European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:00400R00139.24Z.0116.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.
Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 5.502,98 (darin enthalten EUR 878,63 an 19 % USt.), den Erst- bis Drittnebenintervenientinnen die mit EUR 6.327,96 (darin enthalten EUR 1.010,35 an 19 % USt.) sowie den Viert- bis Siebtnebenintervenientinnen die mit EUR 6.935,88 (darin enthalten EUR 1.387,18 an 25 % USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Hinsichtlich der LKW-ID ./78 (EUR 3.527,85) ist die Revision jedenfalls unzulässig. Darüber hinaus ist die ordentliche Revision jeweils nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Europäische Kommission warf den LKW-Herstellern L*, M*, G*/J*, N*, E* und O* nach Einleitung eines Verfahrens nach Art 11 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 am 20. November 2014 kartellrechtswidrige Verhaltensweisen nach Art 101 AEUV und Art 53 des EWR-Abkommens vor. Das L* und die anderen LKW-Hersteller mit Ausnahme von O* betreffende Verfahren wurde im Wege eines „Settlements“ mit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016 im Verfahren AT.39824-Trucks abgeschlossen. Die Hersteller, mit Ausnahme von O*, akzeptierten die in der Kommissionsentscheidung festgestellte Zuwiderhandlung und das Bußgeld. Gegen O* setzte die EU-Kommission ihre Untersuchungen noch bis zum 27. September 2017 fort. Dann stellte die Kommission auch die Teilnahme von O* am LKW-Kartell fest und verhängte gegen O* ein Bußgeld. Die Geldbuße wurde wegen der Verwirklichung eines abstrakten Gefährdungsdelikts verhängt. Tatsächliche wettbewerbsschädliche Auswirkungen des unerlaubten Verhaltens der LKW-Hersteller wurden nicht festgestellt, sondern offen gelassen.
Von der Zuwiderhandlung betroffen sind LKW zwischen sechs und 16 Tonnen („mittelschwere LKW“) sowie LKW über 16 Tonnen („schwere LKW“), wobei es sich sowohl um Solofahrzeuge als auch um Sattelzugmaschinen handelt (im Folgenden nur LKW). Nicht betroffen sind der Kundendienst, andere Dienstleistungen und Garantien für LKW, der Verkauf von gebrauchten LKW und jeglichen anderen Waren oder Dienstleistungen. Die Zuwiderhandlung bestand in Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für LKW im EWR sowie in Absprachen über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für mittlere und schwere LKW nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6. Die Hauptverwaltungen der Adressaten waren bis 2004 direkt an den Gesprächen über Preise, Preiserhöhungen und die Einführung von neuen Emissionsnormen beteiligt. Spätestens ab August 2002 liefen die Gespräche über deutsche Tochtergesellschaften, die — jeweils in unterschiedlichem Maße — an ihre Hauptverwaltungen berichteten. Der Austausch fand sowohl auf multilateraler als auch auf bilateraler Ebene statt. Die Absprachen umfassten Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen zu Preisen und Bruttolistenpreiserhöhungen mit dem Ziel, die Bruttopreise im EWR zu koordinieren, sowie zum Zeitplan und zur Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6. Die Zuwiderhandlung erstreckte sich über den gesamten EWR und bestand vom 17. Jänner 1997 bis zum 18. Jänner 2011. Gemäß dem Beschluss 2017/C 108/05 waren an einer Absprache folgende juristische Personen beteiligt und/oder haften für die Beteiligung an einer Absprache und haben mit dieser in den nachstehend angegebenen Zeiträumen gegen Art 101 AEUV verstoßen:
- E* SE, E* F* AG und E* F* GmbH von 17. Jänner 1997 bis 20. September 2010;
- L* AG, P* N.V., Q* N.V., M* SpA*, M* R* AG, AB G* H*, G* I* AB, J* SAS, G* K* GmbH, S*., N* Deutschland GmbH und N* N.V. jeweils von 17. Jänner 1997 bis 18. Jänner 2011.
Die Klägerin ist ein Transportunternehmen mit Sitz im oberösterreichischen B*. Sie ist im Bereich des europaweiten Transports von Flüssigkeiten tätig. Die Beklagte wiederum ist ein weltweit tätiger Automobilkonzern mit zahlreichen Geschäftsbereichen, der Personen- und Nutzfahrzeuge und deren Komponenten entwickelt, produziert und vermarktet. Der Nutzfahrzeugbereich bestand im verfahrensgegenständlichen Zeitraum aus drei separaten Geschäftsbereichen. Der Geschäftsbereich „C* T*“ beschäftigte sich mit Kleintransportern, der Geschäftsbereich „C* U*“ mit Stadt-, Überland- und Reisebussen und der Geschäftsbereich „C* V*“ mit LKW. Die LKW und ihre Komponenten wurden auf der Großhandelsstufe in Österreich über die C W* GmbH vertrieben. Bis 2013 und somit insbesondere im gesamten Zeitraum der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlung war die C* W* GmbH (damals C* W* **-Gesellschaft m.b.H.) als Gemeinschaftsunternehmen mit der X* Gruppe organisiert, wobei L* (bzw. zuvor die L* ** AG) einerseits und die Mitglieder der Familie X* andererseits jeweils 50 % der Anteile hielten. Seit 2013 ist die C* W* GmbH eine 100 %ige Tochtergesellschaft von L*.
Die Klägerin erwarb – teilweise durch Kauf und teilweise in Form von Leasingkonstruktionen – in der kartellrelevanten Zeit insgesamt 62 Lastkraftfahrzeuge, die für den Standort der Klägerin im oberösterreichischen B* bestimmt waren, mit einem Einkaufspreis zwischen EUR 58.000,00 und EUR 89.000,00. Die diesbezüglichen Verträge wurden von Klagsseite jeweils bei der Klägerin in B* unterfertigt. Alle geleasten Fahrzeuge wurden von der Klägerin nach Ablauf der Leasingdauer zum Restwert angekauft.
Im Wesentlichen wird der Markt von sechs Teilnehmern beherrscht. Gegen Ende des Kartellzeitraums im Jahr 2010 betrug der aggregierte Marktanteil der Kartellteilnehmer im EWR für mittelschwere und schwere LKW ca. 90 %. Der LKW-Bereich zeichnet sich durch ein hohes Maß an Transparenz aus. Über öffentliche Register hat man Zugriff auf wettbewerbsrelevante Daten wie z.B. die Anzahl der LKW-Zulassungen. Die Kartellteilnehmer verfügen über nationale Vertriebsniederlassungen in wichtigen Marktländern, die in der Regel die LKW importieren. Alle Kartellteilnehmer verkaufen ihre Produkte über Vertriebshändler und ihre jeweiligen Netzwerke autorisierter Händler oder in bestimmten Fällen bzw. Regionen direkt an Schlüsselkunden. Einige der Distributoren und Händler sind im Rahmen ihrer Vertriebsorganisation im Eigentum der LKW-Hersteller, andere sind unabhängig. Der Preismechanismus im LKW-Bereich verläuft grundsätzlich bei allen Kartellteilnehmern nach den gleichen Schritten. Wie in vielen anderen Branchen beginnt die Preisgestaltung im Allgemeinen mit einem anfänglichen Bruttolistenpreis, der von der Zentrale festgelegt wird. Im nächsten Schritt werden Verrechnungspreise für den Import von LKW in verschiedene regionale Märkte über hundertprozentige eigene oder unabhängige Vertriebsunternehmen festgelegt. Darüber hinaus gibt es die Preise, die von den auf den nationalen Märkten tätigen Händlern zu zahlen sind, und die Netto-Endkundenpreise. Diese endgültigen Nettokundenpreise werden von den Händlern oder von den Herstellern ausgehandelt, die direkt an Händler oder an Flottenkunden verkaufen. Die endgültigen Nettokundenpreise enthalten erhebliche Rabatte auf den ursprünglichen Bruttolistenpreis. Nicht alle Schritte werden immer befolgt, da einzelne Hersteller auch direkt an Händler oder an Flottenkunden verkaufen. Im Hinblick auf die ursprünglichen Bruttopreislisten für neue LKW wandten alle Adressaten mit Ausnahme von M* eine Bruttopreisliste mit harmonisierten Bruttolistenpreisen im gesamten EWR an. J* führte im Jahr 2000 EWR-Preislisten ein, deren Umsetzung jedoch einige Zeit in Anspruch nahm. G* verfügte seit Jänner 2002 über eine EWR-Preisliste, DAF seit September 2002, MAN seit 2004 und L* seit 2006. Diese ersten EWR-Bruttopreislisten wurden von der Zentrale festgelegt. Die EWR-Preislisten enthielten die Preise aller mittelschweren und schweren LKW-Modelle sowie aller werksseitig eingebauten Optionen, die der jeweilige Hersteller anbot.
