werten sowie (ii) dem Ausmaß der Gewichtsreduktion sowie (iii) der Aufnahmebedingungen für Preismodelle in Form von Standardvertragsklauseln.
Die angefochtenen Bescheide seien aus folgenden Gründen mit Rechtswidrigkeit behaftet:
Dem Dachverband sei bei der Beurteilung der Rechtsfrage zum Patienten-/ Patientinnennutzen ein Rechtsirrtum unterlaufen, indem er die wissenschaftlich anerkannten Surrogatparameter des HbA1c-Wertes sowie der Gewichtsreduktion nicht entsprechend dem Stand der Medizin anerkannt habe, sondern in überraschender Weise einen indirekten Vergleich zu kardiovaskulären Endpunkten herangezogen habe und die vorgelegten Direktvergleichsstudien zu Dulaglutid und Liraglutid weitgehend unbeachtet ließ. Dies habe in rechtsirriger Weise dazu geführt, dass die gezeigten Vorteile vs der Vergleichsprodukte nicht entsprechend bewertet und damit kein zusätzlicher Patienten- / Patientinnennutzen anerkannt worden sei.
Gemäß § 23 Abs. 3 VO-EKO seien Bewertungen von unabhängigen Institutionen als wesentlich für die Beurteilung des Patienten- / Patientinnennutzens festgelegt. Daher sei in rechtsirriger Weise der vom G-BA festgestellte Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen nicht vom Dachverband anerkannt worden. Dies obwohl diese Bewertung in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Erstattung ohne Einschränkungen (dh Zweitlinientherapie laut Zulassung) mit einem Preis von EUR XXXX EUR (bereits abzüglich Rabatt) geführt habe.
Auch das Ergebnis einer Umfrage bei klinischen Praktikern/Praktikerinnen in Österreich sei bis auf das Faktum der Erwähnung im Bescheid völlig unbewertet gelassen worden. In dieser Befragung hätten über 100 in Österreich wesentliche Diabetes-Versorgungszentren den verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten einen Zusatznutzen gegenüber anderen GLP-1-Agonisten eingeräumt und sich für eine Erstattung zum selben Preis wie XXXX (derzeit billigster GLP-1-Agonist) ausgesprochen.
Der vom Dachverband angestellte Vergleich mit SGLT-2-Inhibitoren in einer Zweitlinientherapie widerspreche der VO-EKO, da diese beiden Produktgruppen keine chemische Verwandtschaft im Sinne des § 23 Abs. 2 VO-EKO und auch völlig unterschiedliche Applikationsformen (subkutane Injektion und Tablettenform) aufweisen würden.
Als wesentliche Verfahrensmängel wurden geltend gemacht:
Der Dachverband habe in mehrfacher Weise in der vorliegenden Evaluation seine bisher gelebte Behördenpraxis geändert und damit in völlig überraschender Weise die bisher wesentlichen Beurteilungsparameter unberücksichtigt gelassen und damit gegen Treu und Glauben gegenüber der rechtsunterworfenen Beschwerdeführerin verstoßen.
Die nicht entsprechende Berücksichtigung der Surrogatparameter HbA1c-Wert sowie Gewichtsreduktion werde zwar mit einer sinkenden Bedeutung dargestellt. Dieser Hinweis tauge jedoch nicht für eine tragfähige Begründung der Bescheide, da sie sowohl nationalen als auch internationalen medizinischen Guidelines (vorgelegt als Konsensus-Statements) widerspreche.
Weiters seien für das vorgeschlagene Preismodell (PM) plötzlich in Abkehr der bisherigen Verwaltungspraxis und ohne Verhandlungsspielraum Standardklauseln verlangt worden, die die rechtsunterworfene Beschwerdeführerin gröblich benachteiligen. So werde zB die Übernahme von Rabatten auch für Parallelimporteure und damit das Bezahlen einer Schuld Dritter verlangt, ebenso soll die Beschwerdeführerin auf die Prüfung der vom Dachverband vorgelegten Verschreibungszahlen verzichten und einer Streichung des Produktes nach einer bestimmten Zeitperiode ohne Verfahren zustimmen, wenn der Listenpreis nicht entsprechend gesenkt werden könne.
Darüber hinaus leide der Bescheid an wesentlichen Begründungsmängeln, da die Abkehr von der bisherigen Verwaltungspraxis hinsichtlich Surrogatparameter nicht entsprechend dargelegt und mit Quellen belegt worden sei. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da der Dachverband hier der Meinung der nationalen und internationalen Fachgesellschaften widerspreche.
3.1. Der Dachverband habe auf Basis der vorgelegten Direktvergleichsstudien weder einen Zusatznutzen gegenüber GPL-1-Agonisten noch gegenüber SGLT-2-Inhibitoren anerkannt und komme zu dem Schluss, dass daher nach § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO ein Preis von minus 10 % zu den billigsten im EKO angeführten Vergleichsprodukten anzubieten sei. In der Drittlinie handle es sich dabei um den GPL-1-Agonisten XXXX (Dulaglutid), der derzeit zu Monatskosten von FAP XXXX 0 EUR angeboten werde. Da nicht minus 10 %, sondern exakt der gleiche Preis sowie die gleiche Verschreibungsregel im Vergleich zu XXXX angeboten würden, habe der Dachverband die Aufnahme in den EKO verweigert.
Diese Entscheidung sei mit einer Rechtswidrigkeit belastet, da aufgrund der vorgelegten Direktvergleichsstudien ein Patienten- / Patientinnennutzen gegeben und damit gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO ein „Preispremium“ von 10 % zu XXXX möglich sei. Dies ergebe sich aus Folgendem:
3.1.1. Die Festlegung des Patienten- / Patientinnennutzens liege nicht im Ermessen des Dachverbandes, sondern stelle eine Rechtsfrage dar, die aufgrund des Gesetzes durchzuführen und einer inhaltlichen Prüfung sowie Abänderung durch das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Kompetenz voll zugänglich sei.
Der Dachverband beziehe sich in seiner medizinisch-therapeutischen Evaluation alleine auf „harte Endpunkte“ wie zB kardiovaskuläre Endpunkte und Mortalität jeglicher Ursache (zB Bescheid Seite 7, 19) und sehe hier im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen lediglich einen „ähnlichen Nutzen“ vs GLP-1-Analoga sowie SGLT-2-Inhibitoren.
3.1.2. Keine Berücksichtigung des Surrogatparameters HbA1c-Senkung
Der Dachverband rechtfertige das „Nicht-Berücksichtigen“ der überlegenen Wirkung von Semaglutid im Bereich der HbA1c-Senkung einerseits mit dem Hinweis darauf (Bescheid Seite 19, 3. Absatz), dass die HbA1c-Senkung nicht per se patienten- / patientinnenrelevant sei. Wesentlich relevanter seien die harten Endpunkte (kardiovaskulärer Tod, Mortalität jeglicher Ursache, nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall) für die betroffenen Patienten/Patientinnen. Mit dieser Ansicht unterliege der Dachverband einem Rechtsirrtum bezogen auf die Bedeutung der HbA1c-Senkung als Surrogatparameter.
Einerseits sei darauf zu verweisen, dass nach der Judikatur des VwGH (Ro 2015/08/0017) „anerkannte“ Surrogatparameter einen „wesentlichen zusätzlichen Nutzen" iS von § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO zu belegen vermögen. Nach einem Größenschluss müsse daher eine signifikante Überlegenheit einer Substanz bei einem „anerkannten“ Surrogatparameter jedenfalls als Beleg für einen bloß „zusätzlichen Nutzen“ iS von § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO Relevanz haben und den entsprechenden Nutzen zu belegen vermögen.
Genau dies treffe hier zu: Sowohl die österreichische Fachgesellschaft in ihren Leitlinien (Clodi et al., WiKliWo, 2019 - ÖDG) als auch die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft würden den HbA1c-Wert als wesentlichen Surrogatparameter zur Bewertung des Erfolges einer Therapie im Bereich Diabetes Typ-2 ansehen. Auch die Europäische Zulassungsbehörde habe sich intensiv mit der Bewertung der Ergebnisse von klinischen Zulassungsstudien in Zusammenhang mit dem HbA1c-Wert auseinandergesetzt (vgl CMP/EWP/1080/00 Rev. 2) und in Zusammenhang mit Non-inferiority-Studien festgelegt, dass eine „margin“ von -0,3 % (3mmol/mol) als klinisch relevante Verbesserung angesehen werde. Sowohl in der SUSTAIN-3- als auch der SUSTAIN-7-Studie sei die „non-inferiority margins“ nicht nur vom jeweiligen Konfidenzintervall, sondern auch vom jeweiligen Punktschätzer (-0,62 in SUSTAIN-3 und -0,41% in SUSTAIN-7) unterschritten worden. Es handle sich daher um klinisch relevante Vorteile für Patienten/Patientinnen und nicht wie im Bescheid ausgeführt um „kleine Unterschiede“ (Bescheid Seite 14).
Gemessen an dem von der EMA festgelegten Maßstab sowie dem Stand der medizinischen Wissenschaft würden daher die Ergebnisse der vorgelegten SUSTAIN-7- und SUSTAIN-3-Studien jedenfalls einen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu XXXX und XXXX im Sinne von § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO zeigen.
3.1.3. Keine Berücksichtigung des Surrogatparameters Gewichtsreduktion
Ein weiterer wesentlicher Wert zur Beurteilung einer Diabetestherapie sei die Gewichtsreduktion, der ebenfalls in den österreichischen Leitlinien der ÖDG als auch international wie zB. der ADA/EASD als wesentlich anerkannt werde, indem diese den Einsatz mit gewichtsreduzierenden Effekten als Zweitlinientherapie, sofern keine kardiovaskulären Vorerkrankungen vorliegen und ein „compelling need to minimize weight gain or promote weight loss“ bestehe (Buse et al., Diabetes Care 2019), eindeutig befürworten.
Den gemeinsamen Leitlinien der ADA/EASD (Buse et al., Diabetes Care, 2019) sei ein Behandlungspfad für Typ-2-Diabetes-Patienten / Patientinnen zu entnehmen, und die die Guidelines würden in diesem Zusammenhang GPL-1-Rezeptor-Agonisten zur Gewichtsreduktion bei Patienten / Patientinnen mit Typ-2 Diabetes in der folgenden Rangordnung (Buse et al., Diabetes Care 2019) empfehlen:XXXX
XXXX XXXX XXXX XXXX Betrachte man die vom Dachverband festgelegte Verschreibungsregel für GPL-1-Agonisten, finde sich folgende Voraussetzung für die Verschreibbarkeit:
„Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetesbehandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.“
Dies bedeute, dass der Dachverband grundsätzlich den Wert und damit den Surrogatparameter „Gewichtsverlust“ als wesentlichen Wert im Bereich der Diabetestherapie anerkenne. Daher sei es umso weniger verständlich, dass der Zusatznutzen der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten zur Gewichtsreduktion nicht anerkannt werde. Die SUSTAIN-3-Studie habe in einer Dosierung von 1 mg wöchentlich eine Gewichtsreduktion von 5,6 kg gegenüber dem Ausgangswert gezeigt, wohingegen XXXX einen Wert von lediglich minus 1,9 kg vorweisen habe können. Gegenüber XXXX hätten die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten eine zusätzliche Gewichtsreduktion von minus 3,55 kg (p< 0,0001) gezeigt. In SUSTAIN-10 sei der Vorteil gegenüber XXXX bei minus 3,83 kg (p<0,0001) gelegen. Da ca. ein Viertel der österreichischen Patienten / Patientinnen, die einen GLP-1-Agonisten erhalten, mit XXXX 1,2 mg/Tag behandelt würden, seien die Studienergebnisse von SUSTAIN-10 (anders als vom Dachverband behauptet) sehr wohl relevant für Österreich. Daher ergebe sich auch bezogen auf die Gewichtsreduktion ein zumindest zusätzlicher Nutzen nach § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO von den verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten vs XXXX , XXXX und XXXX (den relevanten GPL-1 Agonisten).
3.1.4. Keine Berücksichtigung sämtlicher G-BA Ergebnisse
Der Dachverband zitiere zwar die Ergebnisse des G-BA und verweise auch auf den vom G-BA festgestellten Zusatznutzen („Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen“ [hier sei anzumerken: bei freier Interpretation mit § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO vergleichbar, da ein Preisvorteil gewährt werde!]) für Patienten / Patientinnen mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie und nenne als Beleg die SUSTAIN-6-Studie (Bescheid Seite 22). Es werde seitens des Dachverbandes jedoch darauf verwiesen, dass der Dachverband seine Evaluierung unabhängig von den Evaluierungen des G-BA durchführt. Dies werde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Es werde aber darauf verwiesen, dass der Dachverband gemäß § 22 Abs. 3 VO-EKO für das laufende Verfahren und für die Entscheidung nur folgende publizierte Daten heranzuziehen habe (soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist):
1. Artikel aus Peer-Reviewed-Journals,
2. Bewertungen unabhängiger Institutionen und Behörden.
Es sei zwar richtig, dass der Dachverband seine Bewertung unabhängig vom G-BA durchführe, dennoch sei er an die von ihm herausgegebene VO-EKO gebunden, nach welcher die publizierte Bewertung des deutschen G-BA als unabhängige Institution zu berücksichtigen sei.
Die bloße Anführung und Beschreibung der Existenz und Inhalte dieser Bewertung im Sinne von § 22 Abs. 3 VO-EKO - wie dies im Bescheid auf Seite 22 durchgeführt worden sei - sei nicht als „berücksichtigen“ im Sinne des Gesetzestextes zu werten. Der Dachverband hätte sich mit den Argumenten des G-BA auseinandersetzen und im Bescheid nachvollziehbare Begründungen anführen müssen, warum der Dachverband hier den vom G-BA festgelegten „Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen“ nicht ebenso anerkenne wie der G-BA; denn der G-BA komme eben genau nicht zu dem Schluss, dass „kein“ Zusatznutzen gegeben sei. Diese Bewertung des G-BA habe in Deutschland auch dazu geführt, dass die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten zu einem Listenpreis von XXXX EUR (abzüglich des gesetzlich vorgeschriebenen Rabatts von -7 % ergebe sich somit ein effektiver Preis von XXXX EUR für Deutschland) im zugelassenen Label erstattet würden, also ohne Einschränkung wie dies in Österreich vorgesehen sei. Es handle sich daher um eine breitere Patienten-/Patientinnengruppe zu einem höheren Preis. Da das deutsche Gesundheitssystem mit dem österreichischen durchaus vergleichbar sei, habe hier der Dachverband sehr wohl einen Begründungsbedarf, warum er die Argumente der deutschen unabhängigen Institution nicht als valide anerkenne. Dies sei vor allem deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich hier um den „kardiovaskulären“ Bereich handle, der vom Dachverband in diesem Bescheid insgesamt als „besonders“ bedeutsam für Diabetes-Patienten / Patientinnen herausgestrichen und nahezu als einziger Parameter für die Bewertung des Patienten- / Patientinnennutzens herangezogen worden sei.
Der Dachverband habe daher eine in § 22 Abs. 3 VO-EKO vorgesehene Bewertungsquelle lediglich deskriptiv beschrieben, aber nicht entsprechend gewürdigt und berücksichtigt, wodurch er zu dem gesetzwidrigen Ergebnis gekommen sei, dass für die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten im Vergleich zu anderen GPL-1- Antagonisten kein Zusatznutzen vorliege. Dadurch sei der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet und entsprechend abzuändern oder aufzuheben.
3.1.5. Anerkennung eines Zusatznutzens durch die österreichische klinische Praxis (Umfrage)
Aufgrund einer Umfrage bei mehr als 100 relevanten Diabetes-Versorgungseinrichtungen in Österreich ergebe sich, dass sich die österreichischen Behandler / Behandlerinnen für eine Erstattung (93 % der Befragten) der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten zum selben Preis wie XXXX (80 % der Befragten – 10 % haben angegeben, keine Meinung zu haben) aussprechen. In der klinischen Praxis werde daher im Gegensatz zur Erstattungsbehörde der Patienten- / Patientinnennutzen offenbar sehr wohl anerkannt und das Produkt als wünschenswerte Therapieoption bewertet.
Bezogen auf den Patienten- / Patientinnennutzen sei daher zusammenfassend festzustellen, dass sich der Dachverband in rechtswidriger Weise ausschließlich auf die Verhinderung von kardiovaskulären Ereignissen als einzigen „harten“ Endpunkt gestützt habe und dabei die in der Wissenschaft anerkannten Surrogatparameter „Senkung des HbA1c-Wertes“ und „Gewichtsreduktion“ nicht entsprechend dem Stand der Medizin (im Einklang mit den geltenden Richtlinien) berücksichtigt und evaluiert habe. Dadurch sei er zu dem falschen Schluss gekommen, dass im Vergleich zu GPL-1-Agonisten kein Zusatznutzen im Sinne von § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO vorläge. Aber selbst im einzigen vom Dachverband herangezogenen Bereich der kardiovaskulären Ereignisse sei dem Dachverband ein Rechtsirrtum unterlaufen, indem er fälschlicherweise die Ergebnisse des G-BA nicht im Sinne von § 22 Abs. 3 VO-EKO gewürdigt und damit seine vom Ergebnis des G-BA abweichende Ansicht auch nicht im Ansatz mit Gegenargumenten begründet habe, sondern auf die Argumentation des G-BA in keiner Weise eingegangen sei.
Aus all den dargelegten Fakten ergebe sich, dass der Bescheid mehrfach unter Rechtswidrigkeit leide. Hätte der Dachverband den evidenten Zusatznutzen nach § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO bestehend aus Vorteilen in den Bereichen HbA1c-Senkung, Gewichtsreduktion sowie kardiovaskuläre Ereignisse anerkannt, wäre das Preisangebot der Beschwerdeführerin mit Preisgleichheit zu XXXX im Sinne von § 25 Abs. 2 Z 4 VO-EKO wirtschaftlich. Dies bedeute, dass die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in den EKO erfüllen würden.
In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin abschließend darauf, dass die Therapie mit den verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten nicht zu einer Ausweitung der Patienten- / Patientinnenzahl führen werde. Die vom Dachverband geforderte Verschreibungsregel nämlich ident mit XXXX lasse keine andere Anwendung zu. Da Preisgleichheit mit dem billigsten GPL-1-Agonisten angeboten worden sei, könnten daher dem Gesundheitswesen zu den von der Beschwerdeführerin angebotenen Bedingungen keine Zusatzkosten entstehen. Die Entscheidung der belangten Behörde sei aus diesem Blickwinkel noch weniger nachvollziehbar.
3.1.6. Kein gesetzmäßiger Vergleich nach § 23 Abs. 2 VO-EKO vs SGL T-2
Der Dachverband ziehe als Vergleichsprodukt zu den verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten nicht nur GPL-1-Analoga (Drittlinientherapie) heran, sondern auch SGLT-2-Inhibitoren (Zweitlinientherapie), obwohl die Wirkmechanismen von Semaglutid und SGLT-2-Inhibitoren wie beispielsweise XXXX (Canaglizoflozin) oder XXXX (Empaglizoflozin) weder chemische Überschneidungen noch dieselbe Applikationsform aufweisen. Diese Vorgangsweise widerspreche § 23 Abs. 2 VO-EKO:
„Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.“
Der Wortlaut des § 23 Abs. 2 VO-EKO gebe einen Vergleich von therapeutischen Alternativen vor und verweise dabei primär auf den ATC-Code, Ebene 4. Der ATC-Code sei von der European Pharmaceutical Market Research Association (EphMRA) entwickelt worden und klassifiziere Arzneimittel. Die Klassifikation enthalte 5 Ebenen. Auf der ersten Ebene gebe es 14 Hauptgruppen, die sich nach dem Organ oder System richten würden, auf die der Arzneistoff seine Hauptwirkung entfalte. Die zweite und dritte Ebene seien Therapiegruppen beziehungsweise -untergruppen; die vierte und fünfte Ebene seien nach der chemischen Struktur geordnet. Der Gesetzgeber ziele daher primär auf einen Vergleich basierend auf einer möglichst vergleichbaren chemischen Struktur und der gleichen Darreichungsform ab. Nur dann wenn ein derartiger Vergleich (zB. keine Zulassung im gleichen Therapiegebiet) nicht zweckmäßig sei, seien andere Vergleichsoptionen möglich.
Es sei daher bei der Wahl der therapeutischen Alternativen im Besonderen auf die pharmakologische Komponente, aber auch auf die Darreichungsform zu achten, um hier einen Vergleich zwischen möglichst „gleichen“ bzw „vergleichbaren“ Arzneispezialitäten zu ziehen. Die Festsetzung der therapeutischen Alternative (auch für die ökonomische Evaluation) liege nicht im Ermessen des Dachverbandes. Es handle sich um eine Rechtsfrage, die der vollen Prüfungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichtes unterliege.
Bei dem vom Dachverband zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu XXXX handle es sich nicht um ein höchstgerichtliches Urteil. Es liege keine Entscheidung des VwGH zu einem vergleichbaren Sachverhalt vor. Zudem sei diese Entscheidung des BVwG für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn bei XXXX (Vedolizumab) handle es sich um ein First-In-Class-Produkt, zu dem ein chemisch verwandtes Vergleichsprodukt auf ATC-Code-Ebene 4 weder im EKO noch sonst außerhalb des EKO zur Verfügung stehe, wodurch faktisch kein chemisch verwandtes Vergleichsprodukt verfügbar sei. Zudem handle es sich bei XXXX um einen sogenannten „Hochpreiser“ im Bereich Colitis Ulcerosa, der über XXXX EUR Monatstherapiekosten beanspruche. Im Gegensatz dazu handle es sich bei Semaglutid um den sechsten in den WHO-ATC-Code aufgenommenen GLP-1-Agonisten, wovon zumindest drei Wirkstoffe auch in Österreich im Erstattungskodex gelistet seien und damit als pharmakologisch verwandte Behandlungsalternativen mit der gleichen Applikationsform zur Verfügung stünden. Zudem habe sich im Bereich der Vergleichsprodukte (GLP-1-Agonisten) bereits über Jahre ein niedriges das Preisniveau etabliert, welches derzeit bei ca. 60,- EUR Therapiekosten im Monat liege.
