BVwG W125 1240799-3

BVwGW125 1240799-37.3.2019

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W125.1240799.3.00

 

Spruch:

W125 1240799-3/27E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.9.2018, Zl 731854103-180699009, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2018 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs 1 Z 2 iVm § 7 Abs 4 AsylG 2005, § 8 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 sowie § 57 AsylG 2005, § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs 2 Z 3 FPG, § 46 FPG, § 52 Abs 9 FPG, § 55 Abs 1 bis 3 FPG, § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste am 22.6.2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an demselben Tag einen Antrag gemäß § 3 AsylG 1997.

 

1.2. Mit Bescheid des (ehemaligen) Bundesasylamtes vom 11.8.2003 wurde der Antrag gemäß § 7 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde diesem eine befristete Aufenthaltsberechtigung für drei Monate für den Fall des Eintritts der Rechtskraft der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 15 AsyG 1997 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

1.3. Der dagegen erhobenen Berufung, eingelangt am 22.8.2003, wurde mit Entscheidung des (ehemaligen) Unabhängigen Bundesasylsenats vom 16.3.2004 stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 der Status des Asylberechtigten gewährt. Es wurde festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer glaubwürdig angegeben habe, im ersten Tschetschenienkrieg die tschetschenischen Kämpfer unterstützt zu haben, nach Ende des ersten Tschetschenienkrieges bei einer Minen-Explosion seine linke Hand verloren zu haben und in der Folge im Zuge einer Säuberungsaktion angehalten und misshandelt beziehungsweise auch angeschossen worden zu sein. Die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates erwuchs in Rechtskraft.

 

1.4. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des XXXX vom 25.10.2005 (rechtskräftig am 2.11.2005) wegen der §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon zwölf Monate bedingt, verurteilt.

 

Der Beschwerdeführer hatte mehrere Diebstähle (teils einbruchsweise) begangen, dies in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

 

Als erschwerend wurde kein Umstand, als mildernd wurden die Unbescholtenheit, das Geständnis sowie die teilweise Sicherstellung des Diebesgutes gewertet.

 

1.5. Mit Urteil des XXXX vom 18.5.2006 (rechtskräftig am 23.5.2006) wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 127, 15, 129 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des XXXX Graz vom 2.11.2005 zu einer Zusatzstrafe von drei Monaten verurteilt.

 

Der Beschwerdeführer hatte versucht, bei der Firma XXXX durch gewaltsames Aufzwängen der Vergitterung eines Fensters und Einschlagen einer Fensterscheibe sowie versuchtes Hineinsteigen in das Innere der Geschäftsräumlichkeiten, fremde bewegliche Sachen wegzunehmen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Dabei wurde der akustische Alarm ausgelöst, weshalb es nicht zur Tatvollendung kam.

 

Als erschwerend wurde kein Umstand, als mildernd die Tatsache, dass es beim Versuch geblieben ist, gewertet.

 

1.6. Am 14.6.2007 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Bestätigung der XXXX ein, wonach der Beschwerdeführer am 8.4.2007 Frau XXXX , geboren am XXXX , nach muslimischem Recht geheiratet habe.

 

1.7. Mit Urteil des XXXX vom 27.7.2011 (rechtskräftig am 27.7.2011) wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127, 129 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 15 Monate bedingt, verurteilt.

 

Der Beschwerdeführer hatte an verschiedenen Tankstellen Staubsaugerautomaten mit einem Schraubdreher aufgebrochen, dies mit dem Vorsatz sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei es beim Versuch blieb.

 

Als mildernd wurden die geständige Verantwortung sowie der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist, als erschwerend die Tatwiederholung sowie die einschlägige Vorverurteilung gewertet.

 

1.8. Mit Urteil des XXXX vom 21.10.2013 (rechtskräftig am 13.5.2014) wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von viereinhalb Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurde der mit Urteil des XXXX vom 27.7.2011 bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten widerrufen.

 

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer von den bereits erfolgten Verurteilungen und auch bezüglich der von ihm teils verbüßten Haftzeiten völlig unbeeindruckt zeigte und nach seiner letzten Enthaftung zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zu Beginn des Jahres 2012 neuerlich den Entschluss fasste, zur Aufbesserung seiner mehr als angespannten finanziellen Situation weitere Diebstähle durch Einbruch zu begehen. Er habe sich dabei auf die unterschiedlichsten Behältnisse, wie Staubsaugerautomaten, Wasch-, Selbstbedienungstankautomaten, Kinderspiel-, Geldwechsel- und Getränkeautomaten spezialisiert und sah darin die Möglichkeit, sich laufend finanzielle Mittel durch Einbruch zu erwirtschaften beziehungsweise widerrechtlich zu beschaffen.

 

Als mildernd wurde das teilweise Geständnis, als erschwerend die zwei einschlägigen Vorbestrafungen sowie der rasche Rückfall gewertet.

 

Der Beschwerdeführer verantwortete sich im Verfahren betreffend damaliger Vorverurteilungen zum Teil leugnend.

 

Mit Urteil des XXXX vom 13.5.2014 wurde der gegen das Urteil des XXXX vom 21.10.2013 erhobenen Berufung Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre und fünf Monate herabgesetzt. In der Begründung wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die erstgerichtlichen Strafzumessungserwägungen insofern einer Korrektur bedürfen, als zusätzlich zu den vom Erstgericht berücksichtigten Erschwerungsgründen auch das Vorliegen der Schadensqualifikation nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB, die Tatbegehung in Gesellschaft, die Verursachung erheblicher Sachschäden und die Tatbegehung während offener Probezeit als erschwerend zu werten sind. Für die Annahme des vom Beschwerdeführer vorgebrachten Milderungsgrundes (behauptete Erpressung durch andere tschetschenische Staatsangehörige) ergaben sich keine Anhaltspunkte. Sohin ergebe sich zwar insgesamt eine zum Nachteil des Beschwerdeführers ausschlagende Korrektur der Strafzumessungskriterien, doch habe das Schöffengericht die Strafe vor dem Hintergrund der tatsächlichen Strafzumessungssituation zu hoch bemessen und solcherart zu einer der Schuld des Angeklagten nicht angemessenen Sanktion gefunden. Unter Berücksichtigung der Strafzumessungskriterien habe sich die Obergrenze des einzelfallbezogenen Schuldrahmens an einem Viertel der Höchststrafdrohung zu orientieren, sodass sich auch unter Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten ergibt.

 

1.9. Mit Urteil des XXXX vom 8.1.2015 (rechtskräftig am 27.2.2015) wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer hatte während einer Haftunterbrechung im Dezember 2014 bei einer Tankstelle in XXXX Staubsaugerautomaten mit einem etwa 15 cm langen Blech beziehungsweise Eisenstück aufgezwängt und das darin befindliche Bargeld in Höhe von zumindest 13,- Euro entnommen und in seine Hosentasche gesteckt.

 

Als mildernd seien das umfassende reumütige Geständnis sowie die objektive Schadensgutmachung durch Beuterückstellung durch die Sicherheitsbehörde, als erschwerend hingegen das Vorhandensein von bereits drei einschlägigen Vorstrafen sowie das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB zu berücksichtigen.

 

1.10. Aus einem im Strafakt des XXXX , XXXX , befindlichen Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 28.11.2017 geht hervor, dass sich aus einem Untersuchungsbericht des Landeskriminalamtes XXXX ergibt, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Führerschein aus der Russischen Föderation, dessen Umschreibung er beantragte, um eine Totalfälschung handle.

 

Mit Urteil des XXXX vom 26.4.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB sowie der mittelbaren unrichtigen Beurkundung gemäß § 228 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Als mildernd wurde das reumütige Geständnis, als erschwerend die mehrfachen Vorverurteilungen gewertet. Unter einem wurde beschlussmäßig dabei der bei der Landespolizeidirektion XXXX erliegende Führerschein national, Ausstellungsdatum 20.3.2003, lautend auf XXXX , geboren am XXXX (Totalfälschung) eingezogen und der LPD XXXX für Schulungs- und Vergleichszwecke überlassen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 28.11.2017 in XXXX eine falsche Urkunde, nämlich die Totalfälschung eines Führerscheins der Russischen Föderation, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebrauchte, indem er diesen falschen Führerschein zur Erlangung eines österreichischen Führerscheins bei der BH XXXX vorlegte.

 

1.11. Mit Schriftsatz vom 7.6.2018 stellte der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Rechtsanwalt, einen Wiederaufnahmeantrag im Wesentlichen mit der Begründung, er habe im Alter von XXXX Jahren in der tschetschenischen Republik seinen Führerschein beziehungsweise die Lenkerberechtigung erworben. Dieser Führerschein sei im abhandengekommen und habe er den Verlust auch bei der Polizeibehörde in Wien gemeldet. Daraufhin habe er in Tschetschenien die neue Ausstellung eines Führerscheins beantragt (er habe diesbezüglich erfolgreich die russische Botschaft in Wien kontaktiert) und sei ihm dieser mit Ausstellungsdatum vom 25.3.2003 übermittelt worden. Zum Beweis dieses Vorbringens legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung eines Ministeriums in Russland samt beglaubigter Übersetzung vor und beantragte weiters die zeugenschaftliche Einvernahme des Herrn XXXX , wohnhaft in XXXX Wien, der ihm den Führerschein übermittelt habe.

 

2. Mit Aktenvermerk vom 24.7.2018 wurde ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass nach der Sachlage festgestellt habe werde können, dass einer der in Artikel 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe, nämlich Wegfall der Umstände, eingetreten ist.

 

2.1. Am 21.8.2018 wurde der Beschwerdeführer von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , niederschriftlich einvernommen.

 

Der Beschwerdeführer gab eingangs zu seinem Gesundheitszustand befragt an, dass es ihm gut gehe und er die Einvernahme durchführen könne. Auf seine begangenen Straftaten angesprochen, führte der Beschwerdeführer aus, dies sei nicht in Ordnung gewesen. Er wolle nun arbeiten und nach Wien umziehen. Er habe keinen Führerschein, weshalb es in Wien leichter sei; dort gebe es öffentliche Verkehrsmittel. Er wolle nunmehr keine Gesetzesverstöße mehr begehen. Nach seiner letzten Haft habe er bereits einen XXXX beim AMS besucht.

 

Zur familiären Anknüpfungspunkten in Österreich befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, hier keine Verwandten zu haben. Er sei ledig, alleinstehend und habe keine Kinder. Es gebe in Österreich auch keine Person zu der er ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis habe. Jedoch habe er im Bundesgebiet zahlreiche Bekanntschaften geschlossen.

 

Die Frage, ob er noch Angehörige oder Bekannte in seinem Heimatland habe, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Die deutsche Sprache beherrsche er "mittelmäßig bis gut". Momentan sei er arbeitslos; er sei XXXX und habe früher Arbeit gehabt. Derzeit erhalte er ein Arbeitslosengeld von etwa 900,- Euro.

 

Die Frage, ob er in Österreich eine Schule, eine Universität oder sonstige Kurse besuche, verneinte der Beschwerdeführer; abgesehen von den bereits absolvierten Deutschkursen und dem XXXX nicht.

 

Neuerlich auf seinen Gesundheitszustand angesprochen, brachte der Beschwerdeführer vor, an keinen schweren Erkrankungen zu leiden. Ihm fehle aber XXXX ; dies sei in Tschetschenienkrieg passiert. Medikamente nehme er nur ein, wenn er Kopfweh habe.

 

Die Frage, ob er in der Russischen Föderation vorbestraft sei, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Zu seinen Verhältnissen im Heimatland befragt, gab er an, dass ihn seine Eltern versorgt hätten, bevor er nach Österreich gekommen sei. Er selbst habe nicht gearbeitet. Im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation befürchte er, zu sterben. Wenn er Glück habe, sterbe er sofort, wenn er kein Glück habe, dauere sein Tod lange. Er habe Angst vor dem System Kadyrows.

 

Die Frage, ob er Länderinformationen über die russische Operation ausgefolgt erhalten wolle, verneinte der Beschwerdeführer.

 

2.2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 13.9.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 7.6.2018, das Strafverfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückzuführen, die beantragten Beweismittel aufzunehmen, den Verurteilten freizusprechen und bis zur Erledigung dieses Antrages die Hemmung des Strafvollzuges auszusprechen, abgewiesen.

 

2.3. Mit Verfahrensanordnung vom 18.9.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52a Abs 2 BFA-VG mitgeteilt, dass er verpflichtet sei, bis zum festgesetzten Zeitpunkt ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

 

Mit Verfahrensanordnung vom 18.9.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

 

2.4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.9.2018 wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 16.3.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen diesen gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

 

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde die folgenden Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation:

 

"Länderinformationsblatt Russische Föderation,

 

Stand: 21.07.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 07.05.2018:

 

Präsidentschaftswahl am 18.03.2018: Wie erwartet ist Russlands Präsident Putin bei der Präsidentschaftswahl am 18.3.2018 im Amt bestätigt worden. Nach Auszählung von 99% der Stimmen errang er 76,7% der Stimmen. Putins stärkster Herausforderer, der Kommunist Pawel Grudinin, kam auf 11,8%, dahinter der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski mit 5,7%. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur Tass zufolge bei knapp 67%, und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration. 70% waren in den letzten Wochen inoffiziell als Ziel gestellt worden, zuletzt hatte der Kreml die Erwartungen auf 65% heruntergeschraubt (Standard.at 19.3.2018, vgl Presse.at 19.3.2018). Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben (Tagesschau.de 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin. Sie stellte Bilder einer Überwachungskamera in einem Wahllokal nahe Moskau zur Verfügung, die offenbar zeigen, wie Wahlhelfer gefälschte Stimmzettel in eine Urne stopfen. Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018). Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montag (7.5.2018) den Eid für seine vierte und somit letzte Amtszeit abgelegt. Vor etwa 5.000 Gästen im Kreml in Moskau gelobte er, "dem Volk treu zu dienen", wie es in der Eidesformel heißt (Kurier.at 7.5.2018). Bei der Präsidentenwahl im März 2018 hatte die Wahlbehörde ihm ein Rekordergebnis von knapp 77% der Stimmen zugesprochen. Überschattet wird die Amtseinführung von der Gewalt, mit der die Polizei am 5.5.2018 Kundgebungen von Regierungsgegnern auflöste. Landesweit wurden dabei etwa 1.600 Anhänger des Oppositionellen Alexej Nawalny festgenommen, die meisten aber wieder freigelassen. Doch das Bürgerrechtsportal "OVD-Info" zählte am Montag immer noch dutzende Demonstranten in Gewahrsam (Standard.at 7.5.2018). Alexej Nawalny hatte zu landesweiten Protesten gegen den Kremlchef aufgerufen, unter dem Motto "Er ist nicht unser Zar" fanden sich in rund 90 Städten Demonstranten zusammen. Die größten Veranstaltungen gab es traditionell in Moskau und St. Petersburg. Vor allem junge Menschen folgten dem Aufruf Nawalnys. In der Hauptstadt Moskau waren es nach Einschätzung der Tageszeitung Kommersant rund 10.000 Demonstranten, während die Polizei die Menge dort auf nur 1.500 Personen taxierte. Die in jedem Fall verhältnismäßig geringe Zahl der Demonstranten ist auch auf die anhaltende Zersplitterung der russischen Opposition zurückzuführen. So beteiligten sich weder die sozialliberale Jabloko-Partei, noch die neue "Partei der Veränderungen" um Xenia Sobtschak und Dmitri Gudkow an den Kundgebungen. Die Obrigkeit hingegen hatte eine enorme Anzahl an Sicherheitskräften aufgefahren, um mögliche Unmutsbekundungen im Keim zu ersticken. Neben der Polizei waren Männer in Kosakenuniform im Einsatz. Kosaken - eigentlich Folklore - treten immer wieder als Hilfspolizisten auf. In Moskau gingen sie hart gegen die Menge vor. Auch die Polizei setzte Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein. Kritik am harten Vorgehen der Behörden gab es nicht nur von der EU, sondern auch aus dem Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. Speziell der Einsatz der Kosaken rief dort Unmut hervor. Kremlsprecher Dmitri Peskow hingegen kommentierte die Vorfälle nicht. Nawalny wurde gleich nach seinem Eintreffen auf dem für die Protestaktion zentralen Puschkin-Platz abgeführt. Etwa 80% der Festgenommen wurden innerhalb eines Tages wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch Nawalny kam nach mehreren Stunden vorläufig frei, allerdings muss er sich am 11.5.2018 - vier Tage nach den Inaugurationsfeiern im Kreml - vor Gericht wegen der Organisation einer ungenehmigten Kundgebung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verantworten. Als Wiederholungstäter droht dem Oppositionellen eine empfindliche Strafe (Standard.at 6.5.2018).

