OGH 5Ob101/24z

OGH5Ob101/24z8.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K*, 2. L*, 3. D*, 4. D*, alle vertreten durch Mecenovic Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Dr. Robert Schaar, Rechtsanwalt in Graz, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei E*, vertreten durch Mag. Vanco Apostolovski, LL.M., Rechtsanwalt in Graz, wegen Zivilteilung (Streitwert 182.554,16 EUR), über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. April 2024, GZ 3 R 55/24v‑77, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00101.24Z.0808.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind die Kinder, der Beklagte der Bruder der 2020 verstorbenen Hälfteeigentümerin einer Liegenschaft mit einem Zweifamilienhaus. Die Kläger wurden durch Einantwortung als Erben je zu einem Achtel Liegenschaftseigentümer, der Beklagte war schon zuvor Hälfteeigentümer. Seine von ihm getrennt lebende Ehegattin, die Nebenintervenientin, bewohnt eine Hälfte des Doppelwohnhauses. Die andere Hälfte bewohnte bis zu ihrem Tod die Mutter der Kläger.

[2] Das Erstgericht gab dem Zivilteilungsbegehren der Kläger statt.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. § 830 Satz 2 ABGB gewährt jedem Miteigentümer einen unbedingten schuldrechtlichen (Teilungs‑)Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft (RS0013249), der in der Regel keiner Begründung aus der Interessenlage der Kläger bedarf (RS0013247). Dem unbedingten Aufhebungsanspruch sind nur durch die Teilungshindernisse der Unzeit und des Nachteils der Übrigen Schranken gesetzt. Diese Teilungshindernisse konkretisieren die nach Treu und Glauben bestehende Verpflichtung der Miteigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme (RS0013246; 5 Ob 197/13a). Als Teilungshindernisse kommen aber nur vorübergehende Umstände in Betracht, die in Bälde wegfallen oder beseitigt werden können. Dauernde oder nicht behebbare Nachteile, die notwendig mit der Aufhebung der Gemeinschaft verbunden sind, können nicht mit Erfolg eingewendet werden (RS0013287; RS0013321; RS0013336).

[6] 2. Unzeit ist ein objektiver, außerhalb der Beteiligten bestehender und für alle in gleicher Weise wirkender Umstand, der die Teilung zwar nicht verhindert, aber zur gegebenen Zeit unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht, insbesondere weil sich kein angemessener Preis erzielen lässt (RS0013287 [T2]). Demgegenüber bildet der Nachteil der Übrigen ein selbständiges Teilungshindernis, kraft dessen auch subjektiv zumindest einen Teilhaber betreffende Umstände berücksichtigt werden können (2 Ob 195/23z mwN). Solch ein individueller Nachteil steht dem Teilungsbegehren dann entgegen, wenn eine umfassende Interessenabwägung die Position des benachteiligten Miteigentümers höher bewertet als die Position des Teilungswilligen (RS0013324). Im Rahmen dieser Interessenabwägung wären auch subjektive Nachteile beachtlich (5 Ob 82/14s; RS0013325 [T4]). Als Nachteil der Übrigen versteht die ständige Rechtsprechung regelmäßig aber nur Nachteile für die Teilhaber an der gemeinsamen Sache, nicht aber für deren nahe Angehörige (RS0013336 [T12]). Die Behauptungs‑ und Beweislast für Teilungshindernisse trifft den Beklagten, der konkrete Umstände dartun muss, die ein Teilungshindernis begründen können (5 Ob 197/13a).

[7] 3.1. Das Berufungsgericht sah den auf ihren Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB gegenüber dem Beklagten gestützten Unzeiteinwand mit der Begründung als nicht berechtigt an, obligatorische – auch lebenslange – Wohn‑ oder Nutzungsrechte könnten dieses Teilungshindernis grundsätzlich nicht begründen, weil sie keine dingliche Belastung der Liegenschaft seien. Diese Auffassung ist grundsätzlich durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung (RS0109815; RS0013287 [T14]; 1 Ob 207/14v) gedeckt.

3.2. Zuzugeben ist der Revisionswerberin, dass diese Rechtsprechung auf das aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB erfließende, gegen alle Erben wirkende Wohnungsweiterbenutzungsrecht nicht uneingeschränkt übertragen werden kann und das aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis abgeleitete Recht der erblasserischen Witwe, die Ehewohnung im bisherigen Umfang weiterzubenutzen, – nach den Umständen des zu beurteilenden Falls – das Teilungshindernis der Unzeit verwirklichen könnte (RS0119599). Jüngst sprach der Oberste Gerichtshof aber aus (2 Ob 195/23z), dass das Vorausvermächtnis einer Zivilteilungsklage nicht per se entgegensteht, weshalb der Beklagte darlegen müsste, warum die Liegenschaft nicht unter Mitübertragung des Vorausvermächtnisses verwertet werden könnte.