Dass das Entyvio-Erkenntnis hier nicht einschlägig sei, lasse sich auch aus einem auf selber Stufe der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes stehenden Erkenntniss (BVwG W123 2003537-1/19E) ableiten, welches zu § 23 Abs. 1 VO-EKO zur Frage des Vergleichsproduktes ausgesprochen habe, dass jenes Produkt als therapeutische Alternative heranzuziehen sei, das bei Nicht-Verfügbarkeit am ehesten in Betracht komme. Nach diesem Lösungsansatz, bezogen auf die Frage des gesetzlichen Vergleichsproduktes im EKO, komme man in diesem Fall zum selben Ergebnis: Sollten die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten den österreichischen Patienten / Patientinnen nicht zur Verfügung stehen, würde mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ein anderer GLP-1-Agonist zum Einsatz kommen. Ein Arzt / eine Ärztin, der/die zu dem Ergebnis komme, dass ein GLP-1-Agonist das Mittel der Wahl sei, würde, wenn der gewünschte SGLT-2-Inhibitor nicht zur Verfügung stehe, als Alternative dem Patienten / der Patientin nicht einen SGLT-2-Inhibitor (Tabletten) empfehlen, sondern würde auf einen anderen GLP-1-Agonisten (Injektion) zurückgreifen. Daher sei die Vorgangsweise des Dachverbandes auch SGLT-2-Inhibitoren als Vergleichsprodukte heranzuziehen und damit ein Preisniveau von FAP XXXX EUR (minus 10 %) zu fordern, gesetzlich nicht gedeckt.
Der Dachverband lasse in seiner Bescheidbegründung offen, warum zu SGLT-2-Inhibitoren eine „bessere“ Vergleichbarkeit - wie dies das Entyvio-Erkenntnis W127 2216868-1 /12E fordere - als zu GLP-1-Agonisten gegeben sein soll, wenn keine chemischen Gemeinsamkeiten bestünden und die Applikationsform (Tablette und subkutane Injektion) massiv voneinander abweichen. Der Halbsatz im Bescheid auf Seite 18, dass im Hinblick auf kardiovaskuläre Endpunkte, welche für die betroffenen Patienten / Patientinnen von großer Relevanz seien, von einem ähnlichen Nutzen ausgegangen werden könne und daher SGLT-2-Inhibitoren als Vergleich dienen, könne wohl nicht den Anforderungen einer Bescheidbegründung nach § 58 AVG genügen, wodurch auch hier der Bescheid nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche.
In der gesamten Bescheidbegründung finde sich keine ausreichende, auf Quellen beruhende Erklärung, warum in der Zweitlinientherapie SGLT-2-Inhibitoren als Vergleichsprodukte herangezogen werden, obwohl ausreichend chemisch verwandte Vergleichsprodukte – nämlich GLP-1-Antagonisten mit derselben Applikationsform – im Erstattungskodex angeführt seien.
Die obigen Ausführungen würden ergeben, dass die Bescheide mit Rechtswidrigkeit aufgrund einer falschen Auswahl des Vergleichsproduktes in der Drittlinientherapie nach § 23 Abs. 2 VO-EKO sowie der daraus folgenden falschen Einstufung von den verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten nach § 24 Abs. 2 VO-EKO belastet seien.
3.2. Dem Dachverband seien weiters wesentliche Verfahrensmängel unterlaufen
3.2.1. Überraschende Änderung der Behördenpraxis - Verletzung von Treu und Glauben
Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben sei zu verstehen, dass jeder, der am Rechtsleben teilnehme und damit auch der Dachverband, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen habe und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen dürfe, was er früher vertreten habe und worauf andere vertraut hätten (zB VwGH 15.3.2001, 2001/16/0063).
3.2.1.1. Fehlende Begründung für die Nichtberücksichtigung der Surrogatparameter HbA1c und Gewichtsreduktion
Der Dachverband habe bis dato bei der Bewertung von Therapieoptionen im Bereich Diabetes für die Bewertung des Zusatznutzens nach § 24 Abs. 2 VO-EKO sowohl den HbA1c-Wert sowie das Ausmaß der Gewichtsreduktion herangezogen. Dies drücke sich auch in der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes aus, das für den GLP-1-Rezeptoragonisten XXXX die Gewichtsreduktion und die Senkung des HbA1c-Wertes in Zusammenhang mit der Bewertung des Patienten-/Patientinnennutzens diskutiert und hierzu Feststellungen bezogen auf den Patienten-/Patientinnennutzen getroffen habe (W 123 2007918-1 - Bydureon): „bezüglich Gewichtsreduktion von ca. 4 kg gegenüber Insulin wurde ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen für eine Untergruppe von Patienten, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, anerkannt“.
Weiters dürfe in Erinnerung gerufen werden, dass bezogen auf den Stellenwert der Senkung des HbA1c-Wertes bis dato nicht nur der Dachverband hier einen Nutzen gesehen habe, sondern die Zulassungsbehörde EMA eine „non-inferiority-margin“ festgelegt (CPMP/EWP/1080/00 Rev. 2) und damit einen Schwellenwert für die klinische Relevanz dieses Wertes definiert habe. Die Beschwerdeführerin habe daher aufgrund der bisherigen Bewertungspraxis nicht nur des Dachverbandes, sondern auch der europäischen und dieser folgend der österreichischen Zulassungsbehörde darauf vertrauen dürfen, dass sowohl das Ausmaß der Gewichtsreduktion als auch die Senkung des HbA1c-Wertes bei der Bewertung des Patienten- / Patientinnennutzens eine wesentliche Rolle einnehmen würden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sämtliche Studienprogramme für Diabetes-Produkte (auch jene von Mitbewerberprodukten) sich an diesen Werten ausrichten.
Für die Beschwerdeführerin sei die von der bisherigen Praxis abweichende Bewertung von Diabetes-Produkten mit einem Fokus auf Mortalität und „harten“ kardiovaskulären Endpunkten völlig überraschend und auch nicht vorhersehbar gewesen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die vorgelegten Belege für den Stand der Medizin, nämlich die Guidelines der ÖDG sowie internationale Guidelines, nach wie vor oder mehr denn je die Senkung des HbA1-c Wertes sowie die Gewichtsreduktion als für den Patienten- / Patientinnennutzen entscheidende Surrogatparameter sehen würden.
Die Vorgangsweise des Dachverbandes, völlig unangekündigt und auch ohne substantiierte Begründung von der bisherigen Bewertungspraxis abzuweichen, sei für die Beschwerdeführerin überraschend gewesen. Sie habe angesichts des Standes der Wissenschaft und der mangelnden Vorankündigung durch die Behörde auch nicht mit dieser Vorgangsweise rechnen müssen. Genau dies stelle eine Verletzung von Treu und Glauben gegenüber den Rechtsunterworfenen dar, wodurch ein wesentlicher Verfahrensfehler gegeben sei (vgl dazu Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, Bd II, 3. Aufl, 1996, 174).
3.2.1.2. Standardklauseln für Preismodelle
Der angebotene effektive Preis in der Höhe von XXXX EUR könne nur im Rahmen eines sogenannten „PM-Modells“ [sic] angeboten werden. Dies bedeute, dass das Produkt zu einem höheren Preis im EKO angeführt sei und einmal jährlich die Differenz (inklusive der anteilig höheren anfallenden Arzneitaxe und Großhandelsspanne) nach Rechnung des Dachverbandes auf den vereinbarten „effektiven Kassenverkaufspreis“ zurückzuzahlen sei.
In den letzten Jahren seien im Rahmen einer sogenannten „PM-Vereinbarung“ der Modus der Anführung des Produktes im EKO sowie der Grad der Geheimhaltung vereinbart worden. Die Beschwerdeführerin habe daher auch mit der bisher üblichen Klausel rechnen dürfen. Noch im Oktober 2019 seien die bekannten Geheimhaltungsklauseln im Gespräch gewesen. Auch bei einem weiteren Kontakt im November 2019 sei keine Änderung der Verwaltungspraxis angekündigt bzw. über eine Erweiterung der Klauseln zB. auf den Parallelexport oder eine mögliche Streichung ohne weiteres Verfahren gesprochen worden. Erst bei der Verabschiedung im Rahmen einer Besprechung zum Thema im Dachverband am 14. Jänner 2020 sei angekündigt worden, dass neue Standardklauseln zur Anwendung kämen, diese per E-Mail übermittelt würden und nunmehr verpflichtend im Rahmen eines Preismodells anzubieten seien.
Der Dachverband habe daher ohne Vorwarnung und ohne ersichtlichen Grund seine geübte Verwaltungspraxis überraschend geändert und (in weiterer Folge durch die Beschwerdeführerin zitierte) sogenannte „Standardvertragsklauseln“ für die Vereinbarung zum Preismodell gefordert:
Diese Klausel seien per E-Mail am 15. Jänner 2020 vom Dachverband an die Beschwerdeführerin übermittelt worden. In einem Telefongespräch sei mitgeteilt worden, dass diese Vertragsklauseln nunmehr seit 1. Jänner 2020 der neue Standard seien und keine Aufnahme in den EKO mit einem Preismodell ohne diese Klauseln erfolgen werde. Allerdings seien diese Klauseln seitens des Unternehmens aktiv im Rahmen des zu legenden Angebotes anzubieten.
Für die Beschwerdeführerin sei sowohl der Inhalt der Klauseln als auch diese Vorgangsweise überraschend. Die Evaluation der Klauseln habe massive rechtliche Bedenken ergeben:
Zur Unmöglichkeit der Prüfung der Daten der maschinellen Heilmittelabrechnung:
Der Dachverband fordere die Angaben bezogen auf die Daten der maschinellen Heilmittelabrechnung nicht zu beanstanden und die „Gültigkeit“ anzuerkennen. Diese Vorgangsweise widerspreche jedem Grundsatz der Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Antragstellerin gehe damit unter Umständen Verpflichtungen in ungeahnter Höhe ein, wenn zB. die pharmazeutische Gehaltskasse oder der Dachverband einem Irrtum im mehrstelligen Ziffernbereich unterliege oder Dritte die Zahlen vorsätzlich zu ihren Gunsten manipulierten. Es müsse jedenfalls im Rahmen von Treu und Glauben zwischen Vertragspartnern eine „Plausibilitätsprüfung“ der Daten und eine entsprechende Korrektur, bezogen auf offensichtliche Fehler und unplausible Angaben, möglich sein.
Zur Verpflichtung, die Rabatte auch für Parallelimporteure zu übernehmen:
Ungleichbehandlung nach § 2 VO-EKO: Nach § 2 Abs. 2 VO-EKO seien für alle Arzneispezialitäten im EKO Verfahren dieselben Prüfmaßstäbe anzulegen. Entscheidungen würden für gleiche Arzneispezialitäten unabhängig davon gelten, auf welchem Weg diese in Österreich in Verkehr gebracht worden seien. Das Preismodell und damit der effektive Preis mit den vereinbarten Bedingungen müssen daher auch für parallelimportierte Arzneispezialitäten und deren Anbieter gelten. Im Sinne einer Gleichbehandlung müsste der Dachverband dieselben Bedingungen auch dem Parallelimporteur überbinden inklusive Rückzahlungs- und Geheimhaltungspflichten. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass Parallelimporteure hier nicht zu denselben Bedingungen verpflichtet würden.
Automatische Aufnahme ohne Gebühr und Verfahren:
Parallelimportierende Unternehmen würden bezogen auf das Antrags- und Verfahrensprinzip des ASVG und der VO-EKO einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil genießen, denn es würden parallelimportierte Produkte, bei denen es sich eben nicht um das idente Produkt handle, weil es über eine andere Pharmazentralnummer und andere Packung verfüge, ohne Verfahren und ohne Entrichtung einer entsprechenden Verwaltungsgebühr in den EKO aufgenommen. Obwohl der Hersteller und das parallelimportierende Unternehmen in einer Konkurrenzsituation stünden und unterschiedliche Marktinteressen verfolgten, werde seitens der Sozialversicherung der Parallelimporteur unlauter am Markt durch Erleichterungen, bezogen auf die Erstattung und nunmehr auch bezogen auf den Preis, gefördert und bevorzugt. Damit greife der Dachverband unlauter in den Wettbewerb ein. Parallelimporteure seien üblicherweise nicht in der Lage, den Gesamtmarkt zu versorgen und würden einen sehr kleinen Beitrag zur Versorgung der österreichischen Bevölkerung leisten, sodass hier eine sachliche Besserstellung bezogen auf das EKO-Aufnahmeverfahren und die Gebühr in keiner Weise sachlich gerechtfertigt sei.
Wettbewerbsrecht:
Mit seiner Vorgangsweise ignoriere der Dachverband zudem die Tatsache, dass der Hersteller und der Parallelimporteur in einer Wettbewerbssituation stünden und er bereits bis dato Parallelimporteuren einen Marktvorteil gewähre. Wenn nun Parallelimporteure aus der Rabattpflicht entlassen würden, und dies die Hersteller übernehmen sollten, dann sei mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Schwelle zu kartellrechtlichen Tatbeständen (zB. Behinderung am Markt) überschritten würde.
Transparenz:
Die Klausel widerspreche auch jeglichen verwaltungsrechtlichen Transparenzerfordernissen; denn die Beschwerdeführerin erhalte kein Recht auf Information, ob das Preismodell auch den Parallelimporteuren überbunden wurde und ob die Parallelimporteure den Rabatt zahlen. Im Extremfall könnte der Dachverband die Rabatte von beiden Unternehmen fordern, ohne dies gegenüber den Verpflichteten offenlegen zu müssen.
Zur Streichung aus dem EKO ohne entsprechendes Verwaltungsverfahren:
Eine weitere Klausel besage, sollte das Unternehmen den Rabattpreis nicht spätestens zu einem bestimmten Zeitpunkt als offiziellen Listenpreis anbieten können, sei das Produkt aus dem EKO zu streichen. Zudem müsse sich das Unternehmen verpflichten, nach einer Streichung aus dem EKO den Preis für das Produkt – ohne zeitliches Limit – nicht zu erhöhen. Diese Vorgangsweise sei in der VO-EKO nicht vorgesehen und damit rechtswidrig, zudem sei ein „Preismoratorium“ für ein nicht erstattetes Produkt auf unbestimmte Zeit als sittenwidrig zu werten.
Die Beschwerdeführerin habe bereits in ihrer Stellungnahme vom 10. Februar 2020 auf die Rechtswidrigkeit und die Bedenken zu den nunmehr überraschend ausgeweiteten „Standardklauseln“ mitgeteilt. Im letztgültigen Angebot (hochgeladen am 14. Februar 2020) seien die „Standardklauseln“ aufgrund der Abwägung zwischen dem Risiko, das die Standardklauseln in sich bergen, und der Drohung, „keine Aufnahme in den EKO“ und damit keinen Umsatz zu machen, in einer etwas abgeänderten Form angeboten worden:
Maschinelle Heilmittelabrechnung: Hier habe sich die Beschwerdeführerin das Recht auf eine Plausibilitätsprüfung der Daten und eine entsprechende Korrektur bezogen auf offensichtliche Fehler und unplausible Angaben vorbehalten.
Parallelimport: Die Beschwerdeführerin habe nicht die unbedingte Pflicht zur Zahlung des Rabattes auch für Parallelimporteure übernommen, sondern im Sinne einer Ausfallshaftung, wenn diese Beträge, nach Überbindung des dargestellten Refundierungsmodells sowie der Geheimhaltungsverpflichtung auf den jeweiligen Parallelimporteur durch den Dachverband, nachweislich nicht einbringlich seien.
Streichung, wenn keine Listenpreissenkung: Die Beschwerdeführerin habe einer Listenpreissenkung unter Androhung einer Streichung nach 4 Jahren zugestimmt.
Offenbar sei dem Dachverband die rechtliche Problematik dieser Standardvertragsklauseln sehr wohl bewusst, wodurch er versuche, dieses Thema elegant einer Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht zu entziehen, indem er auf Seite 26 des Bescheides ausführt: „Da das Preisangebot die Preisforderungen gemäß 3.3.3. nicht erfüllt, konnte eine weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit den angebotenen Passagen unterbleiben.“ Dies entspreche nicht der gebotenen Vorgangsweise für eine Behörde, die ihrer Verwaltungspraxis treu zu sein habe. Denn im vorliegenden Fall seien die Standardpassagen ohne entsprechende Begründung und ohne ersichtlichen Grund für die antragstellenden Unternehmen einseitig massiv verschlechtert worden. Zudem würden Antragsteller keine Alternative zur Annahme dieser Klauseln sehen, da diese seitens der Behörde als Bedingung für die Aufnahme in den EKO gestellt würden. Aus diesem Grund handle es sich hier nicht um eine rein privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Dachverband und dem Unternehmen, sondern um eine Bedingung zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den EKO im Rahmen des VO-EKO Verfahrens. Die Klauseln unterlägen daher der vollen Prüfungskompetenz des Bundesverwaltungsgerichtes. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass diese einseitig als Aufnahmebedingungen (ev. als „Auflagen“ iS des AVG) einseitig von der Verwaltungsbehörde vorgegeben würden.
Der Dachverband habe im Rahmen dieser Standardklauseln die Verpflichtung, sich im Rahmen des Prinzips von Treu und Glauben an seine gelebte Verwaltungspraxis zu halten. Eine Änderung sei daher entsprechend zu begründen und mit einer angemessenen Vorlaufzeit anzukündigen, wie dies jährlich zB. im Finanzbereich mit der Auslegung des Steuergesetzes durchgeführt werde. Dadurch, dass der Dachverband diese Klauseln ohne vorherige Ankündigung und ohne angemessene Prüfzeit überraschend und massiv zum Nachteil der Beschwerdeführerin geändert habe, habe er das Prinzip von Treu und Glauben verletzt und damit einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen.
3.2.1.3. Bewertung von Direktvergleichsstudien vs indirekten Vergleichen
Der Dachverband habe in seiner bisherigen Verwaltungspraxis die Auffassung vertreten, dass ein (wesentlicher) zusätzlicher Patienten- / Patientinnennutzen primär durch Direktvergleichsstudien zu beweisen sei. Dies sei bisher auch im Bereich der Diabetes der bevorzugte Beweis für einen zusätzlichen Patienten- / Patientinnennutzen. In folgenden Verfahren habe der Dachverband die Vorlage von Direktvergleichsstudien zu Therapiealternativen als Beleg für einen Zusatznutzen gefordert: (i) XXXX (GZ Abschnitt IV/3977-2017, (ii) XXXX (GZ Abschnitt IV/4582-2019 sowie (iii) XXXX (Abschnitt IV/4521-2019), letzteres ein Produkt zur Behandlung der Hämophilie B. Die Beschwerdeführerin habe daher darauf vertrauen dürfen, dass die bisher geforderten Direktvergleichsstudien als entsprechender Beweis für einen Patienten- / Patientinnennutzen anerkannt würden. Zu diesem Zweck seien auch die Schlüsselstudie 2 (Direktvergleich vs. Dulaglutid) und Schlüsselstudie 3 (Direktvergleich vs Liraglutid) vorgelegt worden, die dem Stand der Medizin entsprechend einen Vorteil in den anerkannten Surrogatparametern HbA1c-Senkung sowie Gewichtsreduktion für Semaglutid gezeigt hätten.
Nunmehr sei im vorliegenden Bescheid der Wert von Direktvergleichsdaten aus RCT-Studien plötzlich als nicht relevant gewürdigt worden. Der Dachverband habe in überraschender Weise, scheinbar willkürlich (da ohne Begründung), kardiovaskuläre Endpunkte als entscheidungswesentlich herangezogen und schlussendlich einen „indirekten Vergleich“ zu GLP-1-Agonisten auf Basis der Number needed to Treat (NNT) gefordert. Diese Vorgangweise sei überraschend, wissenschaftlich schwer nachvollziehbar und nicht ausreichend begründet. Daher liege in dieser Vorgangsweise ein weiterer Verstoß gegen Treu und Glauben vor, der einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt, denn hätte der Dachverband die wie bisher geforderten, vorgelegten RCT-Direktvergleichsstudien anerkannt, hätte er einen zusätzlichen Patienten- / Patientinnennutzen iS von § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO gegenüber den bisher im EKO gelisteten GLP-1-Agonisten anerkannt. Damit wäre das Preisangebot (Preisgleichheit zu XXXX ) jedenfalls als wirtschaftlich zu beurteilen und die verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten in den EKO aufzunehmen gewesen.
3.3. Begründungsmängel
Die Begründung in den angefochtenen Bescheiden seien in mehrerlei Hinsicht nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Sie entspreche daher nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Die Bescheide seien daher auch wegen der vorliegenden wesentlichen Begründungsmängel aufzuheben:
3.3.1. Fehlende Begründung für die Nichtberücksichtigung der Surrogatparamenter HbA1c, Gewichtsreduktion
Der Dachverband führe im Bescheid auf Seite 14 aus, dass die „kleine“ HbA1c-Veränderung keine klinische Relevanz hätte und dieser, für die Therapie entscheidende Wert wie auch die Gewichtsreduktion als Surrogatparamenter nicht per se patienten- / patientinnenrelevant seien (Bescheid Seite 19). Indem der Dachverband diese Surrogatparamenter als nicht „relevant“ bewerte, verneine er damit die Anerkennung eines relevanten Patienten- / Patientinnennutzens im Sinne von § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO.
Eine solche Begründung sowie ein Beweisanbot auf entsprechende Quellen und dahinterliegender Evidenz fehlen im vorliegenden Fall zur Gänze. Die Beschwerdeführerin sei bezogen auf die wichtige Frage der Relevanz von Surrogatparametern ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen und habe die aktuellen Richtlinien der ÖDG aus 2019 und internationale Guidelines zum Beweis für die klinische Relevanz und der wissenschaftlichen Anerkennung des HbA1c-Wertes sowie der Gewichtsreduktion im Verwaltungsverfahren vorgelegt. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Argumente und Kriterien seien daher objektiv und überprüfbar. Die vom Dachverband vorgebrachten Gegenargumente würden sich hingegen auf keine Quellen stützen und seien daher nicht objektivierbar. Es handle sich um bloße Behauptungen der Behörde, die noch dazu im Widerspruch zum allgemein anerkannten Stand der Medizin sowie Standard of Care stünden, der sich in den vorgelegten Guidelines oder Richtlinien ausdrücke.