Die Kartellanten erzielten durch ihr kartellrechtswidriges Verhalten insgesamt einen Kartellnutzen von ca. drei Prozent. Bei der Klägerin ist durch das kartellwidrige Verhalten der Kartellanten im Umfang der klagsgegenständlichen LKW kein Schaden feststellbar; somit insbesondere hinsichtlich [vom Erstgericht anschließend tabellarisch im Detail] wiedergegebener LKW nicht (FS K).
Die Klägerin begehrte die Leistung von insgesamt EUR 715.567,55 s.A. und führte hiezu – soweit für die Behandlung der Berufung relevant – auf das Wesentliche stark zusammengefasst aus, der Klagsbetrag stelle die Summe ihrer Kartellschadenersatzansprüche iZm dem europäischen LKW-Kartell als Nettoschaden (ohne Zinsen und Finanzierungsschaden) dar. Die Beklagte habe gemeinsam mit den anderen Kartellanten über 14 Jahre lang – von 1997 bis 2011 – Verkaufspreise für LKW mit einer Nutzlast zwischen sechs und 16 Tonnen und mit einer Nutzlast von über 16 Tonnen abgesprochen und die mit der Einhaltung der Emissionsvorschriften verbundenen Kosten an die Kunden in abgestimmter Form weitergegeben, wodurch die Klägerin im Kartellzeitraum von der Beklagten und weiteren Kartellanten LKW zu kartellbedingt überhöhten Preisen erworben habe. Dies gelte sowohl für den Erwerb kartellbefangener LKW direkt beim Hersteller oder über Unternehmen, die der wirtschaftlichen Einheit der Kartellanten zuzurechnen wären, also auch für den Erwerb von kartellbefangener LKW von Händlern oder einer sonstigen den Kartellanten nachgelagerten Marktstufe.
Der der Klägerin entstandene Kartellschaden schlüssele sich im Einzelnen unter Berücksichtigung des jeweiligen Einkaufspreises abzüglich des jeweiligen hypothetischen Wettbewerbspreises wie folgt auf:
- LKW-ID ./1 bis LKW-ID ./4 je EUR 17.720,65;
- LKW-ID ./5 EUR 17.868,13;
- LKW-ID ./6 EUR 17.646,91;
- LKW-ID ./7 EUR 20.108,48;
- LKW-ID ./8 bis LKW-ID ./10 je EUR 11.069,51;
- LKW-ID ./11 bis LKW-ID ./13 und LKW-ID ./16 je EUR 9.510,66;
- LKW-ID ./14 und LKW-ID ./15 je EUR 11.287,51;
- LKW-ID ./17 EUR 11.319,73;
- LKW-ID ./18 und LKW-ID ./19 je EUR 8.929,91;
- LKW-ID ./20 EUR 7.500,43;
- LKW-ID ./21 und LKW-ID ./22 je EUR 6.058,68;
- LKW-ID ./23 bis LKW-ID ./26 je EUR 12.063,31;
- LKW-ID ./27 und LKW-ID ./32 je EUR 12.505,78;
- LKW-ID ./28 EUR 17.121,99;
- LKW-ID ./29 und LKW-ID ./31 je EUR 16.974,50;
- LKW-ID ./30 EUR 12.874,50;
- LKW-ID ./33 und LKW-ID ./45 je EUR 11.370,13;
- LKW-ID ./34 und LKW-ID ./40 je EUR 12.871,23;
- LKW-ID ./35, LKW-ID ./36, LKW-ID ./43 und LKW-ID ./44 je EUR 11.596,39;
- LKW-ID ./37 und LKW-ID ./38 je EUR 10.920,90;
- LKW-ID ./39 EUR 5.070,13;
- LKW-ID ./41 und LKW-ID ./42 je EUR 10.695,73;
- LKW-ID ./46 EUR 15.230,18;
- LKW-ID ./47 EUR 14.510,18;
- LKW-ID ./48 EUR 12.491,84;
- LKW-ID ./49 EUR 12.868,72;
- LKW-ID ./50 EUR 8.899,63;
- LKW-ID ./51 EUR 9.009,77;
- LKW-ID ./52 bis LKW-ID ./54 je EUR 5.858,97;
- LKW-ID ./55 bis LKW-ID ./57 je EUR 10.509,77;
- LKW-ID ./58 und LKW-ID ./59 je EUR 6.009,77;
- LKW-ID ./78 EUR 3.527,85;
- LKW-ID ./79 EUR 17.922,43;
- LKW-ID ./80 EUR 10.469,55.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte dagegen zusammengefasst ein, dass tatsächlich wettbewerbsschädliche Auswirkungen des unerlaubten Verhaltens der LKW-Hersteller, die zu einer konkreten Beeinträchtigung des Wettbewerbes geführt hätten, von der Kommission (bewusst) nicht festgestellt, sondern ausdrücklich offen gelassen worden seien. Es sei lediglich festgestellt worden, dass das unzulässige Verhalten abstrakt geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken. Es gebe im kartellrelevanten Zeitraum auch (noch) keine gesetzliche Vermutung, dass die festgestellte Zuwiderhandlung zu einem Schaden geführt habe. Zudem bestehe keine Bindungswirkung an alle in der Begründung der Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde angeführten Tatsachenfeststellungen. Die festgestellte Zuwiderhandlung habe auch tatsächlich zu keinen Schäden bei der Klägerin geführt. Betreffend die streitgegenständlichen Fahrzeuge sei in etwaigen Verkaufsverhandlungen der Klägerin mit den anderen Herstellern bzw. den Vertriebseinheiten oder Einzelhändlern nicht auf Bruttolistenpreise Bezug genommen worden und der gezahlte Nettopreis auch nicht in irgendeiner Weise abhängig von den Bruttopreisen der anderen Hersteller gewesen.
Die Erst- bis Drittnebenintervenientinnen bestritten und beantragten ebenso Klagsabweisung, schlossen sich dem Vorbringen der Beklagten an und ergänzten, der Wettbewerbsverstoß habe keine Auswirkungen auf die von der Klägerin bezahlten Nettopreise gehabt und die Verhaltensweisen hätten nicht zu einer Preiserhöhung geführt, da die Bruttolistenpreise bei den stets individuellen, lokalen und in ihrer Mannigfaltigkeit kaum zu überbietenden Verkaufsvorgängen und Nettopreisverhandlungen bzw. Ausschreibungen in Österreich, wie sie Kaufverträgen zugrunde liegen würden, keine Rolle spielten.
Die Viert- bis Siebtnebenintervenientinnen bestritten sowie beantragten ebenso Klagsabweisung und schlossen sich dem Vorbringen der Beklagten und der Erst- bis Drittnebenintervenientinnen im Wesentlichen an.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab und legte dazu seiner Entscheidung den eingangs angeführten Sachverhalt zugrunde, welcher auf den in den US 2 f sowie 15 bis 21 ersichtlichen Feststellungen des Erstgerichts basiert, auf die ansonsten verwiesen wird. Der in der Berufung bekämpfte Feststellungsblock FS K ist oben kursiv gehalten.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass ungeachtet der Bindungswirkung der Gerichte der Mitgliedstaaten betreffend Kommissionsentscheidungen nach Art 16 der Verordnung (EG) 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Art 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln bei der Anwendung von Art 101 und 102 AEUV das Vorliegen eines Schadens und eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen diesem und dem Kartellverstoß gesondert zu beurteilen sei. Während die anderen Voraussetzungen des erhobenen Schadenersatzanspruches hier unproblematisch seien, habe im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden können, dass der Klägerin durch das kartellrechtlich relevante Verhalten der Beklagten und ihr zuzurechnender Dritter ein Schaden entstanden sei, weshalb der Klagsanspruch nicht begründet und die Klage daher abzuweisen sei.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung. Die Klägerin beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte sowie die Nebenintervenientinnen beantragen in ihren Berufungsbeantwortungen jeweils, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung wegen Nichtigkeit ist zu verwerfen.