[8] 3.3. Abgesehen davon, dass es hier weder um ein aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis abgeleitetes Recht der Nebenintervenientin geht noch die Kläger (Mit‑)Erben nach deren Ehegatten sind – der selbst Teilungsbeklagter ist – lässt sich aus dieser Rechtsprechung auch nicht ableiten, der Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB, der dem wohnungsberechtigten Ehegatten einen schuldrechtlichen obligatorischen Anspruch gegenüber dem anderen Ehegatten verschafft, sei gleich zu behandeln wie der aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis erfließende Wohnungsbenutzungsanspruch gegenüber den Erben oder durch das Legat Belasteten.

[9] 3.4. Der Anspruch nach § 97 ABGB ist nämlich primär auf den Schutz des Wohnbedürfnisses des einen Ehegatten vor nachteiligen Maßnahmen des verfügungsberechtigten anderen Ehegatten gerichtet (RS0047318). Der Verfügungsberechtigte hat jede einseitige rechtliche oder tatsächliche Veränderung zu unterlassen, die dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten die Voraussetzungen der Wohnungsnutzung erschwert (RS0009534). Voraussetzung für den Wohnungserhaltungsanspruch ist ein dringendes Wohnbedürfnis des anderen Ehegatten, das nur dann zu verneinen wäre, wenn ihm eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht (RS0006012 [T4, T5]).

[10] 3.5. In der Rechtsprechung ist eine Drittwirkung dieses Anspruchs nur in sehr eingeschränktem Umfang anerkannt. Der dem wohnbedürftigen Ehegatten gegen den verfügungsberechtigten Ehegatten zustehende Anspruch gemäß § 97 ABGB ist Dritten gegenüber im Fall der Verletzung eines durch Besitz verstärkten und erkennbaren Forderungsrechts bei dolosem Zusammenwirken mit dem Schuldner geschützt. Dritte, die in schuldhafter Weise einen Wohnungserhaltungsanspruch beeinträchtigen, können daher auf Unterlassung des bewussten Eingriffs in dieses fremde Forderungsrecht in Anspruch genommen werden (RS0009553 [T6]) oder auf nachträgliche Verpflichtung zum Schadenersatz durch Naturalrestitution (RS0009660). Schlechtgläubigkeit des Dritten kann zwar ohne arglistigem Zusammenwirken mit dem über die Wohnung verfügenden Ehegatten schon dann vorliegen, wenn der Dritte Kenntnis vom dringenden Wohnbedürfnis des auf die Wohnung angewiesenen anderen Ehegatten hat (RS0015114). Der auf die bisherige Ehewohnung angewiesene Ehegatte kann gegen die Versteigerung einer im Miteigentum des Ehepartners und eines Dritten stehende Liegenschaft Widerspruch nur dann erheben, wenn die Miteigentümer in bösgläubigem Zusammenspiel das Exekutionsverfahren nach § 352 EO zu dem Zweck missbrauchen, den Ehegatten um seine Wohnmöglichkeit in der bisherigen Ehewohnung zu bringen (3 Ob 61/01v).

[11] 3.6. Der Wohnungserhaltungsanspruch des Ehegatten wäre aber gemäß § 97 Abs 2 ABGB ausgeschlossen, wenn der Wohnungsverlust durch die Umstände erzwungen ist, der verfügungsberechtigte Ehegatte etwa aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen zur Wohnungsaufgabe genötigt wäre (7 Ob 72/08a).

[12] 3.7. Ein arglistiges Zusammenwirken sämtlicher (!) Miteigentümer bei Ausübung des Zivilteilungsanspruchs wurde weder behauptet noch festgestellt. Dass die Kläger – wie die Nebenintervenientin behauptet – das Bewohnen der Haushälfte des Beklagten durch sie kannten oder jedenfalls kennen mussten, reicht nicht aus. Dass die Kläger auch die weiteren Voraussetzungen des Wohnungserhaltungsanspruchs nach § 97 ABGB kennen hätten müssen, wurde nicht behauptet.