Der genannte Begründungsmangel sei somit für die erforderliche Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Dachverbandes wesentlich, denn dieser Mangel führe dazu, dass die Beschwerdeführerin in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt sei und auch die übergeordnete Instanz die Überprüfung der Bescheide nicht entsprechender Weise durchführen könne. Nur wenn der Dachverband die Quellen, auf die er seine Behauptungen bezogen auf die Nicht-Relevanz der Surrogatparameter HbA1c-Wert sowie Gewichtsreduktion stütze, offenlege, könnten die Bescheide auf ihre Richtigkeit entsprechend überprüft werden. Solange dies nicht der Fall sei, würden die Bescheide an einem wesentlichen Begründungsmangel leiden, der zu einer Aufhebung führen müsse.
3.3.2. Keine Quellenangabe bezogen auf den Vergleich mit SGLT-2-Inhibitoren
Dasselbe gelte für den Vergleich mit SGLT-2-Inhibitoren, zu dem auf Seite 6 des Bescheides angeführt werde, dass für diese „Daten“ zu kardiovaskulären Endpunkten vorlägen und ihr Einsatz besonders bei Patienten / Patientinnen mit bestehender kardiovaskulärer Erkrankung sinnvoll sei. Daher sollte auch ein Vergleich mit SGLT-2-Inhibitoren durchgeführt werden. Die ins Treffen geführten „Daten“ zu kardiovaskulären Endpunkten würden nicht näher spezifiziert, auch werde nicht erklärt, warum in der medizinisch-therapeutischen Evaluation zu Semaglutid den kardiovaskulären Endpunkten ein derart hoher Stellenwert zugebilligt werde. Zu diesem Thema fänden sich in den Bescheiden immer wieder Hinweise, wie zB. dass „harte Endpunkte“ wünschenswert seien, es fehle jedoch jeglicher Hinweis auf die Quelle, auf die sich der Dachverband mit dieser Ansicht stütze und weshalb er diesem Aspekt der möglichen Bewertung von Diabetesprodukten nunmehr einen derart hohen Stellenwert zubillige.
Ebenso fehle im Bescheid jegliche Begründung, warum die vorgelegten österreichischen (ÖDG) sowie internationalen Guidelines zur Behandlung von Diabetes-Typ-2 für die Evaluation des Dachverbandes keine entsprechende Bedeutung haben. In diesen Guidelines werde beispielsweise bezogen auf die gewichtsreduzierenden Maßnahmen sogar eine Reihenfolge der jeweiligen GLP-1-Analoga festgelegt ( XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ). Warum der Dachverband nunmehr in der von ihm gewünschten Option der Zweitlinientherapie SGLT-2-Inhibitoren als Vergleichsprodukte heranziehe, sei nicht nachvollziehbar, da keine ausreichende Begründung geboten werde, warum Ärzte / Ärztinnen in der Zweitlinie anstatt der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten auf einen SGLT-2-Inhibitoren zurückgreifen würden. Auch führe der Dachverband keine Quellen an, die hier eine entsprechende Entscheidungsgrundlage erkennen lassen würden.
Hierdurch werde es sowohl der Beschwerdeführerin als auch dem übergeordneten Gericht unmöglich gemacht, den festgestellten Sachverhalt auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
3.4. Seitens der Beschwerdeführerin wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge
a) in der Sache selbst entscheiden und die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex zum nächstmöglichen Termin mit folgender Verschreibungsregel für die Wirkstoffstärken 0,5 mg und 1 mg (Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
• Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
• Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
• Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
• Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
• Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
• Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
• Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
• Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
• Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.
• Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
für die Wirkstoffstärke 0,25 mg (Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
• Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
• Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
• Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
• Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
• Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
• Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
• Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
• Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
• Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.“
und folgendem Preis auf Basis des Listen-Fabriksabgabepreises:XXXX XXXX XXXX inklusive dem angebotenen PM des Unternehmens mit entsprechenden Rabatten auf einen rabattierten FAP von EUR XXXX wie im Angebot vom 14.2.2020 inklusive der formulierten Bedingungen ausgeführt, verfügen;
b) in eventu die angefochtenen Bescheide des Dachverbandes der Österreichischen Sozialversicherung vom 31.03.2020 zu Zl.VPM-68.1 /20/Sk:Hi:Btm/Pba Abschnitt IV/4753-2019 betreffend den Antrag auf Aufnahme der Arzneispezialität XXXX in den Erstattungskodex vom 17.10.2019 zur Gänze aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Dachverband der österreichischen Sozialversicherung zurückverweisen.
4. Mit 29. Mai 2020 übermittelte der Dachverband seine Stellungnahme zu den Beschwerden.
5. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 wurde den Verfahrensparteien mitgeteilt, dass eine Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Grund der gesetzten Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie nicht zeitnahe stattfinden könne. Unbeschadet des Antrags der Beschwerdeführerin auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden die Verfahrensparteien im schriftlichen Wege aufgefordert, an den notwendigen Ermittlungen mitzuwirken, dem Senat Studien zu übermitteln und folgende Fragen zu beantworten:
„Fragen an beide Verfahrensparteien:
Die Beschwerdeführerin hat ursprünglich die Aufnahme von XXXX in den Gelben Bereich des EKO als „Zweitlinientherapie“ beantragt, mit dem Zusatz RE2 (siehe Stammdaten). Mit Schreiben vom 17.1.2020 wurde die Verwendung auf „Drittlinientherapie“ mit dem Zusatz RE1 modifiziert. Mit Schreiben vom 14.2.2020 wurde auch ein Alternativanbot zur „Zweitlinientherapie“ mit dem Zusatz RE2 gelegt.
1. Wird außer Streit gestellt, dass die therapeutischen Alternativen gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO als Grundlage für die medizinisch-therapeutische bzw. gesundheitsökonomische Evaluation für die Verwendung als „Drittlinientherapie“ die im EKO angeführten GLP-1-Agonisten Liraglutid ( XXXX ), Exenatid ( XXXX ) und Dulaglutid ( XXXX ) sind, insbesondere die 1x wöchentlich zu verabreichenden Formen?
2. Wird außer Streit gestellt, dass für die Anwendung als „Zweitlinientherapie“ (RE2) aufgrund der zugelassenen Indikation und der im EKO angeführten (den Anträgen gleichlautenden) bestimmten Verwendung auch SGLT-2-Inhibitoren mit nachgewiesenem Nutzen hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte als Vergleichsprodukte heranzuziehen sind?
in eventu: Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die Auswahl der therapeutischen Alternativen bestreitet und dies aufrecht erhält: Ausgehend von der beantragten bestimmten Verwendung in der „Zweitlinientherapie“ (gleichlautend mit den SGLT-2-Inhibitoren) und dem Umstand, wonach die sonstigen GLP-1-Agonisten derzeit als „Drittlinientherapie“ im EKO gelistet sind, wären nach Ansicht der Verfahrensparteien welche im EKO gelisteten Arzneispezialitäten für die medizinisch-therapeutische Evaluation (unter Berücksichtigung der Patienten-/Patientinnengruppe und Indikation der bestimmten Verwendung) heranzuziehen?
3. Ist aus den aktuell verfügbaren Versionen von Guidelines zur Behandlung der Typ-2-Diabetes, die von der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin zitiert wurden, ein Ranking der GLP-1-Agonisten hinsichtlich des therapeutischen Nutzens abzuleiten?
4. Wird außer Streit gestellt, dass es sich bei dem vom Dachverband angewandten ATC-Code-System um das Klassifizierungssystem der WHO handelt?
5. Wird außer Streit gestellt, dass in Österreich gemäß § 351c Abs. 6 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 die Preiskommission (§ 9 Abs. 3 Preisgesetz 1992, BGBl. Nr. 189/1955) für die Zwecke der Preisfestsetzung einer Arzneispezialität im Rahmen des roten und gelben Bereichs des Erstattungskodex sowie für nicht im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten gemäß § 351c Abs. 9a ASVG aus den Preisen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Durchschnittspreis der EU zu ermitteln hat? Wird weiters außer Streit gestellt, dass Informationen über den Erstattungsstatus in „Europäischen Mitgliedstaaten“ [sic] wie Albanien und Serbien (Beschwerde, S.3-4) für den verfahrensgegenständlichen Fall nicht relevant sind?
6. Wird außer Streit gestellt, dass es sich bei dem für Deutschland genannten „effektiven Preis“ von XXXX EUR (Beschwerde, S. 3-4 und S. 16) um den Listen-FAP abzüglich des gesetzlichen Herstellerrabatts von 7 % handelt und nicht um den effektiven Preis (FAP), da dieser auf Grund von vertraulichen Rabatten und ähnlichen Vereinbarungen (in Österreich „Preismodell“ bezeichnet) zwischen dem Unternehmen und den Krankenkassen niedriger sein kann?
Die belangte Behörde hat der bestimmten Verwendung (RE1) für die Drittlinientherapie zugestimmt, in der festgelegt wird, dass die Behandlung erst ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen und nur bei einer Reduktion dieses Wertes um 1 % nach 6-monatiger Therapie fortgesetzt werden darf. Dem HbA1c-Wert kommt somit offensichtlich entscheidende Bedeutung für die Einleitung und Fortsetzung der Therapie zu. Allerdings beurteilt die belangte Behörde den zusätzlichen Nutzen von XXXX im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen anhand der Verminderung kardiovaskulärer Endpunkte (Major Adverse Cardiovascular Events, MACE) und bezeichnet Gewichtsreduktion und HbA1c-Senkung als „nicht patienten- / patientinnenrelevant“.
7. Haben Gewichtsreduktion und HbA1c-Senkung einen zusätzlichen patienten-/ patientinnenrelevanten Nutzen über die Senkung der MACE-Rate hinaus? Wie wird die Evidenzlage zu dieser Frage eingeschätzt?
8. Für welche patienten-/patientinnenrelevanten Endpunkte (mikrovaskuläre bzw. makrovaskuläre Folgekomplikationen) betrachtet die belangte Behörde bzw. die Beschwerdeführerin den HbA1c-Wert als valides Surrogat?
Frage an die Beschwerdeführerin:
In der Stellungnahme des Unternehmens zur vorläufigen Feststellung der belangten Behörde wird der indirekte Vergleich von placebokontrollierten klinischen Studien mit GLP-1-Agonisten hinsichtlich kardiovaskulärer Endpunkte anhand der Number Needed to Treat (NNT) pro Jahr vorgenommen. Die Berechnung des Unternehmens wird von der belangten Behörde als nicht aussagekräftig angesehen, weil sie einerseits kein Bestimmtheitsmaß enthält und andererseits die unterschiedlichen Beobachtungszeiten der Studien nicht adäquat berücksichtigt. Insbesondere könne es aufgrund der kürzeren Dauer zu einer Überschätzung des Nutzens von Semaglutid in der SUSTAIN-6-Studie (Klinische Studie 1 im Antrag) gekommen sein.
9. Warum wurde keine statistische Berechnung nach modernen, anerkannten Methoden vorgelegt?
Fragen an die belangte Behörde:
In direkten Vergleichsstudien mit anderen GLP-1-Agonisten (SUSTAIN-3, SUSTAIN-7, SUSTAIN-10) wurden unter Semaglutid ETD- (Estimated Therapeutic Difference) Werte für HbA1c von-0,6 % (vs. Exenatid), -0.4 % (vs. Dulaglutid) und -0,7 % (vs. Liraglutid) gemessen. Diese werden von der belangten Behörde wie folgt bewertet „…die kleinen Unterschiede (sind) im Vergleich zu den obigen harten klinischen Endpunkten von geringer klinischer Relevanz“. Hingegen wird im EPAR (Seite 98) der Unterschied zu Exenatid als „clinically relevant“ bezeichnet.
10. Wird die Differenz in der HbA1c-Senkung mit Semaglutid vs. Exenatid bzw. Dulaglutid als grundsätzlich klinisch nicht relevant angesehen?
11. Wird die Differenz aufgrund des Ausmaßes (-0,4 %, -0,6 %, und -0,7 %) als „von geringer klinischer Relevanz“ angesehen?
12. Welche Absenkung des HbA1c-Wertes (ETD-Wert in %) wäre erforderlich, um von der belangten Behörde als „größerer“ Unterschied beurteilt zu werden?
13. Mit welcher Begründung wird die Gewichtsveränderung von der belangten Behörde als Surrogatparameter und „im Vergleich zu den harten kardiovaskulären Endpunkten von geringer Patientenrelevanz“ eingestuft?
Fragen an beide Verfahrensparteien:
Die Beschwerdeführerin moniert in ihrer Beschwerde Vertragsklauseln in Zusammenhang mit einem in Aussicht gestellten „Preismodell“.
14. Welche Rechtsnatur kommt einem Preismodell nach Ansicht der belangten Behörde bzw. der Beschwerdeführerin grundsätzlich zu (verwaltungsrechtlicher Vertrag – privatrechtliche Vereinbarung)?
15. Ist der Abschluss eines Preismodells vom Ermessen des Dachverbandes (und sodann des Bundesverwaltungsgerichtes) bei Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex im Sinne der Bestimmungen des ASVG und der VO-EKO mit umfasst?
16. Auf welcher Rechtsgrundlage basiert ein „Preismodell“?
17. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für Dachverband und Unternehmen grundsätzlich, Klauseln eines „Preismodells“ anzufechten?
18. Zur Besonderheit der Klauseln über eine „automatischen Streichung“: auf welcher Rechtsgrundlage würde eine solche Streichung aus dem EKO basieren, und wie würde die Kundmachung einer derartigen Streichung erfolgen? Welcher Rechtsbehelf stünde einem betroffenen Unternehmen in so einem Fall zur Verfügung?
7. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Dachverband übermittelten dem Bundesverwaltungsgericht die geforderten Studien, die Beantwortung der an sie gerichteten Fragen und replizierten zur Stellungnahme der anderen Verfahrenspartei. Die Beschwerdeführerin zog im Rahmen ihrer Replik den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zurück; der Dachverband verzichtete anlässlich seiner Stellungnahme ebenfalls auf die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
8. In ihrer Replik zur Stellungnahme des Dachverbandes zog die Beschwerdeführerin ihre Beschwerden in Bezug auf die Zweitlinientherapie zurück. Im Übrigen wurden die Beschwerden vollinhaltlich aufrecht gehalten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Einstellung der Verfahren in Bezug auf die „Zweitlinientherapie“:
1.1.1. Mit Eingabe vom 17. Oktober 2019 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten in den Gelben Bereich des Erstattungskodex. Die Aufnahme der beschwerdegegenständlichen Arzneispezialitäten wurde von der Beschwerdeführerin mit folgenden bestimmten Verwendungen beantragt:
für die Wirkstoffstärken 0,5 mg und 1 mg (Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
„Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
Regelmäßige HbA1c - Bestimmungen sind durchzuführen.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
für die Wirkstoffstärke 0,25 mg (Zweitlinientherapie, Gelber Bereich, RE2):
„Die Behandlung hat nur als Second-line-Therapie zu erfolgen.
Die Behandlung darf erst ab einem HbA1c größer 7 begonnen werden.
Kein Einsatz bei terminaler Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 15 ml/min).
Regelmäßige HbA1c -Bestimmungen sind durchzuführen.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulinen eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.“
1.1.2. Mit Eingabe vom 14. Februar 2020 wurden die Anträge in Bezug auf die bestimmten Verwendungen modifiziert und alternativ bestimmte Verwendungen in einer „Drittlinientherapie“ beantragt.
1.1.3. Mit den im Spruch genannten angefochtenen Bescheiden wurden sowohl über die Anträge auf Aufnahme der Arzneispezialitäten in den EKO in einer „Zweitlinientherapie“ als auch in einer „Drittlinientherapie“ entschieden und gegen diese fristgerecht die verfahrensgegenständlichen Beschwerden erhoben.
1.1.4. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2021 wurde seitens der Beschwerdeführerin bekannt gegeben, dass sämtliche Beschwerdepunkte, die sich auf eine Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten in der „Zweitlinientherapie“ beziehen, zurückgezogen werden. Alle Beschwerdepunkte, die sich auf die Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten in der „Drittlinientherapie“ beziehen, werden aufrecht gehalten.
1.2. Zur Abweisung der Beschwerden in Bezug auf die „Drittlinientherapie“:
1.2.1. Die im Spruch genannten Arzneispezialitäten wurde mit Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 8. Februar 2018 zentral zugelassen und sind im Arzneimittelregister der Gemeinschaft mit folgender Nummer eingetragen: EU/1/17/1251.
Die im Spruch genannten Arzneispezialitäten werden (laut Fachinformation) zur Behandlung des unzureichend kontrollierten Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen als Zusatz zu Diät und körperlicher Aktivität
einerseits zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung des Diabetes mellitus
und
andererseits als Monotherapie angewendet, wenn die Anwendung von Metformin aufgrund einer Unverträglichkeit oder Kontraindikationen ungeeignet ist.
1.2.2. Mit Eingabe vom 17. Oktober 2019, modifiziert mit 14. Februar 2020, beantragte die Beschwerdeführerin die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialitäten (mit dem Wirkstoff Semaglutid) in den Gelben Bereich des Erstattungskodex. Die beantragten Arzneispezialitäten wurden von der Beschwerdeführerin gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO („Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip“) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO („Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen“) eingestuft. Die Aufnahme wurde zu einem Listen-FAP von XXXX EUR für alle Wirkstoffstärken mit einem verwendungsabhängigen Refundierungsmodell und folgenden nunmehr beschwerdegegenständlichen bestimmten Verwendungen beantragt:
für die Wirkstoffstärken 0,5 mg und 1 mg (Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch Fachärztinnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.
Semaglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
für die Wirkstoffstärke 0,25 mg (Drittlinientherapie, Gelber Bereich, RE1):
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
Die Behandlung mit Semaglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
Semaglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Insulin eingesetzt werden.
Semaglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT-2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
Semaglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min oder eGFR unter 30 ml/min/1,73 m2) oder terminaler Niereninsuffizienz.“
1.2.3. Die beschwerdegegenständlichen Arzneispezialitäten enthalten den Wirkstoff Semaglutid. Dieser ist vom Wirkmechanismus her ein sogenannter GLP-1-Agonist, d.h. er wirkt im Körper wie das körpereigene Glucagon-Like-Peptide 1 (GLP-1). GLP-1 stimuliert glukoseabhängig die Insulinsekretion, hemmt die Freisetzung von Glukagon aus den Inselzellen des Pankreas und senkt den Blutzuckerspiegel.
Im Gelben Bereich des Erstattungskodex sind bereits GLP-1-Agonisten angeführt, nämlich Exenatid ( XXXX ), Dulaglutid ( XXXX ) und Liraglutid ( XXXX ).
1.2.4. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialitäten aus pharmakologischer Sicht wird wie folgt festgestellt: Die im Spruch genannten Arzneispezialitäten haben einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip.
1.2.5. Ausgehend von der beantragten Verwendung der im Spruch genannten Arzneispezialitäten stellen die folgenden vergleichbaren, im Gelben Bereich des EKO angeführten Arzneispezialitäten therapeutische Alternativen dar:
XXXX XXXX XXXX
1.2.6. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten im Vergleich zu den im Gelben Bereich gelisteten vergleichbaren Arzneispezialitäten (therapeutischen Alternativen) einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl oder für eine Untergruppe von Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, nachgewiesen hat.
Die im Spruch genannten Arzneispezialitäten sind eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Vergleich zu den im EKO gelisteten GLP-1-Agonisten.
1.2.7. Basierend auf dem mit dem Antrag genannten Listen-FAP kann nicht festgestellt werden, dass die Behandlungskosten mit den beantragten Arzneispezialitäten ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit den im Gelben Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialitäten liegen würden.
1.3. Zum Beschluss über die Anträge in Bezug auf den Abschluss eines Preismodells und Prüfung von „Standardpassagen“:
Vereinbarungen über Preismodelle stellen privatrechtliche Verträge zwischen dem vertriebsberechtigten Unternehmen und dem dabei nicht hoheitlich agierenden Dachverband der Sozialversicherungsträger dar. Die in diesem Zusammenhang vorgelegten „Standardpassagen“ sind „Vertragsformblätter“ im Sinne des ABGB.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den Beschlüssen betreffend die Einstellung der Verfahren in Bezug auf die Zweitlinientherapie und die Zurückweisung der Anträge in Bezug auf das angebotene Preismodell und Prüfung der „Vertragsklauseln“ ergeben sich aus den Verfahrensakten und den eingelangten Stellungnahmen und Repliken. Im Übrigen wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
Die angeführten Feststellungen zu den beschwerdegegenständlichen Anträgen auf Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten in Drittlinientherapie ergeben sich aus den Verfahrensakten, Einsichtnahme in die Fachinformationen und in den Erstattungskodex, Einsichtnahme in die vorgelegten Studien und den Ergebnissen der Fragebeantwortungen durch die Verfahrensparteien und deren Repliken.
2.1. Allgemeines:
2.1.1. Wirkstoff Semaglutid
Die beschwerdegegenständlichen Arzneispezialitäten enthalten den Wirkstoff Semaglutid. Dies ist vom Wirkmechanismus her ein sogenannter GLP-1-Agonist, d.h. er wirkt im Körper wie das körpereigene Glucagon-Like-Peptide 1 (GLP-1). GLP-1 stimuliert glukoseabhängig die Insulinsekretion, hemmt die Freisetzung von Glukagon aus den Inselzellen des Pankreas und senkt den Blutzuckerspiegel. GLP-1 und Analoga vermindern den Hunger, steigern das Sättigungsgefühl, vermindern dadurch die Energieaufnahme und können so zu Gewichtsverlust führen (European Public Assessment Report [EPAR], 14.12.2017 EMA/CHMP/715701/2017). Daher werden GLP-1-Agonisten zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt.
