OGH 2Ob183/15y

OGH2Ob183/15y29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 16. April 2013 verstorbenen Dr. I***** D*****, über den Revisionsrekurs der Testamentserbin D***** D*****, vertreten durch Dr. Thomas Marschall, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Mai 2015, GZ 44 R 193/15f‑76, womit infolge Rekurses des Noterben DI Dr. A***** N*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 9. März 2015, GZ 8 A 67/13h‑69, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00183.15Y.0929.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entscheidung lautet:

„1. Dem Gerichtskommissär wird der Auftrag erteilt, von der U***** AG hinsichtlich der am 27. 3. 2013 zur Transaktionsnummer ***** getätigten Überweisung vom Konto des Erblassers Nr ***** ein Duplikat des Überweisungsbelegs beizuschaffen. Die U***** AG wird angewiesen, dem Gerichtskommissär dieses Belegduplikat auszuhändigen.

2. Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss, der in seinen Punkten 3 bis 5 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, in seinen Punkten 1 und 2 aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.“

 

Begründung:

Der am 16. 4. 2013 im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau (die Revisionsrekurswerberin), vier leibliche Kinder und seinen im Jahr 2001 an Kindes statt angenommenen Wahlsohn DI Dr. A***** N*****.

In seinem Testament vom 13. 4. 2012 hatte er seine Ehefrau zur Alleinerbin bestimmt. In Punkt III des Testaments hatte der Erblasser festgehalten, dass seine fünf Kinder zwar Pflichtteilsansprüche hätten, sie jedoch gemäß „§ 540 Abs 2 ABGB“ erbunwürdig seien und weder einen gesetzlichen Erbteil noch einen Pflichtteil erhalten sollten. Er habe seit 20 Jahren „keinen wie immer gearteten Kontakt“ zu seinen Kindern gehabt, welche die sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ergebenden Pflichten ihm gegenüber gröblich vernachlässigt hätten.

Am 31. 7. 2013 gab die Witwe aufgrund des Testaments zum gesamten Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung ab. Das vom Gerichtskommissär erstellte Inventar ergab zunächst Aktiva von 20.036,64 EUR und Passiva von 26.574,49 EUR, somit eine Nachlassüberschuldung von 6.537,85 EUR.

Am 21. 11. 2013 stellten die leiblichen Kinder des Erblassers den Antrag, ein näher bezeichnetes Bankkonto rückwirkend zu öffnen, wobei die Kontobewegungen bis 14 Monate vor dem Todestag des Erblassers einsehbar sein mögen. Sie brachten vor, der Erblasser habe mit Kaufvertrag vom 31. 1. 2013 eine in seinem Alleineigentum stehende „höchst repräsentative“ Villa in P***** um rund 600.000 EUR verkauft. Aufgrund der schweren Erkrankung des Erblassers zu diesem Zeitpunkt sei auszuschließen, dass er das Geld in den wenigen Wochen bis zu seinem Tod „ausgegeben“ habe. Vielmehr sei wahrscheinlich, dass der Verkaufserlös nur kurz auf dem besagten Konto erlegen und dann auf ein Sparbuch oder ein anderes Konto des Erblassers überwiesen worden sei. Davon abgesehen habe der Erblasser wenige Monate vor seinem Tod noch zwei weitere Liegenschaften verkauft, ohne dass diesen Verkäufen ein im Inventar aufgenommener Gegenwert gegenüberstehen würde.

Mit Beschluss vom 16. 12. 2013 gab das Erstgericht dem Antrag statt. Der Rekurs der Witwe wurde mangels Beschwer zurückgewiesen, den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 17. 9. 2014, 6 Ob 142/14x, mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ebenfalls zurück.

In der Folge legte die Bank dem Gerichtskommissär rückwirkend ab 16. 2. 2012 die Kontoumsatzaufstellung vor und verwies darauf, dass allfällige Einzelbelegduplikate bereitgestellt werden könnten. Aus der Aufstellung ergab sich, dass auf dem Konto des Erblassers am 26. 3. 2013 ein Betrag von 539.000 EUR gutgeschrieben und von diesem Konto am 27. 3. 2013 eine Überweisung von 538.845,88 EUR getätigt worden war. Der Überweisungsempfänger und dessen Konto ist in der Aufstellung nicht angeführt. Dieser Vorgang wurde zwar im ergänzten, nun einen reinen Nachlass von 65.944,18 EUR ausweisenden Inventar des Gerichtskommissärs festgehalten, ohne dass er sich aber darin rechnerisch niederschlug.

In der Tagsatzung vom 12. 2. 2015 beantragte der Wahlsohn die Beischaffung eines Einzelbelegduplikats zu der Überweisung vom 27. 3. 2013. Aus der Kontoumsatzaufstellung sei nicht ersichtlich, ob der Betrag auf ein anderes, derzeit nicht bekanntes Konto des Erblassers oder auf das Konto der Witwe überwiesen worden sei. Auch die Witwe sei über das Konto des Erblassers verfügungsberechtigt gewesen. Die leiblichen Kinder schlossen sich dem Antrag an. Die Witwe sprach sich dagegen aus und beantragte die Einantwortung des Nachlasses.

Im Anschluss an diese Tagsatzung legte der Gerichtskommissär den Akt dem Erstgericht „unter Anschluss der protokollierten Anträge vom 12. 2. 2015“ vor. Für den Fall, dass dem Antrag auf Einantwortung stattgegeben werde, ersuchte er um Aktenübermittlung zur Geltendmachung seines Gebührenanspruchs. Dem entsprach das Erstgericht.

Das Erstgericht antwortete die Verlassenschaft der Witwe zur Gänze ein (1), ordnete die Verbücherung von mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteilen an (2) und bestimmte die Gebühren zweier Sachverständiger (3 und 4) sowie des Gerichtskommissärs (5), wobei es die Witwe jeweils zur Zahlung der Gebührenbeträge verpflichtete. Über den Antrag der Noterben wurde nicht abgesprochen, der Beschluss enthält auch keine Begründung dazu.

