Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin enthalten S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit 15. 12. 1967 verheiratet. In den Jahren 1959/1960 erwarben die späteren Ehegatten die klagsgegenständliche Liegenschaft und errichteten in der Folge darauf ein Haus. Die Kosten für den Erwerb des Grundstückes und die Errichtung des Hauses trug jeder etwa zur Hälfte. Im Grundbuch wurde jedoch nur der Mann als Eigentümer einverleibt. Ab 1962 bewohnten sie dieses Haus gemeinsam. 1983 wollte sich der Ehemann, der eine außereheliche Beziehung eingegangen war, von der Klägerin scheiden lassen. Zu einer Scheidung kam es zwar bisher nicht, doch zog er Ende 1983 aus dem gemeinsamen Haus aus. Er drängte zum gleichen Zeitpunkt die Klägerin aus dem gemeinsamen Unternehmen, in dem sie bis dahin voll mitgearbeitet hatte, hinaus.
Schon vor seinem Auszug hatte der Ehemann das Eigentum an der Liegenschaft mit Schenkungsvertrag an seine Schwester übertragen. Diese kannte die familiären Verhältnisse ihres Bruders und der Klägerin gut. Im Schenkungsvertrag ist auch ausdrücklich festgehalten, dass ihr die Liegenschaft genau bekannt ist und sie diese mit denselben Rechten, Grenzen und Verbindlichkeiten, mit welchen sie der Geschenkgeber bisher besessen und benützt hat oder zu benützen und zu besitzen berechtigt gewesen ist, übernimmt. Die Klägerin erfuhr damals weder von der Schenkung noch von der daraufhin erfolgten grundbücherlichen Durchführung der Eigentumsübertragung. Von dieser Tatsache wurde sie erst 1985 in Kenntnis gesetzt, als ihr Ehemann das Haus gemeinsam mit zwei Männern, die sie der beklagten Partei zuordnete, zum Zwecke der Schätzung des Liegenschaftswertes besichtigte. Damals trat ihr Ehemann als Vertreter für seine Schwester und Liegenschaftseigentümerin auf. Für die beklagte Partei war bei der Befundaufnahme ein bei der Bundesgebäudeverwaltung beschäftigter Beamter anwesend, der für sie Liegenschaftskäufe durchführte. Sie hatte damals von der öffentlichen Hand Gelder erhalten, um in der Flughafenlärmzone stehende Häuser abzulösen. Die Klägerin sprach damals den Beamten darauf an, dass das Haus von ihr bewohnt werde und die Ehewohnung sei. Auch später wandte sie sich mehrmals an ihn, weil sie sich Sorgen um ihre Wohnversorgung machte. Ihr war klar geworden, dass die beklagte Partei die Liegenschaft erwerben wolle. Der Beamte erklärte der Klägerin bei diesen Gelegenheiten jeweils, dass Eigentümerin ihre Schwägerin sei und es für die beklagte Partei keinerlei Relevanz habe, wie sie in den Besitz der in Rede stehenden Liegenschaft gekommen sei. Ebenso hätten für die Käuferin die Eheprobleme des Rechtsvorgängers der Verkäuferin keinerlei Bedeutung.
Mit Kaufvertrag vom 9. bzw 22. 12. 1987 ((mit einem Nachtrag vom 17. 8./21. 12. 1994)) erwarb die beklagte Partei die Liegenschaft. Ein Kaufpreisteilbetrag sollte erst nach Übergabe der Liegenschaft zur Zahlung fällig sein. Die beklagte Partei räumte der Verkäuferin dabei das Recht ein, den Kaufgegenstand im bisherigen Umfang bis zum 31. 12. 1989 zu benützen. Spätestens bis zu diesem Zeitpunkt sei das Kaufobjekt zu räumen und der Käuferin geräumt zu übergeben.
Die Klägerin wurde vom Kauf der Liegenschaft durch die beklagte Partei nicht in Kenntnis gesetzt. Sie bewohnte das Haus wie bisher weiter. Ihre Schwägerin hatte in diesem Haus ohnedies niemals gewohnt. Als die Klägerin in der Folge mehrmals juristischen Rat suchte, wurde ihr die Auskunft erteilt, diese Angelegenheit werde im Rahmen des von ihrem Ehemann im Februar 1984 eingeleiteten Scheidungsverfahrens erledigt. Dementsprechend unternahm sie vorerst nichts.