Im Übrigen ist die Berufung nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Nichtigkeit:
1.1. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass das Urteil aufgrund einer Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nichtig sei, weil es ihr durch die ungesetzliche Vorgangsweise des Erstgerichts, die Anträge der Klägerin auf Ausfolgung der Datengrundlage, die der Sachverständige für seine Gutachtenserstellung verwendet habe, abzuweisen, verunmöglicht worden sei, sich zu den Gutachtensergebnissen, insbesondere zur Datengrundlage als wesentlichen Teil des vom Sachverständigen aufgenommenen Befundes zu äußern. Die Daten der Beklagten und der Nebenintervenientinnen seien ihr somit zu keinem Zeitpunkt vorgelegen und ihr auch nicht bekannt gewesen. Zudem habe es der Sachverständige verabsäumt, die Klägerin zur Befundaufnahme, d.h. zur Aufnahme der Daten der Kartellanten beizuziehen. Die Klägerin erblickt zudem mit gleicher Begründung eine Nichtigkeit darin, dass das Urteil dadurch unzureichend begründet sei und sich somit nicht ordentlich überprüfen lasse.
Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO schützt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör, stellt aber nicht alle Verletzungen des rechtlichen Gehörs unter Nichtigkeitssanktion, sondern nur eine besondere Erscheinungsform, nämlich die gesetzwidrige Verhinderung der Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln. Es müssen hiefür folgende Voraussetzungen zusammentreffen: a) ein ungesetzlicher Vorgang, der b) einer Partei c) die Möglichkeit nimmt, d) vor Gericht zu verhandeln. Solange auch nur eine dieser Voraussetzungen fehlt, liegt der Nichtigkeitsgrund nicht vor. Ein Verstoß kann gegebenenfalls höchstens als Verfahrensmangel bedeutsam werden, doch auch dies nur unter der Voraussetzung, dass ein Verfahrensgesetz verletzt wurde und die mögliche Kausalität für eine behauptete Unrichtigkeit der Entscheidung behauptet und erkennbar ist (Pimmer in Fasching/Konecny³ IV/1 § 477 ZPO Rz 43 f; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 477 ZPO Rz 40).
Der Nichtigkeitsgrund der Z 4 leg cit ist aber nicht nur dann verwirklicht, wenn der Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen. Eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien führt aber noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es genügt, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (RIS-Justiz RS0074920; RS0005915; RS0006048). Die Entziehung der Möglichkeit, zu einer den Parteien nicht bekannten, vom Gericht jedoch in seiner Entscheidung verwerteten Urkunde Stellung zu nehmen, stellt aber eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd Art 6 Abs 1 EMRK dar, welche Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nach sich zieht (RS0117067). Ein Urteil kann auch nicht auf ein Sachverständigengutachten gestützt werden, das seinerseits auf Unterlagen basiert, die den Parteien nicht zugänglich waren (vgl. RS0123031).
Der Nichtigkeitsgrund setzt jedoch stets und daher auch in letzteren Fällen einen ungesetzlichen Vorgang voraus. Solange also das Prozessrecht ausdrücklich oder durch rechtliche Schlussfolgerungen einwandfrei gedeckt ein Verhandeln darüber ohne Zuziehung der Partei gestattet, liegt der Nichtigkeitsgrund nicht vor (vgl. Pimmer aaO Rz 46; G. Kodek aaO Rz 41; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 477 Rz 20; Klauser/Kodek, JN – ZPO18 § 477 ZPO E 75/1).
Diesen Grundsätzen folgend ist in weiterer Folge näher zu beleuchten, ob das Erstgericht zulässigerweise und auf welcher gesetzlichen Basis die Offenlegung der von der Gegenseite vorgelegten Beweismittel gegenüber der Klägerin unterbunden hat, wodurch dieser eine Überprüfbarkeit dieser Daten verwehrt blieb.
Wie vom Erstgericht bereits zutreffend herangezogen, kommt hiefür prima vista § 37j Abs 6 KartG in Betracht. Demnach hat das Gericht wirksame Maßnahmen für den Schutz vertraulicher Informationen anzuordnen, wobei es u.a. – wie hier (ON 103) – einen Sachverständigen anweisen kann, eine Zusammenfassung vorzulegen, die keine vertraulichen Informationen enthält (Z 4 leg cit). Nach § 37a KartG regeln die Bestimmungen des fünften Abschnitts dieses Gesetzes, worunter auch § 37j leg cit fällt, die zivilrechtliche Haftung für und die Geltendmachung von Schäden, die durch Wettbewerbsrechtsverletzungen verursacht werden und dienen der Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadenersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. Nr. L 349 vom 5. Dezember 2014, S. 1 (in weiterer Folge nur RL 2014/104/EU ). Gemäß Art 5 Abs 4 der RL 2014/104/EU haben die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang insbesondere zu gewährleisten, dass die nationalen Gerichte befugt sind, die Offenlegung von Beweismitteln, die vertrauliche Informationen enthalten, anzuordnen, wenn sie diese als sachdienlich für die Schadensersatzklage erachten und, dass die nationalen Gerichte bei der Anordnung der Offenlegung solcher Informationen über wirksame Maßnahmen für deren Schutz verfügen. Nach den ErwGr 15 und 16 der RL 2014/104/EU sollten die nationalen Gerichte die Möglichkeit haben, unter ihrer strengen Kontrolle — insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen — die Offenlegung von genau bezeichneten einzelnen Beweismitteln oder Kategorien von Beweismitteln auf Antrag einer Partei anzuordnen, weil den Beweismitteln bei der Erhebung von Schadensersatzklagen wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union oder nationales Wettbewerbsrecht große Bedeutung zukommt und wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten durch eine Informationsasymmetrie gekennzeichnet sind. Demnach ist es angebracht zu gewährleisten, dass die Kläger (und im Sinne des Grundsatzes der Waffengleichheit korrelierend auch die Beklagten) das Recht erhalten, die Offenlegung der für ihren Anspruch relevanten Beweismittel zu erwirken, ohne konkrete einzelne Beweismittel benennen zu müssen. Zufolge des ErwGr 18 der RL 2014/104/EU sollten zwar relevante Beweismittel, die Geschäftsgeheimnisse oder sonstige vertrauliche Informationen enthalten, grundsätzlich für Schadensersatzklagen zur Verfügung stehen, jedoch müssen solche vertraulichen Informationen angemessen geschützt werden. Die nationalen Gerichte sollten daher über eine Reihe von Mitteln zum Schutz vertraulicher Informationen vor Offenlegung während des Verfahrens verfügen. Zu diesen Mitteln zählen u.a. die Anweisung an Sachverständige, eine Zusammenfassung der Informationen in aggregierter oder sonstiger nichtvertraulicher Form vorzulegen. Die Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und sonstigen vertraulichen Informationen sollten die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs in der praktischen Anwendung jedoch nicht behindern.
Diese europarechtlichen Vorgaben wurden vom nationalen Gesetzgeber in § 37j KartG umgesetzt, der einerseits Pflichten zur Offenlegung von Beweismitteln normiert, andererseits wird das Gericht nach Abs 6 leg cit ausdrücklich verpflichtet, wirksame Maßnahmen für den Schutz vertraulicher Informationen anzuordnen, wodurch derartige Informationen im Verfahren verwertet und geschützt werden sollen. Damit trägt die RL 2014/104/EU iVm § 37j KartG durchaus den Gedanken, dass dem Kläger die Durchsetzung seines Anspruchs um den Preis der Einschränkung seines eigenen prozessualen Anspruchs auf rechtliches Gehör ermöglicht werden soll. Nach der bisherigen Rechtslage war das nicht möglich, weil die Parteien von den Umständen, von denen der Sachverständige für die Herstellung der Zusammenfassung oder seines Gutachtens Kenntnis hatte, grundsätzlich ebenfalls erfahren können mussten, weil es ansonsten an der entsprechenden Nachvollziehbarkeit mangelt (OLG Graz 2 R 96/24s [Pkt. 1.2. f] mwN).