Das durch den Wahlsohn hinsichtlich der Spruchpunkte 1 und 2 angerufene Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Beschluss im angefochtenen Umfang auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, das Erstgericht habe mit seinem Beschluss implizit den Antrag der Noterben auf Beischaffung eines Einzelbelegduplikats zur fraglichen Transaktion abgewiesen. Die Errichtung des Inventars gehöre, soweit sie wie im vorliegenden Fall geboten sei, zu den „sonstigen Voraussetzungen“ für die Einantwortung iSd § 177 AußStrG. § 166 Abs 2 AußStrG verpflichte das Gericht in jenen Fällen, in denen die Nachlasszugehörigkeit einer Sache bestritten werde, zur Entscheidung darüber, ob diese Sache in das Inventar aufgenommen oder ausgeschieden werde. Strittig sei im konkreten Fall die Nachlasszugehörigkeit von 538.845,88 EUR, die rund drei Wochen vor dem Ableben des Erblassers auf dessen Konto eingegangen und einen Tag später auf ein anderes Konto überwiesen worden seien. Dem Noterben werde in der Rechtsprechung die Möglichkeit zur Stellung von Anträgen zur Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfangs eines vom ursprünglichen Inventar noch nicht erfassten Vermögens des Erblassers eingeräumt. Er solle sich so – unvorgreiflich eines späteren Pflichtteilsprozesses – die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils verschaffen und schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen können. Da mit der Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses das Verlassenschaftsverfahren beendet sei, habe das Erstgericht die dem Schutz der Noterben dienenden Vorkehrungen vor der Einantwortung des Nachlasses zu treffen. Diesem Gedanken habe das Erstgericht durch die begründungslose Einantwortung des Nachlasses ohne vorherige Beischaffung des Einzelbelegduplikats sowie ohne Entscheidung über die Nachlasszugehörigkeit des strittigen Guthabens nicht entsprochen. Damit leide die angefochtene Entscheidung an einem wesentlichen Verfahrensmangel, der ihre Aufhebung unvermeidbar mache.

Es bestehe eine grundsätzliche Auskunftspflicht der Banken an das Verlassenschaftsgericht oder den Gerichtskommissär, es sei denn, es ergebe sich aus der Bezeichnung des Kontos, dass dieses nicht in den Nachlass falle. Dies wäre dann der Fall, wenn „überhaupt kein Anhaltspunkt“ dafür gegeben sei, dass das Konto zu dem im Besitz des Erblassers befindlich gewesenen Vermögen gehört. Davon könne jedoch angesichts der nur rund drei Wochen vor dem Ableben des Erblassers erhaltenen Gutschrift über rund eine halbe Million Euro, der Überweisung dieses Betrags am darauf folgenden Tag, des Fehlens einer plausiblen Erklärung zur Verwendung dieser nicht unbeträchtlichen Mittel und der selbst von der Witwe ins Treffen geführten schweren Krankheit des in einem Hospiz verstorbenen Erblassers keine Rede sein.

Eine Auskunftserteilung könne die Bank jedenfalls insoweit nicht verweigern, als durch die Auskunft nicht in die Rechte allfälliger Kontomitinhaber eingegriffen werde. Das betreffende Konto laute nur auf den Erblasser, in Rechte allfälliger Kontomitinhaber werde daher nicht eingegriffen. Mit Hilfe des Überweisungsbelegs könne geklärt werden, ob die Überweisung auf ein Konto des Erblassers erfolgt sei oder nicht. Dabei handle es sich um eine Ergänzung der rückwirkenden Kontoöffnung, die ansonsten „sinnentleert“ bliebe. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die Bank zur Vorlage des Einzelbelegduplikats aufzufordern und noch vor der neuerlichen Einantwortung über die Nachlasszugehörigkeit des dem Erblasser zugeflossenen Kaufpreises zu entscheiden haben.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Reichweite der einer Einantwortung vorangehenden „Erfüllung der übrigen Voraussetzungen“ iSd § 177 AußStrG noch keine Rechtsprechung vorliege. Dies gelte auch für die Frage, ob durch die Einholung eines Einzelbelegduplikats (allenfalls) auch in Rechte Dritter eingegriffen werde.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Witwe mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Rekurs des Wahlsohns zurückgewiesen, hilfsweise ihm nicht Folge gegeben werde.

Der Wahlsohn beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung (sinngemäß), das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Die Witwe macht geltend, das vom Gerichtskommissär erstellte Inventar sei vollständig, die Voraussetzungen des § 177 AußStrG für die Einantwortung seien erfüllt. Der Wahlsohn sei durch den erstinstanzlichen Beschluss nicht beschwert. Schon der Antrag auf Beischaffung eines Belegs sei unberechtigt, aber auch unzulässig gewesen, weil konkrete Anhaltspunkte für zusätzliches Vermögen des Erblassers nicht vorhanden seien. Durch die Vorlage des Belegs würden überdies zwangsläufig die Daten des Empfängerkontos offengelegt werden, was einen rechtswidrigen Eingriff in durch das Bankgeheimnis geschützte Interessen Dritter bedeute. Die bisherige Rechtsprechung biete auch keine Grundlage für derart weitreichende Informationsrechte letztwillig Enterbter. Insgesamt stünden dem Antrag des Wahlsohns Verspätung, mangelnde Legitimation sowie auch die Rechtskraft des Beschlusses vom 16. 12. 2013 entgegen. Schließlich habe das Rekursgericht zu Unrecht nur die beiden ersten Spruchpunkte der erstinstanzlichen Entscheidung aufgehoben, während die in den Spruchpunkten 3 bis 5 enthaltenen Zahlungspflichten der Witwe gegenüber den Sachverständigen und dem Gerichtskommissär aufrecht geblieben seien.

