OGH 4Ob36/01z

OGH4Ob36/01z22.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 6. Juli 2000 verstorbenen Evelyn O*****, über den Revisionsrekurs der B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Dezember 2000, GZ 45 R 652/00s-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. Oktober 2000, GZ 6 A 264/00g-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erblasserin ist ohne Hinterlassung pflegebefohlener Pflichtteilsberechtigter verstorben; sie hat mit eigenhändigem Testament Christian L***** zu ihrem Alleinerben eingesetzt und Marion K***** Legate ausgesetzt. Mit Schreiben vom 28. 8. 2000 teilte die B***** Aktiengesellschaft (in der Folge: Einschreiterin) dem Erstgericht folgenden Sachverhalt mit: Die Erblasserin habe für vier von der Einschreiterin gewährte Kontokorrentkredite und einen Einmalbarkredit die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen. Die (durch Kontonummer und Höhe der aushaftenden Verbindlichkeit näher bezeichneten) Kreditkonten lauteten jeweils auf die (namentlich nicht genannten) Kreditnehmer, mit denen die Erblasserin jeweils solidarisch hafte. Im Auftrag eines dieser Kreditnehmer habe die Einschreiterin eine unbefristete Garantieerklärung über 208.930 S abgegeben, für die die Erblasserin die Haftung als Bürgin und Zahlerin übernommen habe; diese Garantie sei vom Begünstigten noch nicht abgerufen worden. Es werde eine Forderung von 8,534.815,08 S, in eventu 208.930 S im Verlassenschaftsverfahren angemeldet. Als Sicherheit für drei der genannten Verbindlichkeiten habe die Erblasserin der Einschreiterin ein Ölbild verpfändet.

Das Erstgericht forderte die Einschreiterin beschlussmäßig auf, zur Verwendung im Verlassenschaftsverfahren die Kreditnehmer bzw Begünstigten aus Bankgarantien zu den in ihrem Schreiben genannten Kreditkonten bekanntzugeben.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage des Umfangs der Ausnahme vom Bankgeheimnis betreffend Nachlassverbindlichkeiten zulässig sei. Eine Ausnahme vom Bankgeheimnis bestehe im Abhandlungsverfahren nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass ein Vermögenswert oder eine Verbindlichkeit tatsächlich in den Nachlass falle. Hier sei die Nachlasszugehörigkeit der gegenständlichen Haftungen eindeutig gegeben. Auch betreffe die geforderte Auskunft nicht etwa die wirtschaftlichen Verhältnisse oder sonstige Umstände der Hauptschuldner, sondern lediglich deren Namen. Name und damit auch Identität der Hauptschuldner seien der Erblasserin aber zweifellos bekannt gewesen und nur durch ihren Tod verloren gegangen. Darüber hinaus sei auch das Interesse des durch Testament berufenen Alleinerben durchaus beachtlich, sich durch Kontaktaufnahme mit den Hauptschuldnern vor Abgabe einer Erbserklärung einen gewissen Überblick über das Nachlassvermögen zu verschaffen, um zu klären, wie wahrscheinlich eine Inanspruchnahme des Erben auf Grund der von der Erblasserin übernommenen Haftungen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Die Einschreiterin vertritt den Standpunkt, sie habe mit Bekanntgabe der Höhe der einzelnen Kreditverbindlichkeiten dem Erstgericht bereits all jene Informationen mitgeteilt, die es zur Erfüllung seiner im Abhandlungsverfahren auferlegten Aufgaben benötige; darüber hinausgehende Auskünfte (insbesondere die Namen der Kreditschuldner betreffend) könnten auf Grund des Bankgeheimnisses nicht erteilt werden. Dem wirtschaftlichen Interesse des Erben stehe das geschützte Interesse von Bankkunden entgegen, dass deren finanzielle Situation Dritten nicht zugänglich gemacht werden dürfe. Dazu ist zu erwägen:

Gem § 38 Abs 1 Bankwesengesetz (BWG) dürfen Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich aufgrund der Geschäftsverbindungen mit Kunden anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis). Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt zeitlich unbegrenzt. Gem § 38 Abs 2 Z 3 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und Gerichtskommissär.