 

Sicherheitslage: Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017). Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017). Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016). Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015). Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015). Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016). Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017). Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017). Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

 

Sicherheitslage/Nordkaukasus allgemein: Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Aus dieser Region kommen in den letzten drei Jahren zwiespältige Nachrichten. Einerseits heißt es, der bewaffnete Untergrund sei deutlich geschwächt und zersplittert. Andererseits verlagerte sich der regionale Jihad, der sich als Kaukasus-Emirat manifestiert hatte, auf die globale Ebene, weil Kämpfer aus der Region sich islamistischen Milizen in Syrien und Irak anschlossen. Von dauerhafter Stabilität ist der Nordkaukasus wohl noch entfernt. Das zeigte zuletzt eine Serie von Anschlägen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien im Dezember 2016 und im März 2017. Zudem stellt sich für Russland, seine Nachbarn im Kaukasus und in Zentralasien wie auch für Europa die Frage, wie viele Jihadisten aus dem nun schrumpfenden IS-Territorium in ihre Heimatregionen zurückkehren werden. Für den Rückgang der Gewalt im Nordkaukasus werden unterschiedliche Gründe angeführt. Russische Sicherheitsorgane verweisen auf gesteigerte Effizienz bei der Bekämpfung des bewaffneten Untergrunds. In den letzten Jahren wurden dessen militärische und ideologische Führer in hoher Zahl bei gezielten Einsätzen von Eliteeinheiten getötet. Das Kaukasus-Emirat wurde innerlich gespalten, da viele seiner Führer sich von al-Qaida abwandten und dem sogenannten Islamischen Staat (IS) oder anderen Milizen in Syrien Treue schworen. Außerdem hieß es, russische Sicherheitsorgane hätten die Abwanderung von Kämpfern in den Mittleren Osten vorübergehend geduldet, wenn nicht sogar gefördert, um im eigenen Revier für Entlastung zu sorgen - besonders vor der Winterolympiade in Sotschi 2014. Seit 2016 sinkt die Jihad-Migration in den Mittleren Osten, da die Ressourcen des IS schrumpfen. Seine Anziehungskraft auf die nun zersplitternde Untergrundbewegung des Nordkaukasus hatte der IS in erster Linie seiner Territorialherrschaft zu verdanken, die in seinem Kerngebiet aber inzwischen zurückgedrängt wird. Auf seinem Staatsgebiet im Nordkaukasus favorisiert Russland militärische Einsätze, wenngleich in präzisierter, selektiver und gezielterer Form im Vergleich zur unverhältnismäßigen Gewalt in den beiden Tschetschenienkriegen, die nahezu in jeder tschetschenischen Familie Todesopfer gefordert hatte. Im Jahr 2009 eingeleitete Reformmaßnahmen, die auf sozioökonomische und politische Krisenursachen zielten, sind zugunsten der Agenda der "siloviki" (Sicherheitskräfte) wieder in den Hintergrund gerückt (SWP 4.2017). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben. Seit gut zehn Jahren liegt das Epizentrum von Gewalt nicht mehr in Tschetschenien. Dort konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017). Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 24.1.2017). Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Die derzeitige Wirtschaftskrise und damit einhergehenden Einsparungen im Budget stellen eine potentielle Gefahr für die Subventionen an die Nordkaukasus-Republiken dar. Ein weiteres Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine harte Politik der Einschüchterung und Repression extremistischer Elemente. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer nach Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2016). Im ersten Quartal des Jahres 2017 gab es im Nordkaukasus 45 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 36 Todesopfer (25 Aufständische, 11 Exekutivkräfte) und neun Verwundete (sieben Exekutivkräfte, zwei Zivilisten). In Tschetschenien wurden im selben Zeitraum elf Exekutivkräfte und 17 Aufständische getötet, zwei Zivilisten und sechs Exekutivkräfte wurden verletzt. In Dagestan wurden im selben Zeitraum acht Aufständische getötet und ein Polizist verletzt. In Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschay-Tscherkessien, Nordossetien-Alania und im Stavropol Gebiet gab es im selben Zeitraum keine Opfer (Caucasian Knot 15.5.2017). Im Jahr 2016 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 287 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2015: 258; 2014: 525 Opfer). 202 davon wurden getötet (2015: 209; 2014: 341), 85 verwundet (2015: 49; 2014: 184) (Caucasian Knot 2.2.2017). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

 

Sicherheitslage/Tschetschenien: Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, vor allem jedoch an der derzeit prominentesten und brutalsten Jihad-Front in Syrien und im Irak (SWP 4.2015). 2016 gab es in Tschetschenien 43 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2015: 30; 2014: 117), davon 27 Tote und 16 Verwundete (Caucasian Knot 2.2.2017). Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat einen Anschlag auf einen russischen Militärstützpunkt in Tschetschenien für sich reklamiert. Sechs Angreifer hätten am Freitag, den 24.3.2017 eine Militärbasis der russischen Nationalgarde nahe dem Dorf Naurski im Nordwesten Grosnys in Tschetschenien gestürmt. Alle Angreifer seien bei den mehrstündigen Kämpfen auf dem Stützpunkt getötet worden (Zeit Online 24.3.2017). Nach Armeeangaben wurden bei dem Angriff auch sechs russische Nationalgardisten getötet. Die Nationalgarde erklärte, der Angriff sei in den frühen Morgenstunden bei dichtem Nebel erfolgt. Die Soldaten auf dem Stützpunkt hätten den Angriff zurückgeschlagen. Außer den Toten habe es auch Verletzte gegeben. Die im vergangenen Jahr gebildete Nationalgarde ist direkt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellt. Sie hat den Auftrag, Grenzen zu schützen und Extremisten zu bekämpfen (Focus Online 24.3.2017).

 

Allgemeine Menschenrechtslage: Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art 19 Abs 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art 15 Abs 4 der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1969); Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte (1973) und erstes Zusatzprotokoll (1991);

Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1973); Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1981) und Zusatzprotokoll (2004);

Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1987); Kinderrechtskonvention (1990), deren erstes Zusatzprotokoll gezeichnet (2001);

Behindertenrechtskonvention (ratifiziert am 25.09.2012) (AA 24.1.2017). Die Menschenrechtslage in Russland hat sich weiter verschlechtert. Neben der mangelnden Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten sind v.a. Gewaltakte im Strafvollzug gegenüber Häftlingen und deren unzureichende medizinische Versorgung gravierende Probleme. Die damalige Ombudsfrau (Menschenrechtsbeauftragte) der Russischen Föderation, Ella Pamfilowa, mahnte in ihrem Jahresbericht 2015 unter anderem eine Präzisierung des Begriffes "politische Tätigkeit" im Gesetz über NGOs an. Im Mai 2016 kam es in der Tat zu einer Gesetzesänderung. Seitdem wird allerdings nahezu jede NGO-Aktivität im öffentlichen Raum als "politisch" gewertet. Das hat zur Folge, dass NGOs in das Register "ausländischer Agenten" eingetragen werden können, wodurch sie häufig gezwungen sind, ihre Tätigkeiten massiv einzuschränken oder sogar einzustellen. Der konsultative "Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte" beim russischen Präsidenten übt auch öffentlich Kritik an Menschenrechtsproblemen und setzt sich für Einzelfälle ein. Zuletzt hat er angemahnt, Amnesty International Zugang zu ihren von der Moskauer Stadtverwaltung geschlossenen Büros zu gewähren. Der Einfluss des Rats ist allerdings begrenzt. Auch der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren, so der Jahresbericht 2015, 14,2% der anhängigen Fälle (9.200 Einzelfälle) Russland zuzurechnen. 2015 hat der EGMR 116 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führt Russland die Liste der gesprochenen Urteile an. Die EGMR-Entscheidungen fielen fast ausschließlich zugunsten der Kläger aus und konstatierten mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Hälfte der Fälle betreffen eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit. Im Rahmen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch die Russische Föderation wird von teilweise schweren Menschenrechtsverletzungen berichtet. Die OSZE (ODIHR und High Commissioner for National Minorities) berichtete im September 2015 über Einschränkungen der Versammlungs-, Vereinigungs-, Bewegungs- und Meinungsfreiheit. Im Wesentlichen leiden Kritiker der Krim-Annexion, Angehörige der Krim-Tataren, Vertreter des Kiewer Patriarchats der orthodoxen Kirche, der katholischen und protestantischen Kirche sowie der Zeugen Jehovas unter Einschränkungen ihrer Rechte. Im September 2016 wurde die Mejlis, der repräsentative Rat der Krimtataren, vom russischen Obersten Gerichtshof als extremistische Organisation eingestuft und verboten. Diverse Mejlis-Mitglieder erleiden (polizeiliche) Repressalien oder stehen unter Anklage (AA 24.1.2017). Menschenrechtsverletzungen kommen regelmäßig vor. Zwar werden in Russland die Grundrechte in der Verfassung garantiert, es wächst jedoch der Widerspruch zwischen verfassungsrechtlichen Normen und der Rechtswirklichkeit. Die Staatsführung bekennt sich offiziell zur Einhaltung der Menschenrechte, stellt einige jedoch mit Verweis auf "traditionelle russische Werte" infrage (z.B. Nicht-Diskriminierung von LGBT-Personen) und leistet Verletzungen Vorschub (z.B. Stigmatisierung kritischer Stimmen als staatsfeindlich) bzw bemüht sich nicht ausreichend um Prävention und Strafverfolgung (z.B. Übergriffe gegen Journalisten). Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen bleibt der Nordkaukasus. Im Verlauf des Berichtszeitraumes hat sich trotz rückläufiger Opferzahlen die Sicherheits- und Menschenrechtslage in der Region insgesamt nicht verbessert. Insbesondere in Dagestan, Inguschetien und Tschetschenien bleibt die Menschenrechtslage schlecht. Die Sorge vor einer möglichen Ausbreitung der Gewalt im bislang relativ ruhigen westlichen Nordkaukasus besteht fort (AA 24.1.2017). Die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren im Jahr 2016 verstärkten Einschränkungen unterworfen. Menschenrechtsverteidiger wurden wegen ihrer Aktivitäten mit Geldstrafen belegt oder strafrechtlich verfolgt. Zum ersten Mal kam es wegen eines Verstoßes gegen das sogenannte Agentengesetz zur Strafverfolgung. Eine Reihe von Personen wurde wegen ihrer Kritik an der Staatspolitik oder des Besitzes bzw Verbreitens extremistischer Materialien nach den Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Extremismus unter Anklage gestellt. Es gab Berichte über Folterungen und andere Misshandlungen in den Strafvollzugsanstalten des Landes (AI 22.2.2017, vgl HRW 12.1.2017). Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten (GIZ 4.2017a). Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausübten. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erleben in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben. Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland findet derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten nicht statt. Laut einer rezenten Umfrage zum Stand der Menschenrechte in Russland durch das Meinungsforschungsinstitut FOM glauben 42% der Befragten nicht, dass die Menschenrechte in Russland eingehalten werden, während 36% der Meinung sind, dass sie sehr wohl eingehalten werden. Die Umfrage ergab, dass die russische Bevölkerung v.a. auf folgende Rechte Wert legt: Recht auf freie medizinische Versorgung (74%), Recht auf Arbeit und gerechte Bezahlung (54%), Recht auf kostenlose Ausbildung (53%), Recht auf Sozialleistungen (43%), Recht auf Eigentum (31%), Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (31%), Recht auf eine gesunde Umwelt (19%), Recht auf Privatsphäre (16%), Rede- und Meinungsfreiheit (16%) (ÖB Moskau 12.2016). Die Menschenrechtslage im Nordkaukasus wird von internationalen Experten weiterhin genau beobachtet. Im Februar 2016 führte das Komitee gegen Folter des Europarats eine Mission in die Republiken Dagestan und Kabardino-Balkarien durch. Auch Vertreter des russischen präsidentiellen Menschenrechtrats bereisten im Juni 2016 den Nordkaukasus und traf sich mit den einzelnen Republikoberhäuptern (ein Treffen mit Ramzan Kadyrow wurde abgesagt, nachdem die tschetschenischen Behörden gegen die Teilnahme des Leiters der NGO Komitee gegen Folter Igor Kaljapin protestiert hatten) (ÖB Moskau 12.2016).

 

Allgemeine Menschenrechtslage/Tschetschenien: NGOs beklagen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw Journalisten. Im März 2016 wurde eine Gruppe russischer und ausländischer Journalisten und Menschenrechtler an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien attackiert, ihre Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt. Die Pressereise war von der russischen NGO "Komitee gegen Folter" organisiert worden, die in Tschetschenien bereits in den letzten Jahren zur Zielscheibe geworden war (ÖB Moskau 12.2016, vgl AI 22.2.2017). In den letzten Monaten häufen sich Berichte von Personen, die nicht aufgrund irgendwelcher politischen Aktivitäten, sondern aufgrund einfacher Kritik an der soziökonomischen Lage in der Republik unter Druck geraten. So musste ein Mann, der sich im April 2016 in einem Videoaufruf an Präsident Putin über die Misswirtschaft und Korruption lokaler Beamter beschwerte, nach Dagestan flüchten, nachdem sein Haus von Unbekannten in Brand gesteckt worden war. Einen Monat später entschuldigte sich der Mann in einem regionalen Fernsehsender. Im Mai 2016 wandte sich Kadyrow darüber hinaus mit einer kaum verhüllten Warnung vor Kritik an seiner Politik in einem TV-Beitrag an die in Europa lebende tschetschenische Diaspora. Diese werde für jedes ihrer Worte ihm gegenüber verantwortlich sein; man wisse, wer sie seien und wo sie leben, sie alle seien in seinen Händen, so Kadyrow (ÖB Moskau 12.2016). Nach dem Angriff auf Grosny im Dezember 2014 verfügte Ramzan Kadyrow, dass die Häuser der Familien von Terroristen niedergebrannt werden und die Angehörigen des Landes verwiesen werden (Tagesspiegel 19.12.2014, vgl HRW 12.1.2017). Auch 2016 wurden aus dem Nordkaukasus schwere Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Operationen der Sicherheitskräfte gemeldet, darunter Fälle von Verschwindenlassen und mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen. Auch Menschenrechtsverteidiger waren in der Region gefährdet (AI 22.2.2017, vgl HRW 12.1.2017).

 

Rebellentätigkeit/Unterstützung von Rebellen: Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen (ÖB Moskau 12.2016). Über Jahre sind die Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte, die unter Kadyrows De facto-Kontrolle stehen, mit illegalen Methoden gegen mutmaßliche Rebellen und ihre Unterstützer/innen vorgegangen, mit der Zeit sind sie jedoch dazu übergegangen, diese Methoden gegenüber Gruppen anzuwenden, die von den tschetschenischen Behörden als "unerwünscht" erachtet würden, beispielsweise lokale Dissidenten, unabhängige Journalisten oder auch salafistische Muslime. In den letzten zehn Jahren gab es andauernde, glaubhafte Anschuldigungen, dass die Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den aggressiven islamistischen Aufstand an Entführungen, Fällen von Verschwindenlassen, Folter, außergerichtlichen Hinrichtungen und kollektiven Bestrafungen beteiligt gewesen seien. Insbesondere Aufständische, ihre Verwandten und mutmaßliche Unterstützer/innen seien ins Visier geraten. Kadyrow setzte lokale salafistische Muslime und Aufständische oder deren Unterstützerinnen weitgehend gleich. Er habe die Polizei und lokale Gemeinschaften angewiesen, genau zu überwachen, wie Personen beten und sich kleiden würden, und die zu bestrafen, die vom Sufismus abkommen würden (HRW 26.5.2017). Familienmitglieder von "Foreign Fighters" dürften weniger schweren Reaktionen seitens der Behörden ausgesetzt sein, als Familienmitglieder von lokalen Militanten. Wenn Foreign Fighters in die Russische Föderation zurückkehren, müssen sie mit Strafverfolgung rechnen. Die Schwere der Strafe hängt davon ab, ob sie sich den Behörden stellen und kooperieren. Jene, die sich nicht stellen, laufen Gefahr, in sogenannten Spezialoperationen liquidiert zu werden (Landinfo 8.8.2016). Als Vergeltungsmaßnahme sollen tschetschenische Sicherheitskräfte im Jänner 2017 27 Menschen hingerichtet haben. Das berichtete die russische regierungskritische Zeitung "Nowaja Gaseta" unter Berufung auf lokale Ordnungskräfte. Demnach wollte die tschetschenische Führung den Mord an einem Polizisten rächen. Der Polizist wurde vermutlich von islamistischen Kämpfern ermordet. Tschetschenische Regierungsvertreter bestreiten die Vorfälle aufs schärfste (ORF.at 9.7.2017, vgl Standard 10.7.2017). Caucasian Knot berichtet, das im Jänner 2017 Ramsan Kadyrow bei einem Auftritt in Grosny, der im Fernsehen übertragen worden sei, die Sicherheitskräfte angewiesen habe, ohne Vorwarnung auf Rebellen zu schießen, um Verluste in den Reihen der Sicherheitskräfte zu vermeiden, und auch denen gegenüber keine Nachsicht zu zeigen, die von den Rebellen in die Irre geführt worden seien (Caucasian Knot 25.1.2017). Im August 2014 meldete der Inlandsgeheimdienst FSB Erfolge bei der Bekämpfung von Terrorismus im Nordkaukasus, was in Expertenkreisen jedoch auf Zweifel stieß. Die Rede war von 328 potentiellen Terroristen, die im ersten Halbjahr 2014 verhaftet wurden. Da die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus aber nach dem Prinzip kollektiver Bestrafung vorgehen, handelte es sich hierbei möglicherweise weniger um aktive Untergrundkämpfer als um Personen aus deren sozialem und verwandtschaftlichem Umfeld. Im Januar 2015 berichtete das russische Innenministerium, 2014 sind 259 Rebellen, darunter 36 Kommandeure, von Sicherheitskräften getötet und 421 Untergrundkämpfer verhaftet worden (SWP 4.2015). [Neuere Zahlen konnten nicht gefunden werden.]

Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kidnapping wird von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015). Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wird das Gesetz weitgehend zur Diskriminierung der Angehörigen Terrorismusverdächtiger führen. Weiter kritisieren Experten, dass das Gesetz durch die unklare Verwendung der Begriffe "Verwandte" und "nahestehende Personen" sich gegen ganze Familienclans in den muslimischen Republiken des Nordkaukasus richten könne. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina werden Familienangehörige von Terrorverdächtigen oft beschuldigt, sie unterstützten auch illegale bewaffnete Gruppierungen auf verschiedenste Art und Weise. Insbesondere kritisiert die Menschenrechtsaktivistin, dass bereits der bloße Verdacht für eine Anschuldigung reiche und kein Beweis notwendig sei. Die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen ist seit 2008 im Nordkaukasus weit verbreitet und geht oft mit der Zerstörung des Besitzes und Hauses einher. Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Quellen kommt es zu Übergriffen und Kollektivstrafen durch Sicherheitskräfte, die gegen Familien von vermuteten Terroristen gerichtet sind (SFH 25.7.2014). Nach der Terrorattacke auf Grosny am 4.12.2014, hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow die Verwandten der Attentäter in Sippenhaft genommen. Kadyrow verlautbarte auf Instagram kurz nach der Tat, dass wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Mitarbeiter der Polizei oder einen anderen Menschen töte, die Familie des Kämpfers sofort ohne Rückkehrrecht aus Tschetschenien ausgewiesen werde. Ihr Haus werde zugleich bis auf das Fundament abgerissen. Tatsächlich beklagte einige Tage später der Leiter der tschetschenischen Filiale des "Komitees gegen Folter" Igor Kaljapin, dass den Angehörigen der mutmaßlichen Täter die Häuser niedergebrannt worden seien (Standard 14.12.2014). In Bezug auf Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges, erging von der KA der ÖB Moskau die Information, dass sich auf youtube unter https://www.youtube.com/watch?v=0viIlHc51bU ein Link zu einem Nachrichtenbeitrag, der am 23.04.2014 auf youtube veröffentlicht wurde, findet. Diesem Beitrag zufolge haben tschetschenische Ermittlungsbehörden Anfragen an die Archivbehörden des Verteidigungsministeriums in Moskau gerichtet, um Daten zu erfahren, die ein militärisches Geheimnis darstellen: Nummern militärischer Einheiten, Namen von Kommandeuren und Offizieren, die der Begehung von Kriegsverbrechen verdächtig sind, Fotos dieser Personen; Familienname und Rang von Teilnehmern an Spezialoperationen, in deren Verlauf Zivilisten verschwunden sind. Unbekannt ist laut Bericht, ob die tschetschenischen Behörden die angefragten Informationen erhalten haben. Im Interview betont der Pressesekretär des tschetschenischen Präsidenten, Alvi Karimov, dass an den Anfragen nichts Besonderes sei; es gehe um die Aufklärung von Verbrechen, die an bestimmten Orten begangen wurden, als sich dort russisches Militär aufgehalten habe und die Anfragen seien gestellt worden zur Identifizierung der Militärangehörigen, die sich zu dieser Zeit dort aufgehalten haben, aber nicht zur Identifizierung aller Teilnehmer an militärischen Handlungen. Diese Anfragen beziehen sich offenbar auf Kampfhandlungen des 1. und 2. Tschetschenienkrieges. Aus den Briefköpfen der Anfragen ist allerdings ersichtlich, dass diese schon aus dem Jahr 2011 stammen. Hinweise auf neuere Anfragen oder Verfolgungshandlungen tschetschenischer Behörden konnten ho. nicht gefunden werden, ebenso wenig wie Hinweise darauf, dass russische Behörden tschetschenische Kämpfer der beiden Kriege suchen würden. Hinweise darauf, dass Verwandte von Tschetschenien-Kämpfern durch russische oder tschetschenische Behörden zu deren Aufenthaltsort befragt würden, konnten ho. nicht gefunden werden (ÖB Moskau 12.7.2017). Nach Ansicht der Österreichischen Botschaft kann aus folgenden Gründen davon ausgegangen werden, dass sich die russischen und tschetschenischen Behörden bei der Strafverfolgung mittlerweile auf IS-Kämpfer/Unterstützer bzw auf Personen konzentrieren, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen: 1. Es konnten keine Hinweise auf Verfolgung von Veteranen der Tschetschenien-Kriege nach 2011 gefunden werden, es gibt im Internet jedoch zahlreiche Berichte neueren Datums über antiterroristische Spezialoperationen im Nordkaukasus. 2. Zahlreichen Personen, nach denen von russischen Behörden gefahndet wird (z.B. Fahndungen via Interpol), werden Delikte gemäß § 208 Z 2 1. Fall (Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Formation) oder gemäß § 208 Z 2 2. Fall (Teilnahme an einer bewaffneten Formation auf dem Gebiet eines anderen Staates, der diese Formation nicht anerkennt, zu Zwecken, die den Interessen der RF widersprechen) des russischen StGB zur Last gelegt. In der Praxis zielen diese Gesetzesbestimmungen auf Personen ab, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen bzw auf Personen, die ins Ausland gehen, um aktiv für den IS zu kämpfen (ÖB Moskau 12.7.2017).

 

Todesstrafe: Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist noch nicht ratifiziert. Das russische Verfassungsgericht hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe am 19.11.2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist (ÖB Moskau 12.2016, vgl GIZ 4.2017a).

 

Frauen: Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau. Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Im Rahmen der 62. Sitzung der CEDAW von Oktober-November 2015 wurde der rezente Staatenreport der Russischen Föderation diskutiert. In seinen Schlussbemerkungen begrüßte das Komitee die Fortschritte im russischen Rechtssystem zum Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, insb. in den Bereichen Arbeitsrecht und Schutz für Schwangere. Folgende Empfehlungen wurden an die russische Regierung gerichtet: Verabschiedung eines umfassenden Anti-Diskriminierungsgesetzes, Verbesserungen beim Zugang von Frauen zu rechtlichen Beschwerdemechanismen, die Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans gegen Menschenschmuggel, die Stärkung der Teilnahme von Frauen am politischen und öffentlichen Leben (z.B. durch Einführung von Quotenregelungen für Frauen in der Staatsduma, dem Föderationsrat, den Ministerien oder dem diplomatischen Dienst), die Einführung eines alters- und genderspezifischen Sexualkundeunterrichts in Grund- und Mittelschulen, die Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz (z.B. durch Überarbeitung der Liste von Berufsverboten für Frauen in rund 450 Berufen) und die Verbesserung des Zugangs zu qualitativer Gesundheitsversorgung für Frauen in ländlichen Gebieten. Ein ernstes Problem, das von Politik und Gesellschaft weitgehend ausgeblendet wird, stellt häusliche Gewalt dar. Ein Großteil der Unterstützung und Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt wird durch gesellschaftliche Organisationen und Privatinitiativen übernommen. Im Nationalen Netzwerk gegen Gewalt sind über 150 regionale und lokale NGOs aktiv. Laut Dem Nationalen Zentrum zur Vorbeugung von Gewalt ANNA wird jede dritte russische Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von physischen Übergriffen von Seiten eines Mannes. Jährlich sterben in Russland ca. 14.000 Frauen aufgrund von Gewaltanwendung von Seiten ihrer Ehemänner oder Lebenspartner, fast zwei Drittel aller Morde sind auf häusliche Motive zurückzuführen. Laut Statistiken der Organisation ANNA wenden sich 60% der Frauen, die die Nationale Hotline für Opfer von häuslicher Gewalt anrufen, nicht an die Polizei. 76% jener Frauen, die bei der Polizei um Unterstützung suchen, sind damit unzufrieden. Trotz der weiten Verbreitung des Problems gibt es grobe Mängel bei der Bewusstseinsbildung darüber, auch innerhalb der politischen Elite. Auch das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zeigte sich bei der letzten Diskussion zur Russischen Föderation im Herbst 2015 besorgt über die weite Verbreitung von Gewalt gegen Frauen sowie die unverlässlichen offiziellen Daten dazu. Derzeit steht auch ein vom Arbeits- und Sozialministerium ausgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Vorbeugung häuslicher Gewalt in Diskussion, der insbesondere der Polizei mehr Verpflichtungen zum Kampf gegen häusliche Gewalt auferlegt und einen besseren Opferschutz vorschreibt (ÖB Moskau 12.2016). Die Polizei bleibt oft passiv und geht z.B. Anzeigen nicht mit genügendem Nachdruck oder zuweilen gar nicht nach, da dies als familiäre Angelegenheit gesehen wird (FH 2017, vgl AA 24.1.2017). Nach den Statistiken einer NGO wird die Polizei in lediglich 5% der Fälle aktiv. Mit einer Gesetzesnovelle wurde häusliche Gewalt im Juli 2016 unter Strafe gestellt. Allerdings wurden diese Änderungen von der Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für Familie, Frauen und Kinder kritisiert. Sie seien übertrieben und richteten sich gegen die familiären Werte. Die orthodoxe Kirche erklärte, dass körperliche Züchtigung ein gottgegebenes Recht sei, sofern sie im vernünftigen Maße und mit Liebe durchgeführt werde (AA 24.1.2017). Das russische Parlament hat nun ein Gesetz verabschiedet, das Strafen bei häuslicher Gewalt stark verringert. Das Gesetz reduziert die Strafen bei Ersttätern, wenn die Gewalt nicht zu schweren Verletzungen führt. Bislang waren dafür Strafen von bis zu zwei Jahren Gefängnis vorgesehen, nun sollen nur noch Geldstrafen gelten. Gewalt wird nicht mehr als Straftat behandelt, sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit gewertet. Eine härtere Strafe soll nur dann verhängt werden, wenn die Schläge mehr als einmal im Jahr vorkommen, Blutergüsse sichtbar sind oder Knochen brechen. Für die Opfer wird es daher schwierig, Beweise vorzulegen. Und es dürfte schwerer werden, die Täter zu bestrafen (Welt 27.1.2017, vgl Standard 27.1.2017). Frauen stellen in Russland traditionell die Mehrheit der Bevölkerung. Der weibliche Bevölkerungsanteil beträgt seit den 1920er Jahren zwischen 53% und 55% der Gesamtbevölkerung. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in der Verfassung garantiert. Durch die Transformationsprozesse und den Übergang zur Marktwirtschaft sind die Frauen in besonderer Weise betroffen. Davon zeugt der erhebliche Rückgang der Geburtenrate. Die Veränderungen in den Lebensverhältnissen von Frauen betreffen auch den Arbeitsmarkt, denn das Risiko von Ausfallzeiten durch Schwangerschaft, Erziehungsurlaub und Pflege von Angehörigen führt oft dazu, dass Frauen trotz besserer Ausbildung seltener als Männer eingestellt werden. Das im Durchschnitt deutlich geringere Einkommen von Frauen bedeutet niedrigere Pensionen für ältere Frauen, die damit ein hohes Risiko der Altersarmut tragen. Die politische Sphäre in Russland ist von Männern dominiert (GIZ 7.2017c). Frauen sind in Politik und Regierung unterrepräsentiert. Sie halten weniger als ein Fünftel der Sitze in der Duma und im Föderationsrat. Nur zwei von 32 Kabinettsmitgliedern sind Frauen (FH 2017). Rund 40% der Frauen arbeiten in allgemeinen Bereichen im Management und weitere 20% auf der Führungsebene. Überwiegend arbeiten sie in diesen Berufen in Medienunternehmen und PR-Agenturen, aber auch in Banken, Börsen, Bauindustrien etc. (GIZ 7.2017c). Vergewaltigung ist illegal und das Gesetz sieht dieselbe Strafe für einen Täter vor, egal ob er aus der Familie stammt oder nicht. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützen und gelegentlich helfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, sind Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Laut NGOs würden Exekutivbeamte und Staatsanwälte Vergewaltigung keine Priorität einräumen. NGOs berichten außerdem, dass lokale Polizisten sich weigern würden, auf Anrufe in Bezug auf Vergewaltigung und häusliche Gewalt zu reagieren, solange das Opfer nicht unter Lebensbedrohung steht. Weiters würden viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden. Das Strafmaß für Vergewaltigung sind drei bis sechs Jahre Haft für einen Einzeltäter und vier bis zehn Jahre bei einer Gruppenvergewaltigung. Wenn das Opfer zwischen 14 und 18 Jahre alt ist, bekommt der Täter eine Strafe zwischen acht und 15 Jahre und zwölf bis 20 Jahre, wenn das Opfer verstorben ist oder unter 14 Jahre alt ist (US DOS 3.3.2017). In einem Bericht der kanadischen COI-Abteilung findet sich der Hinweis, dass Amnesty International und ANNA [National Centre for the Prevention of Violence] 2013 von 23 Unterkünften für Opfer von häuslicher Gewalt in Russland berichten. RFE/RL berichtet sogar über 40 solcher Unterkünfte. Diese 23 Unterkünfte sind kleine Abteilungen der über 3.000 kleinen, staatlich unterstützten Sozialzentren in ganz Russland. Einige dieser Sozialzentren bieten Unterstützung in Notsituationen für Opfer von häuslicher Gewalt, wie z.B. temporäre Unterkunft. Frauen können dort bis zu sechs Monate bleiben, aber nicht alle Unterkünfte erlauben Kinder über 14 Jahre. Eine Registrierung in der Region scheint notwendig. Es gibt in vielen Regionen in ganz Russland ca. 140 staatliche Unterkünfte, einige nehmen Opfer von häuslicher Gewalt auf, auch wenn nur ein geringer Anteil des Personals dafür ausgebildet ist. Diese Unterkünfte dürften höchstens jeweils zwölf Betten haben. Dies sind Kurzzeitunterkünfte für ein bis sechs Monate. Diese staatlichen Unterkünfte sind für Frauen, die eine Krise erleben oder sich in einer schwierigen Lebenslage befinden. Frauen können für einige Zeit dorthin, damit ihnen geholfen wird, z.B. um gewalttätigen Beziehungen oder Obdachlosigkeit zu entkommen. Normalerweise ist das Ziel der Sozialarbeiter aber die Familie wieder zu vereinen. Keine dieser Unterkünfte ist speziell für Opfer von häuslicher Gewalt, aber manche erkennen häusliche Gewalt als Krisensituation an, andere nicht. In Moskau gibt es eine Unterkunft für Opfer von häuslicher Gewalt - laut Amnesty International - mit Platz für ca. zwölf Frauen. Reuters gibt an, dass es dreißig Betten gibt. Die Moskauer Unterkunft heißt "Nadeschda" und unterstützte im Jahr 2012 500 Personen, unter anderem mit Psychotherapie. Hier dürfen Frauen bis zu zwei Monate bleiben. Eine Registrierung in Moskau ist notwendig. Es gibt auch eine öffentliche Unterkunft in Khimki, einem Vorort von Moskau. Auch hier ist eine Registrierung in Khimki notwendig. St. Petersburg hat ein regionales und sechs kommunale Unterkünfte mit insgesamt 85 Betten. Häusliche Gewalt ist hier als schwierige Lebenssituation anerkannt, jedoch ist es möglich, dass einige Mitarbeiter auf Aussöhnung fokussieren und/oder die Frauen für die Gewalt verantwortlich machen. Laut ANNA gibt es drei Unterkünfte für Opfer von häuslicher Gewalt in St. Petersburg. Andere kommunale oder staatliche Unterkünfte für Frauen in Krisen befinden sich in Murmansk (7 Betten), Petrozavodsk (7 Betten); Syvtyvkar, in Komi (9 Betten) und Sorgvala (5 Betten). Es ist aber unklar, wie diese Unterkünfte häusliche Gewalt einstufen. Zusätzlich zu den Unterkünften in Moskau, St. Petersburg und Khimki gibt es Unterkünfte für häusliche Gewalt in Izhevsk, Yekaterinburg, Tomsk, Tyumen, Perm, Petrozavodsk, Murmansk, Saratov, Tula, Krasnodar, Arkhangelsk, Vologda, Chelyabinsk, Vladivostok, Khabarovsk, und zwei Unterkünfte in Barnaul (IRB 15.11.2013).

 

Scheidung und Obsorge: Gemäß Art 28 russischer Zivilprozessordnung (ZPO) ist eine Klage beim Gericht am Wohnsitz des Beklagten einzureichen. Gemäß Art 29 Z 4 russischer ZPO kann eine Scheidungsklage auch beim Gericht am Wohnsitz des Klägers eingereicht werden, falls sich an diesem Ort Minderjährige oder Geschäftsunfähige befinden oder aus gesundheitlichen Gründen die Reise des Klägers zum Wohnort des Beklagten für jenen schwierig ist. Ein Scheidungsverfahren kann nach russischem Recht entweder durch die Personenstandsbehörde oder durch das Gericht erfolgen. Gemäß Art 19 des russischen Familienrechtskodex erfolgt die Scheidung durch die Personenstandsbehörde und zwar gemäß Z 1, falls die Ehegatten sich über die Scheidung einig sind und keine gemeinsamen minderjährigen Kinder haben. Gemäß Z 2 erfolgt die Scheidung durch die Personenstandsbehörde unabhängig von der Existenz gemeinsamer minderjähriger Kinder auf Antrag eines Ehegatten, falls der andere Ehegatte gerichtlich für verschollen erklärt wurde, gerichtlich als nicht geschäftsfähig erkannt wurde oder wegen eines Verbrechens zu drei oder mehr Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Gemäß Art 20 werden vor der Personenstandsbehörde aufkommende Streitigkeiten u.a. über die Kinder unabhängig von der Scheidung durch die Personenstandsbehörde vom Gericht entschieden. Gemäß Art 21 Z 1 erfolgt die Scheidung durch das Gericht, wenn die Ehegatten gemeinsame Kinder haben (mit Ausnahme der Fälle des Art 19 Z 2) oder wenn ein Ehegatte der Scheidung nicht zustimmt. Gemäß Art 24 Z 1 können die Eltern dem Gericht eine Vereinbarung darüber vorlegen, bei welchem Elternteil die minderjährigen Kinder leben werden. Falls eine solche Vereinbarung fehlt oder vom Gericht festgestellt wurde, dass eine solche Vereinbarung die Interessen des Kindes oder eines Elternteils verletzt, ist das Gericht gemäß Z 2 verpflichtet, zu entscheiden, bei welchem Elternteil die minderjährigen Kinder nach der Scheidung leben werden. Gemäß Art 1 Z 3 des Familienkodex erfolgt die Regulierung der familiären Beziehungen in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Sicherstellung des prioritären Schutzes der Rechte und Interessen minderjähriger Familienmitglieder. Die österreichische Botschaft kann nicht beurteilen, wie diese Bestimmungen im Einzelfall von den russischen Gerichten ausgelegt werden und ob so die Chance [z.B. für eine Tschetschenin] größer wäre in einem Sorgerechtsstreit zu obsiegen, als dies nach islamischem Recht der Fall wäre (KA der ÖB Moskau 8.5.2017).

 

Frauen im Nordkaukasus insbesondere Tschetschenien: Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Fälle von Ehrenmorden, häuslicher Gewalt, Entführungen und Zwangsverheiratungen sind laut NGOs nach wie vor ein Problem in Tschetschenien aber auch in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan. Verlässliche Statistiken dazu gibt es - wie im Rest Russlands - nicht. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group (ICG) bleibt die Gewalt gegen Frauen in der Region ein Thema, dem von Seiten der Regional- und Zentralbehörden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erschwert wird die Situation laut ICG durch die Ko-Existenz dreier Rechtssysteme in der Region - dem russischen Recht, Gewohnheitsrecht ("Adat") und der Scharia. Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt, lokale Behörden richten sich mehr nach "Tradition" als nach den russischen Rechtsvorschriften, so der Vorwurf von ICG. Insbesondere der Fokus auf traditionelle Werte und Moralvorstellungen, der in der Republik Tschetschenien unter Ramzan Kadyrow propagiert wird, schränkt die Rolle der Frau in der Gesellschaft ein. Das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sprach im Rahmen seiner Empfehlungen an die Russische Föderation in diesem Zusammenhang von einer "Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit" (ÖB Moskau 12.2016). Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Swetlana Gannuschkina (Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" (auch "Bürgerbeteiligung") und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene") ist der Meinung, dass die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, nie eine Tradition in Tschetschenien war. Ein tschetschenischer Anwalt berichtet, dass Frauen sowohl unter islamischem Recht, als auch Adat hoch geschätzt sind. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Andere Quellen berichten auch, dass die Religion ein Rückschlag für die Frauen ist und sie in eine den Männern untergeordnete Position stellt. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren (EASO 9.2014b, S. 9f). Für die Quellen des EASO Berichtes ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft ist. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv schützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird und auch Kadyrow selbst - obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont - sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO 9.2014b, S. 9f). Die russische Journalistin Jelena Petrowa veröffentlichte einen Artikel zur Art, wie sich Frauen in Tschetschenien kleiden. Die Situation der Frauen sei, dass sie nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel tragen dürften. Sie müssen in offiziellen Gebäuden Kopftücher tragen, es ist ihnen aber verboten, Kopftücher zu tragen, die ihre Stirn und ihr Kinn bedecken, da dies mutmaßlich Sympathie mit den Rebellen zeigt. Die Art, wie sich Frauen in Tschetschenien kleiden, ist über Jahre im Blickfeld gewesen. Nach dem Zweiten Tschetschenienkrieg und Ramsan Kadyrows Machtergreifung haben die Behörden eine Tugend-Kampagne gestartet, in dessen Mittelpunkt das Kopftuch stand. Es ist ein obligatorischer Dresscode für öffentliche Gebäude, darunter Schulen, Regierungsgebäude und Krankenhäuser, eingeführt worden. Insgesamt ist die Situation bezüglich der Durchsetzung des Dresscodes aber besser geworden. Im Sommer 2010 hat es Berichte gegeben, dass Unbekannte in Grosny Frauen ohne Kopftücher angegriffen hätten. Das gibt es nicht mehr. Dafür gibt es nun etwas Neues. Im September 2014 sind Berichte aufgetaucht, dass eine Frau, die einen Hidschab getragen hat, von Regierungsbeamten entführt und für kurze Zeit festgehalten worden sei. Wegen des darauf folgenden Aufschreis in den Medien hat sich Ramsan Kadyrow geäußert und gesagt, dass Frauen in Tschetschenien Kopftücher im traditionellen tschetschenischen Stil tragen, aber keines, das seiner Meinung nach auf eine andere islamische Strömung hindeutet und möglicherweise Sympathie mit den Aufständischen ausdrückt. Frauen sollten nicht schwarz tragen und kein Kopftuch, das die Stirn und das Kinn bedeckt. Junge Frauen in Grosny wollen aber hübsch aussehen, besonders wenn sie jung und unverheiratet sind. Sie tragen gerne helle Farben, gewagte Muster, Make-up, sehr hohe Stöckelschuhe und Accessoires. Sie dürfen zwar keine Hose, ärmellose Tops und Miniröcke tragen, aber sie mögen gerne enge Kleidung (ODR 12.12.2014).