Hiezu wurde erwogen:

1. Zur Antragslegitimation des Wahlsohns:

1.1 Noterben sind nach § 762 ABGB die Kinder des Erblassers, worunter neben den leiblichen Kindern auch die Wahlkinder zu verstehen sind (3 Ob 96/00i SZ 73/189; Welser in Rummel/Lukas , ABGB 4 §§ 762–764 Rz 4).

1.2 Die Parteistellung des Noterben ist im Verlassenschaftsverfahren auf die Rechte nach den §§ 784, 804 und 812 ABGB beschränkt (2 Ob 134/15t mwN; RIS‑Justiz RS0006519, RS0012909). Sie kommt ihm auch dann zu, wenn der Noterbe – wie hier – die Errichtung des Inventars nicht selbst beantragt hat, sondern das Inventar wegen einer bedingten Erbantrittserklärung gemäß § 165 Abs 1 Z 1 AußStrG von Amts wegen zu errichten war (6 Ob 95/69 SZ 42/62; 1 Ob 29/91; RIS‑Justiz RS0007756; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 802 Rz 17). Mit Rücksicht auf seine Rechte ist der Noterbe dem Abhandlungsverfahren beizuziehen; er kann sich auf diese Weise – ohne dass dadurch einem späteren Pflichtteilsprozess in irgendeiner Weise vorgegriffen würde – die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils verschaffen und so schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen (7 Ob 292/06a ecolex 2008/187 [Verweijen]; RIS‑Justiz RS0006519, auch RS0012906). Zu diesem Zweck wird dem Noterben auch das Recht zugebilligt, Anträge zur Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfangs eines vom ursprünglichen Inventar noch nicht umfassten Vermögens des Erblassers zu stellen (3 Ob 96/00i SZ 73/189; vgl auch 2 Ob 55/15z iFamZ 2016/166 [Hofmann] zur Zulässigkeit von Anträgen zur Aufnahme bestimmter oder „durch geeignete Erhebungen bestimmbarer Vermögenswerte“ in das Inventar [dort 3.4]; Riss, Die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach dem Tod des Kunden und ihre prozessuale Durchsetzung, ÖBA 2011, 166 [182]).

1.3 Auf Basis dieser Rechtsgrundsätze wird in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein Antrag des Noterben auf rückwirkende Öffnung von Konten des Erblassers als zulässig erachtet. Der Antrag dient der Erforschung, ob zum Todeszeitpunkt weitere Vermögenswerte im Besitz des Erblassers standen. Einem solchen Antrag steht das in § 38 BWG verankerte Bankgeheimnis nicht entgegen (7 Ob 292/06a ecolex 2008/187 [Verweijen]; 2 Ob 205/14g iFamZ 2015/197 [Mondel]; 2 Ob 55/15z iFamZ 2016/166 [Hofmann]; RIS‑Justiz RS0121988).

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag der leiblichen Kinder auf rückwirkende Öffnung des näher bezeichneten Bankkontos des Erblassers rechtskräftig bewilligt. Nach Vorlage der Kontoumsatzaufstellung beantragten der Wahlsohn und die leiblichen Kinder die Beischaffung eines Einzelbelegduplikats zur Klärung, ob der kurz vor dem Tod des Erblassers von seinem Konto an einen unbekannten Empfänger überwiesene Verkaufserlös von rund 539.000 EUR im Todeszeitpunkt im Besitz des Erblassers war und daher im Inventar als Aktivpost zu berücksichtigen wäre. Dieser Antrag aller Noterben bezweckte im Sinne der erörterten Rechtsprechung wie jener auf Kontoöffnung die Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfangs eines vom Inventar noch nicht umfassten Vermögens des Erblassers und war daher – nach Maßgabe des noch Folgenden – zulässig.

1.4 An der Antragslegitimation des Wahlsohns vermag nichts zu ändern, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung vom 13. 4. 2012 seine Kinder (einschließlich des Wahlsohns) als erbunwürdig iSd § 540 zweiter Fall ABGB bezeichnete und überdies ihre Enterbung aussprach (§ 770 ABGB):

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist bei der Entscheidung über den Antrag des Noterben auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses nur die Eigenschaft als Noterbe iSd § 762 ABGB zu prüfen, nicht aber, ob und in welchem Ausmaß seine Pflichtteilsforderung materiell zu Recht besteht (4 Ob 539/95 SZ 68/126; 2 Ob 178/15p mwN EF‑Z 2016/48 [ A. Tschugguel ]; RIS‑Justiz RS0013007). Bei wertender Betrachtung hat dies auch dann zu gelten, wenn der Noterbe nicht die Inventarisierung selbst beantragt, sondern im Rahmen seiner Parteistellung (nur) sonstige zulässige Anträge im Zusammenhang mit der Inventarisierung von Nachlassgegenständen stellt (Anträge „über das Inventar“; vgl dazu 2 Ob 55/15z iFamZ 2016/166 [ Hofmann ]).

In 2 Ob 178/15p hat der Senat jüngst klargestellt, dass die Rechtswirksamkeit einer vom Erblasser ausgesprochenen Enterbung jedenfalls dem materiellen Pflichtteilsrecht zugeordnet ist. Die Enterbung steht daher– unabhängig von ihrer Berechtigung – einem Antrag der Noterben auf oder über die Inventarisierung nicht entgegen. Gleiches gilt, wie der Senat in der angesprochenen Entscheidung ebenfalls festhielt, wenn die Erbunwürdigkeit eines Noterben behauptet wird. Dabei wurde in Abgrenzung zum Pflichtteilsverzicht hervorgehoben, dass letzterer typischerweise leicht nachzuweisen ist, während die Wirksamkeit einer Enterbung (ebenso wie die behauptete Erbunwürdigkeit nach § 540 zweiter Fall ABGB) tatsächlich und rechtlich strittig sein kann. Diese Fragen seien deshalb ausschließlich im Zivilprozess zu klären.

