OGH 1Ob544/95

OGH1Ob544/9527.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr.Hans Rant und Dr.Kurt Freyler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Robert S*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5,000.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 5.Oktober 1993, GZ 12 R 156/93-28, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 29.April 1993, GZ 4 Cg 37/92-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 33.525 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 5.587,50 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mutter des Beklagten ist Inhaberin des nicht protokollierten Einzelunternehmens Textilimport Ada S***** (im folgenden auch Unternehmen), ihr Gatte - der Vater des Beklagten KR Erich S***** - leitender Angestellter, der Beklagte Angestellter dieses Unternehmens. Am 10.November 1988 verpflichtete sich die Mutter des Beklagten anläßlich der Verlängerung eines ihr von der klagenden Bank eingeräumten Kontokorrentkredits über 2 Mio S, - unter anderem - eine Garantieerklärung des Beklagten über 5 Mio S als Sicherheit zu bestellen. Demgemäß unterfertigte der Beklagte am 16.November 1988 das Formular einer Garantieerklärung folgenden Inhalts:

„1. Sie haben der Firma Erich S***** und Ada S*****, Textilimport ... einen _______-Kredit bis zum Höchstbetrag von ________ eingeräumt. Zur teilweisen Sicherstellung für Ihre jeweiligen Forderungen und Ansprüche an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten aus dem oben erwähnten Kredit, für sämtliche andere aus Ihrer Geschäftsbeziehung mit dem Kreditnehmer bereits bestehenden oder künftig entstehenden Kreditforderungen (Haupt- und Nebenverbindlichkeiten), sowie für Ihre Forderungen aus der sonstigen Geschäftsverbindung mit dem eingangs erwähnten Kreditnehmer, ... hat Ihnen der genannte Kreditnehmer meine Garantie beizubringen.

2. Ich übernehme hiemit diese Garantie - zur teilweisen Sicherstellung für Ihre jeweiligen Forderungen und Ansprüche an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten... - und verspreche Ihnen unwiderruflich, Ihnen über ihre erste Aufforderung unter Verzicht auf jede Einrede und Einwendung sowie ohne Prüfung des zwischen Ihnen und dem oben genannten Kreditnehmer bestehenden Rechtsverhältnisses jeden Betrag bis zuhöchst S 5,000.000 S zuzüglich ... zu bezahlen. ...“

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Garantievertrags bestanden mehrere Kredite und Kreditkonten des Unternehmens bei der klagenden Partei sowie ein Privatkredit des Vaters des Beklagten, für die auch verschiedene Sicherheiten (Pfandrecht an Wertpapieren und Sparbüchern, Sicherungseigentum an Lagerbeständen des Unternehmens) bestellt waren. Dem Beklagten war bekannt, daß sich die von ihm abgegebene Garantieerklärung in erster Linie auf den Kontokorrentkredit über 2 Mio S bezog, wenngleich dieser in der Garantieerklärung nicht ausdrücklich erwähnt ist und Hauptschuldnerin seine Mutter und nicht die nicht existierende „Firma Erich S***** und Ada S*****“ war. Der klagenden Partei war bekannt, daß der Beklagte, zum Teil gemeinsam mit seiner Schwester, im Zeitpunkt des Abschlusses des Garantievertrags Mieter verschiedener Geschäftsräumlichkeiten, in denen das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit entfaltete, war. Der Beklagte kam als Nachfolger im Geschäft seiner Mutter in Frage, was der klagenden Partei gleichfalls bekannt war. Die Mutter des Beklagten geriet mit der Rückzahlung von Kreditverbindlichkeiten gegenüber der klagenden Bank in Verzug, worauf letztere den Kredit am 3.Oktober 1991 zum 31.Oktober 1991 mit der aushaftenden Summe von 21,166.834,14 S fälligstellte. Die klagende Partei forderte den Beklagten mit Schreiben vom 4.Oktober 1991 ergebnislos auf, den Höchstgarantiebetrag samt Anhang bis längstens 31.Oktober 1991 zu bezahlen.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Bezahlung des Garantiebetrags von 5 Mio S sA.