 

Grundversorgung/Wirtschaft: 2016 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland ca. 75,6 Millionen, somit ungefähr 53% der Gesamtbevölkerung. Der Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung beträgt knapp 49%. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,7% (WKO 4.2017). Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015). Russland ist einer der größten Energieproduzenten der Welt und verfügt mit einem Viertel der Weltgasreserven (25,2%), circa 6,3% der Weltölreserven und den zweitgrößten Kohlereserven (19%) über bedeutende Ressourcen. Die mangelnde Diversifizierung der russischen Wirtschaft führt zu einer überproportional hohen Abhängigkeit der Wirtschaftsentwicklung von den Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas. Rohstoffe stehen für ca. 80% der Exporte und finanzieren zu rund 50% den Staatshaushalt. Seit der Jahrtausendwende war die russische Wirtschaft eine der am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaften der Welt, mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von fast 7%. Die volkswirtschaftliche Stabilisierung war die größte Errungenschaft der ersten Präsidentschaft Wladimir Putins. Entscheidend dafür war die Fähigkeit, die enorm angestiegenen Exporteinnahmen intelligent zu nutzen. Die Staatsverschuldung verschwand in Relation zum BIP fast vollständig: Sie fiel von 51% auf 4%. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde damit erheblich gesteigert. Die Binnennachfrage wuchs aufgrund der Einnahmen aus den Rohstoffexporten. Der Staat akkumulierte die drittgrößten Devisenreserven weltweit, sowie zusätzlich einen Reservefonds und einen Fonds für den nationalen Wohlstand. In strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen (von der Weltraumtechnik und der Atomkraft, bis hin zu Schiffs- und Flugzeugbau) stärkte der Staat seine Position in dem er staatliche Kapitalgesellschaften gründete. Dabei spielten Holdings, die als Dachunternehmen die staatlichen Beteiligungen an einzelnen Betrieben einer Branche zusammenfassen, eine wichtige Rolle. Die im Herbst 2008 ausgebrochene internationale Finanzkrise traf Russland sehr stark. Die russische Regierung konnte in Reaktion darauf den russischen Finanzsektor mit staatlichen Geldern stabilisieren und anschließend ein umfangreiches Konjunkturpaket, das Steuervergünstigungen und staatliche Kreditgarantien umfasste, aus den Rücklagen finanzieren. Auf ein negatives Wirtschaftswachstum von 7,9% im Jahr 2009 folgten 2010-2012 wieder Zuwachsraten von über 4%:

Getragen wurde das Wachstum von hohen Rohstoffpreisen, aber auch wachsender Beschäftigung und steigender Industrieproduktion. Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 40 in 2017. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund 10% des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2017 den 114. Platz unter 180 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca. 15%. 2015 geriet die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3% 2015 und dem weiteren BIP-Rückgang um 0,2% 2016 wird für 2017 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um ca. 1,5% prognostiziert (GIZ 7.2017b). Nach Jahren stetiger Verbesserung verschlechtert sich der allgemeine Lebensstandort seit 2012 wieder. Zwar stiegen das Durchschnittseinkommen und die Durchschnittsrente, bedingt durch die hohe Inflationsrate sanken jedoch die real verfügbaren Einkommen und die Armut wuchs an. Während 2012 noch 10,7 % der Bevölkerung unter die offizielle Armutsgrenze fielen, ist die Anzahl der Menschen mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums weiter gestiegen und betrug im I. Quartal 2016 22,7 Millionen oder 15,7 % der gesamten Bevölkerung. Die staatliche Unterstützung reicht häufig nicht zur Deckung des Grundbedarfs. Problematisch bleibt die Situation der Rentner. In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Lage nach einigen Rentenerhöhungen verbessert, die Mehrheit der Rentner lebt jedoch in armen Verhältnissen. Die Renten belaufen sich auf durchschnittlich 12.425 Rubel pro Monat (AA 24.1.2017). Angesichts der Geschehnisse in der Ost-Ukraine hat die EU mit VO 833/2014 und mit Beschluss 2014/512/GASP am 31.7.2014 erstmals Wirtschaftssanktion gegen Russland verhängt und mit 1.8.2014 in Kraft gesetzt. Diese wurden mehrfach, zuletzt mit Beschluss (GASP) 2017/1148 bis zum 31.1.2018 verlängert (WKO 29.6.2017).

 

Grundversorgung/Wirtschaft/Tschetschenien: Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren stabilisiert. Laut der Zeitung RBK Daily wurden seit 2001 rund 464 Mrd. Rubel (ca. 14 Mrd. USD) in den Wiederaufbau der Republik investiert. Obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind, bestehen noch immer über 85% des Budgets der Republik aus Direktzahlungen aus Moskau. Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik im ersten Quartal 2016 rund 12%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien lag im 1. Quartal 2016 bei 21.774 Rubel (landesweit: 34.000 Rubel), die durchschnittliche Pensionshöhe bei 10.759 Rubel (landesweit: 12.299 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 9.317 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 10.187 Rubel), für Pensionisten mit 8.102 Rubel (landesweit: 7.781 Rubel) und für Kinder mit 7.348 Rubel (landesweit: 9.197 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrows Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrows und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 12.2016). Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens, Grosny, ist wieder aufgebaut. Problematisch sind allerdings weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung (AA 24.1.2017).

 

Sozialbeihilfen: Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier

Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 7.2017c). Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können: Invaliden und Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges; Invaliden und Veteranen militärischer Operationen; Invaliden mit Behinderung I., II. und III. Grades; Ehemalige minderjährige Insassen von Konzentrationslagern; Kinder mit Behinderung; Arbeitsveteranen; Arbeiter der Heimatfront (Großer Vaterländischer Krieg); Invaliden als Folge der Tschernobyl-Katastrophe; Menschen, die unter gesundheitlichen Folgen von Verstrahlung leiden; Menschen die aus der Evakuierungszone der Tschernobyl-Katastrophe evakuiert wurden; Kinder deren Eltern unter der Verstrahlung der Tschernobyl-Katastrophe leiden; Beteiligte der Tschernobyl-Unfallfolgenbeseitigung; Opfer politischer Repressionen; Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben ("Helden der Sowjetunion und Russland" etc.) (IOM 6.2014) Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich: ärztlich verschriebene Medikamente; Sanatoriumsaufenthalt; Ausgaben im Nahverkehr (kostenfreie Fahrten im Nahverkehr am Wohnort (nicht in allen Regionen); Schienenverkehr in Vororte, Langstreckenreisen zu und von der Behandlungsstätte) (IOM 6.2014). Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014). MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt werden:

Kinder (unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen für Familien mit Kindern); Großfamilien (Ausstellung einer Großfamilienkarte, unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen, Rückerstattung von Nebenkosten (Wasser, Gas, Elektrizität, etc.); Familien mit geringem Einkommen; Studenten, Arbeitslose, Pensionisten, Angestellte spezialisierter Institutionen und Jungfamilien (BDA 31.3.2015).

 

Wohnungswesen: Bürger ohne Unterkunft oder mit unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Apartments beantragen. Wartezeit von mehreren Jahre oder Dekaden. Lokale Behörden bestimmen die Voraussetzungen und notwendigen Unterlagen (IOM 8.2015).

 

Arbeitslosenhilfe: Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015). Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen: Zwei vorgeschlagene, passende Arbeitsangebote abgelehnt; Bezahlter Staatsdienst nach drei Monaten abgelehnt; Vorgeschlagene Trainings der Arbeitsagentur abgelehnt;

Beendigung der Arbeit aufgrund von disziplinarischen Verstößen;

Abbrechen von vorgeschlagenen Trainings; Neubewerbungsverfahren nicht durchlaufen (IOM 8.2015)."

 

Begründend wurde insbesondere festgehalten, dass die vom Beschwerdeführer ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründe (Festnahme von Russen im Rahmen von Säuberungsaktionen und Unterstützung tschetschenischer Kämpfer), aufgrund derer ihm damals Asyl gewährt worden sei, durch die mittlerweile geänderte Lage in der Teilrepublik Tschetschenien heute nicht mehr zuträfen. Die Lage in der Russischen Föderation habe sich nachhaltig geändert und seien heute auch ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien an der Macht. Russische Einheiten seien seit vielen Jahren nicht mehr in Tschetschenien präsent. Es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine Verfolgungsgefahr mehr droht.

 

Seit der Asylzuerkennung im Jahr 2004 bis zur Erlassung des Aberkennungsbescheides seien zwar mehr als fünf Jahre vergangen, der Beschwerdeführer sei jedoch von verschiedenen Landesgerichten rechtskräftig verurteilt und somit straffällig im Sinne von § 2 Abs 3 AsylG 2005 geworden, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt werden könne.

 

Es könnten keine stichhaltigen Gründe dahingehend festgestellt werden, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprächen. Der Beschwerdeführer habe laut eigenen Angaben zwar keine Familienangehörigen mehr im Heimatland, könne aber zumindest Unterstützung durch frühere Bekannte erwarten. Er sei gesund und befinde sich derzeit auch nicht in medizinischer Behandlung. Durch das Fehlen XXXX sei der Beschwerdeführer im Alltag zwar etwas eingeschränkt, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass ihm ein Nachgehen einer beruflichen Tätigkeit gänzlich verwehrt bliebe. Dies zeige sich auch dadurch, dass er in Österreich, wenn auch nur für kurze Zeit, berufstätig sein konnte.

 

Es liege zwar ein schützenswertes Privatleben in Österreich vor, der staatliche Eingriff sei aber als verhältnismäßig anzusehen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Lebensgemeinschaft oder Ehe geschlossen und habe auch keine Kinder oder sonstigen Verwandten im Bundesgebiet. Zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer sich seit Juli 2003 in Österreich aufhalte, bereits mittelmäßig bis gut Deutsch erlernt habe, hier auch Deutsch- und XXXX besucht habe und zwischendurch beschäftigt gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei derzeit jedoch arbeitslos und befinde sich in einer Haftanstalt. Es lägen sechs rechtskräftige Verurteilungen gegen ihn vor. Insgesamt liege eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit vor.

 

Hinsichtlich des verhängten Einreiseverbotes wurde insbesondere auf die Vorstrafen des Beschwerdeführers hingewiesen. Es lägen sechs rechtskräftige Verurteilungen vor und sei § 53 Abs 3 Z 1 FPG erfüllt. Im Falle des Beschwerdeführers sei von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen; sein persönliches Verhalten stelle eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, zumal einige Straftaten noch nicht lange zurücklägen und somit der seither verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen sei, um von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen. Auch die Art und Weise der Begehung der Straftaten, nämlich die Gewerbsmäßigkeit, weise auf eine beträchtliche kriminelle Energie seiner Person hin. Der Beschwerdeführer habe durch die Begehung dieser Straftaten seinen Unwillen, sich an österreichische Rechtsnormen zu halten, unter Beweis gestellt und könne auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation eine Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden. Eine positive Zukunftsprognose könne nach Ansicht des Bundesamtes nicht getroffen werden.

 

2.5. In der dagegen erhobenen Beschwerde des Verein Menschenrechte Österreich vom 28.9.2018 wurde insbesondere ausgeführt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Dass sich die Bedrohungslage für Menschen wie den Beschwerdeführer seit seiner Ausreise nicht geändert habe, ergebe sich eindeutig aus den im Bescheid angeführten Länderinformationen. Diese Informationen seien von der Erstbehörde in keiner Weise bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer halte seine Aussagen zu seinen Fluchtgründen, die er in der Einvernahme vor der belangten Behörde gemacht habe, aufrecht. Die Lage in Tschetschenien sei nach wie vor angespannt und seien zum Nordkaukasus auch 2017 schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet worden.

 

2.6. Am 15.10.2018 wurde der Beschwerdeführer in die Freiheitsstrafe betreffend die Verurteilung vom Bezirksgericht XXXX vom 1.5.2018 übernommen, wobei das Strafende mit 15.2.2019 berechnet wurde.

 

2.7. Am 15.10.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Nachhang zur Beschwerdevorlage einen handgeschriebenen Brief des Beschwerdeführers, datiert mit 5.10.2018, welcher in zwei Sprachen (Deutsch und Russisch) abgefasst wurde. In der deutschen Fassung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass in Russland Lebensgefahr für ihn bestehe und er lieber Selbstmord begehen wolle als nach Russland zurückzukehren. Der Brief in der russischen Sprache wurde in der Folge einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt.

 

2.8. Am 19.10.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Nachhang zur Beschwerdevorlage diverse Berichte der Landespolizeidirektion XXXX betreffend den Beschwerdeführer. Aus dem Anlassbericht vom 3.7.2018 geht hervor, das gegen den Beschwerdeführer der Verdacht auf Veruntreuung und Urkundenfälschung besteht. Konkret habe er am 14.5.2018 gemeinsam mit einem weiteren Tatverdächtigten unter Vorlage gefälschter tschechischer Dokumente zwei Kastenwagen für die Dauer eines Tages angemietet, wobei die Fahrzeuge in der Folge nicht zurückgestellt worden seien. Der Beschwerdeführer habe sich mit einem total gefälschten tschechischen Personalausweis sowie einem ver- oder gefälschten tschechischen Führerschein lautend auf einen anderen Namen ausgewiesen. Beide Fahrzeuge wurden am 14.5.2018 bei der Ausreise aus Kroatien nach Serbien kontrolliert.

 

2.9. Am 26.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes statt, an welcher der Beschwerdeführer, die Beschwerdeführervertreterin sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch zuvor mit Schreiben vom 16.11.2018 mitgeteilt, auf eine Verhandlungsteilnahme zu verzichten.

 

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:

 

"(...)

 

Der RI befragt den BF, ob er die Dolmetscherin gut versteht; dies wird bejaht. Festgestellt wird jedoch, dass die Deutsch-Kenntnisse des BF (wie schon in den letzten Strafverhandlungen und der EV vor dem BFA offenbar ausreichend sind; die Dolmetscherin bleibt daher bis auf weiteres nur aus Vorsichtsgründen anwesend).

 

Der RI befragt die Partei, ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen bzw ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen.

 

BF: Ich bin für die heutige Verhandlung fit.

 

Der RI weist den BF auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin und ersucht diesen, die Wahrheit anzugeben. Der BF wird aufgefordert nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Ebenso wird auf die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen und dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

 

Der BF wird gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG und im Sinne des § 13a AVG belehrt.

 

Da keine Einwendungen vorliegen, werden die für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Aktenteile verlesen. Der RI erklärt diese Aktenteile zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und zum Inhalt der hier zu Grunde liegenden Niederschrift.

 

Insbesondere weist RI auf Folgendes hin:

 

1. BF ist anerkannter Flüchtling infolge Bescheides des UBAS vom 28.04.2004 (mündlich verkündet am 16.3.2004):

 

Tragend: Der BF hat im 1. Tschetschenienkrieg aktiv Kämpfer unterstützt. Infolge dessen wurde er 1999 von Staatsorganen festgenommen und misshandelt; er begab sich nach Aserbaidschan; bei einer Rückkehr wegen Todes eines Familienmitgliedes wurde ihm von einem russischen Soldaten ins Bein geschossen. Asyl wurde gewährt wegen politischer Verfolgung.

 

2. Verlesen werden das Urteil des XXXX vom 2.11.2005 zu XXXX zu §§ 127, 129 und 130 StGB (wiederholte Tank- und sonstige Diebstähle zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, davon 6 bedingt; mildernd:

Unbescholtenheit, Geständnis, tlw Sicherung des Diebsgutes), Urteil des XXXX vom 18.5.2006 zu XXXX wegen §§ 15, 127, 129 StGB; versuchter gewaltsamer Einbruchsdiebstahl; zu 3-monatiger Zusatzstrafe; mildernd: Versuch) sowie Urteil des XXXX vom 27.7.2011 zu XXXX wegen §§ 127, 129 Z2, 15 StGB (20 Monate Freiheitsstrafe, davon 5 unbedingt).

 

3. Verlesen wird insbesondere das Protokoll der Hauptverhandlung vom 29.4.2013 am XXXX zu XXXX - insb die zT leugnende Verantwortung des BF bezüglich damaliger Vorverurteilungen; Aufenthalt des BF in Polen von Anfang Jänner 2012 bis März 2012 (Seite 17 des HV-Protokolls), ferner der fortgesetzten Hauptverhandlung dazu am 21.10.2013. Die mit Urteil des XXXX vom 21.10.2013 verhängte Freiheitsstrafe von 4 1/2 Jahren (BF hat sich durchwegs leugnend verantwortet) wegen schweren gewerbsmäßigem Diebstahl wurde im Berufungswege (Nichtigkeitsbeschwerde durch den OGH zurückgewiesen) durch Urteil des XXXX vom 13.5.2014 zu XXXX auf 2 Jahre und 5 Monate (aus rechtliche Gründen) herabgesetzt. Milderungsgrund der behaupteten Erpressung durch andere tschetschenische Staatsangehörige sei nicht glaubhaft.