2. Zur Rechtsmittelbefugnis des Wahlsohns:

2.1 Das Verfahren zur Errichtung des Inventars ist vom Gerichtskommissär durchzuführen (§ 1 Abs 1 Z 1 lit b GKG). Das Inventar bedarf zu seiner Feststellung keiner Annahme oder – abgesehen von jener über die Nachlasszugehörigkeit nach § 166 Abs 2 AußStrG – Entscheidung des Gerichts (§ 169 Satz 2 AußStrG). Innerhalb des Abhandlungsverfahrens besteht daher – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – keine Möglichkeit, das Inventar als solches anzufechten (2 Ob 55/15z iFamZ 2016/166 [ Hofmann ]; 2 Ob 23/16w mwN).

2.2 Allerdings kommt dem Gericht eine umfassende Überwachungsverpflichtung zu. Gemäß § 7a Abs 1 GKG kann das Gericht dem Gerichtskommissär Aufträge erteilen, Berichte einholen und die erforderlichen Erhebungen vornehmen. Die Partei kann sich gegen einzelne Maßnahmen oder deren Unterlassung nur mit „Abhilfeantrag“ nach § 7a Abs 2 GKG zur Wehr setzen (3 Ob 260/09w; 2 Ob 55/15z; 2 Ob 23/16w; Mondel , Warum macht das der Gerichtskommissär?, ÖRPfl 2014 H 2, 10 [11]). Entscheidungen iSd § 7a Abs 1 GKG und solche über „Abhilfeanträge“ können mit Rekurs anfechtbar sein, soweit darin nicht bloß eine verfahrensleitende Verfügung liegt (2 Ob 55/15z; 2 Ob 23/16w; Fucik/Kloiber , AußStrG, Anh 1 [AußStr‑BegleitG] § 7a GKG Rz 3).

2.3 Der von den Noterben in der Tagsatzung vom 12. 2. 2015 gestellte Antrag auf Beischaffung eines Einzelbelegduplikats zu der Überweisung vom 27. 3. 2013 war primär darauf gerichtet, dass der Gerichtskommissär seinen Auskunftsanspruch gegenüber der kontoführenden Bank geltend macht (vgl auch Dullinger in EF‑Z 2010/51 [Glosse zu 6 Ob 287/08m]; Hofmann , Die Kontoöffnung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 2014/1, 1 [6 und 13 f]). Aus dem Tagsatzungsprotokoll ergibt sich allerdings kein Hinweis darauf, dass der Gerichtskommissär den Parteien gegenüber zu erkennen gegeben hätte, ob er dem Antrag der Noterben zu folgen gedenkt. Bloß „intern“ überließ er die Entscheidung dem Erstgericht. Da für die Noterben in dieser Situation keine Veranlassung bestand, sich mit einem weiteren Antrag unmittelbar an das Abhandlungsgericht zu wenden, musste der Erstrichter den protokollierten und vom Gerichtskommissär an ihn weitergeleiteten Antrag – infolge der Untätigkeit des Gerichtskommissärs – (auch) als „Abhilfeantrag“ iSd § 7a Abs 2 GKG verstehen. Das Erstgericht hätte daher über den Antrag entscheiden müssen.

2.4 Zwar lag entgegen der Meinung des Rekursgerichts (noch) kein Streit über die Nachlasszugehörigkeit des Verkaufserlöses vor, über den das Gericht mit Beschluss nach § 166 Abs 2 AußStrG zu entscheiden gehabt hätte. Die Noterben hatten die Zugehörigkeit des Verkaufserlöses zum Verlassenschaftsvermögen noch nicht behauptet („wahrscheinlich“), ihr Antrag war vielmehr auf die einer solchen Behauptung vorgelagerte Klärung der Tatsachen gerichtet. Die Verweigerung der dazu nötigen Ermittlungsschritte kommt jedoch im Ergebnis einer Ablehnung der Aufnahme des Verkaufserlöses in das Inventar gleich und hat endgültigen Charakter. Hätte das Erstgericht in diesem Sinne mit gesondertem Beschluss über den Antrag entschieden, so wäre dieser, wie der Senat in 2 Ob 55/15z (dort 5.3.2) zu einer vergleichbaren Konstellation näher ausgeführt hat, als Beschluss „über das Inventar“ selbständig anfechtbar gewesen.

2.5 Das Erstgericht hat über den Antrag der Noterben weder durch gesonderten Beschluss noch im Rahmen des Einantwortungsbeschlusses – diese Möglichkeit hätte § 178 Abs 3 AußStrG geboten – abgesprochen. Im Ergebnis wurde der Antrag, wie auch das Rekursgericht richtig erkannte, begründungslos abgelehnt. Unter diesen Umständen war der Wahlsohn als Noterbe zur Anfechtung des Einantwortungsbeschlusses berechtigt, wurde er doch durch diese Vorgangsweise an der Durchsetzung der ihm in den §§ 784, 804 ABGB eingeräumten bzw daraus abgeleiteten Rechte gehindert.

2.6 Nichts anderes ergibt sich aus § 177 AußStrG. Danach hat das Gericht den Erben die Verlassenschaft einzuantworten, wenn die Erben und ihre Quoten feststehen und die Erfüllung der „übrigen Voraussetzungen“ nachgewiesen ist. Zu den „übrigen Voraussetzungen“, die im Gesetz nicht genannt werden, zählt auch die Errichtung des Inventars, sofern diese – wie im gegenständlichen Fall – geboten ist (vgl Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 177 Rz 9). Dies zeigt sich besonders deutlich an der Entscheidung 2 Ob 85/10d, mit der in Fortschreibung der Rechtslage zum Außerstreitgesetz 1854 der inhaltliche Zusammenhang zwischen Inventar und Einantwortung ausdrücklich bejaht worden ist. Wird etwa der Antrag eines Noterben auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlassvermögens im Einantwortungsbeschluss zurückgewiesen, hat ein Erfolg des (nur) gegen diesen Spruchpunkt erhobenen Rekurses zwangsläufig zur Folge, dass auch die gleichzeitig ausgesprochene, wenngleich nicht bekämpfte Einantwortung aufgehoben werden muss; muss doch eine stattgebende Entscheidung zur Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens führen.

