BVwG W154 2009999-1

BVwGW154 2009999-128.7.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W154.2009999.1.00

 

Spruch:

W154 2009999-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Helga KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2014, Zl. 622 967 509 - 2190132, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 18.03.2016 und am 04.05.2016 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 28.07.2017 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 27.02.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu gab er im Rahmen einer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag an, dass er Hazara und schiitischen Glaubens sowie in Parwan geboren sei. Ausbildung habe er keine, er sei Analphabet. In der Heimat habe er zuletzt in Kabul gelebt. Zu seinem Fluchtgrund brachte er Folgendes vor: "Mein Bruder und ich haben bei der Fa. [...] als LKW Lenker gearbeitet und ich habe ihm geholfen. Wir haben Treibstoff für diese Firma von Kabul nach Khandahar für die Amerikaner gebracht. Mein Bruder arbeitet dort 6-7 Monate. Der LKW wurde während der Fahrt von den Taliban angegriffen und der LKW wurde in Brand gesetzt. Ich und mein Bruder konnten flüchten. Wir sind dann zur Polizei gegangen und diese hat uns wieder nach Kabul gebracht. Während der Fahrt haben die Taliban meinen Bruder angerufen und mit dem Umbringen bedroht. Sie haben uns beschuldigt, dass wir für die Amerikaner arbeiten. Außerdem arbeitete mein Vater auch als Lenker für die Fa. [...] und seine Aufgabe war, dass er [...] Mädchen zu einer Schneiderei, wo Uniformen für die Polizei angefertigt werden, transportiert. Mein Vater wurde ebenfalls von den Taliban mit dem Umbringen bedroht. Ich und mein Bruder sowie mein Vater wurden nie von den Taliban festgenommen oder gefoltert. Wir wurden über das Telefon bedroht. Aus diesen beiden Gründen bin ich geflüchtet." Bei einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst um sein Leben.

Am 06.03.2013 wurde der Beschwerdeführer einem Handwurzel-Röntgen unterzogen. Das Untersuchungsergebnis wurde ihm am 25.03.2013 im Rahmen des Parteiengehörs im Beisein seiner gesetzlichen Vertreterin zur Kenntnis gebracht. Da er bei seinen Angaben blieb, minderjährig zu sein, wurde am 12.04.2013 eine forensische Altersschätzung vorgenommen. Dieses Untersuchungsergebnis ergab im Untersuchungszeitraum ein Mindestalter von 17 Jahren und 3 Monaten.

Am 03.03.2014 wurde der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er, dass er in Österreich seit drei Monaten einen Deutschkurs besuche. In der Heimat habe er bis zu seiner Ausreise in Kabul gelebt und dort selbst gearbeitet und auch Hilfsjobs angenommen. Zurzeit wisse er nichts von seiner Familie, den letzten Kontakt habe er gehabt, als er im Iran gewesen sei. Zwei Tage nach ihm habe auch sein Bruder das Land verlassen. In Afghanistan habe der Beschwerdeführer noch Onkel und Tanten, zu denen er jedoch keinen Kontakt habe. Er kenne auch deren Telefonnummer nicht. Die Tante väterlicherseits und die Großmutter hätten bei seinen Eltern in Kabul gelebt, seien aber auch weggezogen. Er könne seiner Familie auch keinen Brief schreiben, weil die Post nicht zuverlässig sei und es keine genauen Straßenbezeichnungen und keine Hausnummern gebe. Dass seine Eltern nach Parwan zurückgekehrt seien, sei aufgrund des dortigen Krieges nicht möglich.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass sie wegen der Verlobungsfeier seines Bruders Schulden gehabt hätten. Sein Bruder habe dann einen Job als Tankwagenfahrer angenommen. Um etwas Geld zu verdienen, habe ihn der Beschwerdeführer sechs Monate später auf einer Fahrt zum Flughafen nach Kandarhar begleitet. Es sei seine erste Fahrt gewesen. Unterwegs - in Salar Wardak - sei auf ihren Konvoi, der aus ca. 30 Autos bestanden habe, ein Überfall verübt worden. Die drei, vier Begleitautos einer Security Firma hätten nicht helfen können. Ihr Wagen sei umgekippt, weil die Vorderreifen auf der rechten Seite gebrannt hätten, nachdem auf sie geschossen worden sei. Später in dieser Befragung gab er an, der LKW vor ihnen habe zu brennen begonnen, sie seien in dessen Spur hineingefahren und deshalb habe auch ihr LKW Feuer gefangen. Da die Straßen dort nicht so eben seien, sei er gekippt. Als die Schießerei begonnen habe, habe ihm sein Bruder gesagt, dass er sich ducken und unten bleiben solle. Sie seien dann noch etwa eine halbe Stunde weitergefahren. Während ihr LKW umgekippt sei, habe sich der Beschwerdeführer an seinem Sessel angehalten. Sein Bruder sei auf ihm gelegen und habe sich das Handgelenk gebrochen. Die Beiden seien dann durch die kaputte Windschutzscheibe herausgeklettert. Der Beschwerdeführer habe keine Verletzungen gehabt, jedoch starke Schmerzen im Rücken. Im Krankenhaus sei er jedoch nicht gewesen. Als die Kampfhandlungen bereits im Gange gewesen seien, seien auch Militärs dazugekommen. Einige Autos hätten gebrannt und einige Fahrer seien ums Leben gekommen. Mehr wisse der Beschwerdeführer nicht. Die Angreifer hätten die Tanks vernichten wollen, damit die Amerikaner sie nicht bekämen. Die Polizei habe dann alle Fahrer nach Kabul mitgenommen. Im Polizeiauto hätten sie gehört, dass zwei LKWs umgekippt und ausgebrannt und deren Fahrer und Beifahrer ums Leben gekommen seien.

Auf dem Rückweg nach Kabul sei der Bruder von den Taliban angerufen und bedroht worden, weil er für die Ungläubigen, nämlich die Amerikaner, Sprit liefere. Dabei sei auch der Name des Beschwerdeführers und der ihres jüngeren Bruders genannt worden. Auch sie würden dafür bestraft und ihr Leben sei in Gefahr. Der Beschwerdeführer habe Angst bekommen, sein Bruder habe ihn nachhause gebracht und sei dann zur Polizei gefahren um die Sache zu erklären. Danach seien sie nicht mehr aus dem Haus gegangen. Ungefähr einen Monat später sei der Beschwerdeführer ausgereist.

Davor sei auch schon ihr Vater von den Taliban telefonisch bedroht worden, weil er für eine ausländische Firma arbeite. Er habe afghanische Mädchen und Frauen, die als Schneiderinnen vermutlich Militäruniformen angefertigt hätten, zum Arbeitsplatz und wieder nachhause chauffiert. Man habe ihm vorgeworfen, dass er diese Frauen an die Amerikaner verkauft habe und er sei verdächtigt worden, ein Mädchenhändler bzw. Zuhälter zu sein. Sein Vater habe diesen Job zwei, drei Jahre ausgeübt und sei dabei insgesamt zweimal bedroht worden und zwar in knappen Abständen. Das zweite Mal am Abend, bevor der Beschwerdeführer nach Kandarhar gefahren sei, das erste Mal 15 Tage davor.

Keiner in der Familie habe jedoch persönlichen Kontakt zu den Taliban gehabt. Der Beschwerdeführer selbst sei nicht telefonisch bedroht worden, er habe gar kein Handy.

Mit Schreiben vom 13.03.2014 wurde dem Bundesamt eine Stellungnahme zu den am 03.03.2014 ausgehändigten Länderfeststellungen übermittelt. In weiterer Folge langten dort eine Kursbesuchsbestätigung Deutsch intensiv sowie eine Unterstützungserklärung der Trainerin des Beschwerdeführers ein.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.06.2014, Zl. 622 967 509 - 2190132, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr. 100/2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 legcit. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II). Gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb Spruchpunkt III. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass der Beschwerdeführer keine systematische bzw. intensive Verfolgung durch seinen Heimatstaat geltend gemacht habe. Seine Angaben seien nicht glaubhaft und er habe immer wieder ausweichende Antworten zum Beispiel auf Fragen gegeben, die sein persönliches Umfeld, seine Wohnadresse und Ähnliches betroffen hätten. Seine Widersprüche vorgehalten habe er diesen nicht auf nachvollziehbare Art und Weise entgegentreten können.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Neben den beiden bereits vorgelegten Integrationsunterlagen wurden eine weitere Kursbestätigung Deutsch intensiv 200 UE sowie eine Bestätigung an einer Teilnahme an einem Kurs Deutsch als Fremdsprache für Fortgeschrittene an einer Volkshochschule (198 UE) vorgelegt.