 

4. Verlesen wird ferner das Urteil des XXXX vom 8.1.2015 betreffend Diebstahls wegen §§ 127, 129 Z2 StGB (Einbruch in Waschautomaten während eines Freigangs zur Vorverurteilung). Sodann wird das Schreiben der BH XXXX vom 28.11.2017 verlesen, wonach der BF zur Umschreibung einen total-gefälschten russischen Führerschein vorgelegt hatte; sowie das Bezug habende Urteil des BG XXXX vom 26.4.2018 (Freiheitsstrafe von 4 Monaten; mildernd Geständnis, erschwerend: Vorverurteilungen) zu XXXX ; diesbezüglich wurde in der Folge ein Wiederaufnahmeantrag eingebracht, wonach der Führerschein doch echt war; in dem Schriftsatz vom 7.6.2018 findet sich die Einlassung, wonach der BF in der Tschetschenischen Republik die Neuausstellung des Führerscheins beantragt habe und diesbez erfolgreich die russische Botschaft in Wien kontaktiert habe. Mit Beschluss des BG XXXX vom 13.9.2018 wurde dieser Antrag im Wesentlichen deshalb abgewiesen, weil die Beweisanbote nicht ausreichend waren, die Totalfälschung zu belegen. Die Bezug habende Strafe wird bis 15.2.2019 in der JA XXXX vollzogen.

 

5. Aus dem Akt des BFA wird insbesondere auf Folgendes verwiesen: Am 14.06.2007 langte eine handschriftliche Bestätigung der XXXX ein, wonach der BF am 8.4.2007 Frau XXXX nach moslemischem Recht geheiratet habe. Trotz Information über die verschiedenen strafrechtlichen Verurteilungen des BF ist die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens durch das BFA frühestens mit Juli 2018 zu konstatieren.

 

6. Verlesen wird im Speziellen die handschriftliche Einlassung des BF vom 15.10.2018; ferner die (längere) russische Fassung, die einer Übersetzung zugeführt wurde, welche ebenso verlesen wird.

 

RI: Wollen Sie eingangs Anträge stellen oder Ausführungen treffen? Bitte legen Sie alle etwaigen Beweismittel vor!

 

BFV: Nein, es gibt keine neuen Beweismittel. Eine Kollegin hat zwei Vorbereitungsgespräche in Klagenfurt geführt.

 

Eröffnung des Beweisverfahrens gemäß § 25 Abs 6 VwGVG

 

RI: Sind die im Verfahren zu Ihrer Identität vorhandenen Angaben allesamt richtig?

 

BF: Meine Angaben zur Identität im vorliegenden Verfahren sind richtig.

 

RI: Aus heutiger Sicht: Sind alle rechtskräftigen Verurteilungen Ihrer Person in Österreich berechtigt erfolgt?

 

BF: Im Wesentlichen, ja.

 

RI: Hat das gegen Sie wiederholt verhängte Haftübel eine Änderung Ihrer Einstellung zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung bewirkt?

 

BF: Ich habe schon 2012 gesagt, dass ich die Straftaten infolge Drogensucht begangen habe. Mir wurde auch vom Richter eine Therapie zugesagt, doch gab es nichts. Ich habe auch den Diebstahl während des Ausgangs, dessentwegen ich dann vom Landesgericht Linz verurteilt worden bin, eigentlich begangen, um wieder in Haft zu kommen. Jetzt bin ich eigentlich nur in Haft wegen des Führerscheins, diesen wollte ich aber nur haben, weil ich eine Arbeit aufnehmen wollte. Auf Nachfrage: Die Drogensucht habe ich überwunden. Seit 2016 habe ich auch einen XXXX -Kurs gemacht und will ich hier jetzt normal leben.

 

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zur Zeit unter welchen Lebensumständen in der Russischen Föderation?

 

BF: Vielleicht noch entfernte Verwandte. Meine Eltern, meine drei Schwestern und meine zwei Brüder sind alle verstorben. Auf

Nachfrage: Ich habe zu niemanden mehr Kontakt, weil ich seit 2002 nicht mehr in der Russischen Föderation war.

 

RI: Seit der Asylzuerkennung in 2004 waren Sie wann und wo außerhalb Österreichs?

 

BF: Nirgendwo.

 

RI: Warum waren Sie nach Ihren Angaben in einem Strafverfahren vor dem XXXX 2012 in Polen in einem Flüchtlingslager an der Grenze der Republik Belarus?

 

BF: Ja, ich war zwei Landsleute besuchen in einem Flüchtlingslager, eine Stunde von Warschau Richtung Belarus. Auf die Frage, wie lange ich dort war, damals zwei, drei Tage, auch später war ich noch einmal dort. Ich war in Polen, in der Schweiz, in Italien, in Oslo. Ich besuchte einfach Landsleute bzw Freunde. Ich will einfach Anschluss an andere finden, weil es alleine schwierig ist.

 

RI: Wo ist Ihr Flüchtlingspass nach der GFK?

 

BF: Ich glaube, er ist in der Justizanstalt.

 

RI: Haben Sie seit Ihrer Asylzuerkennung jemals Behörden Ihres Heimatlandes kontaktiert?

 

BF: Nein, ich habe kein Interesse an der Russischen Föderation.

 

Vorgehalten wird Ihr Schriftsatz vom 7.6.2018 an das BG XXXX zu XXXX

.

 

BF: Ich habe meinem Anwalt schon alte Unterlagen gegeben. Ansonsten bleibe ich aber dabei, ich war nicht bei der Russischen Botschaft und habe auch sonst keinerlei Kontakt mit russischen Behörden.

 

RI: Verlesen wird Ihre Antwort auf die Frage nach den Befürchtungen im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation zum jetzigen Zeitpunkt vor dem BFA, XXXX vom 21.8.2018, unter Beachtung Ihres diesbez Vortrags in der Beschwerdeschrift und des Briefs vom 15.10.2018 (insbesondere in der russischen Fassung): Gibt es diesbez Ergänzungen?

 

BF: Ich kann mich an die Einvernahme vom 21. August erinnern. Es gab da keine Probleme. Meine Aussagen sind richtig. Ich verweise auf meine Verletzung bzw Verletzungen.

 

RI: Die Behörde geht davon aus, dass infolge des Zeitablaufs Ihre seinerzeitigen Probleme nicht mehr aktuell sind!? Wie entgegnen Sie dem?

 

BF: Erstens, für mich war es besser, ruhig zu sitzen und nicht aufzufallen, indem ich etwas an einer Demonstration gegen die Regierung in Tschetschenien teilnehme. Kadyrov kann auch in Österreich Leute umbringen. Das hat er mehrfach bewiesen. Man denke nur an XXXX . Ich würde zurückkehren, wenn ich eine Sicherheitsgarantie hätte, weil das ja mein Land ist, aber wir wissen alle, dass die Situation anders ist. Ansonsten verweise ich auf meine Angaben in dem Schreiben vom 15.10.2018.

 

RI: Was hindert eine Rückkehr in andere Gebiete der Russischen Föderation?

 

BF: Alles ist die Russische Föderation. Putin und Kadyrov sind auf einer Seite. Seit 16 Jahren bin ich hier und ich war wegen dieser Situation nicht einmal in dieser ganzen langen Zeit zuhause. Wielange dieses System mit Putin und Kadyrov noch dauert, lässt sich nicht abschätzen.

 

RI: Wie ist Ihre familiäre Situation in Österreich?

 

BF: Von Frau XXXX bin ich inzwischen geschieden; das hing mit meiner Drogensucht zusammen. Später gab es auch eine zweite Frau, doch auch das ging aus denselben Gründen zu Bruch. Ich habe in Österreich keine Kinder. Seit 2016 habe ich jemanden, das sind zwar keine echte Verwandte, aber sie unterstützen mich und kümmern sich. Es handelt sich um XXXX und seine Frau XXXX .

 

RI: Haben Sie Bezugspunkte zur österreichischen Gesellschaft (enge Freunde, soziale Aktivitäten; Sprachkenntnisse usw)?

 

BF: Ich habe einen Freund namens XXXX aus XXXX . Den habe ich in der Arbeit kennengelernt. Er ist ein guter Mensch. Meine Sprachkenntnisse sind gut. Ich war auch schon mehrfach in Deutschkursen. Insbesondere konnte ich auch in der Arbeit meine Sprachkenntnisse verbessern.

 

Festgehalten wird, dass eine flüssige Kommunikation mit dem BF möglich ist. Lediglich bei komplexeren Fragestellungen erfolgt zusätzlich eine Beteiligung der anwesenden Dolmetscherin.

 

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Nehmen Sie Medikamente ein oder sind Sie in ärztlicher Behandlung?

 

BF: Ich habe ein Rückenproblem, sonst glaube ich aber, dass es gut geht. Wegen des Rückens habe ich auch meine Arbeit als XXXX verloren gehabt.

 

RI: Haben Sie aktuell Ihre Drogensucht überwunden?

 

BF: Ja.

 

RI: Verfügen Sie über Kenntnisse/Ausbildungen in beruflicher Hinsicht? Welchen legalen Beschäftigungen sind Sie in Österreich nachgegangen?

 

BF: Ich habe einen XXXX -Kurs im BFI in Leoben erfolgreich absolviert. Jetzt will ich auch im Bereich Elektrotechnik Kenntnisse erwerben. Im Gefängnis arbeite ich aktuell auch als XXXX .

 

RI: In Ihrem Schreiben vom 15.10.2018 ist sinngemäß davon die Rede, dass Sie vor Ihrer Rückkehr nach Russland lieber Selbstmord begehen wollen (verlesen wird in diesem Kontext auch S. 5f des Abschlussberichts der PI Leonding der LPD OÖ vom 21.12.2014) und dass Sie Moslem seien und es daher für "Euch" (gemeint wohl: Republik Österreich) egal sei, ob er in Russland oder hier sterbe. In der russischen Übersetzung finden sich noch nähere Ausführungen, die auf eine sehr kritische Haltung gegenüber den österreichischen Staatsorganen hindeuten.

 

Wollen/können Sie dazu Stellung nehmen?

 

BF: Ja, wenn Russland ein moslemisches Land wäre und ich ein Christ, dann würde mich niemand in die Russische Föderation abschieben wollen. Russland ist kein moslemisches Land. Über Kadyrov weiß man Bescheid. Er ist einfach ein Diktator. Man kann es auf Youtube sehen. Es gibt zum Beispiel zwei Tschetschenen, die aus Österreich nach Russland abgeschoben wurden und man hat jetzt ihre Leichen gefunden, weil sie angeblich Terroristen wären. Man warf ihnen vor, sie hätten Menschen in einer katholischen Kirche umbringen wollen.

 

Folgende Berichte werden - über die in der Entscheidung der Verwaltungsbehörde zugrunde gelegten hinaus - in das Verfahren eingeführt und erörtert. Diese führen zu den unten gemachten Schlussfolgerungen.

 

Quellen

 

Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, 22.2.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , AI

 

Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 21.5.2018, AA

 

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH:

Russland, Geschichte und Staat (September 2018), https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836 , GIZ

 

European Asylum Support Office: Country of Origin Information Report Russian Federation. State Actors of Protection, März 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf , EASO 2017

 

European Asylum Support Office: Country of Origin Information Report Russian Federation. The situation for Chechens in Russia, August 2018,

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/Chechens_in_RF.pdf , EASO 2018

 

Freedom House: Freedom in the World 2017 - Russia, Jänner 2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , FH 1

 

Freedom House: Nations in Transit 2018 - Russia, April 2018, https://www.ecoi.net/en/document/1429203.html , FH 2

 

ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017, ÖB

 

Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für

Internationale Politik und Sicherheit: Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, März 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf ,

SWP

 

United States Commission on International Religious Freedom: Annual Report 2018. Russia, 2018,

https://www.uscirf.gov/sites/default/files/Tier1_RUSSIA.pdf , USCIRF

 

United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, 20.4.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , USDOS HR

 

United States Department of State: Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - Russia, 19.9.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444879.html , USDOS T

 

United States Department of State: International Religious Freedom Report 2017 - Russia, 29.5.2018 https://www.state.gov/documents/organization/281196.pdf , USDOS RF

 

Aktuelle (notorische) Medienberichterstattung bzw öffentlich zugängliche statistische Informationen von EASO sowie von IOM, insbesondere:

 

 

https://www.nzz.ch/international/offensive-gegen-menschenrechtler-in-tschetschenien-ld.1349616

 

 

https://www.theguardian.com/cities/2018/jun/02/the-darker-side-of-groznys-push-to-be-the-dubai-of-the-north-caucasus

 

 

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/russland-wladimir-putins-wirtschaftsbilanz-nach-18-jahren-a-1198313.html

 

https://www.easo.europa.eu/overview-situation-asylum-eu-2017

 

http://www.iomvienna.at/sites/default/files/AVRRNLSommer2016.pdf

 

Folgerungen

 

...

 

RI fragt den BF um seine Stellungnahme zu dieser Beurteilung.

 

BF: Ja, es gab in Russland eine Opposition aber XXXX hat man zum Beispiel in Moskau umgebracht. Wenn jemand Familie zuhause hat, bedroht man auch diese Familie. Eine Besserung der Lage ist nicht abzusehen.

 

Die Verhandlung wird um 10:26 Uhr unterbrochen.

 

In der Verhandlungspause nimmt die D die Beilagen zum Wiederaufnahmeantrag an das XXXX vom 07.06.2018 in Augenschein. Dabei wird festgestellt, dass es sich bei Seite 5 des Schriftsatzes um eine undatierte Auskunft handelt (der tschetschenischen Behörde), wonach einer Person mit dem Namen des BF der Führerschein nicht entzogen worden ist. Die diesbezüglich beglaubigte Übersetzung (Seite 9 der Anlage) weist keine Mängel auf. Bei Seite 7 und 8 des Schriftsatzes handelt es sich um die sogenannte Lenkerkarte aus 2003, die mehrfach angeschlossen ist. Positive Hinweise darauf, dass die Dokumente aktuell sind oder ergänzt oder beglaubigt wurden, sind nicht ersichtlich.

 

Die Verhandlung wird um 10:40 Uhr fortgesetzt.

 

Erörtert wird mit dem BF auch der Stand seines Verfahrens zu XXXX , dessentwegen er sich nach der Aktenlage auch in Untersuchungshaft befindet.

 

BF: Ja, da hoffe ich auf einen Freispruch. Es geht darum, dass ich für einen Bekannten, der Lokale betreibt nach Serbien fahren sollte, ohne Führerschein. Dann habe ich erfahren, dass es einen Haftbefehl wegen Betrugs gibt. Ich bin jedenfalls unschuldig.

 

RI: Im Falle einer Enthaftung, wo würden Sie dann beabsichtigen, zu wohnen?

 

BF: Ich würde in XXXX , in einer Mietwohnung leben.

 

Keine Fragen oder Anträge der BFV.

 

BF: Wenn ich Österreich verlassen müsste, würde ich in ein anderes Land fahren, aber in die Russische Föderation kann ich keinesfalls. Eher als in die Russische Föderation zurückzukehren, würde ich mich selbst töten. Auch in Österreich habe ich schon zwei Selbstmordversuche gemacht, aber das ist nicht gegangen. Auf Nachfrage, der letzte Selbstmordversuch war im Gefängnis, glaublich 2015.

 

RI fragt den BF, ob er die Dolmetscherin gut verstanden habe; dies wird bejaht.

 

Grundsätzlich konnte die gesamte Verhandlung in deutscher Sprache durchgeführt werden. Die D hat nur bei komplexeren Fragestellungen diese zusätzlich übersetzt und die Antwort ebenso zusätzlich. Der BF wünscht keine Rückübersetzung.

 

(...)"

 

2.10. Mit Eingabe vom 5.12.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , eine Strafverfügung der LPD XXXX betreffend den Beschwerdeführer. Demnach hat der Beschwerdeführer im April 2018 in Wien ein Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung war. Er hat dadurch § 37 Abs 1 iVm Abs 3 FSG verletzt und wurde zu einer Geldstrafe von 500,- Euro, Ersatzfreiheitsstrafe neun Tage, 15 Stunden, verurteilt.

 

2.11. Einem im Akt einliegenden Aktenvermerk vom 6.3.2019 ist zu entnehmen, dass nach Auskunft der Justizanstalt XXXX die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers wegen des Verdachts nach den §§ 146, 147 StGB derzeit gehemmt ist, da er zurzeit eine Verwaltungshaftstrafe verbüßt; im Anschluss daran wird er aus derzeitiger Sicht wieder in Untersuchungshaft genommen werden.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig.

 

1.1.2. Der Beschwerdeführer reiste am 22.6.2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an demselben Tag einen Antrag gemäß § 3 AsylG 1997.

 

Vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer die überwiegende Zeit in XXXX und zeitweise in XXXX . Der Beschwerdeführer schloss im Heimatland ein landwirtschaftliches Gymnasium ab und ist Buchhalter. Seinen Lebensunterhalt verdiente er im Heimatland als Wachmann in einem XXXX , darüber hinaus verkaufte er XXXX , zuletzt arbeitete er nicht mehr.

 

Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 11.8.2003 wurde der Antrag gemäß § 7 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Diesem wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für drei Monate für den Fall des Eintritts der Rechtskraft der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 15 AsyG 1997 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Der dagegen erhobenen Berufung, eingelangt am 22.8.2003, wurde mit Entscheidung des ehemaligen Unabhängigen Bundesasylsenats vom 16.3.2004 stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 der Status des Asylberechtigten gewährt. Es wurde festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates erwuchs in Rechtskraft.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im ersten Tschetschenienkrieg tschetschenische Kämpfer unterstützt hat und in der Folge im Zuge einer Säuberungsaktion angehalten und misshandelt beziehungsweise auch angeschossen wurde.

 

1.1.3. Gegen den Beschwerdeführer liegen die nachfolgenden rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen vor:

 

1) XXXX , XXXX vom 25.10.2005, rechtskräftig seit 2.11.2005, §§ 127, 129 Abs 1 und 2, 130 4. Fall StGB, Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt, Probezeit drei Jahre

 

2) XXXX , XXXX vom 18.5.2006, rechtskräftig seit 23.5.2006, §§ 127, 15, 129 Abs 1 StGB, Freiheitsstrafe drei Monate, Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des XXXX , XXXX vom 25.10.2005, rechtskräftig seit 2.11.2005.