Gründe, warum dies nicht auch dann gelten sollte, wenn ein auf die Vollständigkeit des Inventars (§ 166 Abs 1 AußStrG) abzielender Antrag ab‑ oder zurückgewiesen wurde, sind nicht ersichtlich. Umso eher muss aber ein ausdrücklich gegen die Einantwortung gerichtetes Rechtsmittel des Noterben zulässig sein, wenn das Abhandlungsgericht über einen derartigen Antrag nicht in einem eigenen Spruchpunkt, sondern nur „im Ergebnis“ abweisend entschieden hat.

3. Konkrete Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit:

3.1 Die Einholung weiterer Auskünfte bei der Bank setzt konkrete Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit eines bestimmten Vermögenswerts, hier demnach des Veräußerungserlöses von rund 539.000 EUR voraus. Die Anfrage ist auf Auskünfte zu beschränken, die dem Zweck der weiteren Klärung der Nachlasszugehörigkeit dienen können (vgl 9 Ob 54/12z iFamZ 2013/154 [W. Tschugguel]; 4 Ob 112/12t; 2 Ob 205/14g iFamZ 2015/197 [Mondel]; 2 Ob 55/15z iFamZ 2016/166 [Hofmann]; RIS‑Justiz RS0013540). Hingegen fällt die Suche nach Vermögenswerten, für deren Existenz es keinen ausreichenden Anhaltspunkt gibt, nicht unter die Aufgaben des Gerichtskommissärs (2 Ob 169/15i; RIS‑Justiz RS0107376 [T1]).

3.2 Diese Rechtsprechung umfasst somit zwei Aspekte: Zum einen muss es einen ausreichenden Anhaltspunkt für die Existenz möglicherweise nachlasszugehörigen Vermögens geben. Zum anderen müssen konkrete Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit dieses Vermögens vorhanden sein.

3.2.1 Ein ausreichender Anhaltspunkt für die Existenz möglicherweise nachlasszugehörigen Vermögens folgt hier bereits aus der Tatsache, dass sich wenige Wochen vor dem Tod des Erblassers eine Gutschrift von 539.000 EUR auf seinem Konto befand und ein Rechtsgrund für die darauf folgende Überweisung dieses Betrags nicht feststeht.

3.2.2 Die Witwe steht auf dem Standpunkt, dass kein Anhaltspunkt für die Nachlasszugehörigkeit des Verkaufserlöses bestehe, zumal keine Nachweise für weitere Konten, Sparbücher oder Vermögenswerte des Erblassers im Todeszeitpunkt gegeben seien. Dieses mit der Aktenlage übereinstimmende Argument bezieht sich auf den zweiten der beiden genannten Aspekte. Es stellt sich daher die Frage, ob der bisher erhobene Sachverhalt bereits so ausreichend konkrete Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit bietet, dass ein weiteres Auskunftsverlangen als zulässig beurteilt werden muss. Dazu ist zunächst auf aktuelle Stimmen in der Lehre einzugehen:

(a) Hofmann (Die Kontoöffnung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 2014/1, 1 [13]) hält die von der Rechtsprechung aufgestellte Voraussetzung, es bedürfe deutlicher Hinweise, für zu streng. Die Mittel und Möglichkeiten, die die Verfahrensordnung dem Gerichtskommissär an die Hand gebe, könnten durchaus Züge eines Erkundungsbeweises annehmen.

(b) Riss (Die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach dem Tod des Kunden und ihre prozessuale Durchsetzung, ÖBA 2011, 166 [179 ff]) verweist in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf älteres Schrifttum (insbes Jabornegg/Strasser/Floretta, Bankgeheimnis [1985] 126) darauf, dass Aufklärung über Vermögenswerte schon dann zustehe, wenn zumindest mit einiger Sicherheit angenommen werden könne, dass sie zur Verlassenschaft gehören. Die Abschwächung erscheine konsequent, wenn man sich den Zweck der Ermittlungsaufgaben von Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär und damit der Durchbrechung des Bankgeheimnisses vor Augen halte. Dieser Zweck werde ja ua darin gesehen, die Zugehörigkeit von Vermögenswerten zur Verlassenschaft erst zu klären.

3.3 Nach Auffassung des Senats ist bei der Frage nach ausreichend konkreten Anhaltspunkten für die Nachlasszugehörigkeit von Vermögenswerten stets auf den Zweck der Antragsbefugnis des Noterben, ihm zur Durchsetzung seiner Rechte nach den §§ 784, 804 ABGB zu verhelfen, abzustellen. Dies lässt es im Einklang mit den zitierten Lehrmeinungen geboten erscheinen, das Konkretisierungserfordernis jedenfalls nicht so hoch anzusetzen, dass etwa ein Antrag auf Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfangs eines vom ursprünglichen Inventar noch nicht erfassten Vermögens praktisch nie in Frage kommt. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.

3.4 Im vorliegenden Fall liegen ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Verkaufserlös zum Todeszeitpunkt des Erblassers noch in dessen Besitz befunden hat. Dazu kann auf die bereits vom Rekursgericht ins Treffen geführten Umstände verwiesen werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Überweisungsempfänger theoretisch auch ein Dritter sein kann, zumal für eine Vermögensentäußerung des Erblassers vor seinem Tod überhaupt kein Anhaltspunkt besteht. Der Antrag der Noterben war daher zulässig, sofern und soweit ihm nicht das Bankgeheimnis entgegenstand.

4. Bankgeheimnis – kein Hindernis:

4.1 Gesetzliche Regelung:

Gemäß § 38 Abs 1 BWG dürfen Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich aufgrund der Geschäftsverbindungen mit Kunden oder aufgrund des § 75 Abs 3 BWG anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis). Gemäß § 38 Abs 2 Z 3 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär.