Der Beklagte wendet ein, beim Garantievertrag handle es sich um ein unzulässiges abstraktes Schuldversprechen, weil sich aus der Urkunde nicht ergebe, für welches Grundgeschäft die Garantie übernommen worden sei: Die in Punkt 1. des Vertrags(formulars) hiefür vorgesehenen Felder seien nicht ausgefüllt worden. Die Hauptschuldnerin habe damals mehrere Kredite laufen gehabt. Im übrigen sei der Garantievertrag sittenwidrig und nichtig, weil der klagenden Partei als Begünstigter „jederzeit“ bekannt gewesen sei, daß der beklagte Garant ein Monatseinkommen von 20.000 S habe und darüber hinaus vermögenslos sei, sodaß er gar nicht in der Lage gewesen sei, derartige Erklärungen abzugeben. Das Gehaltskonto sei ausschließlich bei der klagenden Partei „gelaufen“.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest, bei Abschluß des Garantievertrags habe der Beklagte monatlich etwa 20.000 S netto verdient und sei (gemeinsam mit seiner Schwester) Eigentümer einer Liegenschaft in Italien gewesen, die 1988 einen Wert von etwa 10 Mio S repräsentiert habe, jedoch mit einem Wohnrecht seiner Eltern belastet gewesen sei. Dies sei der klagenden Partei bekannt gewesen. In rechtlicher Hinsicht ging der Erstrichter vom Vorliegen einer wirksamen dreipersonalen Garantierklärung aus. Daß sich die Garantie ohne nähere Einschränkung auf alle Kreditschulden der Mutter des Beklagten beziehe, begründe nicht die Ungültigkeit der Erklärung wegen Sittenwidrigkeit, weil die Haftung betragsmäßig eingeschränkt sei. Außer seinem monatlichen Einkommen besitze der Beklagte nicht unbeträchtliches Vermögen. Überdies rechtfertige die Tatsache, daß jemand eine Verpflichtung übernehme, die er möglicherweise nicht erfüllen könne, selbst dann nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit, wenn diese Tatsache dem Vertragspartner, der sich durch dieses Geschäft ja nur selbst Schaden zufüge, bekannt gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und erachtete die ordentliche Revision als nicht zulässig. In rechtlicher Hinsicht ging die zweite Instanz davon aus, daß sich die Garantieerklärung des Beklagten in erster Linie auf den von der klagenden Partei der Mutter des Beklagten eingeräumten Kontokorrentkredit von 20 Mio S bezogen habe und dieser Kredit trotz Fälligstellung nicht zurückgezahlt worden sei. Damit sei aber die Garantieerklärung des Beklagten, abgesehen von allen weiteren Problemen, jedenfalls insofern gültig, als der Beklagte mit einem Höchstbetrag von 5 Mio S die Garantie für die Rückzahlung des bis jetzt tatsächlich nicht zurückgezahlten Kredits von 20 Mio S übernommen habe. Daß der Kredit, für den der Beklagte die Garantie übernommen habe, in der Urkunde nicht konkret genannt sei, habe auf die Gültigkeit der Garantieerklärung (erforderliche Schriftform wie bei der Bürgschaft) keinen Einfluß. Warum die Garantieerklärung wegen Sittenwidrigkeit ungültig sein sollte, selbst wenn der Beklagte zur Zeit der Abgabe dieser Erklärung lediglich über ein monatliches Nettoeinkommen von 20.000 S verfügt haben sollte, sei nicht ersichtlich. Einer der in § 879 Abs 2 ABGB geregelten Fälle liege nicht vor. Aus welchen Gründen aber die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantieerklärung für eine im Verhältnis zum eigenen Einkommen oder Vermögen unverhältnismäßig große Summe den guten Sitten widersprechen solle, sage der Beklagte selbst nicht.