2.1.2. Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2
Das primäre Ziel der Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 ist die Vermeidung oder Verzögerung des Entstehens von Komplikationen und die Erhaltung der Lebensqualität (Davies, M.J., D’Alessio, D.A., Fradkin, J. et al., Management of hyperglycaemia in type 2 diabetes, 2018. A consensus report by the American Diabetes Association [ADA] and the European Association for the Study of Diabetes [EASD]. Diabetologia 61, 2461–2498 [2018]. https://doi.org/10.1007/s00125-018-4729-5 ). Die gravierendsten Komplikationen sind kardiovaskuläre Erkrankungen, welche bei Patienten / Patientinnen mit Diabetes mellitus Typ 2 häufiger sind als in der Bevölkerung ohne Diabetes mellitus Typ 2 und die häufigste Todesursache darstellen. Risikofaktoren für kardiovaskuläre Komplikationen sind erhöhter Blutdruck, erhöhte Blutfette und eine erhöhte Glukosekonzentration im Blut (Hyperglykämie). Daher werden bei Bedarf medikamentöse Interventionen (Antihypertensiva, lipidsenkende Medikamente und Antidiabetika) eingesetzt, um diese Risikofaktoren zu senken.
2.1.3. Therapieziele und Therapieführung
Die Überwachung der Diabetestherapie erfolgt – neben dem Gespräch mit Patienten / Patientinnen und der körperlichen Untersuchung anhand von Labor- und anderen Messparametern: zB. Blutdruck, Lipidprofil, Blutzucker (akut als Glukosekonzentration im Blut gemessen). Zur Therapieführung und -kontrolle und um festzustellen, ob eine Intensivierung der Therapie notwendig ist, wird der Anteil an glykiertem Hämoglobin (HbA1c, Hämoglobin A mit daran gebundenen Zuckermolekülen) herangezogen. Ein häufig empfohlener Zielwert ist ein Wert unter 7 %; der Zielwert ist jedoch abhängig von individuellen Faktoren wie Komorbiditäten und Lebenserwartung. Wird das Therapieziel mit einer Arzneispezialität (das ist in der Regel zunächst Metformin) nicht erreicht, kann die Dosis erhöht oder eine Kombination mit einem oder mehreren anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln vorgenommen werden.
2.2. Stellenwert von GLP-1-Agonisten im EKO:
Im Gelben Bereich des Erstattungskodex sind bereits GLP-1-Agonisten angeführt, nämlich Exenatid ( XXXX ), Dulaglutid ( XXXX ) und Liraglutid ( XXXX ). Für XXXX ist die Beschwerdeführerin das vertriebsberechtige Unternehmen. Für die derzeit erstatteten GLP-1-Agonisten werden im Gelben Bereich des Erstattungskodex folgende, weitgehend übereinstimmenden Voraussetzungen (RE1) für die Kostenübernahme angeführt, zB. für Liraglutid:
„Bei PatientInnen mit Diabetes Typ II
• Die Behandlung mit Liraglutid hat nur als Drittlinien-Therapie nach Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten mit kostengünstigeren, oralen Erst- und Zweitlinien-Therapien aus dem EKO im Grünen und Gelben Bereich (ATC-Codes A10BA02, A10BB, A10BX02, A10BD, A10BG, A10BH, A10BK) zu erfolgen.
• Die Therapie darf nur ab einem HbA1c-Wert von 8,0 % begonnen werden.
• Die Behandlung darf nur ab einem Body Mass Index von 30 kg/m2 begonnen werden.
• Erstverordnung nur durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Erfahrung auf dem Gebiet der Diabetes-Behandlung oder durch spezialisierte Zentren.
• Angabe von Ausgangsgewicht, -BMI und -HbA1c bei Therapiebeginn. Die Therapie wird nach 6 Monaten evaluiert, dabei muss eine Reduktion des HbA1c um 1 % und eine Gewichtsreduktion um mindestens 3 kg gegenüber dem Ausgangswert bei Therapiebeginn erreicht werden.
• Liraglutid darf nur in Kombination mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff, einem Thiazolidindion und/oder Basalinsulin eingesetzt werden.
• Liraglutid darf nicht mit DPP-IV-Hemmern, SGLT2-Hemmern oder Gliniden kombiniert werden.
• Liraglutid darf nicht als Monotherapie eingesetzt werden.
• Kein Einsatz bei schwerer Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min) oder terminaler Niereninsuffizienz.
• Liraglutid eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6).“
Die nunmehr beschwerdegegenständliche bestimmte Verwendung für die beantragte Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten in den EKO stimmt mit diesen überein.
2.3. Pharmakologische Evaluation - Innovationsgrad:
Die beschwerdegegenständlichen Arzneispezialitäten enthalten den Wirkstoff Semaglutid. Dies ist vom Wirkmechanismus her ein sogenannter GLP-1-Agonist. Im Gelben Bereich des Erstattungskodex sind bereits GLP-1-Agonisten angeführt.
Es wurde seitens beider Verfahrensparteien außer Streit gestellt, dass die im Spruch genannten Arzneispezialitäten einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip haben.
2.4. Pharmakologische Evaluation – Auswahl der therapeutischen Alternativen:
Ebenfalls außer Streit gestellt wurde seitens der Verfahrensparteien die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation.
Demnach sind die bereits im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten GLP-1-Agonisten Exenatid ( XXXX ), Dulaglutid ( XXXX ) und Liraglutid ( XXXX ) mit folgenden Dosierungen als therapeutische Alternativen heranzuziehen:
2.5. Medizinisch-therapeutische Evaluation:
Unstrittig ist, dass die im Spruch genannten Arzneispezialitäten grundsätzlich die Eintrittsvoraussetzungen in den Gelben Bereich des EKO erfüllen.
Strittig im Beschwerdeverfahren ist, ob Semaglutid im Vergleich zu anderen, im EKO gelisteten GLP-1-Agonisten, einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen hat. Die Beschwerdeführerin stufte die im Spruch genannten Arzneispezialitäten in den Anträgen gemäß § 24 Abs. 2 Ziffer 4 VO-EKO ein, der Dachverband bestreitet dies jedoch und stufte XXXX gemäß Ziffer 2 ein. Die Einstufung basiert auf der vorhandenen klinischen Evidenz und ist entscheidend für die Feststellung, ob der von der Beschwerdeführerin in ihren Anträgen angebotene Preis wirtschaftlich ist.
2.5.1. Kardiovaskuläre Ereignisse (Major Adverse Cardiovascular Events)
Primär ist zu eruieren, ob Semaglutid hinsichtlich der Verminderung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod (Major Adverse Cardiovascular Events [MACE]) den Vergleichsprodukten überlegen ist.
2.5.1.1. Vorhandene Evidenz
Eine Verminderung oder Nicht-Erhöhung des kardiovaskulären Risikos durch Antidiabetika wurde sowohl für Semaglutid als auch für die Vergleichsprodukte anhand von Endpunktstudien (Cardiovascular Outcomes Trials) nachgewiesen. Diese Studien (SUSTAIN-6, LEADER, REWIND und EXSCEL) wurden jedoch allesamt gegen Placebo durchgeführt. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Dachverband haben daher indirekte Vergleiche vorgenommen, um die oben gestellte Frage zu beantworten.
2.5.1.2. Indirekte Vergleiche durch die Beschwerdeführerin und den Dachverband
Die Beschwerdeführerin wählte für ihre eigenen Berechnungen den Parameter „3-MACE“, d.h. den kombinierten Endpunkt aus nicht-tödlichem Herzinfarkt, nicht-tödlichem Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod. Die Berechnungsmethode bestand aus einem deskriptiven Vergleich der Ereignisraten bzw. der daraus abgeleiteten „Number Needed to Treat“ (NNT). Diese Zahl gibt an, wie viele Patienten / Patientinnen im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden müssen, um ein „3-MACE“-Ereignis zu verhindern. Da die Studien eine jeweils unterschiedliche Behandlungsdauer aufweisen, wurden die Ereigniszahlen von der Beschwerdeführerin durch die Studiendauer dividiert, um einen NNT-Wert pro Jahr zu errechnen. Die Beschwerdeführerin rechtfertigt diese Methode damit, dass der Dachverband diese selbst anlässlich der Aufnahme in den Erstattungskodex eines anderen Produkts des Unternehmens angewendet habe, was im Übrigen vom Dachverband bestritten wird.
Diese Berechnungsmethode wurde vom Dachverband aus folgenden Gründen nicht anerkannt:
Die Beschwerdeführerin führe kein Bestimmtheits- oder Streuungsmaß an, sodass unklar bleibe, ob die unterschiedlichen NNT/Jahr-Werte auf tatsächlichen Unterschieden beruhen oder zufallsbedingt unterschiedlich seien.
Die von der Beschwerdeführerin verwendete vereinfachte Berechnung berücksichtige die unterschiedliche Studiendauer nicht adäquat, der vorgelegte deskriptive indirekte Vergleich der berechneten Werte (NNT/Jahr) aus Studien unterschiedlicher Dauer führe potentiell zu irreführenden Ergebnissen (zur Überschätzung der Wirksamkeit von Semaglutid) und bilde somit keinen aussagefähigen Nachweis eines therapeutischen Zusatznutzens. Eine anerkannte Berechnungsmethode für indirekte Vergleiche wie zB. die Methode nach Bucher sei nicht angewendet worden.
Der Dachverband stellte zusätzlich eigene Berechnungen an, die beim Vergleich von Semaglutid mit den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten keine statistisch signifikanten Unterschiede ergeben.
2.5.1.3. Ergebnis der Erwägungen des Senates
Die Feststellung des Dachverbandes, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Berechnungen nicht valide und potentiell irreführend sind, ist nachvollziehbar. Die vorgelegten Berechnungen entsprechen nicht den heute bestehenden wissenschaftlichen Anforderungen an indirekte Vergleiche der therapeutischen Wirksamkeit in klinischen Studien. Streuungsmaße sind unerlässlich für eine statistisch gesicherte Beurteilung von Ergebnissen klinischer Studien.
Ein aussagekräftiger indirekter Vergleich der relevanten Endpunkte (3-MACE) wurde vom Dachverband anhand der Hazard Ratios (HR), einem von der Studiendauer weitgehend unabhängigen Schätzwert für das Ereignisrisiko und damit für die Wirksamkeit der untersuchten Therapie, durchgeführt (Bescheide Seiten 19 bis 21).
Aus der graphischen Gegenüberstellung der einzelnen HR-Werte in der Abbildung 1 auf Seite 21 der Bescheide ist offensichtlich, dass sich die 95 %-Vertrauensbereiche (Konfidenzintervalle) von Semaglutid mit denen der Vergleichspräparate überschneiden und somit ein statistisch signifikanter Unterschied der HR-Mittelwerte nicht zu entnehmen ist. Daraus folgt, dass die tatsächliche Wirksamkeit von Semaglutid in einer ähnlichen Größenordnung liegt wie die der therapeutischen Alternativen.
Weitere vom Dachverband berechnete indirekte quantitative Vergleiche mit den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten (studienübergreifende Vergleiche unter Verwendung des gemeinsamen Placebo-Brückenkomparators, siehe Bescheide Seite 21) zeigen keine statistisch gesicherten Unterschiede zwischen Semaglutid und den therapeutischen Alternativen hinsichtlich des „3-MACE“-Endpunkts.
Die Darstellung der HR-Werte durch den Dachverband in der genannten Abbildung 1 und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sowie die vom Dachverband vorgenommene statistische Prüfung der indirekten Vergleiche mit den therapeutischen Alternativen über den Brückenkomparator Placebo wurden von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt. Es wurde lediglich angemerkt, dass ihre Darstellung der NNT/Jahr „nur eine Einschätzung des Effektes der jeweiligen Substanz …“ sein sollte. Diese Einschätzung ergibt jedoch bei Berücksichtigung der Streuungsmaße eben keinen statistisch gesicherten Unterschied zwischen Semaglutid und den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten hinsichtlich des therapeutischen Nutzens.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Dachverband anhand eigener, nach wissenschaftlich akzeptierten Methoden durchgeführter statistischer Berechnungen den nachvollziehbaren Schluss zieht, dass Semaglutid einen ähnlichen Nutzen im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen aufweist.
2.5.2. Surrogatparameter
Weiters ist der Frage nachzugehen, wie die vergleichsweise stärkere Senkung der Surrogatparameter HbA1c und Körpergewicht durch Semaglutid hinsichtlich des therapeutischen Nutzens zu bewerten ist.
Surrogatparameter sind in der Regel patientenbezogene Messwerte, die häufig im Rahmen einer Nutzenbewertung als Ersatz für patientenrelevante Endpunkte verwendet werden. Surrogatendpunkte sind allerdings in dieser Hinsicht nicht immer verlässlich. Anhand geeigneter Surrogatendpunkte kann die Wirkung einer therapeutischen Intervention gemessen werden. Diese Wirkung (zB. Blutzuckersenkung) kann mit dem Nutzen für Patienten / Patientinnen (zB. Verhinderung von kardiovaskulären Komplikationen) korrelieren, ohne dass eine gesicherte kausale Beziehung besteht. Daher müssen Surrogatparameter validiert werden, d.h. es muss der Nachweis erbracht werden, dass eine Änderung des Surrogatparameters Rückschlüsse auf Änderungen eines patientenrelevanten Endpunktes (zB der kardiovaskulären Ereignisse) ermöglicht. So wird beispielsweise in den EMA-Guidelines festgehalten, dass die Risikoreduktion für makrovaskuläre Komplikationen (Schlaganfall, Herzinfarkt) durch Normalisierung oder nahezu Normalisierung des Blutzuckerspiegels (beurteilt anhand der Veränderungen des Surrogatparameters HbA1c ) weniger gesichert ist als die Risikoreduktion für mikrovaskuläre Komplikationen (Augen, Nieren, Nervensystem) (https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/guideline-clinical-investigation-medicinal-products-treatment-prevention-diabetes-mellitus-revision_en.pdf , Guideline on clinical investigation of medicinal products in the treatment or prevention of diabetes mellitus). Das Deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) anerkennt den HbA1c-Wert nur bei Diabetes Typ 1 als ausreichend validen Surrogatendpunkt und nur für mikrovaskuläre Folgekomplikationen (https://www.iqwig.de/download/a19-37_dapagliflozin_kurzfassung_nutzenbewertung-35a-sgb-v_v1-0.pdf?rev=184578 ).
Dass die beobachtete Senkung des HbA1c-Werts als Surrogatparameter für eine Risikoverminderung kardiovaskulärer Komplikationen problematisch ist, sieht man am Beispiel des Wirkstoffs Rosiglitazon. Dieses Antidiabetikum senkt zwar Blutzucker und HbA1c, aber widersprüchliche Daten hinsichtlich der kardiovaskulären Sicherheit (vor allem Hinweise auf erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz und Myokardinfarkt) haben zu einer Aufhebung seiner EU-Zulassung im Jahr 2010 geführt (Blind, E., Dunder, K., de Graeff, P.A. et al., Rosiglitazone: a European regulatory perspective. Diabetologia 54, 213-218 [2011]. https://doi.org/10.1007/s00125-010-1992-5 ; https://www.ema.europa.eu/en/documents/public-statement/public-statement-avandia-expiry-marketing-authorisation-european-union_en.pdf ). Im Fall Rosiglitazon ist die Blutzuckersenkung (beurteilt anhand der Senkung des HbA1c-Wertes) offensichtlich nicht mit einer Verminderung des kardiovaskulären Risikos assoziiert. In diesem Zusammenhang wurden von maßgeblichen Zulassungsbehörden (U.S. Food and Drug Administration [FDA]; European Medicines Agency [EMA]) Leitlinien für neue Antidiabetika veröffentlicht, denen zufolge anhand von Endpunktstudien nachgewiesen werden soll, dass das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nicht erhöht ist. In der Folge wurden mit einer Reihe von neu entwickelten antidiabetischen Wirkstoffen (auch mit Semaglutid SUSTAIN-6) kontrollierte kardiovaskuläre Endpunktstudien durchgeführt, die für die evidenzbasierte Bewertung des Patienten- / Patientinnennutzens der betreffenden Arzneispezialitäten maßgeblich sind (siehe Punkt 2.5.1.).
2.5.2.1. Direkte Vergleiche anhand des Surrogatparameters HbA1c
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Nachweis einer stärkeren Senkung von HbA1c und des Körpergewichts durch Semaglutid im Vergleich zu den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten in direkten Vergleichsstudien nachgewiesen worden sei, und dass dies einen patienten- / patientinnenrelevanten Zusatznutzen darstelle.
Die Beschwerdeführerin legte direkte Vergleichsstudien von Semaglutid mit den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten vor, in denen die Senkung von HbA1c und Körpergewicht durch Semaglutid statistisch signifikant stärker war als durch das jeweilige Vergleichsprodukt (SUSTAIN-7, SUSTAIN-3 und SUSTAIN-10). Diese Überlegenheit wird vom Dachverband bestätigt. Allerdings wird zutreffend festgehalten, dass die in der SUSTAIN-10-Studie verwendete Dosis von Liraglutid (1,2 mg/Woche) zu niedrig war. Sie entspricht weder der durchschnittlich verwendeten Dosierung von Liraglutid in Österreich (ca. 1,5 mg), noch der höchsten empfohlenen Dosierung (1,8 mg) von Liraglutid, während die Dosierung von Semaglutid der empfohlenen Höchstdosis entspricht. Zum Vergleich von Semaglutid mit Exenatid in der SUSTAIN-3 Studie wird im EPAR festgestellt, dass hier zwar eine stärkere Wirkung von Semaglutid gezeigt wurde, die Wirkung von Exenatid allerdings geringer war als in anderen Studien (EPAR, Seite 101).
Da der HbA1c-Wert die Effektivität der blutzuckersenkenden Medikation misst, wird er zur Therapieführung herangezogen (siehe Punkt 2.1.3.). Die Blutzuckerkontrolle ist jedoch nur ein mittelbares Ziel. Die unter Semaglutid beobachtete stärkere HbA1c-Senkung ist offensichtlich auf eine stärkere Senkung des Blutzuckers zurückzuführen. Dass aber die stärkere HbA1c-Senkung per se einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen darstellt, wird vom Dachverband und anderen unabhängigen Institutionen bestritten (siehe dazu auch die weiter unten folgende internationale Übersicht). Der eigentliche therapeutische Nutzen, nämlich die Senkung des kardiovaskulären Risikos, wird erst anhand von Endpunktstudien im direkten Vergleich (zumeist mit Placebo) quantifiziert; diesbezüglich ist der Argumentation des Dachverbandes zu folgen. Selbst die Autoren / Autorinnen der SUSTAIN-6-Studie schreiben „It is also unknown to what extent the greater glycated hemoglobin reductions in the semaglutide group contributed to the results".
Die Auswirkung einer stärkeren HbA1c-Senkung durch Semaglutid auf mikrovaskuläre Komplikationen (Schäden an Augen, Nerven und Nieren infolge Schädigung der kleinen Blutgefäße) ist nach dem derzeitigen Wissensstand nicht quantifizierbar. So wurde in der Studie SUSTAIN-6 für Semaglutid eine höhere Rate an Augenschäden, vor allem bei Patienten / Patientinnen mit vorbestehender Retinopathie und Insulintherapie im Vergleich mit Placebo festgestellt. Die EMA bezeichnet die Tatsache, dass das Risiko für Retinopathie im Laufe der kardiovaskulären Endpunktstudie nicht abnahm, als „worrisome“ (EPAR, Seite 148). Es wurde eine randomisierte klinische Studie begonnen, um die Langzeiteffekte von Semaglutid auf das Fortschreiten der diabetischen Retinopathie zu evaluieren (EPAR, Seite 136). Mit diesbezüglichen Ergebnissen ist frühestens 2026 zu rechnen (Laut Datenbank Clinicaltrials.gov: NCT03811561). Die Zusammenfassung der Produkteigenschaften (Fachinformation) enthält unter Punkt 4.4. einen diesbezüglichen Warnhinweis, welcher bei den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten fehlt.
2.5.2.2. Direkte Vergleiche anhand des Surrogatparameters Körpergewicht
In den oben erwähnten direkten Vergleichsstudien mit den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten wurde das Körpergewicht unter Semaglutid 1 mg/Woche über einen Zeitraum von 30 bis 56 Wochen stärker reduziert als unter den Komparatoren. Die Differenz betrug 3,8 kg (95%-Konfidenzintervall: -3,0 bis -4,6 kg) im Vergleich zu Exenatid, 3,8 kg (95%-Konfidenzintervall: -3,1 bis -4,6 kg) im Vergleich zu Liraglutid (1,2 mg/Woche) und 3,6 kg (95%-Konfidenzintervall: -2,8 bis -4,3 kg) im Vergleich zu Dulaglutid. Diese Differenzen werden von der EMA als klinisch relevant bezeichnet.
Wie auch von der Beschwerdeführerin ausgeführt, besteht aber der wesentliche Nutzen der Gewichtsreduktion in der Verminderung des Risikos kardiovaskulärer Ereignisse – und dieser Nutzen wird ohnehin in den kardiovaskulären Endpunktstudien geprüft. Zur Frage, ob die Reduktion des Körpergewichtes einen zusätzlichen Nutzen über die Reduktion des kardiovaskulären Risikos hinaus darstellt, führt die Beschwerdeführerin an, dass Adipositas per se mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität vergesellschaftet sei, erklärt aber nicht, welche Erkrankungen (außer kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus) gemeint sind. Vielmehr führt sie Studien an (Global Burden of Metabolic Risk Factors Collaboration, Lancet, 2014; 383: 970-983; Franz et al., J Acad Nutr Diet. 2015;115:1447-1463), die zeigen, dass die Reduktion des Körpergewichtes andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie und Hyperlipidämie günstig beeinflusst. Diese Faktoren sind jedoch – wie auch oben angeführt bei den kardiovaskulären Endpunktstudien bereits miterfasst, sodass für die Senkung des Körpergewichts kein eigenständiger Nutzen dargestellt wurde.