4.2 Rechtsprechung:

4.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem ruhenden Nachlass sowie dem eingeantworteten Erben die Eigenschaft eines Kunden ebenso zu wie dem Verstorbenen selbst (RIS‑Justiz RS0013538). Demnach substituiert die Auskunftspflicht des Kreditinstituts im Verlassenschafts-verfahren ihrer Funktion nach nur den Auskunftsanspruch des Verstorbenen selbst, sodass sich die Bank letztlich so verhalten muss, als würde der inzwischen verstorbene Kunde selbst anfragen (10 Ob 322/98w SZ 71/203; 4 Ob 36/01z; RIS‑Justiz RS0111076).

4.2.2 In der Entscheidung 7 Ob 292/06a ecolex 2008/187 (Verweijen) wurde diese Rechtsprechung auch zur Begründung des Auskunftsanspruchs einer Noterbin herangezogen. Dagegen wurden von Verweijen dogmatische Bedenken geäußert, weil ein Noterbe nicht Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers sei.

4.2.3 In 6 Ob 287/08m ecolex 2009/223 (Verweijen) = iFamZ 2009/212 (W. Tschugguel) = EF‑Z 2010/51 (Dullinger) hielt der Oberste Gerichtshof ausdrücklich fest, dass sich an der (zu 4.2.1) erörterten Rechtslage durch das Außerstreitgesetz BGBl I 2003/111 nichts geändert habe, ließ jedoch die zu 7 Ob 292/06a geäußerten Bedenken Verweijens dahingestellt. In der gegebenen Konstellation – Antragstellerin war wieder eine Noterbin – treffe nämlich ohnehin den Gerichtskommissär eine in § 145 Abs 1 und Abs 2 Z 2 AußStrG begründete einschlägige weitergehende Nachforschungspflicht. Die Auskunftserteilung durch die Bank könne jedenfalls insoweit nicht verweigert werden, als durch die Auskunft nicht in die Rechte der Kontomitinhaber des Erblassers eingegriffen werde. Dementsprechend wurde im Anlassfall nur die Beschaffung der „Einzahlungsbelege des Erblassers“ und der „Auszahlungsbelege an den Erblasser“ je eines Wertpapierverrechnungskontos für einen bestimmten Zeitraum angeordnet.

4.3 Lehre:

4.3.1 Dullinger verweist in ihrer Glosse zu 6 Ob 287/08m (in EF‑Z 2010/51) darauf, dass sich das Antragsrecht des Noterben unmittelbar aus dem Pflichtteilsrecht ableite, während der Gerichtskommissär seinen Auskunftsanspruch gegenüber der Bank gemäß § 38 Abs 2 Z 3 BWG geltend mache. Ein vom Erblasser abgeleiteter Auskunftsanspruch stehe dem Noterben– mangels Gesamtrechtsnachfolge – zwar nicht zu; das bedeute aber nicht, dass ihm auch eine Antragstellung auf Auskunftseinholung durch den Gerichtskommissär gemäß § 38 Abs 2 Z 3 BWG versagt sei.

4.3.2 Laurer unterscheidet zwischen der Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem eigenen Kunden und jener gegenüber dem Abhandlungsgericht bzw dem Gerichtskommissär. Ervertritt(in Laurer/Borns/Strobl/ M. Schütz/O. Schütz, BWG³ [2009] § 38 Rz 16) ebenfalls die Ansicht, die Legitimation des Gerichtskommissärs folge aus § 38 Abs 2 Z 3 BWG, sodass für die Auskunftspflicht nicht mit Notwendigkeit der gleiche Maßstab anzuwenden sei wie beim Verstorbenen. Die Grenzen der Geheimnisdurchbrechung ergäben sich aus der Grundlage für die Tätigkeit von Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär. Dieser werde nicht, wie noch zum alten Recht vertreten, im Rahmen der Befugnisse des Verstorbenen tätig, sondern kraft eigenen Rechts. Andernfalls wäre bei einem zulässigen Verzicht auf jede Information – oder auf diese vor einem bestimmten Zeitpunkt – der Gerichtskommissär/das Gericht nicht in der Lage, das Vermögen des Verstorbenen festzustellen. Freilich müsse eine Beziehung des Vermögens, um das es gehe, und dem Verstorbenen bestehen. Bei legitimierten Konten sei dies jedenfalls auch bei Mehrpersonenkonten und Anderkonten, wenn der (ein) Kontoinhaber der Verstorbene gewesen sei, der Fall.

4.3.3 Riss hat sich dem Thema in seiner bereits erwähnten Arbeit (Die Auskunftspflicht des Kreditinstituts nach dem Tod des Kunden und ihre prozessuale Durchsetzung, ÖBA 2011, 166) eingehend gewidmet. Er plädiert wie Laurer für die klare Trennung zwischen dem Auskunftsanspruch des Kunden (bzw des Nachlasses nach diesem) und jenem von Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär. Während das Kreditinstitut aus der Geschäftsbeziehung mit seinem Kunden diesem gegenüber jederzeit über den Stand der Konten und die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung vertraglich verpflichtet sei, ergäben sich die Auskunftspflichten gegenüber Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär unmittelbar aus dem Gesetz (§ 38 Abs 2 Z 3 BWG). Deren Befugnisse bestimmten sich nach dem erforderlichen Umfang ihrer Tätigkeit, konkret also aus §§ 145, 165 ff AußStrG (aaO 176 f).

Auf dieser Grundlage hebt Riss hervor, dass der Gesetzeswortlaut des § 38 Abs 2 Z 3 BWG nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen anderer Personen differenziert. Auskünfte könnten daher auch nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis eines Dritten (zB eines Überweisungsempfängers) verweigert werden. Zumindest missverständlich erscheine daher die Einschränkung betreffend die Rechte von Kontomitinhabern in der Entscheidung 6 Ob 287/08m. Sollte diese dahin zu verstehen sein, dass durch die völlige Offenlegung eines Gemeinschaftskontos das Bankgeheimnis des Kontomitinhabers verletzt würde, bedürfte dies einer besonderen Begründung, zumal ja der Gesetzeswortlaut des § 38 Abs 2 Z 3 BWG das Bankgeheimnis gegenüber Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär ganz pauschal, also nicht nur im Hinblick auf den verstorbenen Kunden aufhebe (aaO 178).