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.) Der Beklagte erklärte gegenüber der klagenden Bank ausdrücklich und schriftlich, zur teilweisen Sicherstellung der Ansprüche (der Kreditgeberin) bei einer Laufzeitverlängerung eines seiner Mutter eingeräumten Kontokorrentkredits die Garantie zu übernehmen und unwiderruflich zu versprechen, unter Verzicht auf jede Einrede und Einwendung jeden Betrag bis zuhöchst 5 Mio S zu bezahlen. Die Auslegung dieser Erklärung ist unter Heranziehung der Auslegungsregeln der §§ 914 und 915 ABGB unter Bedachtnahme auf Sinn und Zweck des Geschäfts sowie die Übung des redlichen Verkehrs vorzunehmen (1 Ob 525/94 = ecolex 1994, 618 = WBl 1994, 378; EvBl 1991/134; SZ 61/174 ua); bei Unklarheiten kommt insbesondere dem Geschäftszweck und der Interessenlage Bedeutung zu (1 Ob 525/94; EvBl 1991/134; 2 Ob 535/82). Die Erklärung des Beklagten mit dem Einredenausschluß konnte von der klagenden Partei nach redlicher Verkehrssitte nur als echte dreipersonale Garantie verstanden werden. Der Beklagte behauptet auch gar nicht, seine Erklärung sei in Wahrheit nur Bürgschaft oder Schuldbeitritt gewesen. Eine dreipersonale Garantie liegt vor, wenn die Verpflichtung des Garanten gegenüber dem Begünstigten ihren Rechtsgrund in seinen Beziehungen zu einem Dritten findet (SZ 60/266). Im Gegensatz zur Bürgschaft ist die dreipersonale Garantie nicht akzessorisch (SZ 65/109 = JBl 1993, 246 = EvBl 1993/31 = ecolex 1993/17 = RdW 1993, 6 = ZfRV 1993, 167 = ÖBA 1993, 146 mit Anm von Apathy; SZ 60/266 ua). Zu den formellen Voraussetzungen des - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten, aber aus § 880a zweiter Fall ABGB („Einstehen für den Erfolg eines Dritten“) - erschließbaren dreipersonalen Garantieversprechens wird seit der Entscheidung des erkennenden Senats SZ 65/109 - sofern der Garant wie hier nicht Kaufmann ist (§§ 350 f HGB) - wie für die Bürgschaft - Schriftlichkeit gefordert. Dieser Voraussetzung ist hier Genüge getan. Inhaltliche Erfordernisse einer derartigen Garantie sind die Bestimmtheit des Begünstigten, des Garanten, des Dritten und des Erfolgs, für dessen Ausbleiben gehaftet wird, bewirkt doch der echte Garantievertrag eine verschuldensunabhängige Haftung des Garanten für den Eintritt des garantierten Erfolgs (ÖBA 1988, 623 = JBl 1989, 37 = NZ 1989, 39; Rummel in Rummel2, Rz 10 zu § 880a ABGB mwN; Apathy in Schwimann Rz 6 zu § 880a ABGB). Selbst bei Anwendung des § 1353 ABGB auch auf den Garantievertrag bedeutet die Wendung „ausdrücklich erklärt“ keine Formvorschrift, sondern nur hinreichend deutlich (ÖBA 1994, 804 mit Anm von Iro; SZ 51/9; RZ 1977/76; Gamerith in Rummel 2, Rz 1 zu § 1353 ABGB). Fraglich kann hier nur die Bestimmtheit des Dritten und des garantierten Erfolgs sein. Nach den von der zweiten Instanz gebilligten, auf der Parteiaussage des Beklagten beruhenden erstgerichtlichen Feststellungen sollte die Garantie des Beklagten den von der klagenden Bank dessen Mutter (für ihr nicht protokolliertes Einzelunternehmen) als Dritter - weiter - gewährten Kontokorrentkredit über 20 Mio S besichern. Damit war neben dem Garanten und dem Begünstigtem auch der Dritte und der zu besichernde Erfolg der Garantie nicht nur bestimmbar, sondern auch bestimmt. Die unrichtige Bezeichnung des Unternehmens des Dritten in der schriftlichen Garantieerklärung ändert daran nichts, weil es das dort genannte Unternehmen „Erich S***** und Ada S*****, Textilimport“ nie gab, sondern stets nur das nichtprotokollierte Einzelunternehmen der Mutter des Beklagten; dieses war damit unzweifelhaft gemeint.