Am 18.03.2016 und am 04.05.2016 fanden vor dem Bundesverwaltungsgericht öffentliche mündliche Verhandlungen statt, an denen das Bundesamt als weitere Partei des Verfahrens nicht teilnahm und denen eine Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie ein länderkundiger Sachverständiger für Afghanistan beigezogen wurden.

Am 18.03.2016 erklärte der Beschwerdeführer, dass er in einem näher bezeichneten Dorf im Distrikt Sorkhparsa in der Provinz Parwan geboren und als kleines Kind nach Kabul gezogen und dort auch aufgewachsen sei. Gelebt habe er dort im fünften, zehnten und vierten Bezirk der Stadt. In anderen Teilen Afghanistans habe er sich nicht über einen längeren Zeitraum aufgehalten. Die Schule habe er nicht besucht, aber zwei Jahre als Lehrling (Spengler) in einer Kfz-Werkstatt gearbeitet. Sonst sei er Straßenverkäufer und einige Zeit Teppichknüpfer gewesen. Seine Familie bestehe aus seinen Eltern, seiner Schwester und seinen drei Brüdern. Wo sie sich gegenwärtig befinde, wisse er nicht. Als er ausgereist sei, habe sie im fünften Bezirk der Stadt Kabul gelebt. Sein Vater, sein älterer Bruder und er selbst hätten für die Familie gesorgt. Vater und Bruder seien Fahrer für verschiedene Firmen gewesen. Sein Vater habe zwei Jahre lang vor dem fluchtauslösenden Vorfall für diese Firma gearbeitet, sein Bruder sei vor dem fluchtauslösenden Vorfall sechs Monate für die Firma angestellt gewesen. Davor sei er Taxi gefahren. Ob sich seine Familie nach wie vor in Afghanistan aufhalte, oder ob sie ebenfalls geflüchtet sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Den letzten Kontakt zu ihr habe er gehabt, als es im Iran gewesen sei. Zu seiner Ethnie gab der Beschwerdeführer an, dass er Hazara sei.

Afghanistan habe er Ende 2012 Richtung Iran verlassen, von dort aus sei er über die Türkei und Griechenland bis nach Österreich gekommen. Im Iran habe er sich ca. ein bis zwei Wochen aufgehalten. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater für eine amerikanische Firma gearbeitet und Mädchen, die Schneiderinnen für Militäruniformen gewesen seien, täglich zu dieser Firma gebracht habe. Der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit seinem Bruder für eine andere Firma Benzin aus Kabul nach Kandahar geliefert. Bei der ersten Lieferung sei nichts passiert. Als sie das zweite Mal in einem Konvoi Richtung Kandahar unterwegs gewesen seien, sei es im Gebiet Salar-e Wardak zu einem Angriff gekommen. Dabei sei ihr Fahrzeug umgefallen. Der Beschwerdeführer und sein Bruder hätten sich aus dem Fenster der Fahrerkabine retten können. Kurze Zeit später sei die Polizei eingetroffen, die alle Fahrer der Fahrzeuge nach Kabul gebracht habe. Im Stadtteil Company habe der Bruder des Beschwerdeführers einen Anruf seitens der Taliban erhalten. Sie hätten gesagt, dass sie über seine Tätigkeit Bescheid wüssten, nämlich, dass sie Amerikaner mit Benzin beliefern würden. Zuvor hätten die Taliban bereits den Vater des Beschwerdeführers wegen dessen Arbeit ebenfalls bedroht. Der Vater, der Beschwerdeführer und dessen Bruder hätten nach diesem Vorfall ca. 20 -25 Tage zu Hause verbracht. Nach dieser Zeit sei der Beschwerdeführer in den Iran geflüchtet. Er habe Angst gehabt, da sein Leben in Gefahr gewesen sei.

Nachgefragt, ob der Beschwerdeführer seine Zustimmung zu Nachforschungen des länderkundigen Sachverständigen gebe, erklärte er Folgendes: "Ich mache mir Sorgen um meine Familie und ich habe Angst um ihr Leben. Über mich können Nachforschungen angestellt werden, ohne dass meine Familie involviert wird. Zu Nachforschungen betreffend meine Familie erteile ich keine Zustimmung."

Im Rahmen dieser Verhandlung wurde dem Sachverständigen der Auftrag erteilt, ein allgemeines Gutachten hinsichtlich der Fluchtgründe des Beschwerdeführers ohne Einbeziehung von Nachforschungen über ihn und seine Familie, zu erstellen. Weiters erging der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens bezüglich der Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul.

Mit Schreiben vom 30.04.2016 legte der länderkundige Sachverständige das angeforderte Gutachten vor. Nach diesem habe er sich während seines Aufenthalts in Kabul darüber informiert, ob Fahrer der Benzinlieferungen, die auch für Ausländer bestimmt sein könnten, von den Taliban gesucht und verfolgt würden. Zusätzlich habe er durch Literaturrecherche Informationen über die Firmen, bei denen der Bruder und Vater des Beschwerdeführers gearbeitet hätten, gesammelt.

Aufgrund dieser Informationen wurde folgendes Gutachten erstattet:

Die Angaben über die Firma, für die der Vater des Beschwerdeführers nach dessen Angaben Schneiderinnen gefahren habe, stimmten mit den Tatsachen betreffend dieses Unternehmen überein. Dieses Unternehmen würde Frauen beschäftigen, die Polizeiuniformen herstellten. Es handle sich um eine Privatfirma, die einem Afghanen gehöre, den Hauptsitz in Amerika habe, jedoch hauptsächlich in Afghanistan operiere. In Afghanistan könne keine größere Firma zu finden sein, die keinen Kontakt in die USA, nach Deutschland, Kanada, Australien, Österreich und zu anderen europäischen Ländern habe. Nach der eigenen Beobachtung des Sachverständigen würden Chauffeure solcher Firmen auf keinen Fall von den Taliban verfolgt. Außerdem könnten und wollten die Taliban in der Stadt Kabul einfache Arbeiter, wie z. B. Chauffeure, nicht verfolgen. Wenn die Angaben des Beschwerdeführers stimmen würden, dürften auch die Schneiderinnen nicht zu dieser Firma fahren und für die Polizei nähen, weil die Taliban gegen die afghanische Polizei seien. Aber diese Frauen seien in dieser und auch anderen Firmen tätig. Auch der Bruder des Beschwerdeführers könne in der Stadt Kabul von den Taliban nicht verfolgt werden, da diese nicht jeden Chauffeur bedrohen würden, der für eine afghanische Firma Öltransporte fahre. Es komme tatsächlich vor, dass die Taliban Öllieferungen ausländischer und afghanischer Firmen angreifen und in Brand stecken würden, aber sie würden die Chauffeure dieser Transporte nicht weiterverfolgen. Es könne vorkommen, dass bei einem solchen Angriff Fahrzeuge in Brand geraten und manche Chauffeure auch sterben würden. Es sei auch vorgekommen, dass die Taliban einzelne Chauffeure dieser Fahrzeuge an Ort und Stelle bestrafen, wenn sie nicht schnell genug ihre Fahrzeuge gestoppt oder wenn sie versucht hätten, zu fliehen. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Taliban einzelne Chauffeure der Öllieferungen auch bestrafen würden, wenn ihnen dieser suspekt vorkämen. Die Fahrer würden aber nicht weiter von den Taliban verfolgt. Zu den genannten Firmen verwies der länderkundige Sachverständige auf konkrete Internetquellen.

Im Rahmen der Verhandlung vom 04.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer das vorgelegte Gutachten übersetzt. Er äußerte sich dazu dahingehend, dass er nichts zu sagen habe, alles was er erzählt hätte, sei die Wahrheit.

Wo sich seine Eltern aufhielten, wisse er nicht, es sei möglich, dass sie nicht mehr in Kabul seien. Er könne jedoch keinen Grund nennen, warum sie Kabul verlassen hätten. Dass sie in Parwan seien, sei aufgrund der dortigen schlechten Sicherheitslage eigentlich nicht möglich. Über den Verbleib seines Bruders habe der Beschwerdeführer auch keine Kenntnis.

Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan als Spengler, als Straßenverkäufer und Teppichknüpfer gearbeitet, ansonsten habe er zwei Mal seinen Bruder bei Benzintransporten begleitet. Schulbildung habe er keine. Das Teppichknüpfen habe er von einer Tante väterlicherseits gelernt, die bei ihnen gewohnt habe. Gelebt habe er mit seiner Familie in Kabul im fünften, im zehnten, im vierten und zuletzt wieder im fünften Sprengel. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise hätten sie in einem Haus mit drei Zimmern und einem kleinen Hof gewohnt.

In Österreich habe der Beschwerdeführer derzeit keine Arbeit. Er helfe den alten Damen in der Umgebung bei der Gartenarbeit und unterhalte sich ein wenig mit ihnen auf Deutsch. Er besuche derzeit auch keinen Sprachkurs.

In weiterer Folge wurde im Rahmen dieser Verhandlung seitens des Sachverständigen ergänzend zu seinem Gutachten die aktuelle

Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul beurteilt:

"Betreffend die Sicherheitslage in Großstädten: Kabul, Herat,

Bamiyan und Mazar-e Sharif:

Die Sicherheitslage in Kabul hat sich aufgrund der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen seitens des afghanischen Verteidigungs- und Innenministeriums sowie seitens des Staatssicherheitsdienstes gegenüber den letzten Monaten relativ gebessert. Die Internationale Sicherheitskräfte sind auch an dieser Aktion zur Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen beteiligt. Das erneute Engagement der ausländischen Truppen kann die Sicherheit in Großstädten wesentlich verbessern. Es gibt wenige Anschläge seitens der Taliban und die Sicherheitsbehörde nimmt oft die Selbstmordattentäter fest, bevor sie ihre Anschläge durchführen. Im letzten Monat hat es in Kabul einen Anschlag gegeben, wobei mehr als 28 Leute getötet und hunderte Personen leichten bis schwere Verletzungen davontrugen, [...]

Dieser Anschlag galt einem Amt des Staatssicherheitsdienstes. Während meiner Forschungsreise nach Kabul vom 21. März bis 02. April 2016 habe ich beobachten können, dass die Sicherheitslage in der Stadt Kabul relativ ruhig war. Aber man kann nicht ausschließen, dass die Taliban wieder vereinzelt Anschläge verüben können. Ich habe bezüglich die Sicherheitslage zusätzlich zu meinen Informationen in der heutigen Verhandlung, 04. 05. 2016, nach Afghanistan angerufen und meine Mitarbeiter über die derzeitige Sicherheitslage in Kabul gefragt. Nach deren Angaben ist die Situation in Kabul ruhig und es sind keine nennenswerte weitere Anschläge in Kabul zu verzeichnen. Bei der Beurteilung der Sicherheitslage in Kabul berücksichtige ich auch, was die Bevölkerung von Kabul von der Sicherheit ihrer Stadt halten. Es gibt Zeiten in Kabul, in denen unter der Bevölkerung ständig von der schlechten Sicherheitslage gesprochen wird und es Zeiten, wie seit Anfang Mai 2016, in denen die Leute in Kabul auf die Frage, wie die Sicherheitslage in ihrer Stadt wäre, mit dem Satz "derzeit Gut, reagieren. Ich möchte bei der Gelegenheit darauf hinweisen, dass die Sicherheitslage in den meisten Provinzen Afghanistans prekär bis sehr prekär ist, aber in folgenden Großstädten ist die Sicherheitslage insofern besser, weil die Taliban zwar vereinzelt Anschläge in diesen Städten verüben können, aber nicht in der Lage sind in diesen Städten bestimmte Bezirke einzunehmen und für eine Weile unter ihrer Kontrolle zu halten. Das sind: Kabul, Mazar-e Sharif, Herat und Bamiyan.

Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Kabul gibt es weiterhin vereinzelt Entführungen und Raubüberfälle in den Randgebieten der Stadt Kabul.

Zur Versorgungslage in Kabul:

Die Versorgungslage in Kabul ist weiterhin für jene Rückkehrer, die keinen Familienrückhalt in Kabul haben, schlecht. Die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen beträgt nach meiner Schätzung 60%. Wenn Personen keine Fachausbildung haben und auch keine Möglichkeit haben, mit den Familienmitgliedern zusammenzuarbeiten, können sie ohne Familienrückhalt schwer in Kabul wirtschaftlich Fuß fassen."

Dazu erklärte der Beschwerdeführer, er habe dem nichts mehr hinzuzufügen. Zur Vorlage von Integrationsunterlagen bzw. einer Stellungnahme wurde ihm eine Frist von drei Wochen eingeräumt.

Am 17.05.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Konvolut von Integrationsunterlagen ein: Die bereits vorgelegten sowie eine weitere Kursbesuchsbestätigung vom 01.09.2014 (Deutsch als Fremdsprache/Fortgeschrittene 157 UE), der Betreuungsbericht der Diakonie Flüchtlingshilfe sowie diverse Unterstützungserklärungen.

Mit Schreiben vom 25.05.2016 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Beschwerdeführers übermittelt. Darin wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und die Frage aufgeworfen, ob die "eigene Beobachtung" des Sachverständigen ausreiche, um dessen Erkenntnisse schlüssig einer Beweiswürdigung unterziehen zu können. Zudem habe der Beschwerdeführer die A1-Prüfung absolviert (A1-Zertifikat wurde jedoch keines beigelegt), würde für Flüchtlinge als Dolmetscher fungieren und regelmäßig mit Freunden Volleyball spielen. Seinen Fußballverein habe er verlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, führt den im Spruch genannten Namen, gehört der Volksgruppe der Hazara und dem schiitischen Glauben an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan seitens der Taliban oder aufgrund seiner Ethnie Verfolgung droht.

Dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer wie immer gearteten anderen Verfolgung ausgesetzt wäre, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer wurde in Parwan geboren und hat vom Kleinkindalter an bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Familie in verschiedenen Bezirken Kabuls gelebt.

Der Beschwerdeführer hat keine Fachausbildung, in der Heimat hauptsächlich als Teppichknüpfer und Straßenverkäufer gearbeitet und damit zusammen mit seinem Bruder und seinem Vater für den Familienunterhalt gesorgt. Er gehört somit zu einer sozial schlechter gestellten Familie.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2013 im Bundesgebiet, hat bis zum Jahr 2014 Deutschkurse besucht und verfügt in Österreich über kein eigenes Einkommen. Er konnte einige Unterstützungserklärungen vorlegen.

Aktuelle Lage in Kabul:

In Kabul wurden am 23.07.2016 bei einem Selbstmordanschlag inmitten einer friedlichen Kundgebung mindestens 80 Personen getötet und mehr als 230 verletzt. Bei den Opfern handelt es sich vornehmlich um Zivilisten. Laut Sicherheitskreisen hatten sich drei Täter mit Sprengstoffgürteln unter die Demonstranten gemischt, aber nicht bei allen Bomben sei die Zündung gelungen. Über die Nachrichtenagentur Amaq, den offiziösen Kommunikationskanal der Terrororganisation, bekannte sich der Islamische Staat (IS) zur Tat.

Das Attentat forderte noch mehr Todesopfer als der Angriff der Taliban vom April auf die Geheimdienstzentrale in Kabul, der bereits als einer der schwersten der vergangenen anderthalb Jahrzehnte galt (http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/blutiger-anschlag-in-kabul-der-is-weitet-sein-einsatzgebiet-in-afghanistan-aus-ld.107283 ;

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/5056096/IS-verubt-Anschlag-in-Kabul_Mindestens-80-Tote ;

http://derstandard.at/2000041668478/Selbstmordanschlag-bei-Demo-in-Kabul-Mindestens-50-Tote ).

Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Seit Jahrzehnten ist Afghanistan Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, die zu 2 Millionen Toten und 700.000 verwitweten oder verwaisten Personen geführt haben (Congressional Research Service vom 11.7.2014). Afghanistan befindet sich 13 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Anstrengungen, die zur Sicherung bisheriger Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012). Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012).