Mit Schreiben vom 3. 2. 1988 stellte die Bundesgebäudeverwaltung II dem Rechtsvertreter der Klägerin gegenüber klar, dass nicht sie selbst, sondern ihr Bediensteter namens der beklagten Partei die Liegenschaftsankäufe administriere. Sie übermittelte dem Rechtsvertreter aber dessen Stellungnahme zu deren Anliegen. Die beklagte Partei habe allein mit der Verkäuferin bzw mit dem sie vertretenden Ehemann der Klägerin Verhandlungen geführt, weil die Verkäuferin bereits grundbücherliche Eigentümerin gewesen sei. Aus diesen Verhandlungen resultierend sei ein Kaufvertrag abgeschlossen worden. Da es für die Käuferin nicht von Relevanz sei, wie die Verkäuferin in den Besitz der Liegenschaft gekommen sei, habe auf die Interessen der Klägerin sowohl in den Verkaufsverhandlungen als auch im Rahmen des Vertrages nicht eingegangen werden können.
Im Jahr 1989 klagte die Klägerin ihre Schwägerin auf Unterlassung der Veräußerung der Liegenschaft ohne Überbindung ihres Wohnrechtes. Mit einstweiliger Verfügung vom 14. 12. 1989 wurde dieser verboten, die Liegenschaft ohne Überbindung des Wohnrechtes der Klägerin zu veräußern. Dieses Verbot wurde mit Versäumungsurteil vom 27. 11. 1990 gerechtfertigt. Beide Entscheidungen kamen ohne Beteiligung der beklagten Schwägerin zustande.
Auf ein weiteres vom Vertreter der Klägerin an die Bundesgebäudeverwaltung II gerichtetes Schreiben teilte diese mit, dass die Liegenschaft bereits vor Ergehen der gerichtlichen Entscheidungen, nämlich im Dezember 1987, erworben worden sei. Sollte die Freimachung der Liegenschaft nicht möglich sein, wäre die nunmehr beklagte Partei berechtigt, die Lastenfreistellung unter Anrechnung auf den Kaufpreis selbst vorzunehmen. Es werde daher ersucht, Möglichkeiten zu einer raschen Erledigung der Angelegenheit bekannt zu geben.
Die Klägerin bot daraufhin eine Lösung dahingehend an, dass ihr der restliche Kaufpreis und ein weiterer Betrag für die Übernahme der Verpflichtung zur Räumung überlassen werde. Zu einer derartigen Regelung kam es in der Folge nicht.
Im Jahr 1995 beantragte die beklagte Partei die grundbücherliche Durchführung des von ihr mit der Schwägerin der Klägerin abgeschlossenen Kaufvertrages. Mit Schreiben vom 14. 11. 1995 forderte sie in diesem Zusammenhang die Verkäuferin auf, ihrer Räumungsverpflichtung nachzukommen.
Am 10. 11. 1998 schloss die beklagte Partei mit der Verkäuferin einen prätorischen Räumungsvergleich, worin sich diese verpflichtete, das gegenständliche Haus bis längstens 20. 11. 1998 zu räumen. Die Tatsache der Nutzung des Hauses durch die Klägerin wird in diesem Vergleich nicht erwähnt. Mit Beschluss vom 26. 11. 1998 wurde der beklagten Partei auf Grund dieses Vergleiches die Räumungsexekution gegen die Schwägerin der Klägerin bewilligt.
Das gegenständliche Haus war sowohl im Jahr 1983 wie auch 1987 für die Klägerin die einzige Möglichkeit zur Wohnversorgung. Sie war zwar bis zum Jahr 1987 zu einem Viertel Eigentümerin eines anderen Hauses, schenkte aber diesen Anteil 1987 ihrem Sohn, weil er für sie von keinem Wert war. Mehrheitseigentümer des Hauses war nämlich ihr Ehemann. Dieser machte die Hausverwaltung, vereinnahmte die Mietzinse allein und hätte der Klägerin dort niemals eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Wohnungen standen damals auch gar nicht frei.
Mit ihrer Klage erhob die Klägerin gegen die von der beklagten Partei geführte Exekution Widerspruch nach § 37 EO mit der Begründung, dass ihr am Hause samt Garage ein Wohn- und Nutzungsrecht zustehe, das die Exekution unzulässig mache.
Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, dass ihre Schwägerin ebenso wie die beklagte Partei Kenntnis von dem der Klägerin zustehenden, aus dem Eherecht abgeleiteten Wohn- und Nutzungsrecht gehabt hätten. Sie hätten auch gewusst, dass sie nach wie vor in diesem Haus wohne und auf die Wohnversorgung darin angewiesen sei. Ihre Schwägerin habe ungeachtet des gegen sie ergangenen gerichtlichen Verbotes die Liegenschaft ohne Bezug auf ihre Rechte verkauft. Die beklagte Partei habe jedenfalls vor Einverleibung ihres Eigentumsrechtes die Umstände durch die Korrespondenz und die Übermittlung der gerichtlichen Entscheidungen gekannt. Sie habe offenbar auf Grund dieser Kenntnis vereinbart, dass ein Betrag vom Kaufpreis einbehalten werde, bis das Haus geräumt werden könne. Die beklagte Partei müsse ihre Rechte des Bewohnens und der Nutzung des Hauses gegen sich gelten lassen und könne daher die Räumung des Hauses von ihr nicht begehren.
Schon anlässlich der Verhandlungen wegen des Ankaufes des Hauses sei die beklagte Partei über ihre familienrechtlichen Ansprüche informiert worden. Sie habe dieses Recht auch bewertet. Sie müsse sich die Handlungen ihrer die Verhandlungen führenden Vertreter zurechnen lassen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandte zusammengefasst ein:
Die persönlichen Verhältnisse familienrechtlicher Natur der Klägerin seien ihr nicht bekannt. Sie wisse lediglich, dass die Klägerin im Parterre des Hauses wohne. Zwischen der Verkäuferin und der Klägerin sei kein wie immer geartetes Rechtsverhältnis begründet worden, weshalb die Klägerin das Haus ohne Rechtstitel bewohne. Sie habe das Haus aus Lärmschutzgründen gekauft. Die gerichtlichen Entscheidungen seien ohne prozessuale Mitwirkung der Verkäuferin erfolgt, weil diese der Auffassung gewesen sei, dass sie den gerichtlichen Anordnungen mit Rücksicht auf den zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Kaufvertrag ohnehin nicht folgen könne. Im Zuge der Verkaufsverhandlungen sei für sie (beklagte Partei) ein Beamter der Bundesgebäudeverwaltung als Konsulent tätig gewesen. Auch gegenüber dem bei der Schätzung anwesenden Sachverständigen sei im August 1996 von keiner Seite irgendein Wohnrecht oder sonstiger Titel zur Nutzung der Wohnung durch die Klägerin angesprochen worden.
Die häusliche Gemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann, dem Bruder der Verkäuferin, sei bereits im Jahr 1970 aufgehoben worden. Seit 1983 sei der Ehemann über die Wohnung überhaupt nicht mehr verfügungsberechtigt. Die Klägerin habe daher kein Recht auf Benützung der Liegenschaft. Im Übrigen könnte dieses nur gegenüber dem Ehegatten geltend gemacht werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Urteil statt. Es traf im Wesentlichen die zu Beginn der Entscheidungsgründe wiedergegebenen Feststellungen. Diese unterzog es folgender rechtlicher Beurteilung:
Der Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB richte sich als solcher an sich nur gegen den anderen Ehegatten. Der Oberste Gerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung und in Überstimmung mit der Lehre jedoch die Ansicht, dass ausnahmsweise auch ein Dritter zu (grundsätzlich in der Naturalrestitution bestehendem) Schadenersatz verpflichtet sei, sofern die Voraussetzungen der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte zu bejahen sind. Der Ehegatte, der ein dringendes Wohnbedürfnis hat, sei somit nach herrschender Auffassung auch gegenüber dem schlechtgläubigen Erwerber der Wohnung geschützt und könne diesem, etwa dessen Räumungsklage, seinen familienrechtlichen Wohnungsbewahrungsanspruch mit Erfolg entgegenhalten. Der