OGH 7Ob292/06a

OGH7Ob292/06a18.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 14. Mai 2000 verstorbenen Dipl. Ing. Nikolaus H*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Töchter Sylvia R*****, und 2. Susanne H*****, beide vertreten durch Dr. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Oktober 2006, GZ 42 R 386/06k-154, womit infolge Rekurses derselben der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19. Mai 2006, GZ 4 A 225/00g-148, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Antrag der erblasserischen und pflichtteilsberechtigten Töchter Sylvia R***** und Susanne H*****, Auskunft über die Kontenbewegungen nachstehender Konten (lautend auf den Erblasser) vom Todestag des Erblassers am 14. 5. 2000 rückwirkend bis zum 1. 5. 1999 zu erhalten, stattgegeben und mit der Durchführung derselben der Gerichtskommissär beauftragt wird:

Text

Begründung

Mit letztwilliger Verfügung des Erblassers vom 18. 12. 1997 setzte dieser die Witwe Sigrid H***** zur Alleinerbin seines Vermögens ein; seine Töchter Sylvia R***** und Susanne H***** aus erster Ehe - die nunmehrigen Revisionsrekurswerberinnen - setzte er hingegen auf den Pflichtteil unter Einrechnung sämtlicher Vorempfänge sowie eines in seinem Testament ausgesetzten Legats (ON 3). Gemäß einer im Testament weiters verfügten fideikommissarischen Substitution fielen zwei Häuser des Erblassers an die Töchter. Die Witwe gab eine bedingte Erbserklärung ab, die mit Beschluss des Erstgerichtes vom 27. 11. 2000 zu Gericht angenommen wurde (ON 9). Mit weiterem Beschluss vom 22. 8. 2001 wurde der Witwe die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 145 AußStrG aF, §§ 810 ff ABGB überlassen (ON 44). Am 13. 5. 2003 wurde dem Abhandlungsgericht bekanntgegeben, dass die erblasserischen Töchter zur Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche von je EUR 126.546, 69 beim Landesgericht Wiener Neustadt zu 22 Cg 115/03t eine Manifestations- und Pflichtteilsklage gegen die Erbin eingebracht haben (ON 82). In diesem Verfahren vereinbarten die Parteien in der Streitverhandlung vom 15. 9. 2005 Ruhen des Verfahrens.

Mit Beschluss des Rekursgerichtes vom 16. 9. 2003, 22 R 430/03a-86, wurde über Antrag der erblasserischen Töchter (ON 58) die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen der erbserklärten Witwe angeordnet und mit Beschluss des Erstgerichtes vom 8. 10. 2004 ein Rechtsanwalt zum Separationskurator bestellt (ON 89).