Weder in den Erwägungsgründen der RL 2014/104/EU , noch in den Erläuterungen zu den aufgrund dessen eingeführten Regelungen des § 37j KartG (vgl. ErlRV 1522, XXV. GP , S. 11 f), die explizit als Erweiterung der ansonsten weiterhin anwendbaren Bestimmungen der §§ 303 ff ZPO zu verstehen sind, finden sich aber ausdrückliche Vorgaben bzw. Regelungen für den hier konkret vorliegenden Fall der freiwilligen oder zumindest einem entsprechenden Offenlegungsantrag der Gegenseite – aus welchen Gründen auch immer – zuvorkommenden Offenlegung von Beweismitteln durch eine Partei. Derartiges erscheint zunächst auch weder notwendig noch zweckmäßig, zumal dadurch dem Grundgedanken hinter der Ermöglichung von gerichtlichen Offenlegungsanordnungen, nämlich der Beseitigung der grundsätzlich gegebenen Informationsasymmetrie in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten (s. ErwGr 15 der RL 2014/104/EU ), bereits ausreichend Genüge getan wäre. Selbst wenn nun eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 37j Abs 6 KartG für gegenständliche Fallkonstellation – der Argumentation der Klägerin folgend zufolge mangelnden Antrags der Gegenseite nach § 37j Abs 2 KartG – nicht zwingend erscheinen mag, so läge in einem derartigen Fall doch der Schluss nahe, dass dem Gesetzgeber allenfalls ein Redaktionsversehen unterlaufen ist und dieser in Wirklichkeit über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus auch eine (ausdrückliche) Regelung für den Schutz vertraulicher Informationen in allen denkbaren Fällen der Offenlegung von Beweismitteln in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten vorsehen wollte. Diesfalls wäre aber ohnehin ein Größenschluss gerechtfertigt und wären überdies die Voraussetzungen für einen Analogieschluss gegeben (vgl. RIS-Justiz RS0008866 [T10, T27]). Zudem wäre dieses Auslegungsergebnis auch im Interesse der Rechtssicherheit geboten, weil ansonsten die freiwillige bzw. die in diesem Sinne vorauseilende Offenlegung von schutzwürdigen, für die Erhebung einer Schadenersatzklage in wettbewerbsrechtlichen Rechtssachen jedoch als Beweismittel erforderlichen, vertraulichen Informationen weniger geschützt wären als ein erst über eine auf Basis eines Antrags der Gegenseite verfügte gerichtliche Anordnung offengelegter Datensatz mit identem Inhalt.
Demnach wäre für die Klägerin selbst bei Zutreffen ihrer Argumentation nichts gewonnen. Bereits das Oberlandesgericht Graz ist in einem Parallelverfahren mit denselben Parteienvertretern davon ausgegangen, dass es sich bei den von der Beklagten und den Nebenintervenientinnen vorgelegten Datensätzen ohne Frage um schutzwürdige vertrauliche Informationen iSd § 37j KartG handelt (OLG Graz 2 R 96/24s [Pkt. 1.5. f] mwN). Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an, sodass ein Verweis darauf genügt. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass hier kein für das Vorliegen des Nichtigkeitsgrunds nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO erforderlicher ungesetzlicher Vorgang vorliegt, weil sich das Erstgericht mit seiner von der Klägerin monierten Anordnung (ON 103) bzw. der Abweisung ihres nachträglich gestellten Offenlegungsantrags (ON 122 iVm ON 129) zulässigerweise auf § 37j Abs 6 KartG (zumindest analog) gestützt hat. Mangels Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, liegt damit auch keine Nichtigkeit aus diesem Grund vor. Auf die weiteren diesbezüglichen Argumente der Parteien braucht daher nicht mehr eingegangen werden.
1.2. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang über die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV sinniert, erscheint dem Berufungsgericht das Aufgreifen dieser Anregung in casu nicht erforderlich, zumal die RL 2014/104/EU gegenständlichen Fall nicht regelt und etwa ein Verbot der Gleichbehandlung sonstiger Fälle der Vorlage schutzwürdiger vertraulicher Informationen in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten durch die Mitgliedsstaaten nicht (auch nicht schlüssig) vorsieht, sodass sich in concreto keine Auslegungsfrage von Gemeinschaftsrecht ergibt. Erstreckt der nationale Gesetzgeber eine gemeinschaftsrechtliche Regelung bloß auf davon nicht erfasste Sachverhalte, ist die Vorlage an den EuGH nicht zwingend erforderlich (vgl. RIS-Justiz RS0082949 [T13]).
1.3. Der von der Klägerin weiters geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO betrifft nur das Urteil selbst, nicht aber das vorangegangene Verfahren, und umfasst drei Fälle: a) die Fassung der Entscheidung ist so mangelhaft, dass ihre Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann; b) die Entscheidung (gemeint: der Spruch) steht mit sich selbst im Widerspruch; c) für die Entscheidung sind gar keine Gründe angegeben (RIS-Justiz RS0042133 [T12]; vgl. auch RS0007484). Die drei Nichtigkeitsgründe sind voneinander streng zu trennen. Es ist zwar wohl möglich, dass ein Urteil so fehlerhaft ist, dass mehr als einer der drei genannten Nichtigkeitstatbestände vorliegt. Es ist aber unzulässig, fehlende Tatbestandsmerkmale eines dieser drei Nichtigkeitsgründe durch ein Tatbestandsmerkmal eines anderen – für sich allein ebenfalls nicht verwirklichten – Nichtigkeitstatbestandes heranzuziehen. Schon aus diesem Grund kann es keine Nichtigkeit darstellen, wenn nur die Entscheidungsgründe des Urteils mit sich im Widerspruch stehen oder nur die Entscheidungsgründe allein unvollständig sind. Die Formulierung des Gesetzes schließt es auch aus, den ersten Tatbestand als Generalklausel und die beiden anderen Tatbestände als Beispielsfälle zu deuten (G. Kodek aaO Rz 78; Pimmer aaO Rz 78).
Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 erster Fall ZPO – auf den die Klägerin offenbar (auch) referenziert – liegt also vor, wenn das Urteil so mangelhaft ist, dass es nicht mit Sicherheit überprüft werden kann. Maßgebend ist dafür das Urteil als logische Gesamtheit. Dieser Nichtigkeitsgrund ist vor allem dann gegeben, wenn die logischen Grundelemente des Urteils, nämlich die Annahme eines Tatbestands oder seine Mindestmerkmale fehlen und kein gedanklicher Konnex zwischen dem Urteilsspruch und den Urteilsgründen hergestellt werden kann (G. Kodek aaO Rz 79; Pimmer aaO Rz 81).
Für das Berufungsgericht ist nicht erkennbar, worin eine derart mangelhafte Fassung der Entscheidung liegen könnte, die ihre sichere Überprüfbarkeit ausschließt. Ein entsprechendes Substrat für diese Behauptung bleibt die Klägerin auch schuldig. Die Entscheidung wurde auf Basis eines klar erkennbar festgestellten Sachverhalts hinreichend beweiswürdigend und ausreichend rechtlich begründet, wobei sich die Überprüfbarkeit des Urteils auch in den weitwendigen Berufungsausführungen zeigt, in denen sich die Klägerin gegen die Entscheidung des Erstgerichts wendet.