 

3) XXXX , XXXX vom 27.7.2011, rechtskräftig am 27.7.2011, §§ 15, 127, 129 Abs 2 StGB, Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 15 Monate bedingt, Probezeit drei Jahre

 

4) XXXX , XXXX vom 21.10.2013, rechtskräftig seit 13.5.2014, §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 4. Fall StGB, 130 2. Strafsatz StGB, Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, Widerruf des bedingt nachgesehenen Teils der Freiheitsstrafe des Urteils des XXXX , XXXX vom 27.7.2011, rechtskräftig am 27.7.2011

 

5) XXXX , XXXX vom 8.1.2015, rechtskräftig am 27.2.2015, §§ 127, 129

Z 2 StGB, Freiheitsstrafe von 12 Monaten

 

6) XXXX XXXX vom 26.4.2018, rechtskräftig am 1.5.2018, §§ 228 Abs 1, 223 Abs 2 StGB, Freiheitsstrafe von vier Monaten

 

1.1.4. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen.

 

1.1.5. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2007 nach muslimischem Recht geheiratet, die Ehe ist aber mittlerweile geschieden. Auch die nachfolgende Lebensgemeinschaft besteht nicht mehr.

 

Der Beschwerdeführer ist alleinstehend, hat keine Kinder und halten sich im Bundesgebiet auch keine sonstigen Familienangehörigen auf.

 

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet einzelne Freundschaften geschlossen, eine besonders intensive Bindung zu Personen in Österreich hat sich aber nicht ergeben.

 

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer während der Verbüßung einer Haftstrafe einen XXXX -Kurs absolviert und in der Folge in der Justizanstalt zeitweise als XXXX gearbeitet hat. Er ist arbeitsfähig.

 

Der Beschwerdeführer spricht fließend Deutsch.

 

Festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer bis vor kurzem in Strafhaft beziehungsweise Untersuchungshaft befand und derzeit eine Verwaltungshaftstrafe verbüßt, wobei er im Anschluss daran aus derzeitiger Sicht wieder in Untersuchungshaft genommen werden wird.

 

1.1.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nach wie vor mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Dem Beschwerdeführer droht zum gegenständlichen Zeitpunkt in der Russischen Föderation keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung. Insbesondere droht dem Beschwerdeführer keine Gefahr mehr, weil er im ersten Tschetschenienkrieg tschetschenische Kämpfer unterstützte.

 

Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass der Beschwerdeführer konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden.

 

Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien oder auch außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien niederzulassen und dort anzumelden. Der Beschwerdeführer hat Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.

 

1.2. Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation

 

1.2.1. Allgemeines

 

Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Dem quasi-autoritären Präsidenten steht eine geschwächte aber nach wie vor oppositionelle Zivilgesellschaft gegenüber. Die Föderationssubjekte verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ, FH 2).

 

Im Bereich der Menschenrechte kam es in den letzten Jahren schrittweise zu Einschränkungen; so wurden sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch der Pressefreiheit restriktive Gesetze verabschiedet. Öffentliche Kundgebungen bzw Proteste von oppositionellen Gruppen werden zum Teil verboten. Die Mehrheit der russischen Bevölkerung gehört der Russisch-Orthodoxen Kirche an; das Religionsgesetz von 1997 erkennt auch noch den historischen Status von Religionen wie dem Islam, Buddhismus und Judaismus an (ÖB). Religiöse Minderheiten werden von staatlichen Stellen zum Teil schikaniert (AI, USDOS RF).

 

1.2.2. Nordkaukasus

 

Im Nordkaukasus führten im Jahr 2017 Konflikte zwischen Regierungskräften, Aufständischen, islamistischen Kämpfern und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, darunter Tötungen, Folter, Misshandlungen und politisch motivierte Entführungen (AI; USDOS HR). Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region des Nordkaukasus ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Insbesondere Tschetschenien und Dagestan verfolgen eine harte Politik der Repression extremistischer Elemente (ÖB; AA). Der Großteil der innerstaatlichen Terrorismusbekämpfung war gegen bewaffnete Gruppierungen am Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien und Dagestan, gerichtet (USDOS T). Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer nach Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB).

 

In seinem Urteil vom 30.11.2017, X gegen Deutschland, Nr 54646/17 kam der EGMR im Fall eines in Dagestan geborenen russischen Staatsangehörigen, der in Deutschland unter Terrorismusverdacht stand und aus Gründen der öffentlichen Sicherheit in die Russische Föderation abgeschoben werden sollte, zu dem Ergebnis, dass, da der Beschwerdeführer in keinerlei Verbindung zu den Konflikten am Nordkaukasus stünde, keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorliegen würden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung nach Moskau einem realen Risiko einer Behandlung entgegen Art 3 EMRK ausgesetzt wäre; Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer gegen seinen Willen nach Dagestan gebracht würde, lagen keine vor.

 

1.2.2.1. Tschetschenien

 

In Tschetschenien haben Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen in den letzten Jahren zugenommen (AA); 2017 kam es zur gezielten Verfolgung von Homosexuellen durch staatliche Sicherheitskräfte (AA; EASO 2018; Medienberichterstattung The Guardian). Die Rechtsstaatlichkeit in Tschetschenien wird durch Kadyrows willkürliche Herrschaft untergraben; Opfern von Menschenrechtsverletzungen von Seiten der staatlichen Behörden stehen kaum Rechtsmittel zur Verfügung (EASO 2017). Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges jedoch deutlich verbessert; Grosny ist wiederaufgebaut. Problematisch sind weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung (AA; SWP).

 

1.2.2.2. Dagestan

 

Die Menschenrechtslage in Dagestan gilt grundsätzlich als besser als in Tschetschenien; Dagestan bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat. Mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds gehen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einher (AA; USCIRF; ÖB).

 

1.2.2.3. Inguschetien, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien

 

In Inguschetien und Kabardino-Balkarien kommt es zu Menschenrechtsverletzungen. Hintergrund sind im Speziellen bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten; der westliche Nordkaukasus ist hiervon dagegen praktisch nicht mehr betroffen (AA).

 

1.2.3. Bewegungsfreiheit

 

Personen aus dem Nordkaukasus können grundsätzlich problemlos in andere Teile der Russischen Föderation reisen, sie treffen allerdings immer noch auf antikaukasische Stimmungen (AA). Die Verfolgung von gesuchten Personen durch die tschetschenischen Behörden kann jedoch in einigen Fällen vorkommen (EASO 2018). Die regionalen Strafverfolgungsbehörden können Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen sind, sind etwa auch in Moskau präsent (AA). Manche regionalen Behörden sehen Regeln für die Anmeldung vor, die das Rechts eines Staatsbürgers, seinen Wohnsitz zu wählen, beschränken; der Wohnsitz muss gemeldet werden, wofür die Vorlage eines Inlandspasses notwendig ist (FH 1; AA).

 

1.2.4. Grundversorgung und medizinische Versorgung

 

Die Grundversorgung ist in der Russischen Föderation im Allgemeinen gewährleistet; die Wirtschaftsbilanz der letzten Jahre ist gemischt (Medienberichterstattung, Spiegel).

 

Die soziale Lage in Russland ist weiterhin angespannt; mehr als 15 % der russischen Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Das per Verordnung bestimmte monatliche Existenzminimum liegt mit 10.329 RUB (2. Quartal 2017) weit unter dem Wert, der faktisch zum Überleben notwendig ist. Der Mindestlohn unterschreitet mit 7.800 RUB sogar die Grenze des Existenzminimums. Dies kann nur teilweise durch die Systeme der sozialen Absicherung aufgefangen werden (AA).

 

Die medizinische Versorgung in Russland ist auf einfachem Niveau und nicht überall ausreichend. Russische Bürger haben ein Recht auf kostenfreie medizinische Grundversorgung (AA; EASO 2018; ÖB). Die Versorgung mit Medikamenten ist zumindest in den Großstädten gewährleistet. Ein ernstes Problem bleibt dabei die Bekämpfung von HIV/AIDS; zwischen 1 und 1,5 % der Bevölkerung sind HIV infiziert. Es werden kaum wirksame Maßnahmen für die Hauptinfektionsgruppen (Drogenabhängige und Heterosexuelle mit wechselnden Sexualpartnern - insgesamt 98 % der Neuinfizierten) durchgeführt. Die medikamentöse Versorgung ist auf dem Niveau der 90er Jahre (AA). Obwohl die Behandlung von HIV infizierten Personen gesetzlich vorgesehen ist, führen ein Mangel an Medikamenten und fehlende Geldmittel zu Versorgungslücken (USDOS 2018).

 

1.2.5. Dokumente

 

Es ist in der Russischen Föderation möglich, Personenstands- und andere Urkunden zu kaufen, wie zB Staatsangehörigkeitsausweise, Geburts- und Heiratsurkunden, Haftbefehle, Gerichtsurteile. Häufig sind Fälschungen leicht zu identifizieren; es gibt aber auch Fälschungen, die auf Originalvordrucken professionell hergestellt wurden und nur mit speziellen Untersuchungen erkennbar sind (AA).

 

1.2.6. Asylverfahren in Europa/Österreich

 

Die Anerkennungsquote bei Anträgen auf internationalen Schutz bei russischen Staatsangehörigen betrug zuletzt zwischen 15 und 20% (statistische Informationen von EASO). Zwangsfreie Rückführungen aus Österreich in die Russische Föderation sind regelmäßig möglich. In den Jahren 2015/2016 wurden mittels IOM erfolgreiche Projekte freiwilliger Rückkehr durchgeführt (EASO, IOM)

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zum bisherigen Verfahrensgang und zur Person des Beschwerdeführers

 

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit stützen sich auf seine diesbezüglich nicht zu bezweifelnden (da kohärenten) Angaben im Verfahren sowie auf seine Sprach- und Ortskenntnisse.

 

Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensgang beruhen auf dem Akteninhalt.

 

Die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ergeben sich aus dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.3.2004, ausgefertigt am 28.4.2004.

 

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise aus dem Heimatland beruhen auf seinen eigenen Angaben im Verfahren, insbesondere auf jenen in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom 22.6.2003 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat vom 16.3.2004.

 

Auf dem eingeholten Strafregisterauszug gründen sich die Feststellungen zu den sechs strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers. Zudem ergeben sich diese aus den beigeschafften Strafakten beziehungsweise den angeforderten Strafurteilen.

 

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, beruht auf seinen diesbezüglichen Angaben im Verfahren. Es ergaben sich zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf eine ernsthafte physische oder psychische Erkrankung des Beschwerdeführers oder auf eine Behandlungsbedürftigkeit und konnte mangels Erstattung eines diesbezüglichen Vorbringens oder Vorlage medizinischer Befunde nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer an schwerwiegenden Erkrankungen leidet. Einzig sprach der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung davon, "ein Rückenproblem" zu haben, er brachte diesbezüglich aber weder Befunde in Vorlage, noch machte er geltend, sich dauerhaft in ärztlicher Behandlung zu befinden oder regelmäßig Medikamente einzunehmen. Auch hinsichtlich des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer XXXX fehlt, ergab sich im Verfahren nicht, dass der Beschwerdeführer besonders eingeschränkt wäre oder eine Behandlungsnotwendigkeit bestehen würde.

 

Dass der Beschwerdeführer sich bis vor kurzem in Strafhaft beziehungsweise Untersuchungshaft befand und nunmehr eine Verwaltungshaftstrafe verbüßt, ist den im Akt einliegenden Auszügen zu entnehmen, insbesondere dem voraussichtlichen Strafantrittsbericht der Justizanstalt XXXX vom 5.10.2018, einem Aktenvermerk über ein Telefonat mit der Justizanstalt XXXX vom 30.10.2018, wonach der Beschwerdeführer wegen Verdachts nach den §§ 146 und 147 StGB in Untersuchungshaft genommen worden sei, sowie einem Aktenvermerk vom 6.3.2019, demzufolge der Beschwerdeführer derzeit eine Verwaltungshaftstrafe verbüßt (weshalb die Untersuchungshaft derzeit gehemmt ist) und im Anschluss daran voraussichtlich wieder in Untersuchungshaft genommen werden wird.

 

Dass der Beschwerdeführer im Jahr 2007 nach muslimischem Recht geheiratet hat, ist einem im Akt einliegenden Schreiben der XXXX vom 20.6.2007 zu entnehmen.

 

Die sonstigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen familiären und privaten Bindungen im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie aus seinen eigenen Angaben, insbesondere im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.11.2018.

 

Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zeitweise als XXXX gearbeitet hat, beruht insbesondere auf seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Er hat mehrmals angegeben, eine weitere Ausbildung absolvieren und auch künftig arbeiten zu wollen, weshalb, trotz des Fehlens XXXX , jedenfalls von einer Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist.

 

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer fließend Deutsch spricht, gründet sich insbesondere auf die Wahrnehmungen des erkennenden Richters in der Beschwerdeverhandlung vom 26.11.2018. Die Verhandlung konnte in deutscher Sprache durchgeführt werden und wurde die anwesende Dolmetscherin nur bei komplexeren Fragestellungen zusätzlich herangezogen.

 

2.2. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr

 

2.2.1. Die Asylgewährung des Beschwerdeführers beruhte darauf, dass er im ersten Tschetschenienkrieg die tschetschenischen Kämpfer unterstützt und nach Ende des ersten Tschetschenienkrieges bei einer Minen-Explosion seine XXXX verloren hat und in der Folge im Zuge einer Säuberungsaktion angehalten und misshandelt beziehungsweise auch angeschossen wurde. Festgehalten wurde in der Begründung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates insbesondere, dass nach den in der Verhandlung vorgehaltenen Dokumenten davon auszugehen ist, dass abgeschobenen Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden gewidmet wird, insbesondere solchen Personen, die sich in der Tschetschenienfrage engagiert haben beziehungsweise denen die russischen Behörden solches oder die Sympathie oder tatkräftige Unterstützung tschetschenischer Widerstandskämpfer unterstellen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative wurde damals verneint.

 

2.2.2. Dem Beschwerdeführer gelang es während des nunmehr gegenständlichen Verfahrens zu keinem Zeitpunkt glaubhaft zu machen, dass ihm nunmehr, knapp 15 Jahre nachdem sich die Probleme, die zur Asylgewährung im Jahr 2004 geführt haben, zugetragen haben, nach wie vor Verfolgung und der Russischen Föderation drohen würde.

 

Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers blieb während des gesamten Verfahrens äußerst vage. So gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 21.8.2018 auf die Frage, was er im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation befürchte, lediglich an, dass er Angst vor dem System Kadyrows habe und er, wenn er Glück habe, sofort sterben werde und wenn er kein Glück habe, sein Tod sehr lange dauern werde.

 

Auch in der handschriftlichen Stellungnahme vom 5.10.2018 führte er im Wesentlichen nur allgemein gehalten aus, dass "Russland" seine gesamte Familie umbringen werde und er Selbstmord begehen werde, bevor er in die Russische Föderation zurückkehre.

 

Aus diesem Vorbringen ist eine Bedrohung nicht plausibel nachvollziehbar.

 

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung verwies er zunächst auf seine Angaben im Schriftsatz vom 5.10.2018 und brachte darüber hinaus auf die Frage, was ihn an einer Rückkehr in andere Gebiete der Russischen Föderation hindere, vor, dass Putin und Kadyrow auf einer Seite stehen würden. Etwas später gab er dann noch an, dass es zwei Tschetschenen gebe, die aus Österreich nach Russland abgeschoben worden seien und man nunmehr deren Leichen gefunden habe. Die diesbezüglichen Angaben blieben aber ebenso vollkommen unsubstantiiert (weder nannte der Beschwerdeführer die Namen dieser Personen noch machte er sonst in irgendeiner Weise nähere Angaben) und konnte der Beschwerdeführer darüber hinaus während des gesamten Verfahrens keinerlei Beweismittel zur Untermauerung dieses Vorbringens vorlegen.

 

Dem Beschwerdeführer wurde sowohl in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung die Möglichkeit geboten, konkret und detailliert Gründe zu schildern, derentwegen er nach wie vor Verfolgung in seinem Heimatland zu befürchten hätte. Dennoch war er nicht dazu in der Lage, nähere Angaben zu tätigen und eine aktuell bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer durch die Tatsache, dass er, wie in dem im Akt des Bezirksgerichts XXXX einliegenden Schriftsatz vom 7.6.2018 ersichtlich, in der tschetschenischen Republik die Neuausstellung seines Führerscheins beantragte und in der Folge auch Kontakt mit der Russischen Botschaft in Wien aufnahm, klar gezeigt hat, dass er eine Verfolgung in seinem Heimatland nicht mehr tatsächlich befürchtet und die Gründe, die früher zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben, nicht mehr vorliegen. Andernfalls hätte er sich wohl kaum an die Behörden in der Russischen Föderation gewandt, bloß um eine Bestätigung dahingehend zu erhalten, dass der Führerschein ausgestellt und nicht entzogen wurde.

 

Wenn sich der Beschwerdeführer damit zu rechtfertigen versucht, indem er in der mündlichen Verhandlung zunächst abstritt, Behörden seines Heimatlandes kontaktiert zu haben und auf Vorhalt des Schriftsatzes vom 7.6.2018 dann schließlich vorbrachte, seinem Anwalt alte Unterlagen gegeben zu haben, jedoch keinen Kontakt zu den russischen Behörden gehabt zu haben, dann überzeugt das nicht. Aus dem erwähnten Schriftsatz des Beschwerdeführers und der vorgelegten Bestätigung des Ministeriums der tschetschenischen Republik (wenn diese auch undatiert ist) ergibt sich in einer Zusammenschau, dass er in seinem Heimatland die Neuausstellung eines Führerscheins beantragte, mit dem dortigen Ministerium Kontakt aufnahm und sich in der Folge allenfalls auch an die Russische Botschaft in Österreich gewandt hatte. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer in seinem eigenen Schriftsatz, von seinem rechtsfreundlichen Vertreter verfasst, Falschangaben machen sollte. Auch der im Strafakt des Bezirksgericht XXXX , XXXX , einliegenden Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers vom 21.2.2018 ist jedenfalls zu entnehmen, dass er in der staatlichen Fahrschule in XXXX anrief, dort einen neuen Führerschein beantragte und in der Folge ein Foto an diese übermittelte. Letztlich bestätigt auch das vorgelegte Schreiben des Ministeriums der tschetschenischen Republik hinsichtlich Bestätigung der Führerscheinausstellung / kein Entzug des Führerscheins die Tatsache, dass es Kontakt zu staatlichen Behörden im Heimatland gab. Auch wenn dieses Schreiben undatiert ist, muss davon ausgegangen werden, dass es erst vor kurzem verfasst wurde. Dies spricht eindeutig gegen eine nach wie vor bestehende Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat, da im Allgemeinen anzunehmen ist, dass die Behörden in der Russischen Föderation bei der Ausstellung von Identitätsdokumenten, wie Führerscheinen oder diesbezüglichen Bestätigungen, sicherheitspolizeiliche Abklärungen vornehmen. Würde der Beschwerdeführer nach wie vor eine Bedrohung durch die Behörden im Heimatland befürchten, wäre ihm ein derartiges Vorgehen nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu riskant gewesen.