Mit Antrag vom 21. 3. 2006 begehrten die erblasserischen Töchter, insgesamt neun näher bezeichnete und von der Witwe dem Verlassenschaftsgericht bekanntgegebene Konten des Erblassers bei zwei inländischen Kreditinstituten, deren Kontostand zum Todestag des Erblassers bereits aktenkundig sei, „vom Todestag, den 14. 5. 2000 rückwirkend bis zum 1. 5. 1999 zu öffnen" (ON 143). Dazu brachten die Antragstellerinnen im Wesentlichen vor, dass eine „aufgrund objektiver Urkunden erstellte Berechnung des Vermögens des Verstorbenen" zeige, dass zum Zeitpunkt seines Todes ein Vermögen vorhanden gewesen sein müsse, welches wesentlich höher als der im Verlassenschaftsverfahren einbekannte Betrag sei, und zwar konkret zwischen S 27 Mio bis S 34 Mio betrage. Dies weiche um ein Vielfaches von den Angaben der Erbin ab. Der Verstorbene habe stets die Erträge der meist anonymen Wertpapierdepots auf ein oder mehrere Verrechnungskonten gutschreiben lassen und diese dann auf Girokonten oder Sparbücher überwiesen, um die Herkunft und das Wertpapiervolumen „zu verschleiern". Man könne die Volumina der anonymen Wertpapierdepots mit den konkreten Wertpapieren rekonstruieren, wenn man durch zwölf Monate die Gutschriften auf den Verrechnungskonten bzw Sparbüchern und Girokonten und somit die Zinserträge eines Jahres feststelle. Aus den Wertpapierdepotquellen und den Gutschriften könne aus dem jeweiligen Zinssatz des Papiers das Nominale des deponierten Wertpapiers errechnet werden. Die Erbin habe im Pflichtteilsprozess keine Zustimmung zur Öffnung aller Konten gegeben. Die Öffnung der vorliegenden Konten ergebe die Möglichkeit, anhand der erfolgten Überweisungen von Zinserträgen veranlagte Werte der Höhe nach zu ermitteln und so das tatsächlich vorhandene erblasserische Vermögen festzustellen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf rückwirkende Kontoöffnung ab. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Nachlass auf Antrag der pflichtteilsberechtigten Töchter inventarisiert worden sei. In der Tagsatzung vom 9. 10. 2002 vor dem Gerichtskommissär sei die Aufstellung der gegenständlichen Konten unter den Aktiva jeweils mit der näher genannten Kontobezeichnung und den näher genannten Einlageständen vorgenommen worden. In rechtlicher Hinsicht führte es unter Zitierung des § 97 Abs 1 AußStrG aF und des § 38 Abs 2 Z 3 BWG aus, dass Abflüsse aus Konten vor dem Todestag im Abhandlungsverfahren nicht zu berücksichtigen seien. Die Auskunftspflicht der Bank sei auf den Zustand des Vermögens zum Todestag des Kunden eingeschränkt (ON 148).

Das Rekursgericht gab dem von den erblasserischen Töchtern erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus:

Das Erstgericht habe völlig zutreffend darauf hingewiesen, dass die Auskunftspflicht der Bank auf den Zustand des Vermögens zum Todestag des Kunden eingeschränkt sei. Abflüsse aus Konten vor dem Todestag seien im Abhandlungsverfahren nicht zu berücksichtigen. In ständiger Judikatur werde ausgeführt, dass es an einer Rechtsgrundlage für das Verlassenschaftsgericht fehle, von Banken Auskünfte über die bereits mehrere Jahre vor dem Tod des Erblassers stattgefundenen Transaktionen betreffend erblasserisches Sparbücher, Konten und Depots zu verlangen. Der Antrag der pflichtteilsberechtigten Töchter ziele nicht auf die Klärung des jeweiligen Kontostandes zum Todeszeitpunkt des Erblassers ab, zumal dieser bereits aktenkundig sei. Vielmehr begehrten sie die Kontoöffnung für das gesamte Jahr davor. Für eine derartige Maßnahme fehle dem Verlassenschaftsgericht jedoch die Rechtsgrundlage. Das dazu geeignete Rechtsinstitut für Pflichtteilsberechtigte sei die Geltendmachung ihrer Ansprüche im streitigen Verfahren. Zur Offenlegung von (vermutetem) Vermögen diene insbesondere die Klage auf Rechnungslegung und eidliche Vermögens- und Schuldenangabe gemäß Art XLII EGZPO. Hingegen bestehe mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmungen im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nicht die Möglichkeit, derartige Erkundungen, wie sie von den Antragstellerinnen angestrebt würden, durchzuführen.

Der Revisionsrekurs wurde mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG aF für nicht zulässig erklärt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe (im Rechtsmittel unrichtig: „Revisionsgründe") der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der erblasserischen Töchter mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Stattgebung ihres Antrages abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die erbserklärte Witwe Sigrid H***** hat (nach Freistellung) eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen fehlender erheblicher Rechtsfrage), in eventu, diesem keine Folge zu geben beantragt wird.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass - wie bereits vom Rekursgericht zutreffend ausgeführt -, zufolge der Übergangsbestimmung des § 205 AußStrG BGBl I 2003/111 die neuen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über das Verlassenschaftsverfahren noch nicht anzuwenden sind, wohl aber gemäß § 203 Abs 7 leg cit dessen Vorschriften über den Rekurs und den Revisionsrekurs.