4.3.4 Apathy geht (in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht² I [2007] Rz 2/113) hingegen davon aus, dass das Bankgeheimnis durch § 38 Abs 2 Z 3 BWG nur insoweit durchbrochen werde, als Geheimnisse des Erblassers und des Nachlasses offenbart werden sollen. Die Geheimnisse anderer Personen hätten gewahrt zu bleiben. Bei Anfragen, die sich auf bestimmte Vermögenswerte – zB bestimmte Sparguthaben oder konkrete Verbindlichkeiten – beziehen, werde es grundsätzlich genügen, wenn das angefragte Kreditinstitut wahrheitsgemäß die Zugehörigkeit des Vermögenswerts zum Nachlass bestätige oder verneine. Gehöre ein bestimmter Vermögenswert einem Dritten, so werde es im Hinblick auf dessen Geheimnisschutz grundsätzlich nicht erlaubt sein, den Berechtigten zu nennen. Denn für die Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens sei allein entscheidend, ob das Guthaben zum Nachlass oder einem Dritten gehöre.

4.3.5 Hofmann (Die Kontoöffnung im Verlassenschaftsverfahren, NZ 2014/1, 1) vertritt grundsätzlich die Ansicht, dass Gericht und Gerichtskommissär ihr Auskunftsrecht im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens kraft eigener Rechtsstellung und mit Hilfe der Ausnahme vom Bankgeheimnis in Anspruch nähmen. Er bezieht sich aber auch auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach das Auskunftsrecht des Gerichtskommissärs jenes des verstorbenen Berechtigten substituiere. Der Gerichtskommissär nehme eine Fürsorgefunktion wahr, die gegenüber allen Verfahrensbeteiligten unparteiisch auszuüben sei und sich nicht einseitig gegen die Interessen anderer Beteiligter richten dürfe. Dem Gerichtskommissär sei im Rahmen seiner Interessenwahrungspflicht und Aufgabe zur Rechtspflege die Befugnis übertragen, gegenüber einer Bank ähnlich dem Kunden aufzutreten und Auskunftsansprüche geltend zu machen, als ob der verstorbene Kunde selbst Nachforschungen anstellen würde (aaO 7 f).

Von diesen Überlegungen ausgehend, gelangt Hofmann zu der Überzeugung, dass der Gerichtskommissär seiner Verantwortung als Treuhänder aller Beteiligten nur dann nachkommen werde können, wenn er „auf die Fülle von Bankdaten (Eröffnungsunterlagen, Regelung von Zeichnungsrechten, Kontobewegungen, Überweisungs-aufträge, Daten von Überweisungsempfängern, Eingangsbelege, Korrespondenz über die Bekanntgabe von Zugangsdaten und TANs, Abschlüsse saldierter Konten etc)“ zugreifen könne. Nur eine großzügige Einsicht in alle diese Informationen eröffne etwa im Interesse eines Noterben die Möglichkeit, bereits im Verlassenschaftsverfahren alle für die Berechnung wissenswerten Umstände zu erkunden, sodass schon in diesem Stadium einer Verkürzung seiner Beteiligung vorgebeugt werden könne. Aus der Rechtslage (§ 38 Abs 2 Z 3 BWG) und der referierten Rechtsprechung sei der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber der Erforschung der materiellen Wahrheit im Verlassenschaftsverfahren den Vorrang vor einem schützenswerten Interesse an der Vertraulichkeit von Bankinformationen einräumen habe wollen; andernfalls wäre es dem Gerichtskommissär verwehrt, die ihm zugewiesenen Aufgaben der Erhebung der Vermögensverhältnisse zur vorbereitenden Absicherung der verschiedensten Rechtspositionen vollständig zu erfüllen (aaO 8).

Im Übrigen teilt Hofmann die Ansicht von Riss , dass § 38 Abs 2 Z 3 BWG nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen anderer Personen unterscheide. Informationen könnten daher nicht mit dem Hinweis vorenthalten werden, dass sie unter den Geheimnisschutz zugunsten Dritter fallen würden. Dies könne theoretisch dazu führen, dass die dem Gerichtsorgan zu erteilende Auskunft weiter reiche als gegenüber dem Kunden, was im Hinblick auf das selbständige Informationsbedürfnis des Gerichts auch gerechtfertigt sei. Zu denken sei aber primär an Umstände, die dem Verstorbenen schon bekannt gewesen seien, wie zB die Identität Dritter als Empfänger einer Überweisung oder Zuwendung, einschließlich der zugrundeliegenden Aufträge bzw Belege (aaO 12).

4.3.6  Schweda (Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Gerichtskommissär hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Namenssparbuchs, NZ 2015/118) folgt in seiner Auslegung des § 38 Abs 2 Z 3 BWG den Ausführungen von Riss und Hofmann . Rechte allfälliger Mitinhaber (Miteigentümer) legitimierter Werte (Namenssparbuch) seien in Bezug auf die Auskunftserteilung an das Abhandlungsgericht und den Gerichtskommissär nicht schützenswert, weil diese Norm nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen anderer Personen unterscheide. § 38 Abs 2 Z 3 BWG sei eine umfassende Ausnahmebestimmung ohne inhaltliche, umfangmäßige oder zeitliche Einschränkungen.