Zwar scheint die Klägerin mit ihren Ausführungen § 477 Abs 1 Z 9 zweiter Fall ZPO nicht (primär) im Sinn gehabt zu haben, ihr ist – der Vollständigkeit halber – dennoch zu entgegnen, dass ein Widerspruch des Urteils mit sich selbst (nur) dann besteht, wenn einzelne Aussprüche innerhalb des Spruchs der Entscheidung einander logisch ausschließen, nicht aber bei einem Widerspruch in den Entscheidungsgründen oder zwischen Spruch und Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0041306 [insb. T4, T5]; RS0042171 [T2]). Einen Widerspruch innerhalb des Spruchs behauptet die Klägerin aber nicht.
Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung nach § 477 Abs 1 Z 9 dritter Fall ZPO – auf den sich die Klägerin ausdrücklich bezieht – liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS-Justiz RS0007484). Dieser Fall ist aber nur dann gegeben, wenn konkrete Gründe für die Entscheidung fehlen und nur allgemeine Wendungen gebraucht werden, also eine Scheinbegründung vorliegt (RS0007484 [T7]). Eine bloß unvollständige, mangelhafte oder sogar fehlerhafte Begründung erfüllt diesen Nichtigkeitsgrund nicht, sondern kann nur mit dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung angefochten werden (RS0042206, RS0042133, RS0106079; Pimmer aaO Rz 83 ff; A. Kodek aaO Rz 38). Die Nichtbeachtung tatsächlicher Behauptungen oder das Übergehen von Beweisanträgen kann allenfalls eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder einen Feststellungsmangel begründen (RS0007484 [T2,T3]).
Auch dieser Nichtigkeitsgrund liegt hier somit nicht vor, zumal sich bereits aus der Berufungsargumentation ergibt, dass eine Überprüfung des Urteils möglich ist; dies zeigt sich nicht zuletzt an den seitenweise vorgetragenen Argumenten in der Berufungsschrift. Indem sie inhaltliche Kritik an den Ausführungen des Erstgerichts übt, gesteht die Klägerin somit selbst dessen Überprüfbarkeit zu. Den Entscheidungsgründen lässt sich zudem eindeutig entnehmen, welche Überlegungen das Erstgericht anstellte, um zur Klagsabweisung zu gelangen. Sie erschöpfen sich weder in einer Scheinbegründung, noch sind die Entscheidungsgründe, insbesondere im Rahmen der Beweiswürdigung (US 21 f), per se unüberprüfbar. Die von der Klägerin in Wahrheit vielfach geltend gemachten (einfachen) Verfahrensmängel betreffend das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten erfüllen den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO somit nicht.
Die Nichtigkeitsberufung war daher gemäß §§ 471 Z 5, 473 Abs 1 ZPO zu verwerfen.
2. Zur Mängelrüge:
2.1. Die Klägerin erachtet diverse Verfahrensmängel iZm dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten dadurch, dass (i) ungeeignete Sachverständige ausgewählt worden seien, (ii) der eigentlich vom Gericht bestellte Sachverständige das erstattete Gutachten nicht selbst verfasst habe, sondern dessen Subgutachter, (iii) die Klägerin von der Stoffsammlung ausgeschlossen worden sei, (iv) das Erstgericht seine Kontrollpflicht des Sachverständigen verletzt habe, (v) es dem Gutachten an einem Befund fehle, (vi) der Offenlegungsantrag der Klägerin abgewiesen worden sei und (vii) das ungenügende, weil aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbare Gutachten vom Erstgericht mangelhaft gewürdigt worden sei.
Dem schließt sich das Berufungsgericht nicht an. Ein (primärer) Verfahrensmangel, wie der von der Klägerin beanstandete Stoffsammlungsmangel, kann nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn in der Berufung die Erheblichkeit des Mangels dargetan wird. Die Mängelrüge ist also nur dann ordnungsgemäß ausgeführt, wenn darin aufgezeigt wird, dass der behauptete Verfahrensmangel abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Rechtssache zu verhindern und damit die Unrichtigkeit der Entscheidung zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers herbeizuführen (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO; RIS-Justiz RS0043049; Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 471 Rz 9 ff und § 496 Rz 6 mwN). Voraussetzung für das Vorliegen eines Verfahrensmangels ist ein Fehler des Gerichts (RS0115000).
Hinsichtlich der von der Klägerin relevierten vermeintlichen Mängel (iii) und (vi) ist sie einerseits auf die bereits erfolgten Ausführungen zur Behandlung der Berufung wegen Nichtigkeit (Pkt. 1.1. dieser Entscheidung) zu verweisen, wonach das Erstgericht diesbezüglich gegen keine Verfahrensgesetze verstoßen hat, sodass auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorliegen kann. Andererseits negiert die Klägerin dabei zudem den – von der Gegenseite zutreffend aufgezeigten – Umstand, dass das Sachverständigengutachten auch auf Basis des klägerischen Datensatzes keinen kartellrelevanten Schaden der Klägerin ermitteln konnte (vgl. SV-GA vom 5. November 2023, ON 113, Pkt. 3.4.5 iVm Pkt. 3.7, S. 64, 100 ff), weshalb es auf die Daten der Gegenseite gar nicht mehr ankommt und es den diesbezüglich behaupteten Verfahrensmängeln schon an deren Erheblichkeit mangelt.
2.2. Soweit die Klägerin des Weiteren eine mangelnde Eignung der herangezogenen Sachverständigen insinuiert [Mangel (i)], ist schon an dieser Stelle auf die bereits in Replik auf die von der Klägerin in erster Instanz ventilierten Befürchtungen (ON 53) erstattete Äußerung des Sachverständigen vom 28. April 2022 zu verweisen (ON 57). Demnach fühle sich Ing. Mag. Y*, MBL-HSG als eingetragener Sachverständiger inhaltlich kompetent und werde er sich für die ökonometrischen Analysen zudem eines Universitätsprofessors der angewandten Statistik und Ökonometrie als Hilfsperson bedienen. Bei der von ihm zur Beiziehung beabsichtigten Hilfsperson für die ökonometrischen Analysen handle es sich um Univ.-Prof. Mag. Dr. Z*, welcher als Vorstand des Instituts für angewandte Statistik an der BA* insbesondere im Bereich Datenanalyse und Ökonometrie tätig sei (vgl. auch ON 51). Der (Haupt-)Sachverständige sei seit fast 25 Jahren in internationalen Unternehmen – welche teilweise in oligopolen Märkten agierten – tätig und davon über 20 Jahre in kaufmännischen Führungsfunktionen. Seine berufliche Herkunft sei aus dem Rechnungswesen sowie der Kostenrechnung. Seit 2015 sei er in diesem Fachbereich gerichtlich zertifizierter Sachverständiger. In dieser Funktion sei er vertraut mit den Grundsätzen der Ordnungsmäßigkeit für ein gerichtlich beauftragtes Gutachten sowie den Verfahrensgrundsätzen und dem Verfahrensverlauf im Zivilprozess. Der Leitfaden der Europäischen Kommission zur Ermittlung des Schadenumfangs sehe mehrere Methoden zur Ermittlung des Schadenersatzes vor. Diese sähen ökonomische Variablen wie z.B. Preis, Absatzmenge, Gewinn, Gewinnspanne, Deckungsbeitrag und Herstellkosten vor. Für die Ermittlung und Plausibilisierung einzelner Variablen sowie der Basisdaten seien profunde Fachkenntnisse der Kostenrechnung und des Rechnungswesens notwendig. Die Kenntnisse und Erfahrungen des Sachverständigen mit statistischen Analysen und empirischen Messverfahren ergäben sich aufgrund der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und im Rahmen von beruflich notwendigen Anwendungen. Aufgrund dieser Anforderungen und Kenntnisse sehe er sich mit der notwendigen Kompetenz zur Gutachtenserstellung ausgestattet (so auch ON 58, Pkt. 5., S. 4 letzter Abs. f).