Weiters ist vorauszuschicken, dass - da ein (wie hier) Pflichtteilsberechtigter das Recht hat, die Errichtung eines Inventars zu verlangen (§ 804 ABGB), dient doch die Inventur gemäß § 784 ABGB auch dazu, den Pflichtteil richtig ausmessen zu können - dem Pflichtteilsberechtigten auch die Möglichkeit zur Stellung von Anträgen zur Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfanges eines vom ursprünglichen Inventar noch nicht umfassten Vermögens des Erblassers eingeräumt ist (SZ 73/189; vgl auch 4 Ob 202/02p; RIS-Justiz RS0006500; RS0006789), um sich so (unvorgreiflich eines späteren Pflichtteilsprozesses) die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils zu verschaffen und schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen zu können (RIS-Justiz RS0006519). Damit ist auch für den vorliegenden Fall, in welchem es letztlich um eben diese Rechtsverschaffung der Noterben geht, sowohl ihre Antrags- als auch ihre Rechtsmittellegitimation gegeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht ein Recht auf Anfragen an Kreditinstitute über vorhandene (im vorliegenden Fall insgesamt neun) Konten iSd § 98 AußStrG aF nur soweit, als hiedurch der Status des Nachlassvermögens zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers erhoben werden kann, soll doch das Inventar nach § 97 AußStrG aF ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens enthalten, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat (RIS-Justiz RS0109531; RS0007818; 6 Ob 58/97s). Nichts anderes ergibt sich (wenngleich nicht mit ausdrücklichen Worten angeordnet) auch aus § 38 Abs 2 Z 3 BWG, wonach die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht „im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und Gerichtskommissärs besteht"; die solcherart statuierte Auskunftspflicht der Kreditinstitute bei Anfragen des Abhandlungsgerichts oder Gerichtskommissärs ist nämlich nach herrschender Meinung ebenfalls zum Todestag des Erblassers (Kunden) als dem für die Nachlassbewertung maßgeblichen Zeitpunkt (§ 97 Abs 1 AußStrG aF; ebenso auch § 166 Abs 1 AußStrG nF) eingeschränkt (Apathy/Koch in Apathy/Iro/Koziol, Österr. Bankvertragsrecht I² [2007] Rz 2/116; ebenso Landesgericht Salzburg 21 R 189/00s = EFSlg 95.109), sodass Abflüsse aus Konten bereits vor dem Todestag grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben haben (so auch LGZ Wien 44 R 1001/99b, 1002/99z = EFSlg 95.105). Die Auskunftspflicht eines Kreditinstituts in Bezug auf ein dem Erblasser gehöriges Konto muss sich zwar nicht auf die Bekanntgabe des Kontostandes am Todestag beschränken; Auskunft kann jedoch nur über Kontobewegungen nach dem Tod des Kontoinhabers verlangt werden, wenn dies zur Ermittlung des Vermögens des Verstorbenen am Todestag notwendig ist (Apathy/Koch, aaO).