geschützte Ehegatte könne selbst noch im Exekutionsverfahren seine Ansprüche gegen den betreibenden Gläubiger mittels Widerspruches nach § 37 EO geltend machen. Der Anspruch auf Naturalrestitution bedeute nicht die Rückabwicklung des Rechtsgeschäftes zwischen dem verfügenden Ehegatten und dem Dritten, sondern nur die Wiederherstellung und Duldung der ungeschmälerten Wohnungsbenützung. Die Wirksamkeit einer Veräußerung und Aufkündigung der Wohnung bleibe also unberührt (RIS-Justiz RS0009661, zuletzt 1 Ob 221/99b; Schwimann in Schwimann2 § 97 ABGB Rz 10 ff). Die Voraussetzungen für eine schadenersatzbegründende Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte lägen jedenfalls bei einem dolosen bzw arglistigen Zusammenwirken vor. Diesem werde aber die Kenntnis des Dritten vom Wohnungsbenützungsbedürfnis des Ehegatten gleichgesetzt. Die jüngere Rechtsprechung bejahe eine Schadenersatzpflicht darüber hinaus auch schon dann, wenn der Dritte das durch Besitz verstärkte Forderungsrecht zwar nicht kannte aber bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen hätte müssen. Bei Verletzung eines besitzverstärkten Forderungsrechtes sei zur Durchsetzung des Restitutionsanspruches also bereits ausreichend, dass der Erwerber die obligatorische Position des wohnungsbedürftigen Ehegatten kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (vgl 1 Ob 221/99b; gegen eine Schadenersatzpflicht schon bei schuldhafter Unkenntnis des Dritten Schwimann aaO Rz 11 unter Hinweis auf andere Lehrmeinungen).
Nach den Feststellungen seien sowohl die Schwägerin der Klägerin als auch die beklagte Partei zum maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Dispostion über das klagsgegenständliche Haus darüber informiert gewesen, dass dieses von der Klägerin bewohnt werde bzw dieses die Wohnungsversorgung der Klägerin darstelle. Die beklagte Partei müsse sich dabei das Wissen und die Erklärungen des Beamten zurechnen lassen, der für sie die Verkaufsverhandlungen geführt und die Ablöse der Liegenschaft administriert habe. Nach den dargelegten Grundsätzen sei daher die Drittwirkung des der Klägerin gegenüber dem Ehegatten zustehenden Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB gegenüber der beklagten Partei zu bejahen. Das behauptete Nichtvorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses wegen Bestehens einer ausreichenden Ersatzwohnung sei im Beweisverfahren nicht verifiziert worden. Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes mache es nach dem Zweck des § 97 ABGB auch keinen Unterschied, dass die beklagte Partei das Haus nicht direkt vom Ehegatten der Klägerin, sondern von dessen Schwester erworben habe. Dieses sei nämlich ihrerseits schlechtgläubig gewesen. Sie habe die Liegenschaft von ihrem Bruder geschenkt bekommen und habe sich beim Liegenschaftsverkauf an die Beklagte von eben diesem vertreten lassen. Die in der Verpflichtung zur Wiederherstellung diese Duldung der ungeschmälerten Wohnungsbenützung bestehende Schadenersatzpflicht der beklagten Partei bestehe insbesondere, weil sie nach dem Verhalten ihres Vertreters Näheres ausdrücklich nicht erfahren habe wollen. Auf Grund ihres Kenntnisstandes wäre sie nämlich jedenfalls verpflichtet gewesen, entsprechende Erkundigungen darüber einzuholen, ob die Voraussetzungen für einen Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB vorliegen.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei.
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der von der beklagten Partei geltend gemachten Verfahrensmängel und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und legte sie seiner Entscheidung zugrunde.
Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes bezeichnete das Berufungsgericht nach § 500a ZPO als zutreffend, die Ausführungen in der Berufung hingegen, als nicht stichhältig. Ergänzend führte das Berufungsgericht noch aus:
Durch die Übernahme der Liegenschaft mit denselben Rechten, Grenzen und Verbindlichkeiten, wie sie der Ehemann der Klägerin als Geschenkgeber gehabt hatte, habe sie auch das sich aus § 97 ABGB ergebende Recht zur Wohnungsbenützung durch die Klägerin zu dulden. Diese Verpflichtung habe wiederum die beklagte Partei zu übernehmen, und zwar auch dann, wenn sie vom Ehegatten der Klägerin, welcher als Vertreter seiner Schwester fungierte, hierüber nicht aufgeklärt worden sei. Die beklagte Partei habe zumindest Kenntnis vom dringenden Wohnbedürfnis der Klägerin gehabt. Sie müsse sich nämlich die Kenntnis des Beamten, den sie selbst als ihren Konsulenten bezeichnet, zurechnen lassen. Dieser habe nicht nur gesehen, dass die Liegenschaft nach wie vor von der Klägerin bewohnt und benützt wurde, diese habe ihm auch sogar mitgeteilt, dass sie das Haus bewohne und es sich um die Ehewohnung handle. Er habe es nicht nur unterlassen, sondern sogar abgelehnt, Erkundigungen darüber einzuholen, ob und allenfalls welchen rechtlichen Hintergrund dieses Wohnen und Benützen haben könnte (vgl NZ 1988, 98 mwN). Die beklagte Partei habe daher - ohne dass dabei die an sie zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannt würden - bei Vertragsabschluss nicht annehmen dürfen, die klagende Partei benütze die Liegenschaft titellos. In Anlehnung an die zur Frage der Offenkundigkeit einer Wohnungsdienstbarkeit ergangenen Entscheidungen (vgl JBl 1996, 458; MietSlg 49.189 mwN) habe die beklagte Partei den Wohnungserhaltungsanspruch der Klägerin gegen sich gelten zu lassen, auch wenn sie nicht direkt vom verfügungsberechtigten Ehegatten erworben habe. Andernfalls könnte nämlich durch Zwischenschalten eines Erwerbers der Anspruch des "wohnungsbedürftigen" Ehegatten vernichtet werden.
Da zur Frage ob (inwieweit) auch ein weiterer Erwerber als "Dritter" im Sinne der bisherigen Judikatur zu § 97 ABGB anzusehen ist, liege soweit überblickbar keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei, mit der sie die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin begehrt, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung begehrt die klagende Partei die Bestätigung der Urteile der Vorinstanzen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig.
Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Sache ist der Rechtsansicht der Vorinstanzen beizupflichten, selbst wenn man entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes in der vom Erstgericht festgestellten Passage des Schenkungsvertrages zwischen dem Ehemann der Klägerin und seiner Schwester, der Verkäuferin, nicht eine vertragliche Übernahme seiner Verpflichtungen nach § 97 ABGB sieht.
Auszugehen ist zunächst von der Feststellung der Tatsacheninstanzen, dass die Schwester des Ehemannes der Klägerin deren familiäre Verhältnisse (im Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages mit dem Ehemann, ihrem Bruder) gut kannte. Das bedeutet aber, dass sie nicht nur wusste, dass es sich dabei um die bisherige Ehewohnung handelte, welche der Ehemann der Klägerin verlassen hatte, sondern auch, dass der Klägerin keine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung stand. Damit waren ihr aber auch die Voraussetzungen des der Klägerin gegen ihren Ehemann zustehenden Anspruches nach § 97 ABGB bekannt. Dieser Wohnungserhaltungsanspruch richtet sich nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur gegen den anderen, verfügungsberechtigten Ehegatten (Schwimann in Schwimann, ABGB2 § 97 Rz 10; ebenso Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 97 Rz 5). Nach insoweit übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre besteht aber auch ein Schadenersatzanspruch gegen Dritte, und zwar jedenfalls dann, wenn diese mit dem verfügungsberechtigten Ehegatten arglistig zusammenwirken, jedoch auch bereits dann, wenn der Dritte das Wohnungsbenützungsbedürfnis des Ehegatten kennt (Schwimann aaO Rz 11; Stabentheiner aaO Rz 6; 1 Ob 221/99b = ÖBA 2000, 925 mwN). Damit stand aber der Klägerin gegen ihre Schwägerin mit dem Abschluss des Schenkungsvertrages auch gegen diese ein auf Duldung der ungeschmälerten Wohnungsbenützung gerichteter Anspruch zu (Schwimann aaO Rz 12 mN). Außerdem hätte sie jedenfalls ihrer Schwägerin, hätte diese, wovon nach den tatsächlichen Feststellungen keine Rede ist, versucht, die Klägerin durch eine Räumungsexekution von der Liegenschaft zu entfernen, einen Exszindierungsanspruch entgegenhalten können (SZ 60/281 = EvBl 1988/57; 3 Ob 70/00s).