 

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zunächst die Frage verneinte, ob er seit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Jahr 2004 jemals außerhalb von Österreich war und erst auf Vorhalt seiner Aussage in dem Strafverfahren vor dem XXXX , wonach er in einem Flüchtlingslager in Polen gewesen sei, zugestand, dass er zweimal zwei Landsleute etwa eine Stunde von Warschau entfernt für einige Tage besucht habe und er darüber hinaus auch in der Schweiz, in Italien und in Oslo gewesen sei, im Allgemeinen gegen seine Glaubwürdigkeit spricht.

 

2.2.3. Abgesehen davon hat sich - entgegen dem Beschwerdevorbringen - die Situation in der Russischen Föderation in Bezug auf das verfahrensrelevante Vorbringen in den vergangenen knapp 15 Jahren nachhaltig geändert.

 

Den der Entscheidung zugrundeliegenden Länderfeststellungen kann nicht mehr entnommen werden, dass es aktuell zu einer generellen Verfolgung von Personen, die im ersten Tschetschenienkrieg Kämpfer unterstützt haben, kommen würde. Seit dem Jahr 2011 waren keine Verfolgungen im Kontext der ersten beiden Tschetschenienkriege mehr festzustellen, es konnten keine Hinweise auf Verfolgungshandlungen tschetschenischer Behörden gefunden werden, ebenso wenig Hinweise darauf, dass russische Behörden tschetschenische Kämpfer der beiden Kriege suchen würden. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die russischen und tschetschenischen Behörden mittlerweile bei der Strafverfolgung auf IS-Kämpfer/Unterstützer beziehungsweise auf Personen konzentrieren, die im Nordkaukasus gegen die Sicherheitskräfte kämpfen, was auf den Beschwerdeführer nicht zutrifft. Generell ist die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen und ist die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger stabil. Das Epizentrum von Gewalt liegt jedenfalls seit gut zehn Jahren nicht mehr in Tschetschenien. Auch die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkriegs deutlich verbessert (siehe aus der hg Judikatur dazu auch die Entscheidung des BVwG vom 18.12.2018, W112 1258438-2, in der eine Verfolgung von Veteranen des ersten oder zweiten Tschetschenienkrieges ebenso nicht mehr festgestellt werden konnte).

 

Insgesamt hat sich die Lage in Tschetschenien in den vergangenen Jahren also deutlich stabilisiert und kann, trotzdem es immer wieder zu Konflikten und Menschenrechtsverletzungen kommt, keinesfalls von einer Gruppenverfolgung von Personen mit dem Profil des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Im Verfahren hat sich weiters eine aktuelle individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers nicht ergeben und ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine gefahrlose Rückkehr zumutbar sein wird.

 

Aus den Beschwerdeausführungen, wonach es die belangte Behörde unterlassen habe, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen und sich die Bedrohungslage für Menschen, wie den Beschwerdeführer seit seiner Ausreise nicht geändert habe, lässt sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen, steht dieses Vorbringen, das in keiner Weise näher untermauert wurde, doch im klaren Widerspruch zu den eben referierten Länderinformationen.

 

2.2.4. Dass dem Beschwerdeführer keine reale Gefahr droht, als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt zu sein, ergibt sich aus seinem Vorbringen in Zusammenschau mit den der Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen.

 

2.3. Die Feststellungen zu den entscheidungsrelevanten Aspekten der Situation in der Russischen Föderation, welche diesem Erkenntnis zugrunde liegen, ergeben sich einerseits aus den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Informationen (siehe dazu unter I.2.4.), andererseits aus einer Gesamtschau nachfolgender in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2018 erörterter Quellen:

 

* Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, 22.2.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html , AI

 

* Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, 21.5.2018, AA

 

* Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH:

Russland, Geschichte und Staat (September 2018), https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836 , GIZ

 

* European Asylum Support Office: Country of Origin Information Report Russian Federation. State Actors of Protection, März 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf , EASO 2017

 

* European Asylum Support Office: Country of Origin Information Report Russian Federation. The situation for Chechens in Russia, August 2018,

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/Chechens_in_RF.pdf , EASO 2018

 

* Freedom House: Freedom in the World 2017 - Russia, Jänner 2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html , FH 1

 

* Freedom House: Nations in Transit 2018 - Russia, April 2018, https://www.ecoi.net/en/document/1429203.html , FH 2

 

* ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Dezember 2017,

ÖB

 

* Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit: Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, März 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf ,

SWP

 

* United States Commission on International Religious Freedom:

Annual Report 2018. Russia, 2018, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/Tier1_RUSSIA.pdf , USCIRF

 

* United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2017 - Russia, 20.4.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430116.html , USDOS HR

 

* United States Department of State: Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - Russia, 19.9.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444879.html , USDOS T

 

* United States Department of State: International Religious Freedom Report 2017 - Russia, 29.5.2018 https://www.state.gov/documents/organization/281196.pdf , USDOS RF

 

* Aktuelle (notorische) Medienberichterstattung bzw öffentlich zugängliche statistische Informationen von EASO sowie von IOM, insbesondere:

 

*

https://www.nzz.ch/international/offensive-gegen-menschenrechtler-in-tschetschenien-ld.1349616

 

*

https://www.theguardian.com/cities/2018/jun/02/the-darker-side-of-groznys-push-to-be-the-dubai-of-the-north-caucasus

 

*

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/russland-wladimir-putins-wirtschaftsbilanz-nach-18-jahren-a-1198313.html

 

* https://www.easo.europa.eu/overview-situation-asylum-eu-2017

 

* http://www.iomvienna.at/sites/default/files/AVRRNLSommer2016.pdf

 

Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit der entsprechenden seitens des Gerichtes getroffenen Feststellungen und der daraus gezogenen Feststellungen nicht substantiiert bestritten, sondern in der mündlichen Verhandlung dazu stellungnehmend lediglich festgehalten, dass es richtig sei, dass es in Russland eine Opposition gebe, aber beispielsweise XXXX in Moskau getötet worden sei; wenn jemand Familie zu Hause habe, bedrohe man auch diese Familie. Eine Besserung der Lage sei nicht abzusehen. Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer den getroffenen Feststellungen nicht hinreichend konkret entgegengetreten und hat kein erkennbarer Bezug zu seiner Person festgestellt werden können, sodass darauf nicht näher einzugehen war.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

 

Gemäß § 9 Abs 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr 100/2005 idgF, und § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl I Nr 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

 

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

 

3.2. Zu Spruchteil A)

 

3.2.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1.1. Der mit "Aberkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"(1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

 

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

 

2. einer der in Art 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

 

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

 

(2) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs 1 wahrscheinlich ist.

 

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs 1 Z 2 aberkannt werden.

 

(4) Die Aberkennung nach Abs 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen."

 

Der mit "Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" betitelte § 6 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"(1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

 

1. und so lange er Schutz gemäß Art 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

 

2. einer der in Art 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

 

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

 

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl Nr 60/1974, entspricht.

 

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

 

Gemäß Art 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird das Abkommen auf eine Person nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Bestimmung sieht also die Aberkennung des Status eines Asylberechtigten bei einer nachhaltigen Änderung der Lage im Herkunftsstaat vor.

 

3.2.1.2. Das Bundesamt zog in seinem Spruch § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 heran, auch aus der weiteren Begründung des Bescheides und insbesondere dessen rechtlichen Beurteilung ergibt sich eindeutig, dass das Bundesamt von der Erfüllung des Tatbestands des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 ausging.

 

Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass die vom Beschwerdeführer ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründe (Festnahme im Rahmen von Säuberungsaktionen sowie Misshandlung und Unterstützung tschetschenischer Kämpfer), aufgrund derer ihm damals Asyl gewährt worden sei, durch die mittlerweile geänderte Lage in der Teilrepublik Tschetschenien heute nicht mehr zuträfen. Die Lage in der Russischen Föderation habe sich nachhaltig geändert und seien heute auch ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien an der Macht. Russische Einheiten seien seit vielen Jahren nicht mehr in Tschetschenien präsent. Es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine Verfolgungsgefahr mehr droht.

 

Die von der Behörde herangezogene Bestimmung des Art 1 Abschnitt C Ziffer 5 verleiht dem Grundsatz Ausdruck, dass die Gewährung von internationalem Schutz lediglich der vorübergehenden Schutzgewährung, nicht aber der Begründung eines Aufenthaltstitels dienen soll. Bestehen nämlich die Umstände, aufgrund derer eine Person als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr und kann sie es daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen, so stellt auch dies einen Grund dar, den gewährten Status wieder abzuerkennen (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, § 7 Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K8).

 

Art 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK entspricht Art 11 Abs 1 lit e iVm Abs 3 StatusRL, der zufolge ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr Flüchtling ist, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf einen Flüchtling, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, abzulehnen.

 

Die Flüchtlingseigenschaft gemäß Art 11 Abs 1 lit e Status-RL aF, der der aktuellen Rechtslage entspricht, erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art 2 lit c der Richtlinie genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art 2 lit c der Richtlinie haben muss (EuGH vom 2.3.2010, Rs C-175/08 ua, Abdulla ua, Rz 76). Die Umstände müssen sich auf grundlegende, in Art 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK angeführte Fluchtgründe beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (VwGH vom 25.6.1997, 95/01/0326).

 

Die Bestimmung des Art 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK stellt primär auf eine grundlegende Änderung der (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat ab, kann jedoch auch die Änderung der in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, § 7 Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9).

 

Nach der Judikatur setzt Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 eine wesentliche nachhaltige Änderung der (für die Verfolgungsgefahr maßgeblichen) Umstände im Heimatstaat des Flüchtlings, einen Wegfall der Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und der Notwendigkeit der Schutzgewährung voraus.

 

Der bloße Wegfall des subjektiven Furchtempfindens erfüllt nicht automatisch den Tatbestand von Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention. Umstände im Sinne dieser Bestimmung müssen sich auf grundlegende in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention angeführte Fluchtgründe betreffende Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, aufgrund derer angenommen werden kann, dass der Anlass für die begründete Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht. Der Wegfall des subjektiven Furchtempfindens kann jedoch "ein Indiz dafür sein, dass auch objektiv kein asylrechtlich relevanter Verfolgungsgrund mehr vorliegt" (VwGH vom 25.6.1997, 95/01/0326; VwGH vom 29.1.1997, 95/01/0449).

 

Die Änderungen im Herkunftsstaat müssen nachhaltig und nicht bloß von vorübergehender Natur sein (VwGH vom 22.4.1999, 98/20/0567; VwGH vom 25.3.1999, 98/20/0475). Nach Einhaltung eines längeren Beobachtungszeitraumes wird auch der bloße "Haltungswandel" des bisherigen Verfolgers, ohne dass ein politischer Machtwechsel stattgefunden hat, eine asylrechtlich maßgebliche Änderung der Umstände ergeben und in Folge Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention zum Tragen kommen (VwGH vom 21.11.2002, 99/20/0171).

 

Der Wegfall der Verfolgungsgefahr ist maßgeblich für die Anwendung von Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention. Ob die allgemeine wirtschaftliche Lage im Herkunftsstaat schlecht ist oder familiäre beziehungsweise emotionelle Bindungen zum Aufnahmestaat bestehen, ist für den Eintritt der Ziffer 5 grundsätzlich irrelevant.

 

3.2.1.3. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erweist sich im vorliegenden Fall aus dem Grund des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK als gerechtfertigt.

 

Die Lage in der Russischen Föderation hat sich in Bezug auf die hier relevanten Aspekte seit der erwähnten Entscheidung des ehemaligen Unabhängigen Bundesasylsenates, mit der dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gewährt wurde, (in den vergangenen knapp 15 Jahren) nachhaltig geändert und ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beizupflichten, wenn dieses zum Ergebnis kommt, dass dem Beschwerdeführer heute im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 der Konvention droht.

 

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren zu keinem Zeitpunkt, insbesondere auch nicht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, glaubwürdig darzulegen, dass ihm aufgrund seines damaligen Fluchtgrundes nach wie vor Verfolgung in der Russischen Föderation droht. So konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er nunmehr nach knapp 15 Jahren nach wie vor verfolgt werden könnte. Wie in der Beweiswürdigung festgehalten, waren die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers äußerst vage und sprach er lediglich allgemein gehalten davon, Angst zu haben, von Kadyrow getötet zu werden. Der Beschwerdeführer machte zu keinem Zeitpunkt konkrete Angaben. Darüber hinaus findet die derartige Behauptung, wie aufgezeigt, auch keine Deckung in den getroffenen Länderfeststellungen.

 

Zudem hat der Beschwerdeführer durch die Tatsache, dass er, wie in dem im Akt des Bezirksgerichts XXXX einliegenden Schriftsatz vom 7.6.2018 mit seinen Beilagen ersichtlich, in der tschetschenischen Republik Kontakt mit russischen Behörden hatte, dies in Bezug auf die Ausstellung eines Identitätsdokuments, klar gezeigt, dass er eine Verfolgung in seinem Heimatland nicht mehr tatsächlich befürchtet. In einer Gesamtschau konnte, auch angesichts des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks, nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland nach wie vor asylrelevante Verfolgung drohen würde.

 

Auch ist nochmals zu betonen, dass den der Entscheidung zugrunde gelegten Quellen nicht entnommen werden kann, dass es zum derzeitigen Zeitpunkt nach wie vor zu einer generellen Verfolgung von Personen, die im ersten Tschetschenienkrieg Kämpfer unterstützt haben, kommen würde. Aufgrund der in der Beweiswürdigung dargelegten Umstände kann davon ausgegangen werden, dass keine Verfolgung von Veteranen des ersten oder zweiten Tschetschenienkrieges seit 2011 mehr festgestellt werden kann.

 

Im Verfahren hat sich zudem eine aktuelle individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers nicht ergeben und ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine gefahrlose Rückkehr zumutbar sein wird. Erneut bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Verfahren nicht plausibel gemacht hat, warum ihm zum derzeitigen Zeitpunkt nach so vielen Jahren eine zielgerichtete Verfolgung drohen sollte. Nun, fast zehn Jahre nach Ende des zweiten Tschetschenienkrieges (wobei sich die Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer schon während des ersten Tschetschenienkrieges ereigneten) ist (unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraussetzt, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraums bedarf, vgl VwGH vom 27.2.2006, 2002/20/0170) eine Änderung der Situation im Herkunftsstaat eingetreten, die nicht nur vorübergehend ist.

 

3.2.1.4. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch noch auf die Entscheidung des EGMR vom 30. November 2017, 54646/17, X/Deutschland. In diesem Fall hatte ein Bundesverwaltungsgericht in Deutschland im Juli 2017 den Antrag eines aus Dagestan stammenden Beschwerdeführers, der unter Terrorismusverdacht stand, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die Abschiebung zu gewähren, abgewiesen und kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer zwar in seiner Heimatregion Dagestan der Gefahr des Risikos von Folter oder schlechter Behandlung ausgesetzt wäre, kam aber zu dem Ergebnis, dass dieses Risiko nicht in den anderen Teilen von Russland bestehe und der Beschwerdeführer daher dorthin abgeschoben werden könne. Der EGMR entschied in der Folge, dass keine wesentlichen Gründe dafürsprechen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung nach Moskau dem realen Risiko der Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ausgesetzt wäre. Er bestätigte die Einschätzung der nationalen Gerichte über die Berichtslage, prüfte aber auch neue Informationen einer anderen NGO, Memorial, welche zum Zeitpunkt der Verfahren in Deutschland noch nicht verfügbar waren. Diese stünden zwar im Widerspruch zu den Ergebnissen der NGO "Komitee gegen Folter" und seien nach Ansicht des EGMR beide NGOs gleich glaubwürdig, keine von ihnen könne sich aber auf vergangene ähnliche Abschiebungen stützen, um ihre Vermutungen zu untermauern. Daher sah der EGMR keinen Grund, von den Entscheidungen der nationalen Gerichte abzuweichen, erklärte die Beschwerde hinsichtlich Art 3 (und Art 3 iVm Art 13 EMRK) für offensichtlich unbegründet und wies sie daher wegen Unzulässigkeit zurück (Art 35 Abs 3 lit a iVm Abs 4 EMRK). Hinsichtlich Art 8 EMRK wurde die Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückgewiesen.

 

Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt mit dem oben beschriebenen nicht gänzlich vergleichbar, insbesondere steht der Beschwerdeführer nicht unter Terrorismusverdacht. Für den Beschwerdeführer besteht fallgegenständlich, wie bereits festgehalten, somit jedenfalls auch eine Rückkehrmöglichkeit nach Tschetschenien. Aus oben angeführter Entscheidung des EGMR ist aber ableitbar, dass dem Beschwerdeführer auch die Niederlassung in einer anderen Region beziehungsweise einer anderen Stadt in der Russischen Föderation möglich ist.

 

Der Beschwerdeführer legte auch zu keinem Zeitpunkt substantiiert dar, was gegen eine Niederlassung seiner Person in anderen Landesteilen spricht. Es wäre dem Beschwerdeführer jedenfalls auch zumutbar, in der tschetschenischen Diaspora in Moskau, Rostow oder Stawropol Fuß zu fassen und einen Arbeitsplatz zu finden (vgl in diesem Sinne auch die hg Entscheidungen W226 2186272-1 vom 21.1.2019 und W103 1302519-2 vom 12.9.2018, in denen ebenfalls vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen wurde).

 

3.2.1.5. Wie bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zutreffend festgehalten hat, steht auch die Bestimmung des § 7 Abs 3 AsylG 2005, wonach das Bundesamt einem Fremden den Status des Asylberechtigten nach Abs 1 Z 2 nicht mehr aberkennen kann, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt, der Aberkennung des Status des Asylberechtigten fallgegenständlich nicht entgegen, da der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall mehrmals straffällig im Sinne von § 2 Abs 3 AsylG 2005 wurde.

 

3.2.1.6. Da alle Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten aus dem Grund des § 7 Abs 1 Z 2 iVm Art 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen, war die Beschwerde insoweit als unbegründet abzuweisen.