Die Kompetenz des Sachverständigen und die Qualität seiner Tätigkeit ist vom Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen (Schneider in Fasching/Konecny³ III/1 § 356 ZPO Rz 9 mwN; Spitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 356 ZPO Rz 4). Der besseren Lesbarkeit halber wird den Argumenten der Klägerin aber bereits hier Folgendes entgegnet: Auch für das Berufungsgericht sind der (Haupt-)Sachverständige Ing. Mag. Y*, MBL-HSG und dessen Subgutachter Univ.-Prof. Mag. Dr. Z* nach obigen Ausführungen, denen die Klägerin nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen vermag, für die gutachterliche Beurteilung des Beweisthemas ausreichend geeignet und hinreichend fachlich kompetent. Dass es den Sachverständigen (gemeinsam) gelungen ist, die von der Klägerin attestierte komplexe Analyse der Quantifizierung eines kartellbedingten Preisaufschlags durch gängige methodische Analyseschritte zu bewerkstelligen, zeigt bereits das erstattete Gutachten (ON 113). Der Umstand, dass dessen Ergebnis nicht den Vorstellungen der Klägerin entspricht, ändert nichts daran, dass die Sachverständigen faktisch evident über ein fundiertes Verständnis für wettbewerbsökonomische Zusammenhänge und eine hinreichende Expertise in der empirischen Datenanalyse verfügen. Auf den Forschungsschwerpunkt oder die Publikationen der Sachverständigen kommt es hinsichtlich deren grundlegender Eignung für das hier in Frage stehende Fachgebiet nicht an. Begründete Zweifel an der grundsätzlichen Eignung der Sachverständigen zeigt die Klägerin in ihrer Berufung somit nicht auf. Der vom Erstgericht bestellte Sachverständige erläuterte hingegen ausführlich, warum er für die Beurteilung der an ihn gestellten Fragen fachlich geeignet ist und legte detailliert dar, wieso die Beiziehung eines hiefür qualifzierten Subgutachters in concreto erforderlich erschien. Im Übrigen teilt das Berufungsgericht die auch im angefochtenen Urteil ausführlich dargelegte Einschätzung des Erstgerichtes zur Eignung der Sachverständigen uneingeschränkt (US 22 zweiter Abs. ff).
2.3. Betreffend die Behauptung der Klägerin, der bestellte Sachverständige habe das erstattete Gutachten nicht selbst verfasst [Mangel (ii)], ist ihr zu entgegnen, dass sich nach der Äußerung des Sachverständigen die Zuziehung des Subgutachters als Hilfskraft auf die Unterstützung bei der Anwendung der im Leitfaden der Europäischen Kommission zur Ermittlung des Schadenumfangs empfohlenen statistischen Methoden und der damit verbundenen Analyse auf Basis der wahrscheinlich hohen Datenmenge beschränke, was eine übliche und u.a. auch der Qualitätssicherung dienende Vorgehensweise bei der Abhandlung von wissenschaftlichen Arbeiten darstelle. Eine Gutachtenserstellung seitens des Subgutachters sei nicht vorgesehen (ON 57). Aus der vom Sachverständigen vorgelegten Gebührennote vom 12. November 2023 (ON 114) geht zudem hervor, dass der Subgutachter 100 Stunden für die Unterstützung bei den Datenmodellierungen und den elektronischen Datenanalysen aufgewendet hat, während der Sachverständige selbst 91 Stunden auf die Vorbereitung des Gutachtens, die Befundaufnahme, das Konzipieren des Gutachtens, die Ausarbeitung des Befundberichts und des Gutachtens sowie die Ausfertigung des schriftlichen Gutachtens verwendet hat.
Die Angaben eines gerichtlich beeideten Sachverständigen über den Zeitaufwand sind solange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil bewiesen wird (RIS-Justiz RS0132212). Es ist daher davon auszugehen, dass der Sachverständige und sein Subgutachter die in der Gebührennote verzeichneten Zeiten für die dort angeführten Tätigkeiten tatsächlich in dieser Form aufgewendet haben. Den Beweis des Gegenteils tritt die Klägerin auch gar nicht erst an, sondern begnügt sich mit bloßen Mutmaßungen und pauschalen Anschuldigungen gegen die Sachverständigen. Auch diesfalls ist somit davon auszugehen, dass tatsächlich der vom Gericht bestellte Sachverständige und nicht sein Subgutachter das Gutachten verfasst hat, womit der behauptete Verfahrensmangel nicht gegeben ist.
2.4. Warum das Erstgericht seiner „Kontrollpflicht“ der Sachverständigen nicht nachgekommen sein soll [Mangel (iv)] erschließt sich für das Berufungsgericht nicht, zumal das erstattete Sachverständigengutachten doch sehr wohl (auch) auf den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Daten basiert (vgl. bereits Pkt. 2.1. dieser Entscheidung). Demnach konnte selbst auf Basis dieser Datensätze kein kartellrelevanter Schaden der Klägerin ermittelt werden (vgl. neuerlich SV-GA vom 5. November 2023, ON 113, Pkt. 3.4.5 iVm Pkt. 3.7, S. 64, 100 ff), sodass es auf die vermeintlich mangelhaften Daten der Gegenseite gar nicht mehr ankommt.
2.5. Inwieweit es dem Gutachten angesichts dessen insgesamt 23 Seiten umfassenden, mit „Befundaufnahme“ titulierten Pkt. 2. an einem Befund fehlen solle [Mangel (v)], ist dem Berufungsgericht ebenso wenig nachvollziehbar. Die Sachverständigen legten darin detailliert dar, auf welchen Grundlagen sie mit welchen angewandten Methoden zu ihrem Gutachtensergebnis gelangt sind. Soweit die Klägerin dabei abermals darauf zurückkommt, dass ihr die vollständige Datengrundlage nicht offengelegt wurde, genügt ein Verweis auf Pkt. 2.1. dieser Entscheidung.
2.6. Hinsichtlich der behaupteten mangelnden Würdigung des Gutachtens [Mangel (vii)] ist vorweg klarzustellen, dass nur ein Urteil ohne Beweiswürdigung zu einer relevanten Feststellung gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO verstößt und damit an einem Begründungsmangel leidet (RIS-Justiz RS0102004). Aus den Bestimmungen der §§ 272, 417 ZPO ergibt sich aber, dass die Entscheidungsgründe eines Urteils die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachenfeststellungen enthalten müssen. Das Gericht muss daher klar und zweifelsfrei – und zwar zunächst in geschlossener Darstellung und nicht mit der Beweiswürdigung vermengt – aussprechen, welche Tatsachen seiner Meinung nach vorliegen. Der Richter muss in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegen, warum er auf Grund bestimmter Beweisergebnisse oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt oder für den Ausgang des Rechtsstreits erhebliche Tatsachen nicht feststellen kann, damit sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können. Somit könnte eine mangelhafte Begründung eines Urteils – sofern nicht bereits eine (hier aber bereits verneinte) Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO vorliegt – einen Verfahrensmangel nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO darstellen, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt. Keinen Mangel der Beweiswürdigung stellt es dar, wenn bei der Begründung Umstände nicht erwähnt wurden, die noch erwähnt hätten werden können oder eine Überlegung nicht angestellt wurde, die noch hätte angestellt werden können. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit allen Einzelheiten des Verfahrens und allen nur denkbaren Überlegungen auseinander zu setzen. Wesentlich ist aber, dass erkennbar ist, aus welchen Überlegungen das Gericht zum Ergebnis kam, die vorgenommenen Feststellungen treffen zu können oder andere Feststellungen nicht treffen zu können (Pochmarski/Lichtenberg/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO4, S. 167; RS0040165). Es kann also ganz grundsätzlich nicht verlangt werden, dass das Erstgericht sämtliche Gedankengänge in der Beweiswürdigung im Detail darlegt; die wesentlichen Gedankengänge und Überlegungen müssen aber doch nachvollziehbar sein (Delle-Karth, Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Berufungssystem des österreichischen Zivilprozessrechts, ÖJZ 1993, 19).
Diesen Grundsätzen genügt das erstinstanzliche Urteil, sodass der von der Klägerin behauptete gravierende Begründungsmangel nicht gegeben ist. Die ausführliche Beweiswürdigung zu diesem Thema lässt sich in ihrer Gesamtheit nur so verstehen, dass der gesamte diesbezüglich festgestellte Sachverhalt auf dem für das Erstgericht schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten gründet (US 22 zweiter Abs. ff). Zusammenfassend legte das Erstgericht somit hinreichend dar, dass seine Überzeugung maßgeblich auf dem Gutachten basiert. Von einer Verletzung der Begründungspflicht, einer insgesamt bloß formelhaften Beweiswürdigung oder einer bloßen Scheinbegründung kann somit keine Rede sein.