4.4 Folgerungen des Senats für den vorliegenden Fall:

4.4.1 Nach nahezu einhelliger und überzeugender Auffassung im jüngeren Schrifttum beruht das Auskunftsrecht des Gerichtskommissärs und des Abhandlungsgerichts auf eigenem Recht, die Rechtsgrundlage bildet § 38 Abs 2 Z 3 BWG. Der Umfang ihrer Befugnisse ergibt sich aus den gesetzlich festgelegten Aufgaben des Gerichtskommissärs, vor allem also aus §§ 145 und 165 ff AußStrG (idS schon 6 Ob 287/08m). Jedenfalls dann, wenn sich das Auskunftsverlangen des Gerichtskommissärs auf den Antrag eines Noterben gründet oder auch nur in dessen Interesse erfolgt – nur diese Konstellation ist hier verfahrensrelevant –, bedarf es daher keines Rückgriffs auf jene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (und zwar auch nicht zwecks Wahrung der von Hofmann angenommenen Fürsorgepflicht), wonach der Auskunftsanspruch des Gerichtskommissärs von jenem des verstorbenen Bankkunden abgeleitet wird. Soweit der Entscheidung 7 Ob 292/06a anderes zu entnehmen ist, wird ihr nicht gefolgt. Damit wird auch den berechtigten dogmatischen Einwänden Verweijens (in ecolex 2008/87) und Dullingers (in EF‑Z 2010/51) Rechnung getragen.

4.4.2 Wie insbesondere Riss überzeugend dargelegt hat, differenziert die Ausnahmebestimmung des § 38 Abs 2 Z 3 BWG nicht zwischen Geheimnissen des verstorbenen Kunden und solchen anderer Personen. Sie schließt die Berufung der Bank auf das Bankgeheimnis gegenüber dem Gerichtskommissär und dem Abhandlungsgericht grundsätzlich aus. Die Auskunft der Bank hat sich zwar – insoweit auch im Sinne Apathys – weiterhin darauf zu beschränken, was für die Klärung der Nachlasszugehörigkeit eines bestimmten Vermögenswerts erforderlich ist. Mit dem Hinweis auf die Rechte Dritter oder von Kontomitinhabern kann diese Auskunft aber nicht verweigert werden. Soweit sich aus der Entscheidung 6 Ob 287/08m anderes entnehmen lässt, wird ihr nicht gefolgt.

4.4.3 Im vorliegenden Fall wurde kurz vor dem Tod des Erblassers von dessen einzigem bekannten Konto ein namhafter Betrag auf ein anderes, unbekanntes Konto überwiesen. Die Beischaffung des Überweisungsbelegs, mit dem geklärt werden kann, ob auf ein Konto des Erblassers überwiesen wurde, dient jedenfalls der Klärung der Nachlasszugehörigkeit des überwiesenen Betrags. Der Antrag der Noterben auf Beischaffung eines Einzelbelegduplikats erweist sich daher als zulässig und berechtigt. Dass dadurch die Identität eines allfälligen dritten Überweisungsempfängers offen gelegt werden könnte, schadet nicht, weil der Dritte aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 38 Abs 2 Z 3 BWG insoweit keinen Geheimnisschutz genießt.

5. Zum Umfang des Aufhebungsbeschlusses:

5.1 Der Wahlsohn hat nur die beiden ersten Spruchpunkte der erstinstanzlichen Entscheidung (Einantwortung, Verbücherungsanordnung) bekämpft, nicht aber die – ihn nicht beschwerenden – Spruchpunkte 3 bis 5 (Gebühren der Sachverständigen und des Gerichtskommissärs). Das Rekursgericht hat folgerichtig im Spruch seiner Entscheidung festgehalten, dass der Einantwortungsbeschluss in diesem Umfang „als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt“. Dies wäre nur dann zu beanstanden, wenn der Einantwortungsbeschluss insoweit nicht in Teilrechtskraft erwachsen könnte, wenn also der unangefochten gebliebene Teil der Entscheidung in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit dem angefochtenen Entscheidungsteil stehen würde (RIS‑Justiz RS0007269, RS0013296, RS0041347).

5.2 Im vorliegenden Fall besteht zwischen den angefochtenen und den unangefochten gebliebenen Spruchpunkten kein untrennbarer Sachzusammenhang. Die Bestimmung von Sachverständigengebühren und der Auftrag zu deren Direktzahlung durch den einzigen Erben, dessen Erbenstellung nicht in Frage steht, ist – mag der Auftrag zur Direktzahlung richtig oder unrichtig sein – auch schon vor der Einantwortung möglich (vgl auch § 168 Abs 2 AußStrG). Dies trifft auch auf die Gebühren des Gerichtskommissärs zu. Die weiteren Erhebungen könnten allenfalls zu einer (beträchtlichen) Erhöhung der Verlassenschaftsaktiva und damit auch der Bemessungsgrundlage für die Gebühren des Gerichtskommissärs laut § 13 GKTG führen, was eine ergänzende Gebührenbestimmung zur Folge haben kann.

5.3 Diese Beurteilung stimmt im Übrigen mit jenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs überein, nach denen im Hinblick auf die Anfechtungsbeschränkung des (nunmehr) § 62 Abs 2 Z 1 und 3 AußStrG die Entscheidung über die Gebühren der Sachverständigen und des Gerichtskommissärs unabhängig von der Einantwortung in Rechtskraft erwuchs (vgl etwa 1 Ob 249/02b; 3 Ob 272/07g).

6. Ergebnis:

Das Rekursgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung in ihren Spruchpunkten 1 und 2 daher zu Recht aufgehoben. Wie es richtig erkannte, wurde damit auch der Antrag der Noterben implizit abgewiesen. Ausgehend von seiner zutreffenden Rechtsansicht hätte es daher – die implizite erstinstanzliche Entscheidung insoweit abändernd – die Berechtigung des Antrags der Noterben nicht nur in den Gründen, sondern in der Form eines Auftrags an den Gerichtskommissär auch im Spruch seines Beschlusses zum Ausdruck bringen müssen. Der angefochtene Beschluss ist deshalb mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen. Für das fortzusetzende Verfahren ist nochmals (vgl 2.4) darauf zu verweisen, dass die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung nach § 166 Abs 2 AußStrG derzeit noch nicht gegeben sind.

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