Zu Unrecht wendet die beklagte Partei in der Revision wiederholt ein, dass die Klägerin es unterlassen habe, ihren Anspruch nach § 97 ABGB gegenüber ihrem Ehemann geltend zu machen. Dabei lässt sie außer Acht, dass, wie dargelegt, der Anspruch nur gegen den verfügungsberechtigten Ehegatten zusteht. Diese Verfügungsberechtigung war aber spätestens mit der Verbücherung des Eigentumsrechtes der Schwägerin der Klägerin erloschen. Einen Anspruch gegen den Ehemann hätte sie damit ab diesem Zeitpunkt gar nicht mit Erfolg geltend machen können. Darüber hinaus steht auch fest, dass sie vom Schenkungsvertrag und von der Einverleibung ihrer Schwägerin als Eigentümerin im Grundbuch zunächst nichts erfahren hatte.
Nach den Feststellungen ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin keineswegs völlig offen, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin die zu räumende Liegenschaft benützt und in welchem Rechtsverhältnis sie zu ihrer Schwägerin betreffend die Liegenschaft stand.
Ebenso wie gegen die Schwägerin, die nunmehrige Verkäuferin der Liegenschaft, steht aber der Klägerin bei richtiger rechtlicher Beurteilung auch gegen die Beklagte als Käuferin der Liegenschaft ein Anspruch auf Naturalrestitution und somit ein Recht zu, welches gemäß § 37 EO die Räumungsexekution unzulässig macht.
Noch vor Abschluss des Kaufvertrages hatte die Klägerin selbst den für die beklagte Partei tätigen Beamten in der Bundesgebäudeverwaltung darauf angesprochen, dass sie das gegenständliche Haus bewohne und dass es sich um die Ehewohnung handle. Es war ihm auch, wie feststeht, bekannt, dass sie die Ehefrau des Voreigentümers der Verkäuferin war. Nun hatte der Oberste
Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 7 Ob 717/80 = EFSlg 35.254
= MietSlg 32.004/38 ausgesprochen, dass sich aus § 97 ABGB ergebende
Befriedigungsrecht des Gläubigers auch gegen über bösgläubigen Dritten geschützt ist. Diese Judikatur wurde unter anderem in den Entscheidungen 3 Ob 622/83 = MietSlg 35.002 und 7 Ob 691/85 = EFSlg 50.258, 51.795 = MietSlg 38.003 bekräftigt. In der letztgenannten Entscheidung wurde auch bereits auf den Schutz des besitzverstärkten Forderungsrecht abgestellt. Unter diesen Umständen bedeutet das Vorgehen des Vertreters der beklagten Partei die Ablehnung der Kenntnisnahme der näheren Umstände des dringenden Wohnbedürfnisses der Klägerin und ihres gegenüber der Verkäuferin bestehenden Rechtes. Diese bewusste Verweigerung der Kenntnisnahme muss aber der positiven Kenntnis gleichgehalten werden, hätte es doch sonst ein besonders raffinierter Erwerber in der Hand, die ihm unangenehmen Rechtsfolgen der Rechtsprechung zu § 97 ABGB dadurch zu vereiteln, dass er sich der Kenntnis der Umstände, die den Rechtschutz des wohnungsbedürftigen Ehegatten ihm gegenüber bewirken, bewusst verschließt (vgl zum Wettbewerbsrecht 4 Ob 331/83 = ÖBl 1984, 95 und weitere E zu RIS-Justiz RS0078587). Demnach steht der Klägerin auch gegenüber der beklagten Partei ein die Räumung hindernden Recht nach § 37 EO zu (vgl 3 Ob 70/00s).
Zuletzt ergibt sich aus den bisherigen Rechtsausführungen bereits, dass der Standpunkt der beklagten Partei, sie dürfe an der Räumung nur bei dolosem Vorgehen gehindert werden, nicht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht. Auch wenn grundsätzlich ein Käufer nicht verpflichtet ist, bei Abschluss eines Kaufvertrages Nachforschungen über das Bestehen eines Anspruches nach § 97 ABGB anzustellen, kann diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht angewendet werden, weil der Vertreter, dessen sich die beklagte Partei für die Vorbereitung des Kaufvertrages bediente, von der Klägerin selbst bereits über ihren Anspruch informiert wurde, weshalb entgegen den Ausführungen in der Revision keine Rede davon sein kann, es hätten keine konkreten Anhaltspunkte für eine Berechtigung der Klägerin bestanden.
Der Revision war damit nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
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