Nach Lehre (Jabornegg/Strasser/Floretta, Das Bankgeheimnis, 127; Jabornegg, Aktuelle Fragen des Bankgeheimnisses, ÖBA 1997, 663ff,

671) und ständiger Rechtsprechung (ÖBA 1993, 564; SZ 69/119 mwN) kommt dem ruhenden Nachlass sowie dem eingeantworteten Erben die Eigenschaft eines Kunden ebenso zu wie dem Verstorbenen selbst. Die Auskunftspflicht des Kreditinstitutes im Verlassenschaftsverfahren substituiert ihrer Funktion nach daher nur den Auskunftsanspruch des Verstorbenen selbst, sodass sich die Bank letzlich so verhalten muss, als würde der inzwischen verstorbene Kunde selbst anfragen (SZ 71/203).

Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass der Solidarschuldner einer Kreditverbindlichkeit oder Garantieerklärung schon auf Grund seiner Geschäftsbeziehung zur kreditgewährenden oder garantierenden Bank berechtigt ist, von dieser Auskunft über die Identität jener Kreditnehmer und am Garantievertrag Beteiligten (die wie der Anfragende Kunden der Bank sind) zu verlangen, für deren Schuld er mithaftet. Bei einer solchen Auskunft handelt es sich nämlich nicht um die erstmalige Preisgabe bisher unbekannter Informationen iS der Aufdeckung eines "Geheimnisses" durch die Bank. Die den Gegenstand einer solchen Auskunft bildenden Informationen waren dem anfragenden Kunden vielmehr bereits auf Grund jener rechtsgeschäftlichen Erklärung bekannt, die seine Solidarschuld begründet hat, mag er sie danach auch wieder vergessen haben. Wegen des Verbots abstrakter Rechtsgeschäfte setzt eine wirksame Verpflichtung zur (Mit-)Haftung nämlich stets voraus, dass jenes Schuldverhältnis, für dessen Nichterfüllung einzustehen ist, den beteiligten Personen nach hinreichend bestimmt ist (vgl SZ 68/64 = JBl 1995, 651 zum Garantievertrag). Ist demnach die Bank - ohne sich insoweit auf das Bankgeheimnis berufen zu können - dem Solidarschuldner gegenüber (vertraglich) zur gewünschten Auskunft verpflichtet, gilt dies nach den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung gleichermaßen im Verhältnis zum Verlassenschaftsgericht.

Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man die Reichweite des Bankkgeheimnisses im Verlassenschaftsverfahren an den dort zu erfüllenden Aufgaben misst. § 98 AußStrG trägt dem Verlassenschaftsgericht auf, sich über den Zustand des Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit des Todes befunden hat, vollständige Aufklärung zu verschaffen. Seine Erhebungen sollen der Klärung der Verlassenschaftszugehörigkeit oder des Wertes einer Sache dienen (Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 2/101, 106; ÖBA 1993, 564), um auf diese Weise ein vollständiges Vermögensverzeichnis (§ 97 AußStrG) erstellen zu können. Der wahre wirtschaftliche "Wert" einer Solidarhaftung für Kreditverbindlichkeiten oder Garantieerklärungen kann allerdings erst dann verlässlich beurteilt werden, wenn neben der Bonität des Solidarschuldners auch mitberücksichtigt wird, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Forderungsausfalls beim Hauptschuldner bzw eines Abrufs der im Auftrag eines Kreditnehmers eingeräumten Garantie durch den Begünstigten einzustufen ist. Dazu ist aber die Kenntnis der Person des Hauptschuldners und der neben dem Garanten am Garantievertrag Beteiligten (Auftraggeber und Begünstigter) unumgänglich. Die von § 38 Abs 2 Z 3 BWG gedeckte Auskunftspflicht der Bank gegenüber dem Abhandlungsgericht erstreckt sich daher auch auf diese Information.

Die Einschreiterin wird dem Erstgericht somit die gewünschte Auskunft zu erteilen haben. Dem Revisionsrekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.

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