Die Frage, ob ein (Bank)Garantievertrag in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Beklagten ein abstraktes Schuldverhältnis (ÖBA 1988, 1230 = WBl 1988, 340 ua; Koziol in Avancini-Iro-Koziol, Österr. Bankvertragsrecht2 II Rz 3/4 mwN in FN 7) oder auf einen Sicherungszweck, den Eintritt des Garantiefalls, bezogen ist (WBl 1987, 121 = RdW 1987, 225 ua; Lindinger, Aktuelle Rechtsprechung zur Bankgarantie in WBl 1992, 141 ff), muß hier nicht untersucht werden, weil der Garantiefall jedenfalls eingetreten ist.

2.) Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen rechtsgeschäftliche Haftungserklärungen durch gutstehende Familienangehörige mit unzulänglichem Einkommen bzw Vermögen durch Bürgschaft, Schuldbeitritt oder - wie hier - durch dreipersonale Garantie für einen Hauptschuldner gegenüber einer Bank iS des § 879 ABGB sittenwidrig ist, fehlt, soweit überblickbar, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Nach § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Ein Geschäft ist in diesem Sinne sittenwidrig, wenn es, ohne gegen ein positives inländisches Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig ist, also ungeschriebenes Recht, insbesondere allgemeine und oberste Rechtsgrundsätze, verletzt, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das ist aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht (MietSlg 38.507 ua). Maßgebend sind die Wertentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung (WBl 1992, 333). Die „Gute-Sitten-Klausel“ soll den Richter instandsetzen, bei offener Rechtswidrigkeit helfend einzugreifen. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände an Hand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung ankommt. Wegen des Grundsatzes der Privatautonomie wird eine solche Rechtswidrigkeit nach einer Interessenabwägung nur dann bejaht, wenn sie eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (NZ 1974, 126; Gschnitzer in Klang 2, IV/1 183; Apathy aaO, Rz 5 zu § 879 ABGB mwN).

In der Bundesrepublik Deutschland führte der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19.Oktober 1993, NJW 1994, 36 = ZIP 1993, 1775 (mit Glosse von Honsell in NJW 1994, 565 f) zu einer Änderung der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach sich Volljährige wirksam auch zu Leistungen verpflichten konnten, die sie „schlechterdings überfordern oder von ihnen nur unter besonders günstigen Bedingungen, notfalls sogar unter dauernder Inanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens erbracht werden können“, und womit Härten einer lebenslangen Haftung nicht im Privatrecht, sondern erst im Vollstreckungsrecht teilweise gemildert wurden. Mit seinem Beschluß verpflichtete das Bundesverfassungsgericht in der Frage der Bürgschaft einkommens-und vermögensloser Familienmitglieder die Zivilgerichte bei Anwendung der §§ 138 und 242 BGB zur Beachtung der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie und des Sozialstaatsprinzips. Insbesondere resultiere hieraus die Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner (Bürgen oder Schuldübernehmer) ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind. Diese Inhaltskontrolle ist aber nicht iS einer über den Rahmen des § 138 BGB hinausgehenden Angemessenheitskontrolle zu verstehen (Heinrichs in Palandt, BGB54, Rz 38 zu § 138). Das deutsche Bundesverfassungsgericht überließ die dogmatische Umsetzung der von ihm entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe den Zivilgerichten. Sie habe systemkonform durch eine strengere Anwendung des § 138 BGB oder durch eine Erweiterung der Prüfungs- und Aufklärungspflichten des Gläubigers zu erfolgen. Als sittenwidrig beurteilte der deutsche Bundesgerichtshof bei Bedachtnahme auf diese Grundsätze eine Bürgschaft oder Schuldübernahme, wenn ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitschuldners bestehe und dieser aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt habe (NJW 1994, 1278). Auch wenn diese grobe Mißverhältnis fehle, sei § 138 BGB anwendbar, wenn zu dem Widerspruch zwischen dem Umfang der Verpflichtung und der Leistungsfähigkeit weitere, für die Sittenwidrigkeit sprechende Umstände hinzuträten.