[13] 3.8. Nach der im Einzelfall nicht korrekturbedürftigen und auf höchstgerichtliche Rechtsprechung gestützten Auffassung des Berufungsgerichts könnte der obligatorische Wohnanspruch der Nebenintervenientin gegenüber dem Beklagten angesichts ihres Lebensalters (vgl RS0013277 [T4, T6] im Übrigen nur dann den Unzeiteinwand begründen, wenn dieser Anspruch bei Zivilteilung weiter gesichert und auch gegenüber einem Erwerber bestehen bliebe, was dessen Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen voraussetzen würde. Dass sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung 5 Ob 209/10m berief, ist nicht zu beanstanden. Auch nach dieser Entscheidung (die das aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB abgeleitete Wohnrecht betraf) wäre es Sache des Beklagten, für die Aufnahme des obligatorischen Wohnrechts der Nebenintervenientin in die Versteigerungsbedingungen zu sorgen; dass dies gelingen würde, haben aber weder er noch die Nebenintervenientin behauptet und ist angesichts der Prozessführung auszuschließen. Wenn das Berufungsgericht daher davon ausging, das nicht dinglich abgesicherte obligatorische Wohnrecht der Nebenintervenientin würde hierbei Zivilteilung erlöschen, begegnet dies keinen Bedenken im Einzelfall.

[14] 4.1. Auch die Auffassung der Vorinstanzen, der Nachteil eines nahen Angehörigen des Teilungsbeklagten begründe nicht das Teilungshindernis des Nachteils der Übrigen, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RS0013336 [T12]). Zwar könnte nach der Rechtsprechung ein Teilungshindernis vorliegen, wenn die Feilbietung die Obdachlosigkeit der (ehelichen) minderjährigen, noch nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder zur Folge hätte, sofern dem beklagten Ehegatten die Pflege und Erziehung zukommt (RS0013312). Zu 5 Ob 197/13a hielt der Fachsenat dazu fest, dass die Eltern nach § 137 Abs 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013 das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern und ihnen Fürsorge, Geborgenheit sowie eine sorgfältige Erziehung zu gewähren hätten, wozu unter anderem eine angemessene Wohnversorgung iSd § 138 Z 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 zähle. Dort ging es um eine besondere Rücksichtnahme des geldunterhaltspflichtigen Klägers auf die Bedürfnisse seines Sohnes, der mit einer Amputation belastet war.

[15] 4.2. Diese Judikatur ist auf den hier zu beurteilenden Fall aber nicht anwendbar; einerseits ist die Obsorge für ein minderjähriges Kind nicht mit der Verpflichtung zum Wohnungserhalt nach § 97 ABGB gegenüber einer volljährigen Ehegattin vergleichbar. Andererseits wendeten – wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannten – weder der Beklagte noch die Nebenintervenientin ein, dass eine Feilbietung deren Obdachlosigkeit zur Folge hätte. Auch das Teilungshindernis des Nachteils der Übrigen wurde daher in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint. Da es zu der von der Revisionswerberin angesprochenen Interessenabwägung diesfalls gar nicht kommt, hat der Umstand, dass die Nebenintervenientin über Jahrzehnte in diesem Haus lebt, unberücksichtigt zu bleiben (RS0013325 [T4]).

[16] 5.1. Zur Frage der Rückforderung von Investitionskosten durch die Nebenintervenientin, die angeblich einen Nachteil des Beklagten begründen könnten, wird ebenso keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Ein Investitionskostenersatz würde jedenfalls einen über die Dauer der Nutzung durch die Nebenintervenientin hinaus wirksamen Nutzen für den Beklagten, ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag einen klaren überwiegenden Vorteil des Beklagten (§ 1037 ABGB) erfordern.

[17] 5.2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, selbst eine daraus erwachsene Rücksichtnahmepflicht der teilungswilligen Kläger könne nicht soweit gehen, dass sie sich einen Teilungsaufschub gefallen lassen müssen, damit (bis) der Beklagte keinen (allfälligen) Ansprüchen der Nebenintervenientin, gegenüber der er – ohne Mitwirkung der Miteigentümer – familien‑ und schuldrechtliche Verpflichtungen ohne ausreichende Vorkehrungen zur Sicherstellung ihrer Erfüllbarkeit einging, mehr ausgesetzt ist, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Hiezu fehlt es auch an Vorbringen des Beklagten und der Nebenintervenientin dazu, bis zu welchem Zeitpunkt deren Investitionen als amortisiert anzusehen wären, und damit zur Beurteilung der Frage, ob es sich um ein bloß vorübergehendes Hindernis handelt.

[18] 6. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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