VfGH G47/79

VfGHG47/796.10.1981

Vergnügungssteuergesetz für Wien 1963; die gesetzliche Ermächtigung zum Abschluß von Vereinbarungen in §6 Abs7 widerspricht nicht Art18 B-VG; Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
WAO §149 Abs2
Wr VergnügungssteuerG 1963 §5 Abs7
Wr VergnügungssteuerG 1963 §6 Abs7
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
WAO §149 Abs2
Wr VergnügungssteuerG 1963 §5 Abs7
Wr VergnügungssteuerG 1963 §6 Abs7

 

Spruch:

Der Antrag auf Aufhebung der Worte "oder Gruppen von Steuerpflichtigen" in §6 Abs7 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 26. März 1963 über die Wiederverlautbarung des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1946, LGBl. 11/1963, wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der VwGH beantragt gemäß Art140 Abs1 B-VG in Verbindung mit §62 Abs1 VerfGG die Aufhebung des §6 Abs7 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 26. März 1963, über die Wiederverlautbarung des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1946, LGBl. 11/1963 "in seiner geltenden Fassung" (das ist nach wie vor die Fassung der Wiederverlautbarung 1963), wegen Verstoßes gegen Art18 B-VG. Dem Antrag des VwGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenberufungskommission für Wien vom 21. Juni 1978 wurde die Berufung der I. Hotel-BetriebsgesmbH gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 26. Juli 1976 betreffend die Vorschreibung von Vergnügungssteuer für die Zeit vom 1. August 1974 bis 31. Dezember 1975 gemäß §224 Abs2 der Wr. Abgabenordnung abgewiesen. Zur Begründung ihres Bescheides führt die Berufungsinstanz aus, anläßlich der Anmeldung bzw. Abrechnung der vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltungen sei die beschwerdeführende Partei dem zwischen dem Magistrat der Stadt Wien und der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Wien geschlossenen Übereinkommen über die Richtlinien zur Abfindung der Vergnügungssteuer beigetreten. Diese Richtlinien seien eine Pauschalierung der Vergnügungssteuer iS des §6 Abs7 Vergnügungssteuergesetz. Diese Bestimmung ermächtige den Magistrat, mit einzelnen Steuerpflichtigen oder Gruppen von Steuerpflichtigen Vereinbarungen über die zu entrichtende Steuer zu treffen, soweit diese die Besteuerung vereinfachen und das steuerliche Ergebnis bei den Steuerpflichtigen nicht wesentlich verändern. Strittig sei, ob die Vergnügungssteuer in der Höhe von 8% Bestandteil der Bemessungsgrundlage sei oder, wie die I. Hotel-Betriebsgesellschaft vermeine, vor Steuerfestsetzung auszuscheiden sei. Zur Entscheidung dieser Frage sei vorerst auf den Wortlaut der Pauschalierung zurückzugreifen, der von keinem der Vertragsteile einseitig verändert werden könne. Nach dem getroffenen Übereinkommen (Richtlinien vom 6. August 1963 bzw. vom 27. April 1971) sei von der Lösung lediglich die Getränkesteuer, der Bedienungszuschlag und ab 1. Jänner 1971 die Alkoholsteuer abzuziehen. Die Vergnügungssteuer sei entgegen den Berufungsausführungen nie als Durchlaufpost vorgesehen. Dafür spreche nicht nur der Wortlaut des Übereinkommens, sondern auch das Vergnügungssteuergesetz selbst.

Gegen diesen Bescheid erhob die I. Hotel-Betriebsgesellschaft Beschwerde an den VwGH.

2. Anläßlich des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens stellt der VwGH den oben genannten Antrag an den VfGH und begründet ihn wie folgt:

(Der Antrag wird hier gekürzt wiedergegeben.)

"Nach Art18 Abs1 B-VG und der entsprechenden Sonderbestimmung des §5 F-VG darf "die gesamte staatliche Verwaltung" nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. ...