Die Nachforschungspflicht des Gerichtskommissärs bezieht sich auf alle Sachen, die im Eigentum des Erblasser standen und auch auf die, die zumindest in seiner Gewahrsame waren (1 O 2309/96g). Das Recht des Abhandlungsgerichts auf Anfragen bei Kreditinstituten über vorhandene Konten besteht nur soweit, als dies zur Aufklärung über das in den Nachlass fallende Vermögen erforderlich ist (6 Ob 58/97s). Von diesem Auskunftsrecht des Abhandlungsgerichts bzw Gerichtskommissärs zu unterscheiden ist allerdings - worauf Apathy aaO Rz 2/118 zutreffend hinweist - das Auskunftsrecht des ruhenden Nachlasses (vertreten durch die Erben oder einen Verlassenschaftskurator), der Erben und allfälliger Legatare sowie der Gläubiger, denen nach § 73 AußStrG aF (nunmehr § 154 AußStrG nF) die Aktiven überlassen worden sind. Alle diese Auskunftsrechte leiten sich nämlich vom Auskunftsrecht des Erblassers ab, wobei ihr Umfang nach der Stellung des Auskunftsberechtigten unterschiedlich ist: Der Verlassenschaft und dem Erben als Universalsukzessor steht es in dem Umfang und unter den gleichen Voraussetzungen zu, wie es der Erblasser hatte (4 Ob 36/01z; RIS-Justiz RS0013538; Apathy aaO); bei Legataren und bei den genannten Gläubigern ist das Auskunftsrecht auf die Umstände beschränkt, die mit den vermachten bzw überlassenen Vermögensobjekten derart verknüpft sind, dass der Legatar bzw Gläubiger zur Verfolgung seiner Rechte über sie Bescheid wissen muss (Apathy aaO).

Dem Kunden gegenüber ist ein Kreditinstitut jederzeit zur Auskunft über die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung nach bürgerlichem Recht verpflichtet (1 Ob 609/93). Der der Geschäftsbeziehung zugrundeliegende Vertrag (Iro in Apathy/Iro/Koziol, aaO Rz 1/1 ff) erlischt nicht mit dem Tod (zum Girovertrag etwa 1 Ob 609/93). Die vorliegendenfalls von den pflichtteilsberechtigten Töchtern angestrebte Anfrage dient genau einer solchen Nachforschung. Der Erblasser hätte ein Recht auf Bekanntgabe der Kontobewegungen auf seinen Konten. Dass die Bestimmung des § 98 AußStrG aF nicht dazu verwendet werden darf, Auskünfte über Vermögenswerte zu erlangen, die nicht im Besitz des Erblassers standen, also nicht seinem im Besitz befindlich gewesenen Vermögen zugehörten (RIS-Justiz RS0013541), ist deswegen hier nicht weiter von Nachteil, weil ja nur die „eigenen" Kontobewegungen (des Erblassers) offen gelegt werden sollen und gerade nicht solche Dritter. Der Antrag dient somit der (nach dem Vorgesagten zulässigen) Erforschung, ob weitere Vermögenswerte im Besitz des Erblassers zum Todeszeitpunkt stehen, und zwar mit den Mitteln, die dem Erblasser und damit der Verlassenschaft zustehen. Hiegegen kann sohin das in § 38 BWG verankerte Bankgeheimnis nicht zielführend ins Treffen geführt werden.

Dem gegen die Verweigerung dieses Auskunftsrechtes ankämpfenden Revisionsrekurs war sohin antragsgemäß stattzugeben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden. Auch gegen die Einbeziehung des einzigen „Sparkontos" des Erblassers (Nr. 9.400-40751 bei der E*****) bestehen keine Bedenken, weil dieses bereits im Teilinventar des Gerichtskommissärs ON 107 als Teil der Aktiva des Erblassers ausgewiesen und daher dessen Zuordnung zum Nachlassvermögen des Genannten zweifelsfrei und aktenkundig (im Übrigen auch unstrittig) ist. Gleiches gilt auch für die übrigen im Einzelnen genannten Konten (siehe Aufstellung im Teilinventar aaO sowie im Zwischenbericht des Separationskurators ON 105). Der von einem - soweit überschaubar - einzelnen Gericht zweiter Instanz (Landesgericht Salzburg 21 R 466/02d = EfSlg 106.777) ohne nähere Abgrenzung und sohin generell versagten Erteilung von Auskünften an Banken über bereits vor dem Tod des Erblassers stattgefundene Transaktionen betreffend erblasserische Konten, der sich auch das Rekursgericht anschloss, kann damit nicht gefolgt werden.

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