2.7. Scheint das abgegebene Gutachten ungenügend oder wurden von dem Sachverständigen verschiedene Ansichten ausgesprochen, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige oder doch mit Zuziehung anderer Sachverständiger stattfinde (§ 362 Abs 2 erster Satz ZPO). Eine Vorgehensweise nach § 362 Abs 2 erster Satz ZPO ist also (nur) dann angezeigt, wenn a) sich das abgegebene Gutachten als ungenügend erweist oder b) von mehreren (vom Gericht bestellten) Sachverständigen widersprüchliche Ansichten geäußert wurden (Schneider in Fasching/Konecny³, III/1, § 362 ZPO Rz 5 und Vor § 351 ff ZPO Rz 22; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 §§ 360-362 Rz 4 und Vor § 351 Rz 8). Das Gericht hat von Amts wegen dafür zu sorgen, dass ein Sachverständigengutachten vollständig abgegeben wird (RIS-Justiz RS0040604). Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachten, auch wenn dieser Gutachter generell gerichtlich beeidet ist, und dem Gutachten eines vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens in einer bestimmten Rechtssache herangezogenen Sachverständigen aufzuklären. Es kann sich vielmehr ohne weitere Erhebungen dem ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten anschließen (RS0040592; RS0040363; Klauser/Kodek, JN-ZPO18 § 362 ZPO E 24 ff).
Mehrere (vom Erstgericht bestellte) Sachverständige sind im vorliegenden Verfahren nicht tätig geworden. Es ist daher lediglich zu klären, ob Widersprüche im Gutachten des einzig beigezogenen Sachverständigen, der sich wiederum zulässigerweise eines Subgutachters als Hilfskraft bedient hat, vorliegen, die ein (amtswegiges) Vorgehen nach § 362 Abs 2 erster Satz ZPO indiziert hätten. Insoweit wird in der Mängelrüge lediglich der Umstand releviert, wonach die Sachverständigen einer erhöhten Begründungspflicht unterlegen seien. Denn das hier hervorgekommene Ergebnis, wonach kein Schaden festgestellt habe werden können, widerspreche den Erkenntnissen der Ökonometrie und der Lebenserfahrung sowie § 37c Abs 2 KartG, welcher eine Schadensvermutung kodifiziere.
Der klägerische Verweis auf o.a. gesetzliche Bestimmung zur Schadensvermutung im Kartellschadenersatz ist hier angesichts dessen Geltung nur für den Ersatz von Schäden, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind (§ 86 Abs 9 erster Satz KartG) und somit außerhalb des klagsgegenständlichen Zeitraums, nicht weiter von Bedeutung. Der Hinweis auf die Lebenserfahrung im Allgemeinen bleibt zu unbestimmt, um sich damit ernsthaft auseinandersetzen zu können. Der Klägerin ist bezüglich der ins Treffen geführten Grundsätze der Ökonometrie überdies entgegen zu halten, dass die eingehende Erklärung des Sachverständigen für den gegenständlich nicht nachweisbaren Schaden der Klägerin (arg. „Einkaufserfolg“; Gutachtenserörterung, Protokoll vom 14. Mai 2024, ON 134, S. 17 f) freilich auch dem fachlichen Laien einleuchtet und durchaus plausibel erscheint, insbesondere soweit es auf die jeweils handelnden Personen abstellt. Nicht nur hat der Sachverständige die Einkaufserfolg-These als lediglich eine von mehreren Erklärungsansätzen dargestellt, die Klägerin scheint mit ihren Berufungsausführungen dazu die These des Sachverständigen sogar selbst zu bestätigen (ON 143, S. 29 zweiter Abs. drittletzter Satz ff). Im Übrigen erläuterte der Sachverständige, dass auch Personalrochaden auf Seiten der Kartellanten Auswirkungen auf den Einkaufserfolg der Klägerin haben hätten können. Hiezu schweigt sich die Klägerin in ihrer Berufung allerdings aus. Auf das Ergebnis in anderen Prozessen oder außergerichtlichen Verfahren mit anderen Parteien auf Klagsseite kommt es in casu nicht an. Die Sachverständigen erläuterten zudem widerspruchsfrei und nachvollziehbar, dass der gravierende Unterschied im Ergebnis des nicht ermittelbaren Schadens ihres Gutachtens auf Basis des klägerischen Datensatzes im Vergleich zum ermittelten Schaden im von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten im Wesentlichen durch die von den Sachverständigen eingehend begründete Selektion auf den Fernverkehr zu erklären sei (Gutachtenserörterung aaO S. 12 unten f). Mit dieser Argumentation setzt sich die Klägerin in ihrer Berufung nicht auseinander. Von einer unzureichenden Erläuterung ihrer Vorgehensweise kann angesichts des ausführlichen Sachverständigengutachtens samt elaborierender Darstellung der diversen Methoden sowie deren Auswahl (SV-GA vom 5. November 2023, ON 113, insb. S. 19 ff und S. 39 ff) und der detaillierten Auseinandersetzung mit sämtlichen Fragen v.a. der Klagsseite im Rahmen der ausgedehnten Gutachtenserörterung (Protokoll vom 14. Mai 2024, ON 134) keine Rede sein. So erklärten die Sachverständigen etwa die Relevanz des von ihnen herangezogenen AIC-Verfahrens für die von ihnen ausgewählten Modellvariablen, welche ihnen von den Parteien mit ihren Datensätzen zur Verfügung gestellt wurden, ausgiebig und schlüssig (Gutachtenserörterung aaO S. 14 ff).
Mit ihren weiteren Argumenten wendet sich die Klägerin lediglich gegen die Datengrundlage, wobei es auf die Datensätze der Gegenseite nicht ankommt, weil – wie bereits mehrfach dargestellt (vgl. insb. Pkt. 2.1. dieser Entscheidung) – bereits aus dem klägerischen Datensatz kein Schaden der Klägerin erweislich ist. Auch die Ausführungen zu vermeintlichen Widersprüchen des Sachverständigen zum technischen Wissensstand richten sich ausschließlich gegen die Richtigkeit des Gutachtens an sich, womit die Klägerin allein aber keine tatsächlich vorliegenden Widersprüche im Sachverständigengutachten selbst aufzeigt. Sämtliche Argumente der Klägerin vermögen daher keinen hinreichend begründeten Widerspruch im Gutachten ersichtlich zu machen. Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung ist es eine Frage der Beweiswürdigung, ob ein Gutachten schlüssig und nachvollziehbar ist (RIS-Justiz RS0113643) oder ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll (RS0043163; RS0043320 [T12]), ebenso, ob dem Gutachten gefolgt werden könne (T27). Auch Überlegungen bezüglich vermeintlicher Widersprüche zwischen gerichtlichen und privaten Sachverständigengutachten zählen zur Beweiswürdigung (T14). In der zumindest implizit monierten Nichteinholung eines weiteren (Ober-)Gutachtens liegt daher ebenso wenig ein Verfahrensmangel begründet.