Diesem von der Verfassung gebotenen Erfordernis wird jedoch die in dem anhängigen Verfahren vor dem VwGH anzuwendende Bestimmung des §6 Abs7 VgStG nicht gerecht. Zum einen sind die Voraussetzungen, unter denen der Abschluß von "Vereinbarungen", die inter partes "Sonderrecht" (Vertragsrecht) schaffen, zulässig ist, nicht hinreichend determiniert. Der Zweck der Vereinbarungsermächtigung ist der gleiche, wie jener der Vereinbarung selbst (Vereinfachung der Besteuerung). Die Worte "soweit diese die Besteuerung vereinfachen" stellen eine nicht am Prinzip der Rechtsstaatlichkeit orientierte Leerformel dar, die bald dies, bald jenes bedeuten kann. Daß solche rein verwaltungsökonomischen Erwägungen geeignet sein sollen, gerade die Abgaben(Eingriffs)verwaltung vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung freizustellen, vermag der VwGH nicht zu finden. Zum anderen ist die Voraussetzung der Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen iS des Art18 Abs1 B-VG nicht ausreichend vorherbestimmt. Das Gesetz enthält keine Determinanten für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "nicht wesentlich", um einen den Anforderungen des Legalitätsprinzips festen Anhaltspunkt für die Bemessung der Vergnügungssteuer zu geben. Dies zeigt ja gerade das Ergebnis in Hinsicht auf die Steuersätze der vorliegenden Vereinbarung. Als Maßstab dafür, ob das steuerliche Ergebnis wesentlich verändert wird oder nicht, kann §206 litc BAO gelten. Gerade aber auf dem Sektor der Abgabenverwaltung sind in Hinsicht auf die Steuersätze im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes für die Abgabepflichtigen strenge Anforderungen zu stellen. Daraus folgt nach Ansicht des VwGH, daß diese vom Landesgesetzgeber getroffene Regelung dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis von Normen (Art18 Abs1 B-VG) nicht entspricht.

...

... Enthält nun - wie im vorliegenden Falle - ein Steuergesetz die Ermächtigung zum Abschluß einer "Vereinbarung" zwischen dem Abgabengläubiger und dem rechtsunterworfenen Abgabepflichtigen zur Bestimmung der Höhe der zu entrichtenden Abgabe, so fußt der konkrete Abgabenanspruch, welcher öffentlichrechtlicher Natur ist, nicht allein auf dem Gesetz, sondern auf einem weiteren normativen Akt, der antizipierende Abänderungen von Steuerschuldverhältnissen herbeiführenden "Vereinbarung". Solche "Vereinbarungen" stellen nach der Lehre (Öhlinger, Das Problem des verwaltungsrechtlichen Vertrages, Rill, Gliedstaatsverträge, Seite 49 f, Stoll, Das Steuerschuldverhältnis, Seite 65 ff, und Salzwedel, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages, Seite 207 f) öffentlich-rechtliche Verträge dar.

Im Beschwerdefall wurde die "Vereinbarung" vom 27. April 1971 zwischen dem Magistrat der Stadt Wien und der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien abgeschlossen. Das bedeutet nichts anderes, als daß mit dem Legalitätsprinzip nicht in Einklang zu bringende Regelungen durch von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht überprüfbare Absprachen über die Steuersätze zwischen Interessenverbänden und Abgabengläubiger ersetzt werden. Für die "Vereinbarung" folgt daraus, daß sie eine der rechtsstaatlichen Verfassung und ihrer Kompetenzverteilung widersprechende rechtliche Gestaltungsform darstellt, die zum einen das durch das Legalitätsprinzip festgelegte Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive verschiebt und zum anderen die Möglichkeit von Gleichheitsverletzungen (vgl. Kneucker, Die Bindung des Steuergesetzgebers an den Gleichheitssatz der Bundesverfassung, ÖStZ. 1966, Seite 217 ff) notwendigerweise in sich birgt.

Da das österreichische Verwaltungsverfahren ebenso wie die Kontrolle der Verwaltung durch den VwGH auf den behördlichen Verwaltungsakt, den Bescheid, abstellt, den die Behörde einseitig erläßt, welcher wiederum der Überprüfung auf seine Gesetzmäßigkeit (nicht "Vertragsmäßigkeit") im Instanzenzug bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts unterliegt, erscheint ein Kontrahieren der Behörde mit der Partei nach dem ganzen System des Rechtsschutzes ausgeschlossen (vgl. Oberndorfer, Zum Verzicht im öffentlichen Recht, insbesondere im Sozialrecht, JBl. 1967, Seite 68 ff).

