European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00195.23Z.0220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es – unter Einschluss des unbekämpften Teils – insgesamt wie folgt lautet:
„Die Erbengemeinschaft der klagenden Partei zu 1/3-Anteil einerseits und der erstbeklagten Partei zu 1/3‑Anteil und der zweitbeklagten Partei zu 1/3-Anteil andererseits an dem mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts * vom *, eingeantworteten Nachlass nach dem am * verstorbenen, zuletzt wohnhaft in *, gewesenen J* ist hinsichtlich der Aktiva-Positionen 1, 2, 3, 5, 6, 7 und 8 laut Inventar vom 16. September 2021, nämlich
1. 1/1 Anteil an GST * in EZ * KG * samt Baulichkeiten;
2. 1/1 Anteil an GST * (unbebaut) in EZ * KG *;
3. 1/1 Anteil an GST * (unbebaut) in EZ * KG *;
5. * Guthaben für 146 Mitgliedsanteile;
6. nachlassgegenständliche Fahrnisse in *;
7. Zugmaschine *;
8. Traktor Seilwinde *;
durch gerichtliche Feilbietung entsprechend den vorgenannten Anteilen aufzuheben.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 17.626,99 EUR (darin enthalten 2.149,31 EUR an USt und 4.731,10 EUR an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Streitteile sind je zu einem Drittel Erben nach dem am * 2018 verstorbenen J*, der mit der Erstbeklagten verheiratet war. Diese hatte im Verlassenschaftsverfahren ihr gesetzliches Vorausvermächtnis gemäß § 745 ABGB an der im Haus *, gelegenen Ehewohnung geltend gemacht.
[2] Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Erbengemeinschaft an dem eingeantworteten Nachlass durch gerichtliche Feilbietung von näher genannten Inventarpositionen, ua drei Liegenschaften, entsprechend den Erbanteilen aufzuheben. In dritter Instanz ist nur mehr jene Liegenschaft mit dem Wohnhaus streitverhangen, das die vormalige Ehewohnung, ein vom Zweitbeklagten gemietetes Geschäftslokal sowie Appartements beinhaltet (Position 1 laut Klage). Nach Ansicht der Klägerin wäre eine Realteilung aufgrund der gemischten, nicht in drei gleichwertige Teile trennbaren Nutzung unmöglich, eine Zivilteilung durch gerichtliche Feilbietung hingegen ohne weiteres durchführbar, weil die Liegenschaft unter Mitübertragung des Vorausvermächtnisses verwertet werden könne. Teilungshindernisse, für welche die Beklagten behauptungs- und beweispflichtig seien, seien deren Vorbringen nicht zu entnehmen, zumal es sich um bloß vorübergehende Zustände handeln müsste.
[3] Die Beklagten hielten diesem Vorbringen das gesetzliche Vorausvermächtnis der Erstbeklagten und das Bestandverhältnis des Zweitbeklagten entgegen. Das Teilungsbegehren erfolge deswegen zur Unzeit.
[4] Das Erstgericht gab der Erbteilungsklage statt, nicht jedoch hinsichtlich der Liegenschaft mit der Ehewohnung. Zwar sei insoweit eine Realteilung unstrittiger Maßen unmöglich, das Vorausvermächtnis stünde allerdings gemäß der Entscheidung 6 Ob 233/04i einer Zivilteilung durch Feilbietung entgegen, um nicht den mit § 745 ABGB intendierten Erhalt der Ehewohnung zu vereiteln.
[5] Das Berufungsgericht gab einer von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision wegen der Einzelfallbezogenheit von Teilungshindernissen nicht zu.
[6] Der Oberste Gerichtshof habe zwar in seiner Entscheidung 5 Ob 209/10m festgehalten, dass das Wohnrecht auch bei einer Zivilteilung durch die Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen gesichert werden könne. Die Klägerin habe sich in erster Instanz zur Entkräftung der die Beklagtenseite treffenden Behauptungs- und Beweislast aber nicht (ausreichend) darauf gestützt, dass sie (und die weiteren Erben) verpflichtend für die Aufnahme des obligatorischen Wohnrechts in die Versteigerungsbedingungen zu sorgen hätten und dies das Vermächtnis sichern würde. Im Übrigen sei für den Einwand der Unzeit beachtlich, ob der Wegfall der Belastung absehbar sei, wofür etwa die statistische Lebenserwartung herangezogen werden könne. Das Vorbringen der Klägerin scheitere auch insoweit am Neuerungsverbot sowie am Konkretisierungserfordernis.
[7] Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin, die angefochtenen Entscheidungen in eine gänzliche Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Beklagten beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
[9]
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen einer aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zulässig und dementsprechend auch berechtigt.
[10] 1. Die Rechtsgemeinschaft der Erben wird durch Erbteilung aufgehoben, die von jedem Miterben vor oder nach der Einantwortung verlangt werden kann. Kommt keine Einigung zustande, ist die Aufhebung mit Erbteilungsklage durchzusetzen (RS0012311), einer Teilungsklage nach § 830 ABGB (RS0113831 [T6]).