2.5.2.3. Fazit
Zusammengefasst liefert die Beschwerdeführerin keine nachvollziehbaren Argumente dafür, dass aus den Ergebnissen direkter Vergleichsstudien anhand der Surrogatparameter HbA1c und Körpergewicht ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten abgeleitet werden kann. Studienergebnisse mit Surrogatparametern sind als nachrangig zu bewerten, sobald Endpunktstudien vorliegen, und dies ist für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten und die anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten der Fall. Aus den Ergebnissen der durch den Dachverband in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise durchgeführten indirekten Vergleiche der vorliegenden kardiovaskulären Endpunktstudien kann gleichfalls nicht auf einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO geschlossen werden.
2.5.3. Bewertung durch andere Institutionen
Bewertungen anderer unabhängiger Institutionen und Behörden können bei der Evaluation herangezogen werden (§ 23 Abs. 3 Z 2 VO-EKO). Dazu ist festzuhalten, dass selbst bei gleicher Datenlage einzelne Bewertungen unterschiedlich ausfallen können, weil jeweils unterschiedliche rechtliche, strukturelle und soziale Voraussetzungen bestehen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA, Deutschland) bewertet den Nutzen von Semaglutid anhand von mehreren Kategorien zweckmäßiger Vergleichstherapien und stellt für Patienten / Patientinnen ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung bei keinem der Vergleiche einen belegten Zusatznutzen fest. Für Patienten / Patientinnen mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung in Kombination mit weiterer Medikation zur Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren stellt er einen „Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen“ fest (https://www.g-ba.de/downloads/40-268-5724/2019-05-02_AM-RL-XII_Semaglutid_D-404_TrG.pdf ). Diese Feststellung kann jedoch keineswegs als Äquivalent zu einer Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO betrachtet werden, da das Bewertungssystem des G-BA (https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2409/VerfO_2020-11-20_iK-2021-02-25.pdf ) und die durch die VO-EKO geregelte Evaluation völlig unterschiedlich sind. Zu betonen ist, dass der G-BA diese Einstufung auf Basis der SUSTAIN-6-Studie vorgenommen hat und weder Körpergewicht noch HbA1c per se als patientenrelevanten Endpunkt anerkennt.
Das Scottish Medicines Consortium (SMC) akzeptiert XXXX zur eingeschränkten Anwendung als alternative GLP-1-Rezeptor-Agonist-Option („In addition to other oral anti- diabetic medicines, or as an add-on to basal insulin, as an alternative glucagon-like peptide-1 receptor agonist option"; https://www.scottishmedicines.org.uk/medicines-advice/semaglutide-ozempic-fullsubmission-smc2092 ).
Die französische Haute Autorité de Santé (HAS) beurteilt den Nutzen von Semaglutid mit „ASMR V“ (der niedrigste Wert auf der fünfstufigen Skala zum Zusatznutzen). XXXX wurde somit als eine weitere Alternative ohne therapeutischen Zusatznutzen eingestuft. Auch hier wurde die stärkere HbA1c-Senkung als „intermediärer Endpunkt“ bezeichnet und kritisiert, dass die Prüfung der Überlegenheit von Semaglutid vs. Placebo hinsichtlich Verminderung kardiovaskulärer Ereignisse in der SUSTAIN-6-Studie nicht vorab geplant war, sondern erst nachträglich (ex post) durchgeführt wurde, da primär lediglich die Prüfung der Nichtunterlegenheit geplant war (https://www.has-sante.fr/jcms/c_2906429/fr/ozempic ). Dies wurde übrigens auch von der EMA kritisiert (EPAR, Seite 97).
Das Zorginstituut Nederland, welches für das niederländische Gesundheitsministerium die Evidenz aufbereitet, empfahl, Semaglutid gleich wie die anderen GLP-1-Agonisten einzustufen (https://www.zorginstituutnederland.nl/publicaties/adviezen/2018/08/08/gvs-advies-semaglutide-ozempic-bij-de-behandeling-van-volwassenen-met-onvoldoende-gereguleerde-diabetes-mellitus-type-2 ).
2.5.4. Leitlinien/Guidelines
In den aktuellen Leitlinien zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 wird keine Priorisierung der GLP-1-Agonisten hinsichtlich Senkung des Risikos kardiovaskulärer Ereignisse vorgenommen (Clodi et al., Antihyperglykämische Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 (Update 2019), Wien klin Wochenschr (2019) 131 (Suppl 1) S27-S38; Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG): Update 2020: https://www.oedg.at/pdf/2004-leitlinien-update.pdf ; und Update 2021: https://www.oedg.at/oedg_leitlinien.html ,) Eine Rangreihung für GLP-1-Agonisten hinsichtlich der Gewichtsreduktion findet sich lediglich in einer (in den nachfolgenden Updates der Guidelines gleichbleibenden) Fußnote der entsprechenden Abbildung in den Guidelines der ADA/EADS (figure 2 – glucose-lowering medication in type 2-diabetes in Davies et al, Management of Hyperglycemia in Type 2 Diabetes, 2018. A Consensus Report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD), Diabetes Care 2018;41:2669-2701; Update 2019: Buse et al, Diabetes Care 2020;43:487-493; 9. Pharmacologic Approaches to Glycemic Treatment: Standards of Medical Care in Diabetes – 2021, Diabetes Care 2021;44 (Suppl 1):S111-S124). Diese Rangreihung wurde jedoch von den österreichischen Leitlinien, welche den ADA/EADS-Konsensus berücksichtigen, nicht übernommen.
2.5.5. Umfrage
Die Beschwerdeführerin beruft sich weiters auf die Auswertung eines anonymen Fragebogens zur Erstattungssituation von XXXX für Ärzte / Ärztinnen in Österreich (Spitalsambulanzen und niedergelassener Bereich).
Diese Umfrage basiert auf folgende Fragestellungen:
1. „Ich bin der Meinung, dass XXXX gemäß den aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien als Zweitlinien-Therapie in Österreich erstattet werden soll.
2. Ich bin der Meinung, dass XXXX - sofern eine Erstattung als Zweitlinientherapie nicht möglich ist - zumindest als Drittlinientherapie erstattet werden soll, da der zusätzliche Patientennutzen gegenüber den verfügbaren Alternativen (z.B.: andere GLP-1-RA) in jedem Fall gegeben ist
3. Ich bin der Meinung, dass die kardiovaskulären Effekte, die XXXX im Rahmen der SUSTAIN-6-Studie hinsichtlich des primären Endpunkts (3-MACE: kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Schlaganfall, nicht-tödlicher Herzinfarkt) gezeigt hat (Risikoreduktion um -26%) einen klaren Zusatznutzen für die Patienten in Österreich im Vergleich zu den bereits verfügbaren therapeutischen Alternativen darstellen.
4. Ich bin der Meinung, dass die Effekte auf das HbA1c und das Gewicht, die XXXX in einer Dosis von 1mg pro Woche im direkten Vergleich (SUSTAIN-7) zum im Gelben Bereich des EKO angeführten XXXX 1,5 mg pro Woche gezeigt hat, einen Zusatznutzen für die österreichischen Patienten darstellen. Der Unterschied im HbA1c von -0r4°A zugunsten von XXXX sowie der Unterschied hinsichtlich der Gewichtsreduktion von -3,5kg im Vergleich zu XXXX ist sowohl statistisch signifikant und auch klinisch relevant. Ich bin der Meinung, dass ein etwaiges Preisangebot für XXXX , dass den Therapiekosten des derzeit günstigsten in Österreich erstatteten GLP-1-RA entspricht, wirtschaftlich gerechtfertigt ist.“
Die Umfrage ist somit derart gestaltet, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin in Bezug auf den behaupteten therapeutischen Zusatznutzen unwidersprochen feststeht. Eine (wissenschaftliche) Aussage für die im Aufnahmeverfahren durchzuführende Nutzenbewertung ist den Ergebnissen nicht zu entnehmen.
2.5.6. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Ein maßgebliches Ziel der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 ist die Vermeidung von kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie von Komplikationen, welche durch Schäden an kleinen Gefäßen entstehen (Augen - Retinopathie, Nerven - Neuropathie, Nieren - Nephropathie).
Ein therapeutischer Vorteil von Semaglutid hinsichtlich der Verminderung kardiovaskulärer Ereignisse (Summe der Endpunkte nicht-tödlicher Schlaganfall, nicht-tödlicher Herzinfarkt und kardiovaskulär bedingter Tod) wurde für Semaglutid gegenüber Placebo gezeigt, nicht jedoch im Vergleich zu den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten. Vielmehr zeigt die von der Beschwerdeführerin unwidersprochene, durch den Dachverband erstellte statistische Analyse, dass am ehesten ein gleicher therapeutischer Nutzen zu erwarten ist.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass eine stärkere Senkung des HbA1c-Wertes sowie des Körpergewichtes durch Semaglutid im Vergleich zu den im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten zu einer stärkeren Senkung der Ereignisrate für kardiovaskuläre Komplikationen führt, wird durch die vorliegenden Daten nicht gestützt.
Die Aussage der Beschwerdeführerin, wonach aus einer stärkeren HbA1c-Senkung durch Semaglutid im Vergleich zu den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten eine stärkere Senkung des Risikos mikrovaskulärer Komplikationen resultiert, wird durch die höhere Rate an Komplikationen von diabetischen Retinopathien relativiert.
2.6. Gesundheitsökonomische Evaluation
Die Feststellung in Bezug auf die wirtschaftliche Verträglichkeit basiert auf
1. dem mit dem Antrag genannten Listen-FAP für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten,
2. den Behandlungskosten der im Gelben Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialitäten und
3. dem Umstand, wonach für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten im Vergleich mit den therapeutischen Alternativen im Gelben Bereich ein gleicher therapeutischer Nutzen festzustellen war.
3. Rechtliche Beurteilung:
a) Rechtsgrundlagen
Zuständigkeit und Verfahren
Art. 130 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2019 lautet auszugsweise:
„Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
(1a) ……
(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über1. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze oder2. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens oder3. Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten oder4. Beschwerden, Streitigkeiten oder Anträge in sonstigen Angelegenheiten
vorgesehen werden. In den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 dürfen Bundesgesetze gemäß Z 1 und 4 nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.
(2a) …..
(3) Außer in Verwaltungsstrafsachen und in den zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen gehörenden Rechtssachen liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat.
(4) …...
(5) Von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen sind Rechtssachen, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofes gehören sofern nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.“
Gemäß § 351h Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht
1. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens,
a. dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurde oder
b. über dessen Antrag nicht fristgerecht (§ 351d Abs. 1) entschieden wurde;
2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen bzw. von Amts wegen aufgenommen wird.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. entscheidet das Bundesverwaltungsgericht auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Dachverbandes, mit denen Anträge nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurden, oder wenn über diese Anträge nicht fristgerecht (§ 351e Abs. 1 und 2) entschieden wurde.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter / Einzelrichterinnen, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In Angelegenheiten nach § 351h ASVG hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, der aus dem / der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern / Laienrichterinnen besteht, wobei zwei davon Fachärzte / Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte / Fachärztinnen mit dem Additivfach klinische Pharmakologie und zwei Ökonomen / Ökonominnen mit spezifischen Kenntnissen im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich (Gesundheitsökonomen/Gesundheits-ökonominnen) sind. Die Zusammensetzung der Laienrichter / Laienrichterinnen im Senat hat das paritätische Nominierungsrecht nach Abs. 2 abzubilden (§ 351i Abs. 1 ASVG). Die fachkundigen Laienrichter / Laienrichterinnen werden vom Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundesministers für Gesundheit bestellt. Der Bundesminister für Gesundheit hat hierfür Vorschläge der Bundesarbeitskammer und der Wirtschaftskammer Österreich einzuholen. Die Bundesarbeitskammer und die Wirtschaftskammer Österreich haben jeweils in ihren Vorschlägen Fachärzte / Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte / Fachärztinnen mit dem Additivfach Klinische Pharmakologie sowie Gesundheitsökonomen / Gesundheitsökonominnen namhaft zu machen. Für die fachkundigen Laienrichter / Laienrichterinnen sind Stellvertreter / Stellvertreterinnen in gleicher Anzahl und auf dieselbe Weise zu bestellen (§ 351i Abs. 2 ASVG).
Gemäß § 351h Abs. 3 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018, sind Beschwerden nach Abs. 1 und 2 binnen vier Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Dachverbandes beim Dachverband über das Internetportal www.sozialversicherung.at einzubringen. Eine Beschwerdevorentscheidung und eine Nachholung des Bescheides nach den §§ 14 bis 16 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind unzulässig. Der Dachverband hat dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich die Beschwerde unter Anschluss der Verfahrensakten vorzulegen. Dem Dachverband steht es frei, binnen vier Wochen ab Einbringung der Beschwerde eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht abzugeben. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach § 351c Abs. 10 Z 1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§ 351c Abs. 2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. § 13 Abs. 2 VwGVG ist nicht anzuwenden.
Die verfahrensgegenständlichen Entscheidungen des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger wurden der Beschwerdeführerin am 31. März 2020 zugestellt (§ 15 Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g AVG – VO-EKO, zuletzt geändert durch die amtliche Verlautbarung Nr. 159/2013 in Verbindung mit §§ 28ff Zustellgesetz – ZustG, BGBl Nr. 200/1982 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013), die Beschwerden wurden am 23. April 2020 fristgerecht eingebracht.
In der Beschwerde oder in der Stellungnahme nach Abs. 3 können sich das vertriebsberechtigte Unternehmen und der Dachverband nur auf Tatsachen und Beweise beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Dachverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Dachverband bereits eingebracht worden sind. Das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise im Beschwerdeverfahren ist nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in der ersten Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise zulässig. Solche neuen Tatsachen und Beweise dürfen überdies nur dann berücksichtigt werden, wenn diese entweder in der Beschwerde oder der Stellungnahme des Dachverbandes nach Abs. 3 bereits eingebracht wurden. Diese Stellungnahme des Dachverbandes ist vom Bundesverwaltungsgericht als Bestandteil der Begründung der Entscheidung des Dachverbandes nach Abs. 3 erster Satz zu berücksichtigen. Eine Einschränkung oder Klarstellung des Antragbegehrens ist ausgeschlossen. Zum Ergebnis eines vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten allfälligen neuen Beweisverfahrens ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Patentrechtliche Vorfragen sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 351h Abs. 4 ASVG).
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gesetzliche Grundlagen:
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2020:
Koordination der Vollziehungstätigkeit
§ 30b. (1) Zur zentralen Erbringung von Dienstleistungen für die Sozialversicherungsträger gehören:1. ….2. …3. …4. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs. 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien nach § 30a Abs. 1 Z 12. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien nach § 30a Abs. 1 Z 12. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en oder Darreichungsform) beziehen.d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.
Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§ 350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Dachverband in der Verordnung nach § 351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten.5. ……“
„Abschnitt V
Erstattungskodex
Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex
§ 351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Dachverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Dachverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Dachverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.
(2) Der Dachverband hat eine Liste jener Arzneimittelkategorien zu erstellen, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs. 2 geeignet sind, da sie zB überwiegend– zur Behandlung in Krankenanstalten,– unter ständiger Beobachtung oder– zur Prophylaxe
verwendbar sind. Diese Liste samt einer Begründung für die Anführung der Arzneimittelkategorien ist im Internet zu veröffentlichen.
(3) Zur Beurteilung eines Antrages nach Abs. 1, insbesondere inwieweit ein wesentlicher therapeutischer Nutzen für Patienten und Patientinnen oder eine wesentliche therapeutische Innovation vorliegt, sind vom Antragsteller pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Unterlagen vorzulegen. Das vertriebsberechtigte Unternehmen ist verpflichtet, bei der Antragstellung auf Aufnahme in den Erstattungskodex mitzuteilen, wann der Patentschutz der in der jeweiligen Arzneispezialität enthaltenen Wirkstoffe in Österreich endet. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren zur Aufnahme in den Erstattungskodex und über den Umfang, die Qualität und den Zeitpunkt der Vorlage von Unterlagen, werden in der Verfahrensordnung (§ 351g) geregelt. Abs. 1 letzter Satz ist anzuwenden.
(4) Bei Arzneispezialitäten, die vornehmlich der Behandlung von Akutkrankheiten dienen, ist nur jene Packungsgröße aufzunehmen, deren Inhalt für die Behandlung des Regelfalles ausreicht. Bei Arzneispezialitäten, die der Behandlung von chronischen Krankheiten dienen, ist eine Packungsgröße zur Anbehandlung oder Erprobung (Kleinpackung) und eine zweite Packungsgröße für die medikamentöse Versorgung für die Dauer eines Monates aufzunehmen.
(5) ……
(6) Die Preiskommission (§ 9 Abs. 3 des Preisgesetzes 1992, BGBl. Nr. 145/1992) ermittelt für Zwecke der Preisfestsetzung einer Arzneispezialität im Rahmen des roten und gelben Bereiches des Erstattungskodex aus den Preisen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Berücksichtigung der in den jeweiligen Mitgliedstaaten gewährten gesetzlichen Rabatte den EU-Durchschnittspreis. Dieser Preis ist von der Preiskommission sechs Monate nach Antragstellung nach Abs. 1 auf Basis der Meldungen der vertriebsberechtigten Unternehmen unter Beiziehung der Gesundheit Österreich GmbH zu ermitteln. Nach der erstmaligen Preisfeststellung hat die Preiskommission nach 18 Monaten sowie nach weiteren 24 Monaten neuerlich einen EU-Durchschnittspreis festzustellen. Darüber hinaus kann die Preiskommission nach weiteren 18 Monaten neuerlich einen EU-Durchschnittspreis feststellen. Die Preiskommission hat den jeweils ermittelten Preis dem Dachverband mitzuteilen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat die Vorgehensweise der Preiskommission für die Preisermittlung im Internet zu veröffentlichen.
(7) …..
(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§ 351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.
(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.
(9a) …..“
b) Rechtliche Würdigung:
1. zur Einstellung der Verfahren in Bezug auf die Zweitlinientherapie:
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Der Verwaltungsgerichtshof hält in seinem Beschluss vom 29. April 2015, Fr 2014/20/0047-11, fest, aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG gehe hervor, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Bezogen auf nach dem AVG geführte Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass – auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung – eine Verfahrenseinstellung (ua.) dann vorzunehmen ist, wenn die Berufung rechtswirksam zurückgezogen wurde. Nach Ansicht des VwGH hat diese Auffassung auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen.
Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerden in Bezug auf die ursprünglich alternativ beantragte Zweitlinientherapie wurden die angefochtenen (im Spruch genannten) Bescheide dahingehend rechtskräftig, und es waren die Verfahren daher mit Beschluss einzustellen.
2. Zur Abweisung der Beschwerden:
In den EKO sind durch den Dachverband jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2 ASVG) annehmen lassen (§ 31 Abs. 3 Z 12 ASVG).
Der Verfassungsgerichtshof hat zu den gesetzlichen Grundlagen im Zusammenhang mit dem EKO mehrfach folgenden Grundsatz wiederholt: „Die im Gesetz und in der Verfahrensordnung – auch in Umsetzung der Richtlinie 89/105/EWG – vorgesehenen Anforderungen für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den EKO dienen […] dem Ziel der ‚Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit Arzneimitteln zu angemessenen Kosten‘ sowie einer ‚Einschränkung der Palette der Erzeugnisse, die vom staatlichen Krankenversicherungssystem gedeckt werden‘ […]. Mit den Vorschriften der § 351c ff hat der Gesetzgeber unmissverständlich den für den EKO tragenden Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass eine […] Arzneispezialität nur dann in den EKO aufgenommen werden soll, wenn sie entweder einen medizinischen oder zumindest einen ökonomischen Zusatznutzen gegenüber anderen im EKO angeführten Arzneispezialitäten aufweist.“ (VfGH 04.12.2012, B 283/10, VfGH 19.09.2014, B 282/2012).
2.1. Pharmakologische Evaluation Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialitäten aus pharmakologischer Sicht:
Gemäß § 23 Abs. 1 VO-EKO ist Ziel der pharmakologischen Evaluation erstens die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen und zweitens die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig, sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.
Unbestritten ist die Einstufung der im Spruch genannten Arzneispezialitäten hinsichtlich des Innovationsgrades gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO: Danach handelt es sich beim Wirkstoff Semaglutid um eine neue Substanz einer bereits im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlichem Wirkprinzip.
2.2. Pharmakologische Evaluation Festlegung der therapeutischen Alternativen:
Gemäß § 22 Abs. 1 VO-EKO ist beim Vergleich der beantragten Arzneispezialität mit den verfügbaren therapeutischen Alternativen von der häufigsten Indikation, der medizinisch zweckmäßigsten Dosierung und der hauptsächlich betroffenen Gruppe von Patientinnen und Patienten auszugehen.
Die Festlegung der therapeutischen Alternativen dient als Basis für die durchzuführende medizinisch-therapeutische Evaluation (VwGH Ro 2016/08/0012, Betmiga). Bezüglich der Zulässigkeit der Auswahl der therapeutischen Alternativen ist demnach nicht allein auf § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO Bezug zu nehmen, da diese Bestimmung nur auf den ATC-Code abstellt. Maßgeblich für diese Auswahl sind demnach auch die weiteren Bestimmungen der VO-EKO für die medizinisch-therapeutische Evaluation (§ 24 VO-EKO) und die gesundheitsökonomische Evaluation (§ 25 VO-EKO) heranzuziehen, da dort die Vergleiche einer beantragten Arzneispezialität mit den therapeutischen Alternativen näher definiert sind.
Die medizinisch-therapeutische Evaluation hat die Einordnung der beantragten Arzneispezialität in Fallgruppen vorzunehmen, die je nach Ausmaß des therapeutischen Nutzens für Patienten / Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (den therapeutische Alternativen) in Kategorien gelistet sind (§ 24 Abs. 2 Z 1 bis 6 VO-EKO). Daraus ergibt sich, dass die festzulegenden therapeutischen Alternativen nur solche Arzneispezialitäten sein können, welche für eine Behandlung der im Antragsgegenstand zutreffenden Indikation und (allenfalls) Patienten- / Patientinnengruppe alternativ in Frage kommen (und zusätzlich natürlich dem beantragten Produkt pharmakologisch bezüglich des Wirkprinzips so ähnlich wie möglich sind) (BVwG W123 2003537-1/19E).