Sicherheitslage allgemein:

Die Zahl der im Afghanistan-Konflikt getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2013 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind 23 Prozent mehr Opfer gezählt worden. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang im Jahr 2012 gibt es nun eine Rückkehr zu den hohen Zahlen von getöteten und verletzten Zivilisten des Jahres 2011. Von Jänner bis Oktober 2013 wurden insgesamt 2.568 Zivilisten getötet und 4.826 Zivilisten verletzt. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2012.

Laut UNAMA sind 75 Prozent der Opfer durch Angriffe von Aufständischen getötet oder verletzt worden. In 10 Prozent der Fälle seien Regierungstruppen verantwortlich, weitere 13 Prozent seien bei Kämpfen zwischen beiden Seiten getötet oder verletzt worden. Die verbleibenden 4 Prozent der Fälle waren demnach keiner Konfliktpartei zuzuordnen und wurden in erster Linie durch Blindgänger verursacht.

(General Assembly/Security Council United Nations, "The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" Rn. 24 vom 6. Dezember 2013; Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 15)

Die Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan vor dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis zum Ende 2014 alle Kampftruppen aus dem Land abziehen. Die Internationale Sicherheits-Unterstützungstruppe (ISAF) wird wie bisher bis zum Ende der Übergangsphase (31. Dezember 2014) die Afghan National Security Forces (ANSF) ausbilden, beraten und unterstützen, jedoch wenn erforderlich auch Kampfunterstützung liefern.

Auf die Abzugspläne der deutschen Bundeswehr haben die veränderten Daten zur Sicherheitslage keine Auswirkungen. Es bleibt bislang auch bei den Absichten, von Ende 2014 an für eine Ausbildungs- und Trainingsmission der NATO zwischen 600 und 800 Bundeswehrsoldaten zur Verfügung zu stellen.

(ORF-online: "Afghanistan: 2013 bereits über 1.300 zivile Opfer" vom 31. Juli 2013; NATO "International Security Assistance Force" vom 1. August 2013; Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bundeswehr korrigiert Statistik über Sicherheit in Afghanistan" vom 31. Mai 2013)

Karzai versucht, Afghanistan vor der Präsidentenwahl und dem Abzug der NATO-Truppen in diesem Jahr zu stabilisieren. Die ausländischen Soldaten übertragen immer mehr der Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan auf die 350.000 Mitglieder der einheimischen Sicherheitskräfte.

(APA: "Afghanisches Parlament feuert Innenminister wegen Gewaltwelle" vom 22. Juli 2013)

Im Juni 2013, eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes, haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Der Konflikt in Afghanistan beeinflusst nun auch Provinzen, die bisher als die stabilsten im Land betrachtet wurden, wie etwa die Provinz Panjshir. Die Gewalt ist nicht auf Kabul oder allgemein auf städtische Zentren beschränkt. Die Aufständischen in ländlichen Gebieten gehen oft extrem gewalttätig vor.

Die Verbreitung von lokalen Milizen und bewaffneten Gruppen - sowohl pro- und anti-Regierung - im Norden, Nordosten und in zentralen Hochland-Regionen haben eine weitere negative Auswirkung auf die Sicherheitslage für Zivilisten.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 14)

Die Opfer unter den ISAF-Angehörigen gingen insbesondere aufgrund der Verringerung der Kräfte als auch des gewandelten militärischen Auftrages in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 121 auf 60 zurück. Infolge des nahezu abgeschlossenen Aufwuchs der ANSF, der hohen Operationslast als Folge der Übernahme der aktiven Sicherheitsverantwortung und der damit einhergehenden Zielauswahl durch die regierungsfeindlichen Kräfte stiegen die personellen Verluste der ANSF von 499 auf 1.070 in den ersten vier Monaten 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich an. Auch in Zukunft ist infolge der weiter fortschreitenden Transition mit hohen Verlustzahlen unter ANSF-Angehörigen zu rechnen. Die Hauptursachen für den Anstieg der zivilen Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 waren die vermehrte willkürliche Verwendung von Spreng- und Brandvorrichtungen durch regierungsfeindliche Elemente sowie Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe an Orten, an denen sich Zivilisten aufhalten, darunter auch zivile Regierungsgebäude. Wie UNAMA weiters ausführt, hat eine sich verändernde politische und sicherheitsrelevante Dynamik in der ersten Jahreshälfte 2013 den Schutz von Zivilisten behindert und den Zugang zu Menschenrechten beschränkt. Auf die Übertragung der Sicherheitsverantwortung von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte und die Schließung von internationalen Militärbasen haben regierungsfeindliche Elemente mit zunehmenden Angriffen auf die afghanischen Sicherheitskräfte, hauptsächlich an Checkpoints, auf strategisch wichtigen Highways, in einigen Gebieten, die an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, und in Distrikten, die an Afghanistans Nachbarländer grenzen, reagiert.

(UNAMA, Mid-Year Report 2013, vom Juli 2013, S. 1f)

Die Planungen der NATO für den ISAF Folgeeinsatz Resolute Support Mission schreiten voran. Die konditionierte Zusage Deutschlands für seinen Beitrag zu Resolute Support vom 18. April 2013 bildet den Rahmen für die weiteren Planungen. Deutschland ist - vorbehaltlich der auch künftig jährlich einzuholenden Zustimmung des Deutschen Bundestages - zur Übernahme der Verantwortung als Rahmennation für den Norden von Afghanistan, Bereich Masar-e Scharif, für zunächst zwei Jahre bereit und will mit seinen multinationalen Partnern die Arbeit fortsetzen. Daneben wird ein deutscher Truppen-Beitrag im Großraum Kabul eingesetzt werden.

Aufbauend auf dem im Juni 2013 durch die NATO-Verteidigungsminister gebilligten Operationskonzept für Resolute Support wurde im Oktober mit der Verabschiedung des sog. Strategic Planning Assessment (SPA) eine weitere Weichenstellung für die Planung der ISAF-Folgemission vorgenommen. Das im November 2013 zwischen Afghanistan und den USA verhandelte, aber noch nicht unterzeichnete Bilaterale Sicherheitsabkommen dient als Grundlage für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem umfassenden Stationierungsabkommen für die NATO und alle Partnernationen. Letzteres bildet auch eine wesentliche rechtliche Voraussetzung für die neue deutsche Mission.

(Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 16 f.)

Der afghanische Innenminister Umer Daudzai hat laut einem Anfang September 2013 veröffentlichten Artikel bekannt gegeben, dass seit März 2013 insgesamt 1.792 Polizisten getötet wurden - die meisten durch am Straßenrand platzierte Bomben.

(AlertNet: "Afghan police deaths double as foreign troops withdraw" vom 2. September 2013)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 5. März 2013)

In einem Bericht vom Juni 2013 erwähnt der UNO-Generalsekretär, dass im Zeitraum vom 16. Februar bis 15. Mai 2013 insgesamt 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 10-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum dar. 70 Prozent der Vorfälle ereigneten sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Im Osten des Landes ist es zu einem Zustrom von Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badachschan und einem 18-prozentigen Anstieg der Anzahl der Vorfälle gekommen. Bewaffnete Auseinandersetzungen und Spreng- und Brandvorrichtungen machten weiterhin die Mehrzahl der Vorfälle aus.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 13. Juni 2013)

In einem im September 2013 erschienenen Bericht des UNO-Generalsekretärs wird erwähnt, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die meisten Operationen durchführen und ihre Opferzahl deutlich angestiegen ist. Berichten zufolge wurden im zweiten Quartal des Jahres 2013 mehr als 3.500 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte bei Kampfhandlungen verletzt oder getötet. Am 1. Juli 2013 hat der afghanische Innenminister bekannt gegeben, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 2013 insgesamt 299 Polizisten getötet wurden. Dabei handelt es sich um einen 22-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Im selben Bericht wird angeführt, dass im Zeitraum vom 16. Mai bis 15. August 2013 insgesamt 5.922 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und einen 21-prozentigen Rückgang im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2011 dar. Laut Bericht haben die Aufständischen ihren Schwerpunkt unter anderem auf Angriffe auf Sicherheitskontrollpunkte und Stützpunkte gelegt, die von den internationalen Truppen an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Generell wirkungsvoller Widerstand durch die afghanischen Sicherheitskräfte hat sich auf den Schutz von wichtigen städtischen Zentren, Verwaltungszentren von Distrikten und strategisch wichtigen Transportrouten fokussiert. Die Mehrheit der sicherheitsrelevanten Vorfälle (69 Prozent) ereignete sich weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes.