 

Da sich die Aberkennung des Status des Asylberechtigten insgesamt als rechtmäßig erweist, hat die belangte Behörde auch gemäß § 7 Abs 4 AsylG 2005 zu Recht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 7 Abs 1 Z 2 und Abs 4 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.2.1. Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs 1 oder aus den Gründen des Abs 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Somit war zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.2.1995, Zl 95/18/0049; 5.4.1995, Zl 95/18/0530; 4.4.1997, Zl 95/18/1127; 26.6.1997, ZI 95/18/1291; 2.8.2000, Zl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, Zl 93/18/0214).

 

3.2.2.2. Wie beweiswürdigend ausgeführt, droht dem Beschwerdeführer im Herkunftsland keine Gefährdung im Zusammenhang mit seinen ursprünglichen Ausreisegründen, die im Jahr 2004 zur Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten geführt haben.

 

Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, gestalteten sich die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich einer aktuellen Bedrohungssituation äußerst vage und kann nunmehr, knapp fünfzehn Jahre nachdem ihm der Status des Asylberechtigten gewährt wurde, nicht mehr angenommen werden, dass es irgendein staatliches Interesse an einer Verfolgung des Beschwerdeführers, aus welchen Gründen auch immer, geben kann (vgl dazu auch die näheren Erwägungen unter 2.2.). Hierbei ist auch insbesondere auf die zwischenzeitig eingetretene Lageänderung hinzuweisen.

 

3.2.2.3. Außerdem stünde dem Beschwerdeführer, wie bereits unter

3.2.1.4. näher dargelegt, eine innerstaatliche Fluchtalternative in andere Teile der Russischen Föderation offen, was auch im gegenständlichen Prüfungszusammenhang maßgeblich wäre.

 

3.2.2.4. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der volljährige und weitgehend gesunde Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bereits einen XXXX -Kurs absolviert hat, nunmehr während seiner Strafhaft als XXXX tätig ist und auch im Bereich der Elektrotechnik Kenntnisse erwerben möchte, woraus eine Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ableitbar ist und davon auszugehen ist, dass er auch im Heimatland erwerbstätig sein könnte. Es ist ihm zumutbar, auch im Herkunftsstaat seinen notdürftigsten Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Beschwerdeführer war bis zum Alter von XXXX Jahren im Heimatland aufhältig, spricht russisch und tschetschenisch und kann trotz der langen Abwesenheit von seinem Heimatland davon ausgegangen werden, dass er mit den dortigen Gegebenheiten noch vertraut ist.

 

Auch wenn sich die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung äußerst vage gestalteten, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr Kontakt zu den möglicherweise noch in der Russischen Föderation aufhältigen Verwandten oder früheren Bekannten aufnehmen könnte. Es wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer davon sprach, dass seine Eltern und Geschwister alle verstorben seien und er derzeit zu niemandem mehr Kontakt habe, es erscheint ihm jedoch zumutbar, sich bei einer Rückkehr darum zu bemühen, wieder Kontakt zu allenfalls noch aufhältigen Familienangehörigen oder früheren Bekannten aufzunehmen.

 

3.2.2.5. Es können auch keine schweren aktuellen Krankheiten des Beschwerdeführers festgestellt werden, hat dieser doch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es ihm, abgesehen von einem Rückenproblem, gut gehe (siehe näher die beweiswürdigenden Erwägungen unter 2.1.). Im Zusammenhang mit seiner Drogensucht führte er aus, dass er diese überwunden habe und er nunmehr eine Arbeit aufnehmen und "normal" leben wolle. Dass der Beschwerdeführer sich derzeit in medizinischer Behandlung befände, hat dieser trotz expliziter Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht und hat er auch keine etwaigen Befunde in Vorlage gebracht. Insgesamt kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass beim Beschwerdeführer gesundheitliche Probleme bestünden, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

 

Bloß der Vollständigkeit halber wird erwähnt, dass nach den im angefochtenen Bescheid zitierten Länderinformationen eine medizinische Grundversorgung in der Russischen Föderation und Tschetschenien gewährleistet ist.

 

Abgesehen davon ist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, hinzuweisen. In diesem hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 AsylG zwar ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht, es allerdings den in der Statusrichtlinie 2011/95/EU festgelegten und in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Vorgaben widerspricht, einem Fremden den Status eines subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (siehe dazu auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461).

 

Im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten richtlinienkonformen Auslegung ist § 8 Abs 1 AsylG insofern derart zu lesen, dass vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten durch Dritte (Akteure) zurückzuführenden ernsthaften Schaden im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie zu erleiden, erfasst sind.

 

Art 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragsstellers im Herkunftsland (lit b) und "eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit c).

 

Eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes aufgrund eines ernsthaften Schadens, welcher nicht von Dritten (Akteuren) verursacht, sondern bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist, widerspricht allerdings der Statusrichtlinie und kann damit aus § 8 Abs 1 AsylG auch nicht abgeleitet werden.

 

Insofern käme auch bei Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, die wie bereits oben festgehalten im vorliegenden Fall nicht vorliegt, eine Zuerkennung subsidiären Schutzes schon alleine aufgrund dieses Umstandes nicht in Betracht. Mangels unmittelbarer Entscheidungsrelevanz können dazu weitere Erwägungen unterbleiben.

 

3.2.2.6. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass in der Russischen Föderation derzeit eine "extreme Gefahrenlage" (vgl etwa VwGH vom 16.4.2002, 2000/20/0131) im Sinne einer dermaßen schlechten wirtschaftlichen oder allgemeinen (politischen) Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Abschiebung als unrechtmäßig erscheinen ließe. Es kann demzufolge nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer eine Wohnsitznahme in der gesamten Russischen Föderation - sollte er nicht in der Teilrepublik Tschetschenien leben wollen - unmöglich wäre.

 

Die reale Gefahr, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe drohen könnte, kann somit nicht erkannt werden, außergewöhnliche Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR, die gegen eine Abschiebung sprechen würden, sind ebenfalls nicht erkennbar, weswegen die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides auch aus diesem Grund abzuweisen war.

 

3.2.3. Zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.3.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbare wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Keine der Voraussetzungen des § 57 AsylG sind im gegenständlichen Falle erfüllt, weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht festgestellt hat, dass dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zuzuerkennen ist.

 

Gemäß § 52 Abs 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

§ 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

 

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl Nr 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

 

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974 gilt."

 

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

 

Weiters ist zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Abs 2 EMRK).

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423; 17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, S. 282ff).

 

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

 

3.2.3.2. Was das Familienleben des Beschwerdeführers betrifft, so brachte dieser im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, inzwischen geschieden zu sein und auch von der Frau, mit der er im Anschluss daran eine Beziehung geführt habe, getrennt zu sein. Kinder habe er keine und sei er derzeit alleinstehend. Ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens kam somit nicht hervor.

 

3.2.3.3. Wenn man im vorliegenden Fall schon wegen der Länge des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich von einem bestehenden Privatleben ausgeht, fällt die gemäß Art 8 Abs 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das die Interessenabwägung im Ergebnis zutreffend vorgenommen hat, zu Lasten des Beschwerdeführers aus und stellt die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK dar.

 

Näherin ist bezüglich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich auszuführen, dass dieser angab, einen Freund zu haben und darüber hinaus vorbrachte, er werde durch ein Ehepaar unterstützt. Eine tiefergehende Verwurzelung im Bundesgebiet lässt sich aus diesen Angaben aber nicht ableiten und ist auch nicht hervorgekommen, dass zu den genannten Personen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestünde.

 

Zu Lasten des Beschwerdeführers ist vor allem das wiederholte strafgesetzwidrige Fehlverhalten zu berücksichtigen, dem die sechs rechtskräftigen Strafurteile inländischer Gerichte wegen mehrerer Vergehen und Verbrechen zugrunde liegen. Der Beschwerdeführer wurde, wie festgestellt, wegen verschiedensten, vor allem Eigentumsdelikten, verurteilt und handelt es sich bei den von ihm zu verantwortenden Straftaten zum größten Teil um schwerwiegende Vergehen und auch Verbrechen, die mit mehrmonatigen (teils) unbedingten Freiheitsstrafen durch die Justiz zu ahnden waren, wobei teilweise auch bedingt nachgesehene Teile von früheren Freiheitsstrafen widerrufen wurden. Der Beschwerdeführer beging wiederholte (zum Teil versuchte) Tank- und sonstige Diebstähle beziehungsweise Einbruchsdiebstähle unter Gewaltanwendung. Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Haft. Die Verwirklichung dieser Delikte spiegelt in einer Gesamtschau eine Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber den in Österreich geschützten Rechtsgütern beziehungsweise der hier geltenden Rechtsordnung wider und untermauert die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Vermeidung von weiteren Delikten. Trotz mehrfacher Verbüßung von (teils längeren) unbedingten Freiheitsstrafen hat er sich nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen. Angesichts dieses beständigen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers gefährdet sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß.

 

Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese im Falle des Beschwerdeführers von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

 

Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer seit Juni 2003, sohin seit bald sechzehn Jahren, im Bundesgebiet aufhält und dieser fließend Deutsch spricht.

 

Dennoch haben sich, zuletzt auch in der vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung, abgesehen von den Deutschkenntnissen, keine besonderen integrativen Aspekte ergeben.

 

Es ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer in den vergangenen Jahren regelmäßig ein eigenständiges Erwerbseinkommen erzielt hätte. Der Beschwerdeführer machte zwar geltend, während der Verbüßung einer Haftstrafe einen XXXX -Kurs erfolgreich absolviert und gelegentlich in der Justizanstalt gearbeitet zu haben und nunmehr auch im Bereich der Elektrotechnik Kenntnisse erwerben zu wollen, dennoch ist insgesamt festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer trotz des langjährigen Aufenthaltes nicht nachhaltig wirtschaftlich und beruflich integriert hat.

 

Der Beschwerdeführer hat, wie bereits oben ausgeführt, kontinuierlich die österreichische Rechtsordnung missachtet und hat er in regelmäßigen Abständen versucht, sich durch sein strafrechtliches Verhalten, eine Einnahmequelle zu sichern, was durch die sechs strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet eindrucksvoll belegt ist. Insbesondere ist auch auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 8.1.2015 zu verweisen; hier beging der Beschwerdeführer während eines Freigangs aus der Haft betreffend eine Vorverurteilung einen Einbruch in Waschautomaten. Der Beschwerdeführer ließ sich somit trotz des verspürten Haftübels nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten, sondern wurde bei erster Gelegenheit wieder rückfällig. Mit diesem Gesamtverhalten lässt sich für die Zukunft eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich ableiten, sodass die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung trotz des langjährigen Aufenthalts zurücktreten (vgl dazu auch VwGH vom 28.2.2019, Ra 2018/01/0409, VwGH vom 15.9.2016, Ra 2016/21/0248, VwGH vom 31.8.2017, Ra 2017/21/0120 und VwGH vom 5.10.2017, Ra 2017/21/0174).

 

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Kriminalität beziehungsweise damit in Verbindung stehender krimineller Handlungen gegen Vermögen und Leib und Leben sowie das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH vom 12.3.2002, Zl 98/18/0260, VwGH vom 18.1.2005, Zl 2004/18/0365, VwGH vom 3.5.2005, Zl 2005/18/0076 und VwGH vom 9.9.2014, Zl 2013/22/0246). Eine positive Zukunftsprognose kann schon wegen der zeitnahen letzten Verurteilungen nicht getroffen werden, eine Zeitspanne strafrechtlichen Wohlverhaltens liegt fallgegenständlich nicht vor.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.

 

3.2.3.4. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr 210/1958, oder das Protokoll Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) Nach § 50 Abs 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Feststellungen zufolge keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde, was bereits ausführlich dargelegt wurde.

 

3.2.3.5. Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt; die Frist beträgt gemäß § 52 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Solches wurde nicht dargetan und liegen keine Anhaltspunkte vor, die in concreto für eine längere Frist sprächen.

 

3.2.3.6. Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. als unbegründet abzuweisen.

 

3.2.4. Zu Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.4.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

 

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(1a) (aufgehoben durch BGBl I Nr 68/2013)

 

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 ist, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiederläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl Nr 159, iVm § 26 Abs 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl I Nr 120/199, gemäß § 99 Abs 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl Nr 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl Nr 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

 

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

 

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs 3 genannte Übertretung handelt;

 

4. wegen vorsätzlicher begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzliche begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

 

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

 

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

 

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

 

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK nicht geführt hat oder

 

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

 

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen

 

der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

 

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

 

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

 

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

(5) Eine gemäß Abs 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

 

(6) Einer Verurteilung nach Abs 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

 

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl VwGH vom 19.2.2013, Zl 2012/18/0230).

 

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl VwGH 7.11.2012, Zl 2012/18/0057).

 

3.2.4.2. Im vorliegenden Fall ist der Tatbestand von § 53 Abs 3 Z 1 FPG infolge der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers zweifellos erfüllt. Der Beschwerdeführer ist Drittstaatsangehöriger und wurde mehrmals zu unbedingten Freiheitsstrafen von mehr als drei Monaten (so mit Urteil des XXXX vom 25.10.2005, mit Urteil des XXXX vom 27.7.2011, mit Urteil des XXXX vom 21.10.2013, mit Urteil des XXXX vom 8.1.2015 sowie mit Urteil des XXXX vom 26.4.2018) verurteilt. Auch wurde der Beschwerdeführer mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt.

 

Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert bereits gemäß § 53 Abs 3 FPG das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

 

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich auch in diesem Zusammenhang den Ausführungen der belangten Behörde an.

 

Wie bereits bei der Interessenabwägung hinsichtlich der Rückkehrentscheidung ausgeführt, weist der Beschwerdeführer mittlerweile sechs strafgerichtliche Verurteilungen durch inländische Gerichte auf. Der Beschwerdeführer hat mit seinem delinquenten Verhalten im Jahr 2005 begonnen und dieses bis dato in regelmäßigen Abständen fortgesetzt. Der Beschwerdeführer wurde insbesondere wegen der Begehung von Diebstählen (wobei unterschiedlichste Qualifikationen erfüllt waren) mehrmals rechtskräftig verurteilt und hatte die Absicht, sich durch diese wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Auch die Tatsache, dass er mehrfach ein Haftübel verspürte, konnte ihn nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten. Insbesondere ist auf das Protokoll der Hauptverhandlung vor dem XXXX vom 29.4.2013 und die dortige teils leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers hinzuweisen; daraus ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer keinerlei Unrechtsbewusstsein zeigte, daran vermag auch der Umstand, dass er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 21.8.2018 auf seine Straftaten angesprochen, einräumte, dass dies nicht in Ordnung gewesen sei, nichts zu ändern, dies insbesondere auch, da er diese Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2018 wieder abschwächte, indem er davon sprach, dass die Verurteilungen "im Wesentlichen" zu Recht erfolgt seien. Der Beschwerdeführer verbüßte kürzlich eine Freiheitsstrafe von vier Monaten, zu der er mit Urteil des Bezirksgericht XXXX vom 26.4.2018 wegen der Delikte der Urkundenfälschung und mittelbarer unrichtiger Beurkundung oder Beglaubigung verurteilt wurde und befand sich gleichzeitig in Untersuchungshaft, weil ihm das Delikt des schweren Betruges nach §§ 146, 147 StGB vorgeworfen wird. Derzeit verbüßt er eine Verwaltungshaftstrafe und wird er im Anschluss daran voraussichtlich neuerlich in Untersuchungshaft genommen. Es kann daher aktuell keinesfalls von einem Wegfall der Gefährdung gesprochen werden.

 

Angesichts des aufgrund dieser Verurteilungen hervorgetretenen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und seiner persönlichen Lebensumstände in Österreich (hierzu ist insbesondere auf die Ausführungen unter 3.2.3.3. zu verweisen) stellt der weitere Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.

 

Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, sind die familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in seinem Fall Art 8 EMRK nicht. Es muss daher nun hinsichtlich des Einreiseverbotes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit dem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

 

Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens, der Lebensumstände sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers hat ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von fünf Jahren gerechtfertigt und notwendig ist, um der vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefährdung gerecht zu werden. Angesichts der strafrechtlichen Verurteilungen, die zum Teil erst kurze Zeit zurückliegen, kann nicht die Auffassung vertreten werden, dass zu einem früheren Zeitpunkt als nach Ablauf von fünf Jahren ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung vorausgesetzt werden kann.

 

Insbesondere vor dem Hintergrund der kriminellen Vergangenheit des Beschwerdeführers, welche sich durch das wiederholte Begehen von Straftaten, primär von Eigentumsdelikten, über einen Zeitraum von dreizehn Jahren hinweg auszeichnet, lässt das aus strafrechtlicher und fremdenrechtlicher Sicht zu verurteilende Verhalten des Beschwerdeführers keine positive Prognose zu. Der Beschwerdeführer hat bis dato, trotz der von ihm ins Treffen geführten freundschaftlichen Kontakte im Bundesgebiet und bereits erfahrener strafrechtlicher Sanktionen keine Änderung zugelassen und sind nach Ansicht des erkennenden Richters keine greifbaren Anhaltspukte festzumachen, anhand derer davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer in naher Zukunft keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen wird. Wie bereits ausgeführt, befindet sich der Beschwerdeführer derzeit neuerlich in Haft und ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht absehbar, dass der Beschwerdeführer in Zukunft gewillt sein werde, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.

 

Daran vermag auch der vom Beschwerdeführer dargebrachte, an sich berücksichtigungswürdige Umstand des langen Aufenthaltes im Bundesgebiet nichts zu ändern, zumal dieser - wie bereits ausgeführt - aufgrund des strafrechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers eine Relativierung erfährt.

 

Durch das vom Beschwerdeführer über mehrere Jahre an den Tag gelegte Verhalten wird die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet in hohem Maße gefährdet (vgl auch die hg Entscheidungen W226 2188039-1 vom 07.03.2018, W103 2180174-1 vom 21.12.2017, W111 1258000-3 vom 30.10.2018 und I416 2125585-2 vom 29.10.2018).

 

Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

 

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Einreiseverbotes in der festgesetzten Dauer vorliegen, war die Beschwerde gegen den Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG abzuweisen.

 

3.3. Zu Spruchteil B)

 

Gemäß § 25a Abs 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl zum Thema Straffälligkeit mit langem Aufenthalt insb die Entscheidungen des VwGH vom 28.2.2019, Ra 2018/01/0409, VwGH vom 15.9.2016, Ra 2016/21/0248, VwGH vom 31.8.2017, Ra 2017/21/0120 und VwGH vom 5.10.2017, Ra 2017/21/0174); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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