Die Aufnahme in den EKO richtet sich daher primär an therapeutischen und nicht an pharmakologischen Kriterien aus. Die pharmakologische Evaluation legt die Basis für die medizinisch-therapeutische Evaluation, präjudiziert diese aber in vielen Fällen nicht (vgl. Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 351c ASVG, Stand 01.03.2020, rdb.at).
In den gegenständlichen Beschwerdeverfahren werden die therapeutische Alternativen für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten in Bezug auf die mit der beantragten bestimmten Verwendung in Drittlinientherapie außer Streit gestellt. Diese sind die im Gelben Bereich des EKO angeführten GLP-1-Agonisten Liraglutid ( XXXX ), Exenatid ( XXXX ) und Dulaglutid ( XXXX ).
2.3. Medizinisch-therapeutische Evaluation:
Gemäß § 351c Abs. 3 ASVG obliegt es der Antragstellerin, zur Evaluation der beantragten Arzneispezialitäten, insbesondere zur Frage eines behaupteten wesentlichen therapeutischen Nutzens, die notwendigen Unterlagen vorzulegen. Anderes als im durch die Offizialmaxime geprägten Verwaltungsverfahren besteht in einem Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den EKO somit nicht nur eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Antragstellerin, sondern entsprechend des Gesetzestextes eine Beweis- bzw. Darlegungspflicht durch die Antragstellerin.
Der für eine Aufnahme einer beantragten Arzneispezialität in den Gelben Bereich erforderliche Nachweis eines „wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens für Patienten / Patientinnen“ ist (mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte) auch erbracht, wenn im Gelben Bereich - allenfalls eingeschränkt auf eine bestimmte Patienten- / Patientinnengruppe bzw. Verschreibungsregel - eine oder mehrere „vergleichbare“ Arzneispezialitäten angeführt sind, also der in der beantragten Arzneispezialität enthaltene Wirkstoff mit einem bereits im Gelben Bereich angeführten Wirkstoff ident ist bzw. er diesem gegenüber eine therapeutische Wirksamkeit iSd § 24 Abs. 2 Z 1 VO-EKO oder höher besitzt (VwGH Ra 2016/08/0090, Vesomni, Rz 17).
Die Beschwerdeführerin stufte die im Spruch genannten Arzneispezialitäten im Vergleich zu den im Gelben Bereich des EKO angeführten „vergleichbaren“ Arzneispezialitäten GLP-1-Agonisten Liraglutid ( XXXX ), Exenatid ( XXXX ) und Dulaglutid ( XXXX ) gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO ein („Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen“).
Die Beschwerdeführerin begründete diese Einstufung einerseits mit indirekten Vergleichen und wählte für ihre eigenen Berechnungen den Parameter „3-MACE“, d.h. den kombinierten Endpunkt aus nicht-tödlichem Herzinfarkt, nicht-tödlichem Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod. Die Berechnungsmethode bestand aus einem deskriptiven Vergleich der Ereignisraten bzw. der daraus abgeleiteten „Number Needed to Treat“ (NNT). Die vorgelegten vereinfachten Berechnungen entsprechen jedoch nicht den heute bestehenden wissenschaftlichen Anforderungen an indirekte Vergleiche der therapeutischen Wirksamkeit in klinischen Studien und waren daher als Beweismittel nur von geringem Beweiswert. Ein aussagekräftiger indirekter Vergleich der relevanten Endpunkte (3-MACE) wurde von der belangten Behörde anhand der Hazard Ratios (HR), einem von der Studiendauer weitgehend unabhängiger Schätzwert für das Ereignisrisiko und damit für die Wirksamkeit der untersuchten Therapie, durchgeführt. Den Ergebnissen dieser schlüssigen und nachvollziehbaren Berechnung wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Den Ergebnissen dieser Berechnung folgend, hat die Beschwerdeführerin in Bezug auf die klinischen Endpunkte keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO nachgewiesen.
Andererseits vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass Semaglutid hinsichtlich der Surrogatparameter den anderen im Erstattungskodex verzeichneten GLP-1-Agonisten überlegen sei und legte in diesem Zusammenhang direkte Vergleichsstudien vor. Der Senat kam in seiner Beweiswürdigung und in seinen Feststellungen zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang keine überzeugenden nachvollziehbaren Argumente dafür liefert, dass aus den Ergebnissen direkter Vergleichsstudien anhand der Surrogatparameter HbA1c und Körpergewicht ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen für die im Spruch genannten Arzneispezialitäten abgeleitet werden kann. Gerade im konkreten Fall sind Studienergebnisse mit Surrogatparametern als nachrangig zu bewerten, sobald Endpunktstudien vorliegen (in diesem Sinne wohl auch für § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO: VwGH vom 14.09.2016, Ra 2016/08/0090-6, Vesomni).
Bei einer Beurteilung des Nutzens einer Arzneispezialität kommt es gemäß 30b Abs. 1 Z 4 ASVG auf die Erfahrungen im In- und Ausland sowie den aktuellen Stand der Wissenschaft an (VwGH 20.11.2019, Ra 2018/08/0200, Olmesartan). Bewertungen anderer unabhängiger Institutionen und Behörden können daher bei der Evaluation herangezogen werden (§ 23 Abs. 3 Z 2 VO-EKO), wobei zu beachten ist, dass selbst bei gleicher Datenlage einzelne Bewertungen unterschiedlich ausfallen können, weil jeweils unterschiedliche rechtliche, strukturelle und soziale Voraussetzungen bestehen. Gerade die gegenständlichen Beschwerdeverfahren verdeutlichen die in § 30b Abs. 1 Z 4 ASVG normierte Bezugnahme auf den „aktuellen Stand der Wissenschaft“: Die Beschwerdeführerin vermeinte, dass in der Vergangenheit in Verfahren bei der Nutzenbewertung auf Surrogatparameter abgestellt worden sei. Am Beispiel des Wirkstoffs Rosiglitazon wurde jedoch deutlich, dass eine Blutzuckersenkung (beurteilt anhand der Senkung des HbA1c-Wertes) nicht zwingend mit einer Verminderung des kardiovaskulären Risikos assoziiert ist.
Die im Verfahren vorgelegten Ergebnisse einer Umfrage bei mehr als 100 relevanten Diabetes-Versorgungseinrichtungen in Österreich, wonach sich die österreichischen „Behandler“ für eine Erstattung von XXXX (93 % der Befragten) zum selben Preis wie XXXX (80 % der Befragten – 10 % haben angegeben, keine Meinung zu haben) aussprechen, stellen „sonstige“ Beweismittel im Sinne des § 46 AVG dar. Allenfalls geben sie die „Experten-Meinung“ einzelner Ärzte / Ärztinnen wieder, und stehen somit in der Evidenzhierarchie gemäß § 24 Abs. 3 Z 6 VO-EKO an unterster Stelle. Jedenfalls enthalten sie keine relevanten Aussagen für die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, nämlich der Bewertung des therapeutischen Nutzens.
Die im Spruch genannten Arzneispezialitäten erfüllen somit zusammenfassend die Voraussetzungen für einen Eintritt in den Gelben Bereich des EKO. Mangels eines Nachweises eines zusätzlichen therapeutischen Nutzens für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, stellen die im Spruch genannten Arzneispezialitäten auf Grund der durchgeführten medizinisch-therapeutischen Evaluation eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten dar (§ 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO).
2.4. Gesundheitsökonomische Evaluation
Gemäß § 25 Abs. 1 VO-EKO ist Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§ 24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten/Nutzenverhältnis der beantragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten / Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.
§ 25 Abs. 2 lautet auszugsweise:
„(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:1. ……2. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs. 2 Z 2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit dem im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§ 351c Abs. 9 Z 1 ASVG).3. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs. 2 Z 3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§ 351c Abs. 9 Z 2 ASVG).4. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs. 2 Z 4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität angemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§ 351c Abs. 9 Z 2 ASVG).5. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs. 2 Z 5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten / Patientinnen (§ 351c Abs. 9 Z 2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Dachverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmakoökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig verzichten.
(3) Weiters gelten für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit für die Aufnahme in den Grünen Bereich folgende zusätzliche Voraussetzungen:1. …2. Der Preis der beantragten Arzneispezialität muss in allen Fallgruppen nach Abs. 2 unter dem EU-Durchschnittspreis liegen.“
Sind im Gelben Bereich des Erstattungskodex eine oder mehrere vergleichbare Arzneispezialitäten angeführt, ist für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in sinngemäßer Anwendung von Abs. 2 vorzunehmen (§ 25 Abs. 5 VO-EKO).
Die Beschwerdeführerin stufte die im Spruch genannten Arzneispezialitäten im Zuge des Antrages auf Aufnahme in den EKO selbst gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO ein und beantragte die Aufnahme für alle Wirkstoffstärken mit dem gleichen Preis wie die im Gelben Bereich angeführte günstigste vergleichbare Arzneispezialität.
Da jedoch die medizinisch-therapeutischen Evaluation eine Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO ergibt, wäre nur dann von einer Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit den im Spruch genannten Arzneispezialitäten ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Gelben Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität lägen.
Da die Aufnahme für alle Wirkstoffstärken mit einem Preis beantragt wurde, der zur Folge hätte, dass die Behandlungskosten mit den im Spruch genannten Arzneispezialitäten über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Gelben Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität lägen, sind die Voraussetzungen gemäß § 25 Abs. 5 iVm Abs. 2 Z 2 VO-EKO nicht erfüllt.
2.5. Ermessen des Dachverbandes:
Die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex stellt gemäß § 351d Abs. 1 ASVG unstrittig eine Ermessenentscheidung des Dachverbandes dar (VwGH 27.01.2016, Ro 2015/08/0017).
Wesentlich ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass nur die Entscheidung, die sich aus der pharmakologischen, medizinisch-therapeutischen und gesundheitsökonomischen Evaluation ergibt, im Ermessen des Dachverbandes liegt. Die Evaluation dient somit der Ermittlung und rechtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen aufgrund von Tatsachenfeststellungen und ist daher vom Ermessensspielraum des Dachverbandes ausgenommen. Unrichtige Einstufungen oder Festlegungen im Zuge der Evaluation können daher im Beschwerdeverfahren korrigiert werden. Die Endentscheidung kann jedoch nur dann vom zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes korrigiert werden, wenn die Ermessenentscheidung durch den Dachverband nicht im Rahmen der Gesetze getroffen wurde (vgl. für die Aufnahme in den EKO: VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0013).
Die Rechtmäßigkeit von Bescheiden letztinstanzlicher Verwaltungsbehörden, mit denen Ermessen geübt wurde, hing nach der Rechtsprechung des VwGH zur Rechtslage vor der Einrichtung der Verwaltungsgerichte davon ab, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (VwGH 16.12.2013, 2013/11/0111). Eine solche Prüfung setzt voraus, dass alle für diese Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften ermittelt und berücksichtigt wurden. Es unterlag der vollen Kontrolle des VwGH, ob alle für die Ermessenübung maßgeblichen Umstände in die Abwägung einbezogen wurden, sowie ferner, ob die Behörde Umstände in die Erwägungen einbezogen hat, die bei richtiger rechtlicher Beurteilung dabei nicht hätten berücksichtigt werden dürfen (VwGH 21.10.2004, 2003/11/0251). Diese auf Art. 130 Abs. 2 B-VG alte Fassung gestützte Überlegung ist angesichts des Art. 130 Abs. 3 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, auf die Überprüfung von behördlichen Ermessenentscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht zu übertragen (VwGH 01.03.2016, Ra 2015/11/0106).
Aufgabe des zuständigen Senates ist daher zu überprüfen, ob sich die abweisende Entscheidung über die Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten durch den Dachverband als Ermessenübung im Sinne des Gesetzes erwies und zwar vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage; bejahendenfalls ist die Beschwerde ohne dass der Senat befugt wäre, in eine eigene Ermessenentscheidung einzutreten abzuweisen. Nur wenn sich die behördliche Ermessenübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erweisen würde was insbesondere auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden wäre der Senat befugt, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs. 2 VwGVG), gegebenenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eigenes Ermessen zu üben (VwGH 16.08.2017, Ra 2017/11/0212).
Wie festgestellt, schließt sich der erkennende Senat den Ausführungen des Dachverbandes dahingehend an, dass die Beschwerdeführerin einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen der im Spruch genannten Arzneispezialitäten im Vergleich zu den im Gelben Bereich des EKO angeführten therapeutischen Alternativen nicht nachgewiesen hat. Daraus resultierend kommt auch der Senat zu dem Schluss, dass der von der Beschwerdeführerin mit der Antragstellung genannte Preis wirtschaftlich nicht vertretbar ist.
Die Abweisung der Anträge auf Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialitäten in den EKO erweist sich somit vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage als Ermessenübung im Sinne des Gesetzes.
2.6. Zu Spruchpunkt II. der Abweisung:
Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018, werden die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht durch einen pauschalierten Kostenersatz in der Höhe von 2 620 EUR abgegolten. Den Kostenersatz hat diejenige Partei des Beschwerdeverfahrens zu tragen, die im Beschwerdeverfahren unterlegen ist. Im Falle eines teilweisen Unterliegens ist der Kostenersatz von beiden Parteien zur Hälfte zu tragen. In Verfahren bei Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Dachverband hat den Kostenersatz jedenfalls der Dachverband zu tragen, wenn nicht die Beschwerde mangels Säumigkeit zurückgewiesen wird.
Da unter Spruchpunkt I. die verfahrensgegenständlichen Beschwerden abgewiesen wurden, sind die Kosten spruchgemäß der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.
Der angeführte Betrag ist auf das Konto des Bundesverwaltungsgerichtes, IBAN AT84 0100 0000 0501 0167, BIC: BUNDATWW, innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung spesenfrei für den Empfänger zur Einzahlung zu bringen.
3. Zur Zurückweisung der Anträge in Bezug auf ein Preismodell
Zunächst ist im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen auf den Verfahrensgang, insbesondere auf die Beschwerden und die Beschwerdeanträge, zu verweisen.
3.1. Vorbringen der Beschwerdeführerin anlässlich der Fragebeantwortungen:
Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass überwiegende Gründe für eine Qualifizierung des Preismodells und der damit verbundenen Standardpassagen als Bedingung der Behörde nach § 59 AVG sprechen würden. Es handle sich bei den Standardpassagen um unverrückbare Vorgaben bzw. Nebenbestimmungen.
Am Beispiel eines mitübermittelten positiven Bescheids des Dachverbandes (Anmerkung: nach dem Spruch und vor der Begründung findet sich die Passage: „Anmerkung: Das angebotene Preismodell …. wird angenommen.“) könne gezeigt werden, dass das Preismodell in den Bescheid aufgenommen werde und damit als Nebenbestimmung nach § 59 AVG subsumiert werden könne, da das Preismodell im Spruch selbst vorkomme. Dass die konkreten Bedingungen nicht angeführt seien, mag ein Makel des Bescheides sein (weil auch der Preis nicht konkret ausgeführt sei), ändere aber nichts an der Tatsache, dass diese Bedingungen, die untrennbar mit dem Preismodell vorgeschrieben würden, damit Teil des Spruches und damit als Nebenbestimmungen zum Bescheid zu qualifizieren seien.
Als weiteres Beispiel könnten die verfahrensgegenständlichen ablehnenden Bescheide des Dachverbandes vom 31. März 2020 angeführt werden. In seiner Begründung zur Ablehnung führe der Dachverband unter anderem unter Punkt 3.1 (Seite 22-26) die ausführlichen Modalitäten zum Preismodell inklusive der Refundierungen aus. Zum Abschluss des Punktes 3.1 (Seite 26 oben) halte der Dachverband fest: „Da das Preisangebot die Preisanforderungen gemäß 3.3.3 nicht erfüllt, konnte eine weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit den angegebenen Passagen unterbleiben.“ Der Dachverband mache somit das Preismodell zu einer unabdingbaren Bedingung und daher zu einer Nebenbestimmung im Sinne des § 59 AVG.
Unbestreitbar sei, dass der Dachverband im Rahmen der Verfahren zur Aufnahme von Arzneispezialitäten in den EKO hoheitlich tätig werde und der Erstattungskodex insgesamt die Rechtsqualität einer Verordnung habe (VfGH 5/02 VfSlg 17.024). Welche Rechtsnatur die sogenannten „Standardpassagen“ im Rahmen dieser hoheitlichen Tätigkeit einnehmen, sei fraglich. Ein bloßes Benennen als „Vertragsklauseln“ könne nicht automatisch dem privaten Bereich zugeordnet werden. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin handle es sich um Nebenbestimmungen (Bedingungen oder Auflagen) nach § 59 AVG, die mit dem Bescheid vorgeschrieben werden.
Insbesondere liege keine privatrechtliche Vereinbarung vor. Eine privatrechtliche Vereinbarung komme dann zustande, wenn zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Dies treffe hier aber nicht zu, denn die „Standardpassagen“ seien nicht verhandelbar und seien der Beschwerdeführerin „vorgeschrieben“ worden. Es handle sich daher nicht um ein Verhandlungsergebnis, sondern um eine „Textvorgabe“ seitens der Behörde, die mittels E-Mail übermittelt werde. Ein allfälliges Abweichen davon sei seitens der Behörde verneint worden, der vorgegeben Text sei exakt so in den Antrag aufzunehmen, eine Abweichung sei zu keinem Zeitpunkt möglich.
Diese Bedingungen seien daher, wenn ein Preismodell angeboten werde, eine conditio sine qua non. Es bestehe null Verhandlungsspielraum. Dies zeige sich auch im dargestellten Sachverhalt: Zunächst sei versucht worden, die „Standardpassagen“ im Wege eines Angebotes und von Gesprächen so abzuändern, dass sie mit den bestehenden Gesetzen vereinbar seien. Dies sei seitens des Dachverbandes nicht akzeptiert und auf den vorgegebenen Text ohne Änderung auch nur eines Begriffes beharrt worden. Das Nichtanbieten exakt dieses Textes habe die Nicht-Aufnahme des Produktes in den EKO zur Folge. Die Beschwerdeführerin sowie alle antragstellenden Unternehmen befänden sich damit in einer Zwangslage und hätten die Möglichkeit, entweder diese „Standardpassagen“ mit den damit verbundenen Nachteilen zu akzeptieren oder den vom Dachverband diktierten Preis als Listenpreis anzubieten oder den Aufnahmeantrag des Produktes in den Erstattungskodex zurückzuziehen.
Der angebotene Preis in Form eines Rückzahlungsrabattes könne im konkreten Fall aus konzerntechnischen Gründen nicht als Listenpreis angeboten werden. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass dieser Preis so weit unter dem EU-Durchschnittspreis liege, dass damit ein hoher Anreiz für Parallelexporte gesetzt werden würde. Dies würde - wie man aus der Praxis nunmehr wisse - in der Folge zu massiven Lieferstörungen am österreichischen Markt führen, da die Ware von Großhändlern und Apotheken aufgrund des attraktiven Preises in andere Länder (meist Deutschland) exportiert werde und damit ein Lieferengpass in Österreich entstehe. Die Beschwerdeführerin hätte daher nur die Wahl gehabt, entweder auf eine Aufnahme des Produktes in den Erstattungskodex zu verzichten, weil für sie die „Standardpassagen“ nicht akzeptabel seien oder eben die gröblich benachteiligenden vorgegebenen Auflagen („Standardpassagen“) hinzunehmen. Damit handle es sich bei den „Standardpassagen“ nicht um ein „Verhandlungsergebnis“ mit einem Konsens auf beiden Seiten, sondern um eine konkrete Vorgabe durch die Behörde. Ein privatrechtlicher Vertrag scheide daher mangels „Freiwilligkeit“ der Zustimmung der antragsstellenden Unternehmen aus. Vielmehr liege hier eine „Vorgabe“ oder eine „Bedingung“ seitens der Behörde vor.
Darüber hinaus würden die „Standardpassagen“ auch Inhalte hoheitlicher Natur regeln und könnten daher in diesem Punkt keinesfalls als privatrechtliche Vereinbarung gelten. Dabei handle es sich um die Vorgabe des Dachverbandes, dass eine automatische Streichung (ohne Verfahren) der Arzneispezialität aus dem EKO zu akzeptieren sei, wenn die Beschwerdeführerin den Listenpreis nach einer vorgegebenen Zeitspanne nicht auf den vereinbarten Rabattpreis senke. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei eine verfahrenslose Streichung von Produkten aus dem EKO (unter unterstelltem Rechtsmittelverzicht) einer privatrechtlichen Vereinbarung nicht zugänglich, sodass dieser Punkt inhaltlich keine privatrechtliche Vereinbarung darstellen könne. Die gesamte Bestimmung erscheine rechtlich mehr als fragwürdig.
In diesem Zusammenhang werde auch angemerkt, dass der konkrete Sachverhalt zu den „Standardpassagen“ nicht mit den in den Jahren 2004 und 2007 per Gesetz vorgeschriebenen Solidarbeiträgen vergleichbar sei (vgl § 609 Abs. 19 ASVG). Hier sei es lediglich um die „Eintreibung“ von gesetzlich vorgeschriebenen Zahlungen, die vom VfGH (G 14/08, V 1010/07, VfSlg 18.738) auf den Privatrechtsweg verwiesen worden seien, gegangen. Im konkreten Fall handle es sich aber nicht um „Zahlungen“, sondern um die Aufnahme von Arzneispezialitäten in eine Erstattungsliste, der Verordnungscharakter zukomme und die Teil der Sachleistungspflicht durch die soziale Krankenversicherung bilde. In diesem Fall handle es sich daher nicht um eine bloße Bestimmung über eine Finanzlast eines pharmazeutischen Unternehmens: Der Erstattungskodex bestimme im Rahmen der Leistungspflicht nach § 133 Abs. 2 ASVG (welcher explizit in § 31b Abs. 1 Z 4 ASVG genannt werde) über den Leistungsanspruch von Patienten / Patientinnen und stelle die Grundlage für die ökonomische Verschreibung durch Vertragsärzte / Vertragsärztinnen dar. Der EKO sei daher ein wesentlicher Teil für die Ausübung des Leistungsrechtes durch die Patienten / Patientinnen. Es weiche daher der Zweck der Normen und der dahinterliegende Sachverhalt beider Bestimmungen so weit voneinander ab, dass die oben genannte VfGH-Judikatur keinesfalls einschlägig sei.