(UN-General Assembly Security Council: "The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security" vom 6. September 2013)

Gemäß ANSO gelingt es den afghanischen Sicherheitskräften nicht, die sich aus dem Abzug der internationalen Truppen ergebenden Lücken zu füllen. Dies zeigt sich insbesondere in den nordwestlichen Provinzen Faryab und Badghis, im gesamten Nordosten und in der südlichen Provinz Paktika. In einigen Gebieten, in welchen die Übergabe in Phase drei erfolgt ist, sind zunehmende Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen zu verzeichnen, während die Aktivitäten der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen Gebieten zeitgleich zurückgegangen sind. Mit dem voranschreitenden Abzug der internationalen Truppen haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Angriffe kontinuierlich von den internationalen Zielen weg auf afghanische Ziele fokussiert, d.h. auf die afghanischen Sicherheitskräfte sowie auf afghanische Regierungsangehörige. Dies widerspricht der erwarteten Logik, dass die sinkende internationale Präsenz zu einem Rückgang der militärischen Aktivitäten der regierungsfeindlichen Gruppierungen führen würde.

Die Führung der Taliban ist weiterhin in der Lage, die militärischen Operationen der Bewegung von Pakistan aus strategisch zu lenken sowie die notwendigen Ressourcen zur Unterstützung der operationellen Prioritäten zu beschaffen. Seit 2009 lassen sich drei Entwicklungen erkennen: Erstens wurden auf der strategischen Ebene beträchtliche Anstrengungen hin zu einer stärkeren Zentralisierung der Kommando- und Kontrollstrukturen unternommen, um einer Fragmentierung der Bewegung entgegenzuwirken. Zweitens zeichnet sich eine Militarisierung der Administration ab. Der militärische Druck seitens der ISAF zwang zahlreiche Schattengouverneure in den Untergrund oder zur Flucht nach Pakistan und führte dadurch zu einem verminderten Einfluss dieser. In der Konsequenz ist die Macht der Militärkommissionen gestiegen, die vor Ort präsent sind. Drittens lässt sich auf der taktischen Ebene eine Professionalisierung der Bewegung feststellen.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 5 f; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 12 und 17; ANSO, Quarterly Data Report Q1 2013, S. 11)

Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.

(ANSO, Quarterly Report ,vom April 2013)

Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen.

(ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013)

Die Provinz Wardak liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in Wardak um 187 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu.

(ANSO, Quarterly Report, vom April 2013)

Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind.

(UNAMA-Annual Report vom Februar 2014)

Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72 Prozent in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen.

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keran-wa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise.

(Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014)

Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert.

(Der Spiegel: "Abzug aus Afghanistan", 6. Oktober 2013)

Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen:

Provinzen Ghazni, Helmand, Kandahar, Khost, Kunar und Nangarhar:

Im Süden Afghanistans waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant angestiegen sind. Insbesondere in Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die meist umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10f)

Provinz Nangarhar:

(siehe auch "Provinzen Ghazni, Helmand, Kandahar, Khost, Kunar und Nangarhar").

Eineinhalb Jahre vor Ende des Nato-Kampfeinsatzes haben die afghanischen Sicherheitskräfte offiziell im ganzen Land die Verantwortung übernommen. Dies sagte Präsident Hamid Karzai am 18. Juni 2013 in der Militärakademie bei Kabul. Zuvor hatte ein Selbstmordattentäter in Kabul drei Zivilisten getötet. Karzai sprach von einer verbesserten Sicherheitslage, doch hat sich diese laut Experten verschlechtert.

(TAZ: "Afghanen tragen jetzt die volle Verantwortung" vom 19. Juni 2013)

Unter anderem sind Hekmatyars Hezb-e Islami, Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Al Qaida in Nangarhar als regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 4f)

Der UNO-Generalsekretär erwähnt in einem Bericht vom März 2013, dass im Zeitraum vom 16. November 2012 bis 15. Februar 2013 insgesamt

3.783 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet wurden. Dies stellt einen 4-prozentigen Rückgang gegenüber dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor dar. Die Zahl der zwischen 1. Jänner und 15. Februar 2013 verzeichneten Sicherheitsvorfälle lag allerdings um 6 Prozent höher als im Vorjahr. Wie der UNO-Generalsekretär berichtet, ereigneten sich die meisten der zwischen 16. November 2012 und 15. Februar 2013 verzeichneten Vorfälle auch weiterhin in den Provinzen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die größte Zahl wurde in der Provinz Nangarhar verzeichnet.

(UN-General Assembly Security Council, The Situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, vom 5. März 2013)

Menschenrechte:

Trotz beachtlicher Erfolge während der vergangenen Jahre bleibt die gesellschaftliche Verankerung der Menschenrechte, insbesondere der Frauenrechte, eine große Herausforderung in Afghanistan. Das liegt zum einen an der Schwäche der afghanischen Institutionen und mangelnder Rechtskenntnis bei Bevölkerung und Behörden, zum anderen an der mangelnden Akzeptanz von Menschen- und Frauenrechten innerhalb der Gesellschaft. Nicht zuletzt spielt die fehlende Bereitschaft von Justiz und Strafverfolgungsbehörden, geltende Gesetze zum Schutz von Menschen- und Frauenrechten umzusetzen, eine Rolle. In Umsetzung der Tokio-Verpflichtungen muss die afghanische Regierung weitere Anstrengungen zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung der Situation der Menschenrechte vorweisen. Mittlerweile haben sich die afghanische Regierung und die Staatengemeinschaft auf zwei messbare Hard Deliverables im Bereich der Menschenrechte geeinigt, anhand derer die internationale Gemeinschaft eine erste Bilanz der Reformfortschritte ziehen will:

1. Bericht aller beteiligten Regierungsinstitutionen zur landesweiten Umsetzung des Gesetzes zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen [EVAW] und 2. inklusiver Nominierungsprozess für die Kommissare der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission [AIHRC]).

Neben der afghanischen Verfassung selbst, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist, bedeutet insbesondere das per Präsidialdekret erlassene EVAW-Gesetz vom August 2009 eine signifikante Stärkung der Frauenrechte. Sowohl ein UNAMA-Bericht vom 11. November 2012 als auch die AIHRC bestätigen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Fälle von Gewalt registriert und damit öffentlich geworden sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung der Schuldigen erheblich besser geworden. Von einer effektiven Umsetzung des Gesetzes sind die Behörden jedoch noch weit entfernt.

Dies bestätigt auch der jüngste Bericht von Human Rights Watch zur Situation weiblicher Insassen afghanischer Hafteinrichtungen, denen sogenannte "Sittenverbrechen" nach der islamischen Scharia vorgeworfen werden. Derzeit seien rund 600 Frauen - also die Hälfte aller weiblichen Insassen - wegen solcher "moralischer Vergehen" inhaftiert. Den meisten dieser Frauen werde Flucht aus dem Elternhaus oder dem Haus des Ehemannes angelastet. Dies sei auch nach afghanischem Recht keine Straftat. Vielmehr seien gerade diese Frauen oft Opfer von häuslicher Gewalt, die nach dem EVAW-Gesetz unter besonderem Schutz der Behörden stehen müssten.

Mangelnde Kenntnis und Akzeptanz des EVAW-Gesetzes führen jedoch dazu, dass viele Fälle von Gewalt gegen Frauen nach wie vor an traditionelle Streitschlichtungsgremien überwiesen werden. Zudem haben auch Menschenrechtsorganisationen festgestellt, dass es der afghanischen Polizei und Justiz weiterhin nicht selten noch an hinreichender Qualifikation fehlt, um Mindeststandards der Rechtspflege konsequent einzuhalten.

Der UNAMA-Folgebericht zu Folter in afghanischen Haftanstalten vom Januar 2013 bestätigt ebenfalls, dass Defizite bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden die Durchsetzung der Menschenrechte in Afghanistan erschweren. Der Bericht konzentriert sich auf Inhaftierte, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen oder verurteilt wurden. Darin werden den Sicherheitskräften erneut Rechtsverstöße, vor allem Folter, vorgeworfen. Die Gebergemeinschaft, vor allem die EU und die UN, hat nach Veröffentlichung des UNAMA-Berichts die afghanische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die Menschenrechte einzuhalten und die Haftbedingungen zu verbessern.