...

Die Wr. Landesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung mit der Begründung, die Begriffe "Vereinfachung der Besteuerung" und "nicht wesentlich" bestimmten das Verhalten der Behörde in einem Maß voraus, welches iS des Art18 Abs1 B-VG ausreichend sei. Auch die Ermöglichung des Abschlusses von Vereinbarungen verstoße gegen keines der Prinzipien der Bundesverfassung (rechtsstaatliches Prinzip, Gleichheitsgrundsatz, Recht auf den gesetzlichen Richter).

Auch die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hält §6 Abs7 VergnügungssteuerG für nicht verfassungswidrig.

II. Zur Zulässigkeit des Antrages:

1. Der VwGH führt hiezu aus, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei von der Abgabenberufungskommission für Wien die auf §6 Abs7 Vergnügungssteuergesetz gegründete Vereinbarung vom 27. April 1971 unmittelbar angewendet worden. Beide Parteien des Verfahrens vor dem VwGH gingen von der Annahme aus, daß diese zwischen dem Magistrat der Stadt Wien und der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Wien abgeschlossene Vereinbarung vom 27. April 1971 ein Rechtsverhältnis gestaltet und Rechtswirkungen erzeugt habe. Die Verfassungsmäßigkeit der bezogenen Gesetzesstelle bilde somit auch eine Voraussetzung des Erk. des antragstellenden Gerichtshofes iS des Art140 Abs1 B-VG und sei daher präjudiziell.

2. Die angefochtene Gesetzesbestimmung lautet:

"Der Magistrat kann mit einzelnen Steuerpflichtigen oder Gruppen von Steuerpflichtigen Vereinbarungen über die zu entrichtende Steuer treffen, soweit diese die Besteuerung vereinfachen und das steuerliche Ergebnis bei den Steuerpflichtigen nicht wesentlich verändern."

3. Der Einleitungsabsatz der am 27. April 1971 von der MA 4/7 erlassenen Richtlinien für Einzelveranstaltungen (Saalbetriebe) nach dem Stand 1. Jänner 1971 hat folgenden Wortlaut:

"Richtlinien für Einzelveranstaltungen (Saalbetriebe) nach dem Stand vom 1. Jänner 1971 für die Abfindung der Vergnügungssteuer nach dem geleisteten Gesamtentgelt iS des §8 Abs6 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. für Wien Nr. 11. Die Vergnügungssteuer nach §6 Abs6 des Vergnügungssteuergesetzes wird bei Einzelveranstaltungen (Saalbetrieben) unter Zugrundelegung der Bruttonutzenspanne bei Wein, allenfalls bei alkoholfreien Erfrischungsgetränken, berechnet und wird die Berechnung nach folgenden Grundsätzen vorgenommen: ...".

Es kann auf Grund dessen von vornherein nicht davon ausgegangen werden, daß diese Richtlinien eine Vereinbarung zwischen dem Magistrat der Stadt Wien und der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Wien iS des §6 Abs7 des Vergnügungssteuergesetzes darstellen. Es handelt sich vielmehr - was in dem zitierten Einleitungsabsatz auch unmißverständlich zum Ausdruck kommt - um Richtlinien, welche vom Magistrat in Anwendung des §8 Abs6 Vergnügungssteuergesetz erlassen wurden (nach dieser Bestimmung kann der Magistrat zur Vereinfachung des Berechnungsvorganges unter Zugrundelegung der Nutzenspannen einzelner charakteristischer Konsumationen Richtlinien für die Abfindung der Steuer nach dem geleisteten Gesamtentgelt erlassen).