Aufgrund der Vorgangsweise des Dachverbandes (unverrückbare Vorgabe) sowie mangels einer einschlägigen Judikatur spreche daher kein Grund für die Qualifizierung der „Standardpassagen“ als privatrechtliche Vereinbarung.
Auch liege kein verwaltungsrechtlicher Vertrag vor. Ein solcher sei eine „rechtsgeschäftliche Willenseinigung zwischen einer Verwaltungsbehörde in nicht privatwirtschaftlicher Funktion und einem privaten Rechtssubjekt über einen der vertraglichen Regelung zugänglichen Inhalt“ (vgl dazu VwGH 2011/17/0093). Ein derartiger Vertrag sei nach Judikatur und Lehre nur dann zulässig, wenn der verwaltungsrechtliche Vertrag auf einer konkreten gesetzlichen Basis beruhe, welche sich aus dem ASVG nicht wörtlich ableiten lasse.
Dennoch spreche das ASVG im Rahmen des EKO-Verfahrens mehrmals von „vereinbaren“ (§ 351c ASVG), sodass dies bei weiter Interpretation als Grundlage für einen Verwaltungsvertrag interpretiert werden könnte, vor allem vor dem Hintergrund, dass die herrschende Lehre und Rechtsprechung (VfGH G 47/79 VfSlg 9.226) davon ausgehe, dass bei einer Nicht-Einigung über den Vertrag von der Behörde ein Bescheid zu erlassen sei, der dann im Rechtsmittelweg bekämpfbar sei. Genau dies wäre hier der Fall, denn bei einer Nicht-Einigung spreche der Dachverband per Bescheid die „Nicht-Aufnahme“ des Produktes in den Erstattungskodex aus.
Aber selbst wenn man aufgrund einer großzügigen Auslegung des ASVG zu dem Schluss komme, dass ein verwaltungsrechtlicher Vertrag von den Bestimmungen zur Herausgabe des EKO (zB § 351c ASVG) gedeckt sei, fehle es hier an einem wesentlichen Merkmal des Vertrages, nämlich dem „Konsens“, die übereinstimmende Willenserklärung zwischen den Vertragsparteien. Wie oben ausgeführt, würden der Beschwerdeführerin sowie allen anderen Antragstellern die „Standardpassagen“ vorgegeben werden.
Zur Frage des Senates: „Ist der Abschluss eines Preismodells vom Ermessen des Dachverbandes (und sodann des Bundesverwaltungsgerichtes) bei Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex im Sinne der Bestimmungen des ASVG und der VO-EKO mit umfasst?“ führte die Beschwerdeführerin aus, der Abschluss eines Preismodells als Einzelentscheidung sei nicht vom im Gesetz eingeräumten Ermessen des Dachverbandes nach § 351d ASVG umfasst. Dies ergebe sich aus der Judikatur des VwGH zum Ermessen des Dachverbandes im VO-EKO Verfahren, nach der die pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Evaluation Teil der Sachverhaltsermittlung und rechtlichen Beurteilung sei. Die Ermittlung des angebotenen Preises und die Feststellung der schlussendlich möglichen Bedingungen für eine Aufnahme eines Produktes in den Erstattungskodex seien Teil der gesundheitsökonomischen Evaluation und damit der vollen inhaltlichen Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht zugänglich (vgl VwGH Ro 2017/08/0023).
Nur die letztendliche Entscheidung, ob angesichts der vorliegenden rechtlich korrekt vorgenommenen Evaluationen und dem damit festgestellten Sachverhalt und der rechtlichen Ableitung das Produkt auf Basis der Empfehlung der HEK in den EKO aufgenommen werden solle, liege im Ermessen des Dachverbandes (VwGH Ro 2016/08/0012). Das Ermessen des Dachverbandes beschränke sich daher auf eine Schlussentscheidung nach der Erhebung des vollständigen Sachverhaltes und der Beurteilung sämtlicher Für- und Widerargumente nach Abwägung und Bewertung der Beweiskraft der zur Verfügung stehenden Evidenz und Informationen (Beweiswürdigung). Keinesfalls unterliege die Beweiswürdigung (Bewertung der vorliegenden Evidenz) dem Ermessen des Dachverbandes, sondern sei der Bescheid sorgfältig zu begründen, um die Entscheidung einer Prüfung durch die Beschwerdebehörde zugänglich zu machen. In diesem Sinne hätte auch die Vorgabe der „Standardpassagen“ im Bescheid des Dachverbandes entsprechend begründet werden müssen, was einen weiteren Verfahrensmangel im Bescheid darstelle.
Die „Standardpassagen“ seien Teil der gesundheitsökonomischen Evaluation und Teil der Feststellungen sowie der rechtlichen Bewertung und damit wie bereits ausgeführt der vollen Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht zugänglich. Es liege aber keinesfalls alleine im Ermessen des Dachverbandes, ob er ein Preismodell gewähre oder nicht. Die Ermessensentscheidung beschränke sich lediglich auf die Endentscheidung, nämlich ob der ordnungsgemäß festgestellte Patienten-/Patientinnennutzen mit dem möglichen Preis (möglicherweise im Rahmen eines Preismodells) als Sachleistung der sozialen Krankenversicherung zur Verfügung stehen soll und damit das Produkt auf Basis des korrekt festgestellten Sachverhaltes (dazu würden die „Standardpassagen“ gehören) in den EKO aufgenommen werden soll.
Die Frage „Auf welcher Rechtsgrundlage basiert ein „Preismodell“?“ beantwortete die Beschwerdeführerin aus ihrer Sicht dahingehend, dass sich grundsätzliche Aspekte der Preisbildung in § 351c ff ASVG fänden. Weitere ökonomische Bewertungsmaßstäbe seien aus § 25 VO-EKO zu entnehmen. Diese Bestimmungen würden gemeinsam mit der Tatsache, dass Rabatte und die Möglichkeit der Rückverrechnung weder nach dem ASVG noch nach der VO-EKO verboten seien, die entsprechende Rechtsgrundlage bilden.
In welcher Form die „Standardpassagen“ im Rahmen eines Preismodells angefochten werden könnten, hänge von der Bewertung bezogen auf die Rechtsnatur der „Standardpassagen“ ab:
Handle es sich um eine Nebenbestimmung („Bedingung“) zum Bescheid nach § 59 AVG, seien sie Teil des Bescheides und damit der vollen Kontrolle des Bundesverwaltungsgerichtes nach § 351h ff ASVG zugänglich.
Würden die „Standardpassagen“ als „Vertrag“ (verwaltungsrechtlich als auch privatrechtlich) qualifiziert, unterlägen die „Standardpassagen“ der Zivilgerichtsbarkeit. Denke man diesen Weg zu Ende, würden sich folgende Probleme mit dieser Bewertung zeigen. Handle es sich bei den „Standardpassagen“ um „Verträge“, trete ein „Splitting“ der Kompetenzen im Rahmen der Rechtsmittel ein. Für einen Teil eines Bescheides sei das Bundesverwaltungsgericht zuständig, für einen anderen Teil die Zivilgerichte. Dies sei bislang weder im Gesetz noch in der Judikatur vorgesehen; zwar kenne diese eine „sukzessive“, aber keine „geteilte“ Kompetenz.
Folge man dem Gedanken, es handle sich um Verträge, dann wäre für die Sachverhaltsfeststellung des Patienten-/Patientinnennutzens sowie des Preises (Rabattes) das Bundesverwaltungsgericht zuständig und alleine für die „Standardpassagen“ die Zivilgerichte. Jedenfalls auszuschließen sei, dass Zivilgerichte auch für das gesamte Preismodell (zB die Höhe des Rabattes) im Rahmen der VO-EKO und damit auch für die Überprüfung der Höhe des gerechtfertigten Preises zuständig wären. Dies sei auszuschließen, da es sich wie eingangs erwähnt, beim EKO-Verfahren um einen hoheitlichen Akt handle und das Ergebnis in einer Verordnung münde. Es sei daher auszuschließen, dass ein wesentlicher Teil des Inhaltes der VO-EKO, nämlich der Preis, oder wie oben ausgeführt die Streichung ohne Verfahren aus dem EKO in die Kompetenz der Zivilgerichte fallen könnte. Es wäre daher in logischer Konsequenz erforderlich, dass die mit dem Preis verknüpften Bedingungen („Standardpassagen“) auch hoheitlich und damit vom Bundesverwaltungsgericht einer Überprüfung zugänglich sein müssten.
Zu der seitens des Senates aufgeworfenen Frage zur Besonderheit der Klauseln über eine „automatischen Streichung“ führte die Beschwerdeführerin aus, eine „automatische“ Streichung aus dem EKO ohne entsprechendes Verfahren nach VO-EKO fände keine entsprechende Grundlage im ASVG. Diese Passage widerspreche daher sowohl dem ASVG als auch der EU-Transparenzrichtlinie 89/105/EWG , nach der sowohl für die Aufnahme und Streichung von Arzneimitteln bezogen auf Positivlisten (wie dem EKO) explizit transparente Verfahren mit der Möglichkeit eines Rechtsschutzverfahrens vorgegeben würden. Es werde in Erinnerung gerufen, dass Österreich bereits einmal mangels ausreichenden Rechtschutzes im EKO (damals Heilmittelverzeichnis) - Verfahren verurteilt worden sei (vgl EuGH 27.11.2001 - C-424/99). Die rechtlichen Vorgaben würden daher mit der in den „Standardpassagen“ vorgesehen automatischen Streichung nicht erfüllt, wodurch nicht nur keine Rechtsgrundlage vorliege, sondern die Vorgangsweise gegen die bestehenden Gesetze verstoße.
Sollten die „Standardpassagen“ als Verträge qualifiziert werden, gelte es in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass hier unter Umständen Akte, die einer hoheitlichen Erledigung vorbehalten seien wie die Streichung einer Arzneispezialität aus dem EKO nunmehr via Vereinbarung zwischen zwei Parteien geregelt würden. Dies sei keinesfalls vom ASVG und der VO-EKO gedeckt. Zudem könne die Frage der Rechtsschutzmöglichkeit nicht geklärt werden, sollten die „Standardpassagen“ als privatrechtliche oder verwaltungsrechtliche Vereinbarungen qualifiziert werden. Wenn die Bedingungen (Klauseln) hingegen Teil des Bescheides in Form einer Nebenbestimmung seien, könne auch dieser Teil des Spruches vor dem Bundesverwaltungsgericht, wie in § 351iff ASVG vorgesehen, entsprechend bekämpft werden.
Zudem wäre für den Fall der Qualifizierung der Bedingungen als privatrechtliche Vereinbarung ergänzend die Frage zu klären, ob die Sozialversicherung im Falle einer unrechtmäßigen (automatischen) Streichung ohne Verfahren gegenüber dem Unternehmen im Wege der Amtshaftung Schadenersatz leisten müsste und/oder ob hier Abhilfe durch die Rechtsschutzmöglichkeiten der ZPO wie etwa ein Antrag auf einstweilige Verfügung (gegen die mögliche Streichung) zulässig seien. Verneine man diese Möglichkeit, wäre entgegen der Transparenzrichtlinie der EU hier kein Rechtsschutz gegeben, wodurch sich die Klauseln per se als rechtswidrig erweisen würden.
3.2. Grundsätzliches:
Der Staat als juristische Person kann nur durch Vertreter / Vertreterinnen handeln, entweder im Wege der Hoheits- oder der Nicht-Hoheitlichen-Verwaltung. Diese Differenzierung der öffentlichen Verwaltung hat ihre Grundlage im Bundes-Verfassungsgesetz: Art. 17 B-VG hält fest, dass durch die Bestimmungen der Art. 10 bis 15 B-VG über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt wird. Der Staat kann demnach nicht nur mit Staatsgewalt („Imperium“), sondern auch als Träger von Privatrechten in Erscheinung treten, wobei sich die nicht-hoheitlichen Aufgaben des Staats keineswegs auf die Verfolgung privatwirtschaftlicher Unternehmensziele beschränken. Vielfach dienen sie direkt, jedenfalls letztlich der Erfüllung (ihrer) öffentlicher Aufgaben (OGH 27.02.2017, 1 Ob 201/16i; Amtshaftung: Unterscheidungskriterien zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung; „Druckausübung“ durch Landeshauptmann auf Bankvorstände als hoheitliches Handeln?, JBl 2017, 527).
In der Lehre wird daher die Bezeichnung der „Privatwirtschaftsverwaltung“ auch als nicht angemessen kritisiert (Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 144). Auch Korinek/Holoubek (Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 13) erläutern in diesem Zusammenhang, dass der Begriff „Privatwirtschaftsverwaltung“ synonym für die gesamte nicht-hoheitliche Verwaltung des Staats verwendet wird. Adamovich/Funk/Holzinger/Frank (in Österreichisches Staatsrecht², Band 4 Rz 49.001) setzen im Sinne der Klarheit der verwendeten Begriffe aus diesem Grund der in Rsp und Lehre häufig gebrauchten Formulierung, dass der Staat im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung handle „wie ein Privater“, den Vorbehalt entgegen, dass sie Anlass zu Missverständnissen geben könne: Auch wenn sich der Staat nicht-hoheitlicher Instrumente bediene, könne und dürfe er dies nur zur Erfüllung seiner Verbandsaufgaben tun. Der Verwaltungsgerichtshof trifft weitergehend folgende Unterscheidung: „Zu beachten ist hiebei, dass nicht hoheitliches Verwaltungshandeln sowohl im Bereich des Privatrechts als auch des öffentlichen Rechts vorkommt und dass daher die Unterscheidung zwischen Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung nicht mit jener zwischen öffentlichem und privatem Recht zusammenfällt“ (VwGH 26. 6. 2012, 2011/11/0005; 6. 3. 2014, 2013/11/0205).
Es ist also bereits hier festzuhalten, dass zum einen nicht alles „Öffentliche“ hoheitlich zu vollziehen ist (VfSlg 3262/1957; vgl auch Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 36 [„privatwirtschaftliches Verwaltungshandeln des Staates zu öffentlichen Zwecken“]) und zum anderen die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und privatwirtschaftlicher, das heißt nicht-hoheitlicher Verwaltung „ausschließlicher Natur“ ist. Dies bedeutet, dass jedes Verhalten (Handeln oder Unterlassen) eines Verwaltungsorgans einer der beiden Sphären zuzuordnen ist (Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, in Österreichisches Staatsrecht², Band 4, Rz 49.001 [„Entweder-oder-Zurechnung“]; Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 9 [„tertium non datur“]; OGH, 27.02.2017, 1 Ob 201/16i).
3.2.1. Zur Abgrenzung der Hoheitsverwaltung von der „Privatwirtschaftsverwaltung“:
Öffentliche Aufgaben im Allgemeinen und Staats- bzw. Verwaltungsaufgaben im Besonderen können somit grundsätzlich sowohl hoheitlich als auch in den Formen des Privatrechts wahrzunehmen sein (B. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht3, Rz 686; vgl VfGH B 968/07 = VfSlg 18.266/2007). B. Raschauer (aaO Rz 684) umschreibt den Begriff Hoheitsverwaltung damit, dass dieser Bereich der Verwaltung das spezifisch „Staatliche“ ausmache, das „Obrigkeitliche“, das „einseitig Anordnende und Gebietende“: Der Staat sei dabei Träger des ihm eigentümlichen „Imperiums“. Die Befugnis zu Handeln mit Imperium gegenüber den Rechtsunterworfenen ergebe sich nie allein aus dem Wesen einer Aufgabe oder der besonderen Bedeutung eines entscheidungsbefugten Organs. Hoheitsverwaltung werde durch Gesetz konstituiert (derselbe, aaO 696). Die Rsp stellt bei der Unterscheidung zwischen „Privatwirtschaftsverwaltung“ und Hoheitsverwaltung ua. ganz wesentlich auf die vom Gesetz angeordneten Formen des Verwaltungshandelns ab (VfSlg 3262/1957; VfGH B 968/07 = VfSlg 18.266/2007 uva). Demnach sind vornehmlich die dem Verwaltungshandeln zugrunde liegenden konkreten Rechtsvorschriften daraufhin zu untersuchen, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen will (vgl RIS-Justiz RS0102497), und sind die mit diesen verfolgten Ziele zu beachten (1 Ob 19/13w = SZ 2013/35; 1 Ob 183/15s mwN = RIS-Justiz RS0102497; vgl RS0049882; 1 Ob 98/16t).
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 26. 6. 2012, 2011/11/0005; 6. 3. 2014, 2013/11/0205) hält hiezu fest: „Ob eine von den Verwaltungsbehörden zu besorgende Aufgabe zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung zählt, bestimmt sich danach, in welchen Rechtsformen die betreffende Angelegenheit zu vollziehen ist. Nur wenn der Behörde der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden hoheitlichen Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen ist, handelt es sich um Hoheitsverwaltung; die Verwaltungsbehörde übt insoweit „imperium“ aus; andernfalls liegt Privatwirtschaftsverwaltung vor.“
Der Verfassungsgerichtshof betont in diesem Zusammenhang, dass die Frage, ob ein Verwaltungsorgan hoheitliche Befugnisse durch Erlassung eines Bescheides oder einer Verordnung in Anspruch genommen hat, „am Inhalt des Verwaltungsaktes zu messen und festzustellen ist“ (VfSlg 3952/1961, 4643/1964, 5355/1966, 7436/1974). „Ob ein hoheitlicher Verwaltungsakt oder ein nicht hoheitliches Verwaltungshandeln vorliegt, ist somit durch Interpretation des konkreten Rechtsetzungsaktes im gesamten rechtlichen Kontext zu ermitteln“ (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 17).
3.2.3. Grenzen des nicht-hoheitlichen Verwaltungshandelns:
Für nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln ist eine gesetzliche Grundlage – bei bestehenden Determinierungserfordernissen (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 31ff) – nicht erforderlich. Als Grenzen der Inanspruchnahme der „Privatwirtschaftsverwaltung“ aus eigenem Ermessen sind im konkreten Zusammenhang insbesondere zwei Punkte hervorzuheben:
Einerseits ist der nicht-hoheitlichen Verwaltung ein Tätigkeitwerden dort verwehrt, wo die Verfassung gesetzliche Aufgabenzuweisungen an die Privatwirtschaftsverwaltung ausschließt, sondern etwa vielmehr eine hoheitliche Verwaltung vorsieht (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 187ff). Ein Zusammenspiel von hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Gestaltungsakten der Verwaltung ist grundsätzlich zulässig. Dies aber nur insoweit, als dem nicht gesetzliche Anordnungen (insbesondere die den hoheitlichen Verwaltungsakten zugrundliegende Gesetze) entgegenstehen. Auch hier kommt es somit auf den Sinngehalt der gesetzlichen Bestimmungen an. Es widerspricht jedenfalls der Bindung der gesamten Verwaltung an die Gesetze, dass durch nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln hoheitliche Regelungen unterlaufen oder konterkariert werden (im Detail dazu: Holoubek, ÖZW 1993, 59ff; OGH 18.12.1992, 6 Ob 563/92; VfGH 15.12.1992, V 93/94/91; Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 193).
Andererseits ist im konkreten Beschwerdeverfahren darauf hinzuweisen, dass der OGH bei nicht-hoheitlichem Verwaltungshandeln des Staates in seiner Rsp von einer Fiskalgeltung der Grundrechte, insbesondere des Gleichheitsgrundsatzes ausgeht. Die Umsetzung dieser Fiskalgeltung erfolgt durch jene privatrechtlichen Normen, die vor unsachlichen Verzerrungen im Privatrechtsverkehr dienen (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 157 mwN).
3.3. Dachverband der Sozialversicherungsträger:
Gemäß § 32 Abs. 1 1. Satz ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018, sind die Versicherungsträger und der Dachverband Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben Rechtspersönlichkeit. Die Sozialversicherten sind in Sozialversicherungsträgern zusammengefasst, die als Selbstverwaltungskörper organisiert sind. Diesen als Selbstverwaltungskörper eingerichteten Sozialversicherungsträgern ist die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen der in ihnen zusammengeschlossenen Versicherten sowie im besonderen der Vollzug der jeweiligen Sozialversicherungsgesetze im übertragenen wie auch im eigenen Wirkungsbereich zugewiesen. Diese Sozialversicherungsträger in ihrer rechtlichen Qualität als juristische Personen des öffentlichen Rechts - und nicht etwa die ihnen angehörenden Versicherten – „gehören“ nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 30 Abs. 1 ASVG dem Dachverband der Sozialversicherungsträger an.
Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung liegt im Interesse der Versicherten an einer möglichst sozialen und effizienten Leistungserfüllung der von ihnen aufgebrachten Mittel begründet. Insbesondere durch die Organisation der Sozialversicherung als Selbstverwaltungsträger kann ein interner Interessenausgleich der zahlreichen, gegenläufigen Interessen der Versicherten und Beitragspflichtigen erzielt werden und zu einer Sachlichkeit der Ergebnisse führen. Den mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Trägern der sozialen Selbstverwaltung kommen umfassende Befugnisse in der Vollziehung des Sozialversicherungsrechts zu (Grabenwarter/Krauskopf, Gesundheitsrecht und Verfassung in Medizinrecht: Handbuch, Resch/Wallner 3. Aufl. April 2020).
Dem Dachverband als Selbstverwaltungskörper der Sozialversicherungsträger obliegt im Rahmen der „Koordination der Vollziehungstätigkeit“ gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 iVm § 30b Abs. 1 Z 4 ASVG die Herausgabe des EKO; und dies im Rahmen der weisungsfreien Selbstverwaltung nach Art. 120a Abs. 1 B-VG („Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der zum Selbstverwaltungskörper zusammengeschlossenen Personen gelegen und geeignet sind, von dieser Gemeinschaft besorgt zu werden“; VfGH B 446/05, VfSlg 17.686).