Der erkennende Senat erachtet diese Wertungen bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Haftungserklärungen volljähriger Familienangehöriger ohne jedes oder jedenfalls ohne zulängliches Einkommen und Vermögen auch für den österreichischen Rechtsbereich anwendbar, weil das Prinzip der Privatautonomie durch die Bestimmung des § 879 ABGB begrenzt ist (Apathy aaO Rz 1 zu § 879 ABGB). Diese Wertungen sind nicht auf Familienangehörige, die sich verbürgen oder eine Schuld besitzen beschränkt, sondern gelten auch für solche Angehörige, die gegenüber dem Kreditgeber eine (echte) Garantieerklärung abgaben, weil auch die dreipersonale Garantie unter den Begriff der Sicherungsmittel iS des § 1358 ABGB fällt (SZ 60/266) und dabei zufolge der fehlenden Akzessorietät das Risiko noch größer als bei Bürgschaft und Schuldbeitritt ist (ÖBA 1993, 146). Das wirtschaftliche Übergewicht der Bank und die daraus resultierende Verhandlungsstärke sind Merkmale vieler Bankgeschäfte mit Kunden und rechtfertigen für sich allein noch nicht die Annahme einer Sittenwidrigkeit dieses Bankgeschäfts. Aus der Vertragsfreiheit folgt vielmehr, daß es grundsätzlich jedermann unbenommen bleiben muß, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die er nur unter besonders günstigen Bedingungen erbringen kann. Im allgemeinen kann auch jeder erkennen, daß die Übernahme einer Mithaftung - Bürgschaft, Schuldbeitritt oder Garantie - ein erhebliches persönliches Risiko darstellt, die Tragweite eines solchen Handelns entsprechend abwägen und dann seine Entscheidung treffen. Dies gilt grundsätzlich auch bei verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Hauptschuldner und Bürgen, Mitschuldner oder Garanten. Erst die Verbindung der strukturell ungleich größeren Verhandlungsstärke der Gläubigerbank, die ein derart starkes wirtschaftliches Übergewicht hat, daß sie vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen und damit den die Privatrechtsordnung tragenden Gedanken der Privatautonomie obsolet machen kann, gegenüber einem dem Hauptschuldner gutstehenden Angehörigen, dessen Verpflichtung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigt, mit weiteren, in der Person des gutstehenden Angehörigen liegenden, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigenden und der Gläubigerbank zurechenbaren Umständen kann in Ausnahmefällen in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbots wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestands zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit des die Verpflichtung begründenden Rechtsgeschäfts führen. Dabei hat das Gericht eine auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bezogene Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände, die hier nicht vollständig aufgezählt werden können, vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind bei der Abwägung der für und gegen die Sittenwidrigkeit sprechenden Umstände neben der konkreten vertraglichen Ausgestaltung der Mithaftung einschließlich der absoluten Höhe der eingegangenen Verpflichtung etwa das Abdingen bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften, das Fehlen einer betragsmäßigen Haftungsbegrenzung bzw damit die fehlende Überschaubarkeit des Risikos überhaupt oder eine hoffnungslose Überschuldung des Hauptschuldners, in der Person des gutstehenden Angehörigen liegende Umstände wie die Verharmlosung der Tragweite oder des Risikos der Verpflichtung durch einen Angestellten der Bank (BGH in NJW 1994, 1341), die Überrumpelung des Angehörigen oder die Ausnutzung einer seelischen Zwangslage, die sich aus der gefühlsmäßigen Bindung zum Kreditnehmer oder der wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihm ergibt (BGH in NJW 1994, 1726 bzw NJW 1993, 322), und ebenso auch die geschäftliche Unerfahrenheit. Das grobe Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und dem gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen des gutstehenden Angehörigen, das bei lebensnaher Sicht der Dinge erwarten läßt, daß dieser die übernommenen Verpflichtungen nie oder doch nur unter ganz besonders günstigen Bedingungen vollständig erfüllen kann, kann somit erst dann bedeutsam werden, wenn der Angehörige aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse am Zustandekommen des Vertrags - weil er über die Kreditsumme nicht (mit)verfügen konnte und aus deren Verwendung auch keine unmittelbaren Vorteile ziehen kann (vgl dazu Heinrichs aaO) - gehandelt haben (vgl BGH in NJW 1994, 1726; NJW 1994, 1341 = WM 1994, 680; NJW 1994, 1278 = WM 1994, 676). Das sittenwidrige Element liegt dann darin, daß der sich einseitig belastende Angehörige trotz weitgehend fehlenden Eigeninteresses aus wirtschaftlicher Unerfahrenheit zum Vertragsabschluß hinreißen läßt und seine Gutstehung bei realistischer Betrachtungsweise seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten für die Gläubigerbank keinen Sinn ergibt, weil eine vertragsgemäße Erfüllung der Ansprüche der Gläubigerbank - wenn überhaupt - erst in ferner Zukunft, zu erwarten ist, durch eine solche Haftung deren schutzwürdige Interessen somit gar nicht betroffen sein können und es deshalb zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der beiderseitigen Interessenlagen kommt. Außerdem können solche Umstände der Gläubigerbank wohl nur dann zur Last fallen, wenn sie diese kannte oder doch hätte kennen müssen. Auch hat der Angehörige des Kreditnehmers all jene Tatsachen, die die Annahme der Sittenwidrigkeit der Haftungsvereinbarung rechtfertigen können, zu behaupten und unter Beweis zu stellen.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe an den festgestellten Sachverhalt zeigt sich indes, daß der vom Beklagten mit der klagenden Gläubigerbank geschlossene Garantievertrag nicht angreifbar ist und die klagende Partei die Grenzen zulässiger Rechtsausübung nicht überschritten hat:

Der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 34jährige, somit seit langem volljährige und im Unternehmen seiner Mutter als Angestellter tätige Beklagte kann nicht von vornherein als geschäftsunerfahren bezeichnet werden; Umstände, aus denen sich das Gegenteil erschließen ließe, hat er nicht behauptet. Auch sonst trug der insoweit beweisbelastete Beklagte, dessen Interesse als präsumtiver Nachfolger seiner Mutter in der Führung deren Unternehmens an einer Kreditverlängerung bei der Abwägung der für und wider eine Sittenwidrigkeit der Garantie sprechenden Umstände Berücksichtigung finden muß, in subjektiver Hinsicht nichts Relevantes vor. Es bleibt somit die Tatsache übrig, daß der Garantieverpflichtung des beklagten Familienangehörigen der Kreditnehmerin über höchstens 5 Mio S seine damaligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüberzustellen sind. Danach verdiente der Beklagte als Angestellter im Unternehmen seiner Mutter rund 20.000 S monatlich netto und war Hälfteeigentümer einer Liegenschaft in Italien im Gesamtwert von 10 Mio S. Daß diese Liegenschaft ein Vermögen darstellt, ergibt sich nach dem Akteninhalt (Vermögensbekenntnis des Beklagten ON 23 ua) schon daraus, daß sie nun zugunsten des KR B***** (offenbar gemeint als Geschäftsführer der Vermieterin des Beklagten) verpfändet wurde. Ob die Liegenschaft, wie der Erstrichter feststellte, nun mit einem Wohnrecht der Eltern des Beklagten, oder aber mit deren Fruchtgenußrecht belastet war, wie das erstmals in der von der zweiten Instanz ungeprüft gebliebenen Beweisrüge des Beklagten behauptet wurde, ist schon deshalb unerheblich, weil ein grobes Mißverhältnis zwischen dessen Verpflichtungserklärung und dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen allein im Regelfall noch nicht zur Annahme der Sittenwidrigkeit des Vertrags führt, das Fruchtgenußrecht ebenso wie das Wohnrecht bei einer allfälligen Verwertung des Liegenschaftsanteils des Beklagten - als langfristigem Besicherungsobjekt - wohl nur zu Lebzeiten der Berechtigten wertmitbestimmend sein konnte und (auch) zugunsten der Kreditnehmerin und Hauptschuldnerin eingeräumt war. Demgemäß kann den Ausführungen des Beklagten über seine damalige „relative Vermögenslosigkeit“ nicht beigepflichtet werden. Dessen Hinweis auf die Entscheidung des BGH in ZIP 4/91, 224 geht schon deshalb fehl, weil nach dem dort zu beurteilenden Sachverhalt Gutsteherin eine einkommens- und vermögenslose Hausfrau war.