Daraus ergibt sich, daß jedenfalls die Frage des Vorliegens einer Vereinbarung zwischen dem Magistrat und einer Gruppe von Steuerpflichtigen ganz offenbar nicht als eine Voraussetzung des vom VwGH über die Beschwerde der I. Hotel-Betriebsgesellschaft mbH zu fällenden Erk. in Betracht kommen kann, weil eine solche Vereinbarung iS des §6 Abs7 VergnügungssteuerG zwischen dem Magistrat und der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für Wien zweifelsfrei nicht vorliegt. Es braucht somit auch nicht untersucht zu werden, ob eine gesetzliche Interessenvertretung überhaupt als "Gruppe von Steuerpflichtigen" angesehen werden kann. Der Antrag ist daher hinsichtlich der Worte "oder Gruppen von Steuerpflichtigen" in der angefochtenen Gesetzesbestimmung mangels Präjudizialität zurückzuweisen (zur ständigen Rechtsprechung des VfGH hinsichtlich der Präjudizialität vgl. etwa VfSlg. 7999/1977).

Da aber nichts gegen die Annahme im Antrag des VwGH spricht, er werde auf Grund des Sachverhaltes zu prüfen haben, ob zwischen einem einzelnen Steuerpflichtigen - der I. Hotel-Betriebsgesellschaft mbH - und dem Magistrat allenfalls eine dem §6 Abs7 VergnügungssteuerG zu subsumierende Vereinbarung vorliegt, ist der Antrag im übrigen zulässig.

III. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. a) §6 Abs7 Vergnügungssteuergesetz ermächtigt - wie schon oben unter Pkt. II.2. dargestellt - den Magistrat zum Abschluß von Vereinbarungen über die zu entrichtende Steuer, soweit diese die Besteuerung vereinfachen und das steuerliche Ergebnis bei den Steuerpflichtigen nicht wesentlich verändern.

Das VergnügungssteuerG läßt somit Vereinbarungen zwischen der Abgabenbehörde und dem Abgabepflichtigen im Rahmen der im §6 Abs7 gezogenen Grenzen zu. Dabei ist davon auszugehen, daß - wie auch der VwGH bereits in seinem Erk. VwSlg. 2413 F/1961 zum Ausdruck gebracht hat - §6 Abs7 Vergnügungssteuergesetz nicht so zu verstehen ist, daß über die Anwendung und Nichtanwendung gesetzlicher Bestimmungen, in denen Steuertatbestände festgelegt sind, eine Vereinbarung zwischen Behörde und Abgabepflichtigen getroffen werden kann. Das ergibt sich auch aus dem Wortlaut der genannten Gesetzesbestimmung, wonach Vereinbarungen "über die zu entrichtende Steuer" getroffen werden können, also nicht über die Steuerpflicht und die Voraussetzungen zur Entrichtung der Abgabe schlechthin, sondern lediglich über vereinfachte Verrechnungsmodalitäten zwecks Ermittlung der Höhe der Abgabe, allenfalls zwecks einer Pauschalierung.

Das Vergnügungssteuergesetz sieht grundsätzlich vor, daß es der Erlassung eines Bescheides nicht bedarf (vgl. §§14 Abs3 und 21 Abs3). In §149 Abs2 der Wr. Abgabenordnung ist vorgesehen, daß die Abgabenbehörde Selbstbemessungsabgaben dann mit Bescheid festzusetzen hat, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist.

Auf Grund dieses im Vergnügungssteuergesetz und in der Wr. Abgabenordnung festgelegten Systems stellt die Vereinbarung keinen Akt dar, der einen allenfalls ergehenden Bescheid ersetzt, sondern der ihm vorangeht. Das war im übrigen auch in jenem Abgabenverfahren der Fall, welches dem vorliegenden Antrag des VwGH zugrunde liegt. Daraus ergibt sich wieder, daß die Behörde im "Streitfall" der bescheidmäßigen Festsetzung von Abgaben die vorausgegangene Vereinbarung zugrunde zu legen hat und die Vereinbarung auf diese Weise in den Bescheid mündet.