Die afghanische Regierung zog die Ergebnisse des UNAMA-Berichts zunächst in Zweifel. Präsident Karzai beauftragte noch im Januar 2013 eine afghanische Untersuchungskommission, die Vorwürfe zu prüfen. Diese bestätigte die Feststellungen des UNAMA-Berichts. Die Kommission gab elf Handlungsempfehlungen an die Regierung, darunter eine minimale Gesundheitsversorgung für Inhaftierte und Videoaufzeichnungen bei Verhören. Der Präsident ordnete am 11. Februar 2013 die Umsetzung der Empfehlungen per Dekret an. Die AIHRC ist inzwischen wieder voll besetzt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 4f; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Juni 2013, S.17ff; Deutsche Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan, vom Januar 2014, S. 27ff.)

Allerdings hat die Ernennung der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervorgerufen.

(RFE-Radio Free Europe: "Human Rights Appointments Draw Fire In Afghanistan", vom 3. Juli 2013)

So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen.

(Afghan Analyst: AIHRC Commissioners Finally Announced, vom 16. Juni 2013; vgl. Revolutionary Association of the Women of Afghanistan:

"Human Rights Commission Appointments Draw Fire In Afghanistan" vom 3. Juli 2013)

Zivilisten, die der Zusammenarbeit oder der sonstigen Unterstützung von bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen verdächtigt werden, können willkürlichen Festnahmen (inklusive Inhaftierung ohne Anklage) sowie Misshandlungen durch internationale Truppen oder durch afghanische Behörden ausgesetzt sein. UNHCR ist der Auffassung, dass Zivilisten, die der Unterstützung bewaffneter Gruppen verdächtigt werden, einer Verfolgungsgefahr auf Grund der (ihnen unterstellten) politischen Überzeugung ausgesetzt sein können, - abhängig von ihrem Profil und den Umständen des Falles. Personen, welche die Regierung und die internationale Gemeinschaft sowie deren Streitkräfte tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, einschließlich Regierungsfunktionäre, regierungstreue Stammesführer und religiöse Führer, Richter, Lehrer und Mitarbeiter von Wiederaufbau-/Entwicklungshilfsprojekten, können nach Ansicht des UNHCR ebenfalls - abhängig von den individuellen Umständen des Einzelfalls - einer Verfolgungsgefahr auf Grund der (ihnen unterstellten) politischen Überzeugung ausgesetzt sein, insbesondere in Gebieten, in denen bewaffnete regierungsfeindliche Gruppen tätig sind (Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien vom 24.3.2011).

Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Exekutionen durch nicht-staatliche Akteure vor allem auch der Insurgenz, die sich auf traditionelles Recht berufen und die Vollstreckung der Todesstrafe mit dem Islam legitimieren. Die afghanische Regierung verurteilt diese Exekutionen öffentlich.

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

Meinungs- und Pressefreiheit:

Die afghanische Verfassung garantiert in Art. 34 Meinungs- und Pressefreiheit. Die Freiheiten sind - zumal im regionalen Vergleich - in einem bemerkenswerten Maß verwirklicht.

Staatliche Medien wie der Fernsehsender RTA, die Nachrichtenagentur Baghda und die Tageszeitung Anis stehen unter starker inhaltlicher Einflussnahme der Regierung. Daneben gibt es eine Fülle privater Medien. Das Spektrum reicht von großen westlich orientierten und regierungskritischen Medien wie Tolo TV, der Tageszeitung Hasht-e-Sobh und der Nachrichtenagentur Pajhwok bis hin zu kleinen Sendern und Zeitungen, die von lokalen Machthabern, Parteien, dem Ausland (insbesondere Pakistan und Iran) sowie religiösen Strömungen für die eigene Propaganda genutzt werden.

Wichtigstes Medium in den Provinzen ist das Radio, in den Städten das Fernsehen. Aufgrund einer hohen Analphabetenrate und schlechter Verfügbarkeit in den ländlichen Regionen sind Printmedien nur von nachrangiger Bedeutung. In Kabul und anderen Städten gibt es jedoch eine Vielzahl kleiner Zeitungen in niedriger Auflagezahl. Die meisten dieser Medien können sich nicht selbst finanzieren und sind daher auf (internationale) Unterstützung angewiesen. Zentral bleiben landesweit auch traditionelle Kommunikationswege: Sowohl lokale Versammlungen als auch Predigten in Moscheen werden von der Bevölkerung als wichtige Informationsquelle wahrgenommen.

Das Ministerium für Information und Kultur hat ein neues Mediengesetz entworfen, das mehr Spielraum für inhaltliche Einflussnahme der Regierung auf die Berichterstattung bietet. Differenzen zwischen dem liberaleren Vizeminister und dem konservativen Minister verhindern zurzeit jedoch die Weitergabe an und Ratifikation durch das Parlament.

Es kommt zu zahlreichen Einschüchterungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten, bis hin zu gezielten Ermordungen. Rasche Ermittlungen und staatsanwaltliche Verfolgung dieser Vorfälle blieben oft nur gute Absicht. Journalisten beklagen zudem eine wach-sende Kontrolle des Staates über Berichterstattung betreffend Korruption, Sicherheitsvorfälle, und Aufständische. Für Sender tätige Personen, die "unislamische" Fernsehsendungen - insbesondere Musikvideos - ausstrahlen, werden zum Teil dem Staatsanwalt vorgeführt. Strafen reichen bis zum Entzug der Sendelizenz. Unter den afghanischen Journalisten ist da-her eine Kultur der Selbstzensur zu beobachten; die Berichterstattung bleibt oft oberflächlich. Einige Journalisten gehen jedoch bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern. Präsident Karzai sprach sich im Oktober 2012 explizit dafür aus, dass das Ministerium für Information und Kultur medial vermittelte Inhalte stärker kontrollieren solle, da "unislamische" Videos und kontroverse Fernsehdebatten das Potential hätten, die Gesellschaft zu entzweien.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 9)

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Die Versammlungsfreiheit ist in Afghanistan grundsätzlich gewährleistet (siehe auch Artikel 36 der afghanischen Verfassung). Es gibt regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten.

Die afghanische Verfassung erlaubt in Art. 35 die Gründung von Vereinen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen die afghanische Regierung auf Zusammenschlüsse wie Vereine, Gewerkschaften o.ä. Druck ausgeübt hätte. Das Gleiche gilt für die Gründung und Tätigkeit im Rahmen politischer Parteien.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013; United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (Artikel 2 der Verfassung). Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Artikel 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht.

Nach offiziellen Schätzungen sind 84 Prozent der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15 Prozent schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 Prozent der Bevölkerung aus.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 10)

Laut UNHCR schützt die afghanische Regierung religiöse Minderheiten nicht vor Übergriffen.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender, S. 22, 44ff.; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 22f.)

Schiiten:

Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, der größten religiösen Minderheit des Landes, hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert. Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen sowie einer Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert. Die schiitischen Muslime konnten im Berichtzeitraum (31. Jänner 2012 bis 30. Jänner 2013) ihr traditionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern. Nichtsdestotrotz gab es sporadische Attacken gegen die schiitischen Hazara. Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt. Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten an-gewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind. Im Jahr 2009 wurde ein Gesetzestext durchgesetzt, der viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erb-schafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt. Der Gesetzestext wurde im Parlament durchgesetzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt.

(U.S., Commission on International Religous Freedom, Annual Report 2013, vom 30. April 2013; US Department of States, International Religous Freedom Report for 2012, vom 22. Mai 2013; BBC: "Shia mosque attacked in Kabul by men in police uniforms" vom 5. September 2013; USAID, Shiite personal status law, vom April 2009; Freedom House, Freedom in the world 2013, vom Jänner 2013; Herizons, Afghan Women Stand Strong Against Shia law, vom September 2009)

Ethnische Minderheiten:

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt. Die Zahlen für Angehörige einer Volksgruppe schwanken teilweise beträchtlich (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38%, Tadschiken ca. 25%, Hazara ca. 19%, Usbeken ca. 6% sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010).