3. Zur Beweisrüge:
3.1. Mit ihrer Beweisrüge wendet sich die Klägerin gegen die vom Erstgericht getroffene, eingangs kursiv aufgezeigte Feststellung FS K und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellung, „Aufgrund der Absprachen der von der Europäischen Kommission festgestellten Kartellverstöße hat die Klägerin im Kartellzeitraum bei [nachfolgend im Detail angeführten] Erwerbsvorgängen von LKW [anschließend konkret und einzeln beschriebene] überhöhte Preise bezahlt" (E K). Die bekämpften Feststellungen fußten auf dem Gutachten des Gerichtssachverständigen, dessen Urteil aufgrund gravierender Mängel bei Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit des Gutachtens sowie bei der Auswertung der Ergebnisse nicht als Urteilsgrundlage geeignet sei. Zudem sei das Gutachten mangels Offenlegung der Datengrundlage nicht nachvollziehbar und wegen der Mangelhaftigkeit der verwendeten Daten auch nicht schlüssig. Ein Urteil, das sich auf eine solche, mangelhafte und mangelhaft begründete Aussage des Sachverständigen stütze, leide an einer unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung. Die angefochtenen Feststellungen seien wesentlich, da sie den Kern des Begehrens der Klägerin betreffen würden. Bei richtiger Würdigung des Sachverständigengutachtens hätte das Erstgericht zu der Überzeugung gelangen müssen, dass sowohl das nicht schlüssige Gutachten als auch die Datengrundlage der Kartellanten nicht geeignet seien, den tatsächlichen Kartellschaden festzusetzen und zu bemessen. Es müssten daher die anderen verfügbaren Daten, nämlich die Klägerdaten zur Bemessung des tatsächlichen Schadens herangezogen werden. Das einzige Gutachten, das diese Klägerdaten zur Schadensberechnung verwende, sei das Privatgutachten der Klägerin. Der Sachverständige habe keine substantielle Kritik an diesem geäußert und dessen Richtigkeit auch nicht angezweifelt.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass Sachverständige Hilfsorgane des Gerichts sind, die diesem kraft ihrer besonderen Sachkunde die Kenntnis von Erfahrungssätzen vermitteln, daraus Schlussfolgerungen ziehen oder zufolge ihrer Sachkenntnis streiterhebliche Tatsachen feststellen sollen (RIS-Justiz RS0040535). Den Sachverständigen trifft entsprechend dem von ihm abgelegten Eid die Verpflichtung, sein Gutachten nach dem letzten Stand der Wissenschaft abzugeben. Das Gericht kann sich darauf verlassen, dass keine notwendige oder zweckdienliche Erweiterung der Befundaufnahme unterbleibt, wenn sie vom Sachverständigen nicht angeregt oder vorgenommen wird. Ein Sachverständigengutachten kann nach ständiger Rechtsprechung nicht durch den bloßen Verweis auf die allgemeine Lebenserfahrung, ebenso wenig wie durch die Aussagen von Parteien oder Zeugen, entkräftet werden (RS0040598). Das Gericht ist – wie bereits im Rahmen der Behandlung der Mängelrüge unter Pkt. 2. dieser Entscheidung erläutert – grundsätzlich nicht einmal verpflichtet, allfällige Widersprüche zwischen einem im Prozess vorgelegten Privatgutachten und dem Gutachten des im Prozess bestellten Sachverständigen aufzuklären; es kann sich vielmehr ohne weitere Erhebungen dem ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten anschließen (RS0040592).
Ungenügend ist ein Gutachten nur, wenn es unschlüssig oder lückenhaft oder unrichtig oder widersprüchlich ist (Spitzer/Wilfinger, Beweisrecht § 362 ZPO Rz 4). Sachverständigengutachten können durch Rechtsmittel niemals unmittelbar bekämpft werden. Wenn der Richter dem Gutachten eines Sachverständigen folgt und dabei weder einen Verstoß gegen „Denkgesetze“ begeht, noch ihm erkennbar sein muss, dass der Sachverständige erheblichen Verhandlungsstoff außer Acht gelassen hat, liegt die Beurteilung, zu der der Richter aufgrund des Gutachtens gelangt, auf dem Gebiet der Beweiswürdigung und kann – wie ebenso bereits zur Mängelrüge ausgeführt – nur aus diesem Rechtsmittelgrund angefochten werden. Ob ein Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt (RIS-Justiz RS0043163) oder ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll (RS0043320), fällt ebenso in den Bereich der Beweiswürdigung wie die Frage, ob der Sachverständige über das notwendige Fachwissen verfügt (RS0040586 [T4], RS0043235 [T13]; vgl. 10 Obs 70/23a uva). Der Tatrichter ist immer befugt, dem ihm überzeugend erscheinenden Gutachten eines Sachverständigen zu folgen, wenn er sich nicht selbst die nötige Sachkunde und Erfahrung zutraut, die erforderlich ist, um ein eigenes Urteil zu bilden, sofern ihm die Darlegungen des Sachverständigen schlüssig und überzeugend erscheinen dürfen, ohne dass ihm dabei ein Verstoß gegen Denkgesetze zur Last fiele und ohne dass ihm hätte erkennbar werden müssen, dass der Sachverständige nur unter Außerachtlassung erheblichen Verhandlungsstoffes zu dem Ergebnis gelangt sein könne (RS0043235).
Ausgehend davon kommt der Beweisrüge keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung hinreichend mit den Beweisergebnissen auseinandergesetzt und seine Feststellung ausreichend begründet. Mit den von der Klägerin in der Beweisrüge ohnedies nur rudimentär ins Treffen geführten Argumenten allein vermag sie die schlüssige und auf den unmissverständlichen Angaben des Sachverständigen sowie seines Subgutachters beruhende Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht in Zweifel zu ziehen. Die Berufung zeigt nicht auf, dass das Erstgericht wegen eines Verstoßes gegen die Denkgesetze nicht den gutachterlichen Äußerungen folgen hätte dürfen, oder dass der Sachverständige etwa unter Außerachtlassung erheblichen Verhandlungsstoffes gutachterlich zu dem dargebotenen Ergebnis gelangt sei. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige sowie seine Hilfskraft unter Berücksichtigung des klägerischen Datensatzes eingehend auf die u.a. von der Klägerin an sie herangetragenen Fragen eingegangen sind und diese umfassend, wenngleich nicht im Sinne der Klägerin, beantwortet haben. Im Übrigen genügt ein Hinweis auf das bereits zu Pkt. 2. dieser Entscheidung Ausgeführte.
Ausreichende Gründe, dass das Erstgericht daher insgesamt zwingend zu einem anderen Schluss hätte kommen müssen, legt die Klägerin somit nicht dar. Das Berufungsgericht hegt auch keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen aufgrund der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, es übernimmt daher die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts und legt sie seiner weiteren rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 Abs 1 ZPO).
Da somit auch der Beweisrüge der Klägerin keine Berechtigung zukommt, erfolgte die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht zu Recht, weshalb die Berufung insgesamt erfolglos bleibt.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 50 iVm 41 ZPO. Der von der Beklagten sowie den Nebenintervenientinnen für ihre Berufungsbeantwortungen jeweils verzeichnete Umsatzsteuersatz von 19 % bzw. 25 % entspricht dem – bereits im Verfahren erster Instanz unter Verweis auf das Reverse Charge Prinzip unbeanstandet verzeichneten und auch im Berufungsverfahren erneut hinreichend bescheinigten – für den Unternehmenssitz der jeweiligen Partei in Deutschland bzw. Schweden maßgeblichen Umsatzsteuersatz und ist daher bei der Bemessung der zugunsten der Beklagten und der Nebenintervenientinnen anzusetzenden Kosten heranzuziehen (Obermaier Kostenhandbuch4 Rz 3.35; RIS-Justiz RS0114955).
Sämtliche gegenständliche Forderungen betreffen einzelne Fahrzeuge, ohne auf einem Gesamtvertrag zu basieren, sondern auf lediglich gleichartigen einzeln zu beurteilenden Verträgen über den Ankauf bzw. das Leasing von LKW; sie stehen daher – sofern sie nicht den gleichen Vertrag tangieren – in keinem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang und sind somit nicht nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen (zum „Aufzugskartell“: 7 Ob 127/10t ecolex 2010/400; 3 Ob 1/12m vom 18. Jänner 2012 RdW 2012/439; 7 Ob 48/12b vom 19. April 2012; 6 Ob 186/12i). Hinsichtlich des Klagebegehrens betreffend den behaupteten Schaden aus der LKW-ID ./78 – welche zu den anderen von der Klägerin behaupteten Kauf- bzw. Leasingdaten ein isoliert bestehendes Kaufdatum lt. Klage vom 7. Dezember 2004 aufweist (ON 1, S. 39 22. Zeile) –, dessen Wert EUR 5.000,00 nicht übersteigt, ist die Revision daher gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Darüber hinaus ist die ordentliche Revision jeweils nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen zu lösen waren.
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