b) Es ist dem VwGH zuzustimmen, daß das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Kontrolle der Verwaltung durch den VwGH aufeinander angelegt sind; aus diesem Umstand zieht der VfGH in langjähriger ständiger Rechtsprechung auch die Schlußfolgerung, daß die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns bereits im Gesetz umschrieben sein müssen, und zwar so, daß die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes in der Lage sind, die Übereinstimmung der Verwaltungsakte mit dem Gesetz zu überprüfen (vgl. zB aus jüngster Zeit VfSlg. 8813/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der VfGH teilt auch den Gedankengang des VwGH, wonach das österreichische Verwaltungsverfahren ebenso wie die Kontrolle der Verwaltung durch den VwGH auf den behördlichen Verwaltungsakt - den Bescheid - abstellt, den die Behörde einseitig erläßt und welcher der Überprüfung auf seine Gesetzmäßigkeit durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unterliegt. Der VfGH teilt aber nicht die vom VwGH daraus gezogene Schlußfolgerung, daß demnach ein Kontrahieren der Behörde mit der Partei nach dem ganzen System des Rechtsschutzes ausgeschlossen ist und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit widerspricht.

Schon aus der Darlegung der hier maßgeblichen Rechtslage (siehe oben unter Pkt. a) und der Einbettung der Vereinbarungen nach §6 Abs7 VergnügungssteuerG in dieses System geht hervor, daß die vom VwGH gezogene Schlußfolgerung deshalb nicht zutrifft, weil dem VwGH - entgegen seiner Annahme - die Überprüfung des Inhaltes von Vereinbarungen nicht verwehrt ist. Der VwGH hat vielmehr im Zuge der Prüfung der Gesetzmäßigkeit eines entsprechenden Abgabenbescheides auch zu prüfen, ob sich die abgeschlossene Vereinbarung an die ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen hält. Die Vereinbarung, die nur im Rahmen des Gesetzes geschlossen werden kann, entfaltet nämlich nur insoweit Bindungswirkung, als sie sich an diese Grenzen hält.

Die gesetzliche Ermächtigung zum Abschluß von Vereinbarungen überläßt zwar der Behörde einen Entscheidungsspielraum, der aber im Hinblick auf seine Begrenzung - wie etwa in §6 Abs7 Vergnügungssteuergesetz (s. oben unter Pkt. a) - und seine ausreichende Bestimmtheit mit Art18 B-VG in Einklang steht und dessen Einhaltung durch den VwGH überprüfbar ist.

Aus diesen Gründen kann der VfGH die Auffassung des VwGH nicht teilen, daß "mit dem Legalitätsprinzip nicht in Einklang zu bringende Regelungen durch von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht überprüfbare Absprachen über die Steuersätze" ersetzt würden. Zu dem Hinweis des VwGH auf §3 Abs, 1 der Wr. Abgabenordnung ist zu bemerken, daß es ausgehend von den oben dargestellten Erwägungen des VfGH verfassungsrechtlich belanglos ist, wann die Steuerschuld entsteht.

Auch in der Lehre wird die verfassungsrechtliche Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge keineswegs generell verneint (vgl. Stoll, Das Steuerschuldverhältnis, Wien 1972, S 65; Melichar, Zur Frage von Treu und Glauben im Steuerrecht in Kastner-Festschrift, Wien 1972, S 309; Schäffer, Rechtsquellen und Rechtsanwendung, Verh.

5. ÖJT 1973, Band I/1/B S 102 f. Öhlinger, Das Problem des verwaltungsrechtlichen Vertrages, Salzburg-München 1974, S 34 derselbe, Der verwaltungsrechtliche Vertrag in Rechtsfragen des Verwaltungsverfahrens, Wien 1979, S 49; Gassner, Das Schuldverhältnis im Verwaltungsrecht in: Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1979,

S 133 ff.; Funk, Verwaltungshandeln und Verwaltungsakt, aaO,

S 157 ff.; Doralt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, aaO S 205 ff. und Puck, Nicht hoheitliche Verwaltung, Typen und Formen, aaO

S 275 ff.) Dabei wird überwiegend der - auch den Erwägungen des VfGH zugrunde liegende - Zusammenhang zwischen gerichtlicher Kontrolle auf dem Umweg über den Bescheid und verfassungsrechtlicher Zulässigkeit betont.

Gesetzliche Bestimmungen, die derartige Verträge vorsehen, stehen daher mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Widerspruch.