Ethnische Minderheiten:

Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird in etwa wie folgt geschätzt: Paschtunen ca. 38 Prozent, Tadschiken ca. 25 Prozent, Hazara ca. 19 Prozent, Usbeken ca. 6 Prozent sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u.a.). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die ca. eine Million Nomaden (Kutschi), die mehrheitlich Paschtunen sind, leiden in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da ihre Mitglieder aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so Gefahr laufen, Opfer einer diskriminieren-den Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 9f)

Tadschiken

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert. Paschtunen und Tadschiken sind auch die größten ethnischen Gruppen in der Provinz Kabul, wobei die Tadschiken in der Hauptstadt Kabul eine knappe Mehrheit bilden. Ein Großteil der Tadschiken gehört dem sunnitischen Glauben an. Ethnische Spannungen bestehen schon seit vielen Jahren in Afghanistan; im September 2012 wurden bei einem Zusammenstoß von Hazara und Tadschiken in Kabul 5 bis 6 Hazara getötet.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) berichtete im Dezember 2010, dass in Afghanistan seit den 1970er Jahren keine Volkszählung mehr durchgeführt wurde. Die verfügbaren Informationen zeigen jedoch, dass die Provinz Kabul durch ethnische Vielfalt gekennzeichnet ist und einen großen Anteil an tadschikischer Bevölkerung hat. Es konnten im Zeitraum 2010/2011 keine Berichte über Attacken von Taliban gegenüber Tadschiken in Kabul gefunden werden. In den Quellen wurden auch keine weiteren Informationen bezüglich der aktuellen Situation der Tadschiken, einschließlich reicher Tadschiken in Kabul, gefunden. Ebenso wurden keine Berichte in Bezug auf staatlichen Schutz für Tadschiken in Kabul gefunden.

Die Mehrheit der Tadschiken gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Die zweitgrößte ethnische Gruppe in Afghanistan stellen die Tadschiken mit ca. 30 Prozent dar. Im Vergleich zu den übrigen Volksgruppen sind die Tadschiken in gewisser Weise nur vage definiert; nach landläufigem afghanischen Verständnis sind "Tadschiken" alle diejenigen, die weder den Paschtunen noch irgendeiner anderen nicht primär persischsprachigen Gruppe angehören. Tadschiken im engeren Sinne besiedeln ein geschlossenes Gebiet in den nordöstlichen Provinzen (Badakhshan, Takhar, Baghlan, Parwan, Kapisa und Kabul), dieses Siedlungsgebiet leitet nach Norden, jenseits des AmuDarja, nach Tadschikistan über, wo sie mit knapper Mehrheit das namensgebende Staatsvolk bilden. Häufig werden auch die persischsprechenden Bewohner Nordwestafghanistans, insbesondere der Flußoase von Herat, als Tadschiken bezeichnet, da sich ihre in der Hauptsache städtische Kultur aber deutlich von der Lebensweise der nordostafghanischen tadschikischen Bergbauern abhebt und viele Gemeinsamkeiten mit dem angrenzenden nordöstlichen Iran aufweist, ist es durchaus gerechtfertigt, stattdessen die Bezeichnung "Farsiwan" (Persischsprecher) zu verwenden. Ebenfalls einen Sonderfall stellen die häufig als "Pamir-Tadschiken" bezeichneten Bewohner der höheren Hindukusch-Täler Badakhshans (Wakhi, Ishkashami, Zebaki etc.) dar; sie sprechen im Gegensatz zu den eigentlichen Tadschiken altertümliche nordostiranische Dialekte, die nur weitläufig mit dem Persischen verwandt sind und werden daher in der neueren Literatur als "Pamiri" zusammengefasst. Außerhalb dieser tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan siedeln Tadschiken inselhaft in weiten Teilen Afghanistans, namentlich in den größeren Städten, in der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Wie bereits angedeutet, leben die Tadschiken entweder als sesshafte Bauern, im Hochgebirge häufig mit Almwirtschaft und den damit verbundenen saisonalen vertikalen Wanderungen; in den Städten stellen sie das Gros der Handwerker, kleinen und mittleren Händler, darüber hinaus findet man sie häufig in mittleren Positionen der staatlichen Verwaltung, etwa im Bildungswesen. Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken keine Stammesorganisation; sie definieren sich auf lokaler Ebene zumeist nach Dorf- oder Talschaften, wie etwa die Panjsheri, Andarabi etc.

Gemäß Minority Rights Group [MRG] stellen ethnische Spannungen zwischen Hazara und Tadschiken weiterhin ein Hauptproblem in Afghanistan dar. Im September 2012 wurde eine Anzahl von Menschen getötet, als zwischen Mitgliedern der beiden Gemeinschaften in Kabul Gewalt ausbrach.

Gemäß Human Rights Watch schürte die ethnische Gewalt zwischen Tadschiken und Hazara in Kabul im September [2012] erneut die Ängste vor ansteigenden religiösen Konflikten, welche das benachbarte Pakistan geplagt haben, aber in Afghanistan bisher weitgehend abgewendet werden konnten.

Tadschiken sind bei den Sicherheitskräften deutlich überrepräsentiert.

Gemäß UNHCR können Einzelpersonen, welche zu einer der bundesweit größten ethnischen Gruppen gehören, in ihrem Wohnort eine ethnische Minderheit darstellen und in ihrer Heimat aufgrund ihrer ethnischen Herkunft bestimmten Herausforderungen ausgesetzt sein. Umgekehrt ist ein Mitglied einer ethnischen Gruppe, welche auf nationaler Ebene eine Minderheit darstellt, aufgrund der Ethnizität in Bereichen, wo diese ethnische Gruppe die lokale Mehrheit darstellt, nicht gefährdet.

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: "Informationen zur Lage von Tadschiken in Kabul, welche dem Glauben der Sunniten angehören" vom 15. November 2013)

Hazara

Die Hazara unterscheiden sich von anderen Minderheiten in Afghanistan, da diese sowohl eine ethnische als auch aufgrund ihres schiitischen Glaubens eine religiöse Minderheit darstellen. Sie können aufgrund ihrer ostasiatischen Gesichtszüge leicht von anderen Minderheiten unterschieden werden. Ihr deutlich anderes Aussehen in Kombination mit dem Praktizieren des Schiitentums hat sie über viele Jahrhunderte zu Angriffszielen gemacht.

Besonders zu Zeiten der Taliban-Herrschaft wurde die Minderheit der Hazara verfolgt. Ihre Lage hat sich zwar deutlich verbessert, jedoch sind sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Die schiitische Minderheit der Hazara verbessert sich ökonomisch und politisch durch Bildung. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Paschtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive weiblicher Hazara, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie, Medizin oder andere Bereiche ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden.

Einer der zwei Vizepräsidenten von Präsident Hamid Karzai ist Karim Khalil. Er stammt der Minderheit der Hazara ab.

(Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom September 2013)

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 9f)

In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte. Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein.

(Congressional Research Service vom 22. November 2013)

Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern.

(Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 4. Juni 2013)

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet.

Die Afghanische Nationale Polizei [ANP] gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35 Prozent der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen.

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f)

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus.

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch.

(Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013)

Strafverfolgung, Strafbemessung und Strafvollstreckung:

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht erkennbar. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.

Präsident Karzai verkündet in regelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen Amnestien, die insbesondere Frauen, Kinder und ältere Gefängnisinsassen betreffen.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 11)

Haftbedingungen:

Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten werden von unterschiedlichen Organisationen verwaltet: Das "General Directorate of Prisons and Detention Centers" (GDPDC), ein Teil des Innenministeriums (MOI), ist verantwortlich für alle zivil geführten Gefängnisse sowohl für weibliche als auch männliche Häftlinge. Das MOI und das "Juvenile Rehabilitation Directorate" (JRD) sind verantwortlich für alle Jugendrehabilitationszentren und Zivilhaftanstalten. Die ANP (Afghan National Police) unter dem Innenministerium und dem NDS (National Directorate of Security) ist verantwortlich für Kurzhaftanstalten auf Provinz- und Bezirksebene. Das Verteidigungsministerium betreibt die nationalen Haftanstalten Afghanistans in Parwan und Pul-e-Charki.

(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Folter und Misshandlungen werden nach wie vor in den Gefängnissen in Afghanistan praktiziert und stellen ein ernstzunehmendes und weitverbreitetes Problem in den Haftanstalten Afghanistans dar.