3.3.1. Die Rechtsnatur des EKO:
Der Dachverband hat bei allen Entscheidungen, die den EKO zum Gegenstand haben, die Stellung einer Behörde (Kopetzki, Das Verfahren der Aufnahme ins Heilmittel- und Leistungsverzeichnis der Sozialversicherung in Kneihs/Lienbacher/Runggaldier, Wirtschaftssteuerung 320; vgl. für das Heilmittelverzeichnis: VfGH V 5/02, VfSlg 17.024).
Der EKO ist wegen seiner Rechtswirkungen eine Verordnung (VfGH G 222/02 ua, VfSlg 17.023; VfGH V 21/05, VfSlg 17.585; zum Verordnungscharakter des EKO vgl auch VfGH V 77/2015), die Anbieter sind von dieser Verordnung selbst hingegen nur durch wirtschaftliche Reflexwirkungen (VfGH B 446/05, VfSlg 17.686) betroffen (Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 351c ASVG Rz 23 [Stand 1.3.2020, rdb.at]). Zuletzt hielt der OGH fest: „Der EKO ist eine Verordnung, die den Erstattungsbetrag für die in den gelben und grünen Bereich aufgenommen Arzneispezialitäten verbindlich festsetzt. …Die Verbindlichkeit des im EKO festgesetzten Preises gilt auch für den Sozialversicherungsträger, der als Adressat dieser Verordnung den dort genannten Preis zu erstatten hat.“ (OGH 29.6.2020, 2 Ob 120/19i; Ernst, RdM-LS 2020/97). Freilich ist damit auch jeder Akt, mit dem der EKO geändert wird, für sich genommen eine Verordnung (Kopetzki, Das Verfahren der Aufnahme ins Heilmittel- und Leistungsverzeichnis der Sozialversicherung in Kneihs/Lienbacher/Runggaldier, Wirtschaftssteuerung 321; VfGH G 222/02: „Diese Qualifikation trifft auch für jene Rechtsakte zu, mit denen das Heilmittelverzeichnis zB durch Aufnahme oder Streichung von Arzneimitteln verändert wird. Auch solche Rechtsakte (…) sind daher Verordnungen“).
3.3.2. Das durch Antrag eingeleitete Aufnahmeverfahren:
Die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex stellt gemäß § 351d Abs. 1 ASVG eine Ermessensentscheidung des Dachverbandes (VwGH 27.01.2016, Ro 2015/08/0017) im Rahmen der Hoheitsverwaltung dar. Wesentlich ist jedoch, dass nur die Entscheidung, die sich aus der pharmakologischen, medizinisch-therapeutischen und gesundheitsökonomischen Evaluation ergibt, im Ermessen des Dachverbandes liegt. Die Evaluation dient somit der Ermittlung und rechtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen aufgrund von Tatsachenfeststellungen und ist daher vom Ermessensspielraum des Dachverbandes ausgenommen. Unrichtige Einstufungen oder Festlegungen im Zuge der Evaluation können daher im Beschwerdeverfahren korrigiert werden. Die Endentscheidung kann jedoch nur dann vom zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes korrigiert werden, wenn die Ermessensentscheidung durch den Dachverband nicht im Rahmen der Gesetze getroffen wurde (vgl. für die Aufnahme in den EKO: VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0013).
Wie bereits betont, kommt dem Dachverband bei allen Entscheidungen, die den EKO zum Gegenstand haben, die Stellung einer Behörde zu. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Dachverband und dem vertriebsberechtigten Unternehmen ist daher in Bezug auf „Entscheidungen“ zum EKO hoheitlich. Der Dachverband agiert daher als Verwaltungsbehörde iSd Art. I Abs. 1 Z 1 EGVG und hat dabei, unter Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des ASVG und der VO-EKO, subsidiär das AVG anzuwenden (vgl. schon Kopetzki, Das Verfahren der Aufnahme ins Heilmittel- und Leistungsverzeichnis der Sozialversicherung in Kneihs/Lienbacher/Runggaldier, Wirtschaftssteuerung 309 [321f]; Thaler/Plank, Heilmittel und Komplementärmedizin (2005) [93f]). Das antragstellende Unternehmen hat neben den notwendigen Antragsunterlagen (vgl. Anlage zur VO-EKO) mit diesem Antrag auch einen Preis zu nennen, mit welchem die Aufnahme in den EKO begehrt wird (zur Besonderheit der amtswegigen Aufnahme von Arzneispezialitäten und der Problematik der Festsetzung des Preises vgl. Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 351c ASVG [Stand 1.3.2020, rdb.at]; Anmerkung: eine amtswegige Aufnahme einer Arzneispezialität in den EKO wurde bis dato nicht durchgeführt, scheitert doch ein derartiges Verfahren doch regelmäßig an der mangelnden, kaum durchsetzbaren, aber notwendigen Mitwirkung des vertriebsberechtigen Unternehmens, etwa zur Vorlage von Unterlagen).
Unbeschadet, ob es sich bei der Aufnahme einer Arzneispezialität um ein antragsbedürftiges Verfahren handelt, wird mit dem Antrag des vertriebsberechtigten Unternehmens – zB. „Antrag auf Aufnahme in den Gelben Bereich mit dem Preis X“ – jedenfalls der Verfahrensgegenstand abgegrenzt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 3 [Stand 1.1.2014, rdb.at]).
Nach der Durchführung des Ermittlungsverfahrens (pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Evaluation) teilt der Dachverband der Antragstellerin im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG (im Sinne der VO-EKO: „Vorläufige Feststellungen“ und Einsicht in das Beratungsergebnis der HEK, vgl. VwGH 29.01.2019, Ra 2018/08/0238) insbesondere auch den wirtschaftlich verträglichen (Höchst-) Preis mit, der für eine positive Erledigung des Antrages notwendig wäre. Weichen die Ermittlungsergebnisse vom durch den Antrag abgegrenzten Verfahrensgegenstand ab (Ermittlungsergebnis: Grüner Bereich vs Antrag: Gelber Bereich und/oder Ermittlungsergebnis: Preis Y vs Antrag: Preis X) bedarf es im Falle eines Einverständnisses der Antragstellerin verfahrensrechtlich einer Antragsänderung gemäß § 13 Abs. 8 AVG, um eine positive Bescheiderlassung zu erwirken.
Bei mangelndem Einverständnis (in Form einer dahingehenden Antragsänderung) wäre der Dachverband auf Grund des durch den verfahrenseinleitenden Antrag abgegrenzten Verfahrensgegenstandes somit verpflichtet, diesen abzuweisen (Anmerkung: § 27 Abs. 3 VO-EKO erscheint in diesem Zusammenhang bedenklich und kann gesetzeskonform nur dahingehend interpretiert werden).
3.3.3. Einigung über den Preis / „sonstige Vereinbarungen“ / Preismodell:
In der Lehre wird zu Recht auf die Praxis verwiesen, wonach bereits ab Einleitung des (hoheitlichen) Verwaltungsverfahrens Verhandlungen über den Preis stattfinden. Auch die Rsp des VfGH berücksichtigt den Umstand, dass neben dem Aufnahmeverfahren weitere Vereinbarungen zwischen dem Dachverband und dem vertriebsberechtigten Unternehmen bestehen können (VfGH V 21/05, VfSlg 17.585; VfGH G 222/02 ua, VfSlg 17.023; „Die Entscheidung über die Streichung einer in das Heilmittelverzeichnis aufgenommenen Arzneispezialität aus diesem greift in jene Rechtssphäre des Arzneimittelherstellers unmittelbar ein, die sich aus den Rechtswirkungen des Heilmittelverzeichnisses selbst und aus allfälligen, aus Anlass der Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis zwischen dem Hersteller und dem Hauptverband getroffenen weiteren Vereinbarungen ergibt.“).
Der Dachverband tritt bei diesen Verhandlungen jedoch nicht hoheitlich auf. Als Selbstverwaltungskörper vertritt er die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungsträger mit dem Ziel der Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit Arzneimitteln zu angemessenen Kosten (VfGH B 283/10, VfSlg 19.714; VfGH B 282/2012; Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 351c ASVG Rz 8 und 25 [Stand 1.3.2020, rdb.at]).
Auch wenn das ASVG in Bezug auf den Preis mehrfach von „Vereinbaren“ bzw. von einer „Einigung“ spricht, bedarf es für ein nicht-hoheitliches Tätigkeitwerden des Dachverbandes in diesem Zusammenhang keiner gesetzlichen Grundlage. Dahingehend unterscheidet sich dieses nicht-hoheitliche Tätigwerden von dem gesetzlich vorgeschriebenen Kostenersatz gemäß § 351g Abs. 4 ASVG in der Fassung BGBl I Nr. 145/2003 und dem ebenfalls generell normierten früheren Finanzierungs-Sicherungs-Beitrag. Diesen hat der VfGH ausdrücklich als privatrechtliche Ansprüche qualifiziert (VfGH V 48/05, G 75/05, VfSlg 17.653; VfGH G 14/08 ua, VfSlg 18.738). Für ein nicht-hoheitliches Tätigwerden des Dachverbandes in Zusammenhang mit der Einigung auf einen Preis ist vielmehr ausreichend, dass diese beabsichtigte Einigung letztlich der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben („Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit Arzneimitteln zu angemessenen Kosten“) dient (vgl. die bereits oben genannten Determinierungserfordernisse und Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, [Nicht-Hoheitliche Verwaltung aus freiem Ermessen] 195ff).
Das vertriebsberechtigte Unternehmen wiederum hat ein wirtschaftliches (absatzbedingtes) Interesse an der Aufnahme in den EKO.
Die Ergebnisse der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Evaluation (Ermittlungsergebnisse) bilden im Rahmen der Gespräche über eine Einigung über den Preis die Basis der Verhandlungen (Höchstpreis im festgestellten Grünen oder Gelben Bereich des EKO). Zu Recht weist Ernst (Grenzen der Zulässigkeit und der Ausgestaltung von Preismodellen für Arzneimittel im Erstattungskodex, JMG 3-2020, 149) in diesem Zusammenhang auf den Telos des EKO hin. Es würde demnach dem „Normzweck, die Ausgaben der Sozialversicherung für Arzneimittel zu begrenzen und Höchstpreise für die Erstattung vorzusehen, widersprechen, wenn in einer Vereinbarung höhere als die erstattungsrechtlich zulässigen Preise vereinbart würden. Eine Vereinbarung, die dieses Niveau unterschreitet, scheint nach dem Normzweck unbedenklich.“
Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auf folgende Überlegung hingewiesen: Eine Vereinbarung über einen höheren Preis, als er im Rahmen des hoheitlichen Verwaltungsverfahren festgestellt wurde (§ 25 VO-EKO), hätte zur Folge, dass der Antrag bzw. die auf Grund dieser Einigung erfolgte Antragsänderung im hoheitlichen Verwaltungsverfahren nicht mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens übereinstimmt und letztlich den Dachverband als Behörde im Rahmen der Hoheitsverwaltung verpflichten würde, den Antrag auf Aufnahme abzuweisen.
Zu Recht verweisen beide Verfahrensparteien darauf, dass mangels eindeutiger gesetzlicher Ermächtigung an den Dachverband, die Annahme eines Verwaltungsvertrages auszuschließen ist. Auch ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass im Falle einer Nicht-Einigung über einen Verwaltungsvertrag ein Bescheid zu erlassen wäre. Auch hierfür fehlt eine gesetzliche Grundlage (vgl. auch Ernst, Grenzen der Zulässigkeit und der Ausgestaltung von Preismodellen für Arzneimittel im Erstattungskodex, JMG 3-2020, 144).
3.3.4. Standardpassagen/einheitliche Vertragsklauseln:
Wie oben dargelegt, hat der Dachverband auch im Rahmen des nicht-hoheitlichen Verwaltungshandelns den Gleichheitsgrundsatz zu berücksichtigen und darf durch ein solches, nicht-hoheitliches Tätigwerden die hoheitliche Verwaltung nicht untergraben oder konterkariert werden. Die seitens der Beschwerdeführerin dargelegten generellen Vertragsklauseln bzw. Standardpassagen haben demnach - als „Vertragsformblätter“ im Sinne des ABGB - grundsätzlich das Ziel, der Fiskalgeltung des Grundrechts auf Gleichheit der vertriebsberechtigten Unternehmen untereinander gerecht zu werden. Die aufgeworfenen Bedenken in Bezug die Inhalte in den Vertragsformblättern (insbesondere über eine „automatische“ Streichung aus dem EKO) werden angesichts des gesetzlich vorgesehenen (hoheitlichen) Verwaltungsverfahrens und der Hoheitsverwaltung für sich (EKO) zwar geteilt; eine Prüfung dieser Vertragsformblätter obliegt jedoch da der Dachverband in diesem Zusammenhang nicht individuell-hoheitlich handelt ebenso wie generell der Abschluss von Preismodellen nicht dem Bundesverwaltungsgericht (Art. 130 B-VG), sondern den Zivilgerichten, letztlich dem OGH (Holoubek, ÖZW 1993, 59ff; OGH 18.12.1992, 6 Ob 563/92; in diesem Sinne auch: Ernst, Grenzen der Zulässigkeit und der Ausgestaltung von Preismodellen für Arzneimittel im Erstattungskodex, JMG 3-2020).
3.3.5. „Nebenbestimmung“ im Sinne des § 59 AVG:
Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, bei den „Standardpassagen“ handle es sich um Nebenbestimmungen von Bescheiden.
Nebenbestimmungen eines Bescheides sind Willensäußerungen der hoheitlich handelnden Behörde, die von ihr dem Hauptinhalt des Spruchs beigefügt werden (VwGH 13. 10. 1993, 92/03/0191; 17. 5. 2004, 2002/06/0003; Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 16f [Stand 1.7.2005, rdb.at]). Sie sind somit normative Aussprüche (VwSlg 12.889 A/1989) und der Rechtskraft fähig (vgl VwSlg 12.188 A/1986; VwGH 7. 5. 1991, 91/07/0039; 28. 1. 2003, 2001/05/1087; Rz 23).
Als hoheitliche Anordnungen unterliegen auch Nebenbestimmungen dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG (VwGH 28. 1. 2003, 2002/05/0072), bedürfen also einer gesetzlichen Grundlage (vgl VwSlg 6400 A/1964; 12.191 A/1986; 13.975 A/1993) in den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 19 [Stand 1.7.2005, rdb.at]).
In der Lehre wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Behörde auch ohne explizite gesetzliche Ermächtigung Nebenbestimmungen in einen Bescheid aufnehmen dürfe, soweit ihr bei Erlassung des Bescheides die Wahrung bestimmter Interessen übertragen sei und die Nebenbestimmung der Wahrung dieser Interessen diene. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn die Nebenbestimmung dazu bestimmt sei, das (Antrags-)Projekt bewilligungsfähig zu machen (Wieser, Nebenbestimmungen in Bescheiden - Feinsteuerungsoption der Verwaltung oder Vollziehungskorsett?, ZfV 2010, 575; Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 19 [Stand 1.7.2005, rdb.at]).
Dieser Teil der Lehre betont aber auch, dass es einer Gesamtanalyse des betreffenden Gesetzes, insbesondere auch mit den Mitteln der systematisch-teleologischen Interpretation, bedürfe, um festzustellen, ob im konkreten Fall die Beifügung einer Nebenbestimmung (ohne gesetzliche Grundlage) erlaubt bzw. geboten sei (Wieser, Nebenbestimmungen in Bescheiden - Feinsteuerungsoption der Verwaltung oder Vollziehungskorsett?, ZfV 2010, 575 mwN).
Unbestritten ist der EKO eine Verordnung, mit der der Erstattungsbetrag für die in den Gelben und Grünen Bereich aufgenommen Arzneispezialitäten verbindlich festgesetzt wird. Jene Rechtsakte, mit denen der EKO verändert wird (zB Aufnahme, Streichung Überführung in einen anderen Bereich) sind ebenso Verordnungen. Für Nebenbestimmungen (Befristungen, Bedingungen oder Auflagen) verbleibt somit im individuellen hoheitlichen Verfahren entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin insbesondere dort kein Raum, wo die Verfahrensvorschriften (sowohl VO-EKO als auch das subsidiär anzuwendende AVG) ausreichende Instrumente vorsehen, sollten die im Bescheid über die Aufnahme festgesetzten Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sein (vgl. Abschnitte V. - VIII. VO-EKO). Grundsätzlich ist jede im EKO angeführte Arzneispezialität nur „bedingt“ gelistet, soweit sie nämlich in Österreich zugelassen, erstattungsfähig und gesichert lieferbar ist, nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung annehmen lässt und der festgesetzte Preis wirtschaftlich vertretbar ist.
Die von der Beschwerdeführerin genannten „Standardpassagen“ sind auch nicht – wie von ihr behauptet - Teil der gesundheitsökonomischen Evaluation. Diese ist nach den Vorschriften des § 25 VO-EKO durchzuführen, orientiert sich ausschließlich an den Ergebnissen der medizinisch-therapeutischen Evaluation und führt zu einem bestimmten Höchstpreis.
3.4. Fazit:
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist daher zusammenfassend strikt zwischen (individueller) Hoheitsverwaltung und nicht-hoheitlichem Tätigwerden des Dachverbandes, demnach auch zwischen einem Antrag auf Aufnahme in den EKO zu einem bestimmten Preis im hoheitlichen Verwaltungsverfahren und dem Anbot zum Abschluss eines Preismodells an den Dachverband im Rahmen seiner nicht-hoheitlichen Verwaltung in Anwendung des Privatrechts zu differenzieren. In weiterer Folge ist demnach auch zwischen dem Abschluss eines Preismodells als privatrechtlicher Vertrag und einer im hoheitlichen Verwaltungsverfahren eingebrachten Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages zu unterscheiden.
Die Anmerkung in Bescheiden des Dachverbandes, wonach einem Preismodell zugestimmt werde, ist daher nicht als normativer Spruch (oder Nebenbestimmung dieses normativen Spruches) und somit nicht als individueller hoheitlicher Rechtsakt zu werten (zur Deutung eines Verhaltens eines Verwaltungsorgans vgl. zuletzt VwGH 16. 6. 2020, Ra 2018/01/0287).
Tritt der Dachverband als Träger seiner hoheitlichen Befugnisse (mit „Imperium“) auf, steht gegen Verordnungen, mit den der EKO geändert wird, im Falle einer behaupteten Gesetzeswidrigkeit ein Individualantrag an den VfGH gemäß Art. 139 B-VG offen, während gegen individuelle hoheitliche Rechtsakte (Bescheide) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden kann (Art. 130 B-VG iVm § 351h Abs. 1 ASVG). Die Kognitionsbefugnis und die damit verbundene grundsätzlich bestehende meritorische Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt sich auf den Beschwerdegegenstand, somit ausschließlich auf die „Entscheidung“ des Dachverbandes als Träger seiner hoheitlichen Befugnisse.
Bei „weiteren Vereinbarungen, die aus Anlass der Aufnahme in den EKO zwischen dem Hersteller und dem Dachverband getroffenen werden“ (VfGH G 222/02 ua, VfSlg 17.023), tritt der Dachverband hingegen nicht als Träger seiner hoheitlichen Befugnisse auf, sondern nimmt als (rechtlich) gleichberechtigter Partner privater Rechtssubjekte am Wirtschaftsleben teil (VwGH 15.9.1999, 99/04/0101). Streitigkeiten aus diesen Vereinbarungen und eine Prüfung der Vertragsinhalte fallen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte.
Der Antrag auf Prüfung der vorgelegten „Vertragsformblätter“ war daher gemäß Art. 130 Abs. 5 B-VG zurückzuweisen. Die Annahme eines privatrechtlichen Anbots auf Abschluss eines Preismodells ist nicht von der Kognitionsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Art. 130 B-VG umfasst. Ein Abschluss einer solchen Vereinbarung steht den Sozialversicherungsträgern bzw. dem Dachverband im Rahmen der nicht hoheitlichen Verwaltung nach Maßgabe ihrer budgetrechtlichen Vorgaben zum Zweck ihrer öffentlichen Aufgaben selbst zu.
Entfall einer mündlichen Beschwerdeverhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte in den gegenständlichen Verfahren vor folgendem Hintergrund unterbleiben:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389, entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
In den verfahrensgegenständlichen Beschwerdeverfahren wurde von der Beschwerdeführerin eine öffentliche Verhandlung beantragt. Bedingt durch die COVID-19-Maßnahmen wurde den Verfahrensparteien zunächst die Möglichkeit zur schriftlichen Beantwortung von Fragen des Senates gegeben und ihnen auch zugestanden, auf die Stellungnahme der anderen Verfahrenspartei zu replizieren. Dem Recht, den jeweiligen Standpunkt an Hand dezidierter Fragen des Senates darzulegen, wurde nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts somit Genüge getan. Ausdrücklich zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Stellungnahme zur schriftlichen Beantwortung des Fragenkatalogs durch den Dachverband ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zurückzog und somit ein Verzicht im Sinne des § 24 Abs. 5 VwGVG vorliegt. Auch der Dachverband als belangte Behörde verzichtete anlässlich seiner Stellungnahme ausdrücklich auf die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Zu B) zu den Revisionen:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision in Bezug auf die Einstellung des Verfahrens ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Revision in Bezug auf die Abweisung der Beschwerden ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ebenfalls nicht zulässig, weil auch diese Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Frage des Ermessens des Dachverbandes hat der VwGH – wie oben ausgeführt – ebenso umfassend dargelegt wie die Eintrittsvoraussetzungen in den Gelben Bereich des EKO. Auch hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 14.09.2016, Ra 2016/08/0090-6 Vesomni, angedeutet, dass aus seiner Sicht (arg. Klammerausdruck „allenfalls durch anerkannte Surrogatparameter“) Studienergebnisse mit Surrogatparametern als nachrangig zu bewerten sind, sobald Endpunktstudien vorliegen.
Die Revision gegen die Zurückweisung der Prüfung der „Vertragsformblätter“ und der Annahme eines Anbots zum Abschluss eines Preismodells durch das Bundesverwaltungsgericht ist hingegen zulässig, da diese Entscheidung ausschließlich von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und dahingehend eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
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