2. Der VfGH hält die angefochtene Gesetzesbestimmung iS seiner bereits oben unter Pkt. 1. zitierten ständigen Rechtsprechung zu Art18 B-VG auch für hinreichend determiniert. Der VfGH geht - wie ebenfalls bereits oben erwähnt - gemeinsam mit dem VwGH davon aus, daß eine Vereinbarung nach §6 Abs7 VergnügungssteuerG nicht die Anwendung oder Nichtanwendung gesetzlicher Bestimmungen, in denen Steuertatbestände festgelegt sind, zum Gegenstand haben kann. Wie gleichfalls schon erwähnt, schließt es der Wortlaut der angefochtenen Gesetzesbestimmung von vornherein aus, daß Vereinbarungen über das Bestehen der Steuerpflicht getroffen werden können. Innerhalb des für eine Vereinbarung verbleibenden Bereiches stellen die beiden in der angefochtenen Bestimmung festgelegten Voraussetzungen (und zwar nicht losgelöst voneinander, sondern im Zusammenhang: Es müssen jeweils beide Voraussetzungen vorliegen) durchaus taugliche Determinanten iS des Art18 B-VG dar.

Mit der Argumentation, daß die Worte "soweit diese die Besteuerung vereinfachen" eine Leerformel darstellten, welche bald dies, bald jenes bedeuten könne, hat der VwGH in keiner Weise dargetan, daß er nicht in der Lage wäre, im Einzelfall zu beurteilen, ob eine Vereinbarung eine konkrete Vereinfachung der Besteuerung (sei es für die Behörde, sei es für den Steuerpflichtigen) mit sich bringen kann. Daß eine Vereinfachung "bald dies, bald jenes" bedeuten kann, liegt in der Natur der Sache, hängt von der Art der beabsichtigten Vereinfachung ab und bringt keineswegs mit sich, daß der VwGH nicht imstande wäre, eine Überprüfung der betreffenden Vereinbarung auf ihre Eignung zur Vereinfachung der Besteuerung vorzunehmen. Im übrigen hat der VfGH im Erk. VfSlg. 4181/1962 die unbestimmten Gesetzesbegriffe "im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis" als iS des Art18 B-VG soweit bestimmt angesehen, daß eine auf sie gestützte Verordnung auf deren Übereinstimmung mit dem Inhalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe geprüft werden kann.

Ähnliche Erwägungen gelten hinsichtlich des vom VwGH beanstandeten unbestimmten Rechtsbegriffes "nicht wesentlich". Der VfGH hat bereits im Erk. Slg. 7231/1973 den Begriff "nicht wesentlich" im §4 Abs3 EStG 1967 als durchaus geeignet angesehen, mit einer den Anforderungen der Rechtsanwendung Rechnung tragenden Genauigkeit im Einzelfall die dem Gesetz gemäße Abgrenzung zu treffen. Der VfGH hat in der Folge (vgl. VfSlg. 8528/1979 betreffend den Begriff "wesentlich" in §32 Abs5 litb des Tir. Fremdenverkehrsgesetzes) an dieser Rechtsprechung festgehalten und sieht auch im vorliegenden Fall keinen Anlaß, von ihr abzugehen.

Im übrigen weist der VfGH in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der VwGH in dem Erk. eines verstärkten Senates, VwSlg. 4293 F/1971, den Begriff "wesentliche und regelmäßige Schwankungen des Betriebsvermögens" für genügend determiniert angesehen hat, um im Einzelfall eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung treffen zu können.

Daß die in §6 Abs7 Vergnügungssteuergesetz enthaltenen Begriffsbestimmungen der Behörde einen gewissen Spielraum einräumen und sich demgemäß gerade bei der Beurteilung von Grenzfällen Zweifelsfragen ergeben können, fällt bei dieser Betrachtung unter dem Gesichtswinkel der rechtsstaatlichen Anforderungen an den Gesetzgeber nicht ins Gewicht (vgl. das zu §28 BAO ergangene Erk. des VfGH VfSlg. 7163/1973).

3. Dem Antrag des VwGH ist daher, soweit er zulässig ist, keine Folge zu geben.

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