[11] 2. Der Erstbeklagten ist zwar beizupflichten, dass eine Realteilung der Zivilteilung grundsätzlich vorgeht (vgl § 843 ABGB; RS0013236). Ihrer dahingehenden Argumentation in der Revisionsbeantwortung ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie in der Tagsatzung vom 1. Februar 2023 schließlich selbst von einer Entwertung des Appartementhauses durch Parifizierung und einer „Sinnlosigkeit“ der Realteilung ausging, weswegen die Vorinstanzen zu Recht einen unstrittigen Umstand annahmen.
[12] 3. Damit bleibt nur zu prüfen, ob eine Zivilteilung im Sinn des § 830 ABGB zur Unzeit oder zum Nachteil der Übrigen erfolgen würde. Dabei handelt es sich um zwei selbständige Teilungshindernisse (RS0013269), die die nach Treu und Glauben bestehende Verpflichtung der Miteigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme konkretisieren (vgl RS0013246).
[13] Unzeit ist ein objektiver, außerhalb der Beteiligten bestehender und für alle in gleicher Weise wirkender Umstand, der die Teilung zwar nicht verhindert, aber zur gegebenen Zeit unzweckmäßig und für beide Teile schädigend macht, insbesondere, weil sich kein angemessener Preis erzielen lässt (RS0013287 [T2]). Der Nachteil der Übrigen bildet ein selbständiges Teilungshindernis, kraft dessen auch subjektiv einen Teilhaber betreffende Umstände berücksichtigt werden können. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass es sich um bloß vorübergehende Umstände handelt, die in Bälde wegfallen werden oder beseitigt werden können (RS0013287 [T13]; vgl auch RS0013321; RS0013336; RS0013329).
[14] 4. Aus der Unbedingtheit des Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft ergibt sich, dass das Teilungsbegehren keiner Begründung aus der Interessenlage der klagenden Partei bedarf. Die beklagte Partei trifft dagegen die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Teilungshindernissen. Hiebei genügt aber nicht schon die allgemeine Behauptung, das Begehren werde zur Unzeit oder zum Nachteil der Übrigen erhoben. Es müssen vielmehr konkrete Umstände dargetan werden, die ein Teilungshindernis begründen können (RS0013247; vgl auch RS0013249 [T3]; jüngst 2 Ob 113/22i Rz 33). Der Teilungsgegner hat zudem alle Umstände zu behaupten, die zur Beurteilung erforderlich sind, ob das behauptete Hindernis in Bälde wegfallen wird (RS0013247 [T2]).
[15] 5. Davon ausgehend erweist sich die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Behauptungslast als unvertretbar. Die damit belasteten Beklagten brachten lediglich vor, dass das Vorausvermächtnis sowie das Bestandverhältnis Teilungshindernisse seien und das Begehren zur Unzeit erhoben worden sei. Weder legten sie dar, warum die Erstbeklagte – entgegen den Klagsbehauptungen zur Mitübertragbarkeit – ihr Vorausvermächtnis „verlieren“ würde, noch, dass diese Umstände in absehbarer Zeit wegfallen bzw beseitigt werden würden. Dafür ergeben sich auch aus dem Verfahren keine Anhaltspunkte, stellte die Erstbeklagte, deren Alter und statistische Lebenserwartung nie von den Beklagten thematisiert worden war, doch nur unpräjudiziell in den Raum, sich das Vorausvermächtnis gegebenenfalls ablösen zu lassen. Auch der Mietvertrag soll nach den Feststellungen auf unbestimmte Zeit weiterbestehen.
[16] 6. Richtig ist zwar, dass der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 233/04i im Hinblick auf den Schutzzweck des § 745 ABGB (vormals § 758 ABGB) festhielt, ein aus dem gesetzlichen Vorausvermächtnis erfließendes Recht der Witwe, die Ehewohnung im bisherigen Umfang weiterzubenutzen, könne nach den Umständen des Einzelfalls das einer Teilung der Liegenschaft entgegenstehende Hindernis der Unzeit verwirklichen (vgl auch RS0119599; 5 Ob 125/09g). In der Entscheidung 5 Ob 209/10m stellte er jedoch klar, dass auch eine Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen das obligatorische Wohnrecht sichere und die Erben bei Veräußerung der Wohnung ihre Pflichten aus dem gesetzlichen Vermächtnis dem Rechtsnachfolger überbinden müssten (in diesem Sinn ebenso 5 Ob 191/03d, 5 Ob 144/18i; vgl auch RS0109815; RS0013795).
[17] 7. Da ein Vorausvermächtnis im Sinn der Rechtsprechung nicht per se einer Zivilteilungsklage entgegensteht und kein zwingendes Teilungshindernis darstellt, wäre es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts an den Beklagten gelegen darzustellen, warum die Liegenschaft hier nicht unter Mitübertragung des Vorausvermächtnisses verwertet werden könnte. Die Klägerin war hingegen nicht verhalten, ihr Vorbringen näher zu konkretisieren.
[18] 8. Der Revision war daher Folge zu geben und die Erbteilung durch gerichtliche Feilbietung im Sinn der §§ 830, 843 ABGB iVm §§ 352 ff EO auch hinsichtlich der Wohnliegenschaft anzuordnen. Zur Klarstellung waren dabei die konkreten, in der Klage genannten Inventarpositionen auch in das Klagebegehren aufzunehmen (vgl RS0039357).
[19] 9. DieKostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren betrug die Bemessungsgrundlage nur mehr 25.000 EUR.
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