VwGH Ra 2017/21/0120

VwGHRa 2017/21/012031.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, über die Revision des C S, vertreten durch Mag. Leonhard Kregcjk, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lenaugasse 11/5, gegen das am 12. April 2017 mündlich verkündete und am 3. Mai 2017 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G302 2119404-1/10E, betreffend (v.a.) Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs4 Z4;
FrPolG 2005 §52 Abs5;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §53 Abs3;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der ledige Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, kam Mitte 2005 im Alter von fünfzehn Jahren im Rahmen des Familiennachzugs nach Österreich. Zuletzt verfügte er über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU".

2 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 2015 wurde über den Revisionswerber wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf ein vorangegangenes bezirksgerichtliches Urteil - der Revisionswerber war am 19. November 2014 wegen im Juni 2011 und im März 2012 verübter Sachbeschädigungen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Wochen verurteilt worden - eine Zusatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verhängt. Der Revisionswerber wurde für schuldig erkannt, am 7. Juli 2012 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern den Mitarbeitern einer Zielpunktfiliale durch Bedrohung mit einer Pistolenattrappe und Ausübung von näher beschriebener Gewalt Bargeld in der Höhe von etwa EUR 12.200,-- mit Bereicherungsvorsatz abgenötigt zu haben. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Juni 2015 wurde die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft auf dreieinhalb Jahre erhöht. Aus dieser Strafhaft wurde der Revisionswerber am 30. Jänner 2016 bedingt entlassen.

3 Im Hinblick auf die erwähnten Straftaten sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 aus, dass dem Revisionswerber Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden, und es erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.). Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG noch fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt II.), und es räumte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 30 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt III.).

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem am 12. April 2017 mündlich verkündeten und am 3. Mai 2017 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis mit der Maßgabe ab, dass mit Spruchpunkt I. nur eine Rückkehrentscheidung - der Begründung zufolge: gemäß § 52 Abs. 5 FPG - erlassen werde. Weiters sprach das BVwG nach § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich die Revision gegen die im angefochtenen Erkenntnis der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zugrunde gelegte Gefährdungsprognose. Der Revisionswerber bemängelt, das BVwG habe insoweit keine eigenständige Begründung vorgenommen, sondern weitgehend nur die Erwägungen aus dem erstinstanzlichen Strafurteil zur Nichtgewährung einer bedingten Strafnachsicht übernommen, obwohl dieser Argumentation durch das Berufungsurteil, mit dem eine höhere, eine bedingte Strafnachsicht gar nicht zulassende Freiheitsstrafe verhängt wurde, der Boden entzogen worden sei. In diesem Zusammenhang releviert die Revision auch noch, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob für das BFA und das BVwG eine Bindung "an die nicht in Rechtskraft erwachsenen erstinstanzlichen Erwägungen des Strafgerichtes zur Sanktionsfindung" bestehe.

8 Das BVwG ging im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber vor Begehung der in Rede stehenden Straftaten auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" verfügte, im Ergebnis zutreffend davon aus, dass die für die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot vorzunehmende Gefährdungsprognose am Maßstab des § 52 Abs. 5 FPG zu treffen war (vgl. 9 das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ra 2016/21/0109, 0247, Rz 9, wonach in dieser Konstellation für Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot auf diese Gefährdungsprognose abzustellen ist). Danach ist es erforderlich, dass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, der weitere Aufenthalt des Fremden stelle eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar.

10 In Bezug auf die Vornahme einer Gefährdungsprognose ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (siehe dazu etwa das Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289, Rz 10, mwN, sowie darauf Bezug nehmend das schon genannte Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ra 2016/21/0109, 0247, Rz 10).

11 Dem hat das BVwG im vorliegenden Fall ausreichend Rechnung getragen (vgl. die Begründung Seite 18/19 des angefochtenen Erkenntnisses). In diesem Zusammenhang durfte es durchaus wegen des vom Revisionswerber gezeigten planmäßigen Tatverhaltens auf dessen "hohe kriminelle Energie" und "beachtliche Herabsetzung der inneren Hemmschwelle" schließen, zumal er - so das BVwG - im Zusammenwirken mit seinen Mittätern "Druck" auf zwei Personen durch Drohung mit einer Schusswaffenattrappe ausgeübt, sie gewaltsam zu Boden gebracht und gefesselt habe, sodass eines der Opfer seither an einer nachhaltigen psychischen Beeinträchtigung leide. Jedenfalls vertretbar war auch die Auffassung des BVwG, das maßgebliche Wohlverhalten des Revisionswerbers seit der Haftentlassung sei trotz aktueller Berufstätigkeit zu kurz, um deshalb keine Wiederholungsgefahr mehr anzunehmen, zumal der Revisionswerber die Neigung gezeigt habe, "in schwierigen Lebenslagen zu einer kriminellen Anlage zu tendieren". Dass das BVwG bei seinen Überlegungen der Sache nach teilweise auch den Strafbemessungserwägungen des erstinstanzlichen Strafgerichtes zur Annahme einer evidenten Wiederholungsgefahr folgte, war aber - entgegen der Meinung in der Revision - durchaus zulässig. Das BVwG ist nämlich zutreffend nicht von einer diesbezüglichen Bindung ausgegangen, sondern es hat die Argumentation des Strafgerichtes - in nicht unschlüssiger Weise - für nachvollziehbar gehalten und deshalb inhaltlich übernommen.

12 Insgesamt ist daher zu sagen, dass das BVwG auf Basis der vom Revisionswerber begangenen gravierenden Straftat in Verbindung mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck ohne relevanten Begründungsmangel zu dem jedenfalls vertretbaren Ergebnis kam, die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG seien im vorliegenden Fall erfüllt. Eine vom BVwG getroffene Gefährdungsprognose ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa aus der letzten Zeit den Beschluss vom 11. Mai 2017, Ra 2017/21/0061, Rz 7, mwN).

13 Die Revision, in der - wie erwähnt - nur die vom BVwG getroffene Gefährdungsprognose kritisiert wird, erweist sich somit nach dem Gesagten mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 31. August 2017

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