Daß die klagende Partei bei der Kreditverlängerung und der damit im Zusammenhang stehenden Annahme der Garantieerklärung des Beklagten nicht nur von einer bedrohlichen wirtschaftlichen Lage ihrer Kreditnehmerin, sondern auch davon Kenntnis gehabt hätte, daß diese dem Beklagten nicht bekannt gewesen sei, und deshalb zur entsprechenden Aufklärung des beklagten Garanten verpflichtet gewesen wäre (vgl JBl 1990, 523), obwohl dieser in einer besonderen Nahebeziehung zur Hauptschuldnerin stand (vgl ÖBA 1993, 61 mwN), wurde nicht einmal behauptet. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die für und gegen den Abschluß des Garantievertrags (Kreditverlängerung einerseits, Mithaftung eines zur Übernahme des Unternehmens bestimmten Familienangehörigen) sprechenden Umstände im Kreis der Familie des Beklagten eingehend erörtert und abgewogen wurden und er in seiner Entscheidungsfreiheit beim Abschluß des Garantievertrags mit der Gläubigerbank nicht über Gebühr beeinträchtigt war.

Es muß daher nicht mehr untersucht werden, ob eine Sittenwidrigkeit der oben dargestellten Art zum gänzlichen Entfall der übernommenen Verpflichtung (vgl bei etwas anderer Rechtslage BGH in NJW 1994, 1726 mwN) oder infolge bloßer Teilnichtigkeit nur zu einer Vertragsanpassung und Herabsetzung der Verpflichtung des mithaftenden Familienangehörigen auf ein seiner Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Verpflichtungserklärung nicht unangemessenes Maß führt.

3.) Daß die Garantie vom Beklagten nur „pro forma“ unterfertigt worden wäre, wie er nun im Rechtsmittel ausführt, ist als Neuerungsvorbringen vom Revisionsgericht nicht weiter zu prüfen.

4.) Auch aus den Bestimmungen des Kautionsschutzgesetzes 1937, das nach wie vor in Kraft steht (EvBl 1986/92; SZ 42/36 ua), ergibt sich keine Nichtigkeit des Garantievertrags. Gemäß § 1 Abs 1 KautSchG 1937 darf sich ein Dienstgeber von seinem Dienstnehmer eine Kaution nur zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen bestellen lassen, die ihm gegen den Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis erwachsen können, wobei als Kaution nur die unter a) bis e) angeführten Sicherheiten, darunter - lit c - auch Bürgschaften bestellt werden können. Gemäß § 3 KautSchG 1937 darf der Abschluß oder die Aufrechterhaltung eines Dienstvertrags vom Dienstgeber nicht davon abhängig gemacht werden, daß dem Dienstgeber vom Dienstnehmer oder einem Dritten ein Darlehen gewährt wird oder daß sich der Dienstnehmer oder ein Dritter mit einer Geldeinlage an dem Unternehmen des Dienstgebers als stiller Gesellschafter beteiligt. Nach § 4 KautSchG 1937 sind Rechtsgeschäfte nichtig, die den Bestimmungen des § 1, sowie Verträge über Darlehen oder Geschäftsbeteiligungen, die den Bestimmungen des § 3 widersprechen; das auf Grund solcher Rechtsgeschäfte und Verträge Geleistete kann jederzeit zurückgefordert werden. Der von einer Bank dem Dienstgeber gewährte Kredit, für den ua der Dienstnehmer bürgt, ist keine dem Dienstgeber bestellte Kaution iS des § 1 KautSchG 1937 (EvBl 1986/92). Im vorliegenden Verfahren ergaben sich auch keinerlei Anhaltspunkte in der Richtung, daß die klagende Partei die Garantieerklärung in Kenntnis des Umstands entgegennahm, daß die Mutter des Beklagten als Dienstgeberin die weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses zum Beklagten als Dienstnehmer von der Garantieerklärung abhängig mache (vgl SZ 61/229; EvBl 1986/92). Der Beklagte hat sich auf eine Nichtigkeit des Garantievertrags unter dem Gesichtspunkt des Kautionsschutzgesetzes 1937 auch gar nicht berufen.

Demgemäß ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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