(United Nations Assistance Mission in Afghanistan "Treatment of Conflict-Related Detainees in Afghan Custody" vom Jänner 2013; Afghanistan Independent Human Rights Commission "Torture, Transfers, and Denial of Due Process" vom 17. März 2012; TAZ: "Kabul räumt erstmals Folter ein" vom 11. Februar 2013)

AIHRC und andere Beobachter berichteten, dass es in den Gefängnissen kein adäquates Essen oder Wasser gebe. Außerdem seien die Sanitäranlagen schlecht und es seien nicht genügend Decken vorhanden. Infektiöse Krankheiten seien verbreitet.

(United States, Country Reports on Human Rights Practices, vom 19. April 2013)

Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards. Sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet. Die begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten führen dazu, dass Gefangene in Untersuchungshaft und bereits verurteilte Gefangene nicht getrennt festgehalten werden. Im März 2012 führten etwa 100 Gefangene im Pul-e-Charkhi-Gefängnis wegen Misshandlungen einen Hungerstreik durch. Für Kinder verurteilter Mütter wurden spezielle Unterstützungszentren geschaffen.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f; USDOS, Human Rights Practices 2012, 19. April 2013, S. 3f.)

Todesstrafe:

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte (Mord, Entführung und gewisse Straftaten gegen die nationale Sicherheit) vorgesehen. Unter dem Einfluss der Scharia wird die Todesstrafe aber auch bei anderen Delikten verhängt (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen und kann nur mit Einwilligung des Präsidenten vollstreckt werden. Allgemein sind keine Bestrebungen seitens der Regierung zu erkennen, ein Moratorium zu erlassen oder die Todesstrafe gar abzuschaffen. Zuletzt wurde die Todesstrafe im November 2012 vollstreckt, als 14 wegen Vergewaltigung und Mordes Verurteilte exekutiert wurden. Landesweit sind momentan über 100 Personen zu Tode verurteilt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 16; vgl.: Amnesty International, Amnesty Report 2013, vom 21. Mai 2013)

Gemäß Amnesty International wurden in Afghanistan am 20. und 21. November 2012 14 Gefangene hingerichtet. Der Oberste Gerichtshof soll zudem 30 Todesurteile bestätigt haben. Zehn Todesurteile wurden in Haftstrafen umgewandelt. Ende November 2012 befanden sich mehr als 250 Personen in Todeszellen.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 12f; Amnesty International, Report 2013, vom 23. Mai 2013. USDOS, Human Right Practices 2012, vom 19. April 2013, S. 3)

Sozioökonomische Situation:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden - eigentlich die "Kornkammer" - des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Die aus Konflikt und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben zur Folge, dass ca. 1 Mio. oder 29,5 Prozent aller Kinder als akut unterernährt gelten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit (die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen hat sich seit 2002 vervierfacht) aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört. Die Lebenserwartung der Frauen liegt bei 51, Männer werden im Schnitt 48 Jahre alt.

Durch die überdurchschnittlich gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute in Kabul können Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden. Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften, können sich unter Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Die Militärkrankenhäuser können Zivilisten (jeglicher Staatsangehörigkeit) allerdings nur in beschränktem Maße aufnehmen, da Betten für Mitglieder der internationalen Streitkräfte vorgehalten werden müssen.

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen stellt Afghanistan nach wie vor große Herausforderungen. Die wenigen Kliniken, die es in einigen größeren Städten gibt, sind klein und überfüllt.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 18)

Während sich der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen für die städtische Bevölkerung verbessert hat, hat sich dieser für die ländliche Bevölkerung sowie für Nomaden verschlechtert. Insbesondere für Personen, welche in Gebieten unter der Kontrolle regierungsfeindlicher Gruppierungen leben, sind medizinische Einrichtungen schwer zu erreichen. 10 Prozent der Kinder sterben, bevor sie das 5. Lebensjahr erreichen und die Müttersterblichkeit gehört noch immer zu den weltweit höchsten.

(Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 21)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)

Rückkehrfragen:

Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen in den ersten Jahren meist bei Familienangehörigen unter, was die in der Regel nur sehr knapp vorhandenen Ressourcen (Wohnraum, Versorgung) noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfügt aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 28)

Ob ein Schutz in Kabul für Personen aus einer Konfliktregion gegeben ist, hängt sehr von der Schwere des Konflikts ab, ob sie oder er in Kabul weiter verfolgt wird. Aufgrund der Stammesgesellschaft mit nahen Familiennetzen ist es kein Problem, jemanden zu finden, wenn man es wirklich will. Auch den nationalen Behörden ist es möglich, in Kabul Personen ausfindig zu machen. Die Problematik, die sich jedoch dabei stellt, ist, dass es in Afghanistan keine Registrierung der Adresse gibt.

(Danish Immigration Service, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Kabul, vom 29. Mai 2012)

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten durchgeführt werden; generell fehlt es an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, sind ebenfalls nicht erhältlich. Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich, wobei einige dennoch den meisten Afghanen nicht zugänglich sind.

(BAMF_IOM, Länderinformationsblatt - Afghanistan, vom Oktober 2012, S. 16)

Ausweichmöglichkeiten:

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 4. Juni 2013, S. 14)

Nach Ansicht von UNHCR besteht in umkämpften Gebieten keine interne Fluchtmöglichkeit. Da regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban, das Haqqani-Netzwerk oder Hekmatyars Hezb-e Islami über operationelle Kapazitäten verfügen, Personen im ganzen Land zu verfolgen, existiert für von diesen Gruppierungen bedrohte Personen auch in Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, keine Fluchtalternative. Die afghanische Regierung hat in zahlreichen Gebieten des Landes die effektive Kontrolle an regierungsfeindliche Gruppierungen verloren und ist dort daher nicht mehr schutzfähig. Betreffend der Verletzung sozialer Normen muss in Betracht gezogen werden, dass konservative Akteure auf allen Regierungsstufen Machtpositionen innehaben und das weite Segmente der afghanischen Gesellschaft konservative Wertvorstellungen vertreten. UNHCR schließt für alleinerziehende Frauen ohne nahe männliche Angehörige eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

(UNHCR, Eligibility Guidelines, vom August 2013, S. 72 bis 78)

Dokumente:

Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden offenkundig ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach 23 Jahren Bürgerkrieg lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption.

(Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 10. Jänner 2012, S. 30)

Weniger als zehn Prozent der afghanischen Bevölkerung haben ein Geburtszertifikat. Auch besitzen die wenigsten Kinder eine Geburtsurkunde.

(United States Department of State, Trafficking in Persons Report 2012, vom 19. Juni 2012; UNICEF: "Children on the Move" vom Februar 2010)

Die Tazkira ist die übliche ID-Karte in Afghanistan. Dort sind persönliche und familienbezogene Informationen des Inhabers festgehalten wie Wohn- und Geburtsort, Beruf und Militärdienst. Es gibt keine weiteren Identitätskarten, mit denen die Angaben einer Tazkira zusätzlich legitimiert werden könnten. Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRBC) geht davon aus, dass es kein Standardverfahren zur Verifizierung der Identität des Antragsstellers und zur Ausstellung der Tazkira gibt. Tazkiras werden für den Schul- oder Universitätseintritt oder für die Beantragung eines Reisepasses gebraucht. Viele beantragen eine Tazkira erst, wenn sie eine benötigen. UNHCR beschrieb, dass jeder Mann eine Tazkira haben sollte, für die Frauen ist die Beantragung freiwillig.

(Brooking Institution University of Bern: "Realizing National, Responsibility for the Protection of Internally Displaced Persons in Afghanistan: A Review of Relevant Laws, Policies, and Practices" vom November 2010; Immigration and Refugee Board of Canada:

"Afghanistan: The Issuance of Tazkira Certificates; Whether Individuals Can Obtain Tazkiras While Abroad" vom 16. Dezember 2011)

2. Beweiswürdigung:

Die oben genannten Feststellungen und der Verfahrensgang resultieren aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden (unbestrittenen) Verfahrensakt des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Person, Bildung und zu dem sozialen Status des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan keine Verfolgung seitens der Taliban droht, basiert auf folgenden Überlegungen:

Wie der länderkundige Sachverständige in seinem auf persönlicher Recherche vor Ort beruhenden - unter Punkt I. detailliert ausgeführten - Gutachten festgestellt hat, kommt es zwar durchaus zu Überfällen der Taliban auf Tankwagenlieferungen, jedoch werden weder die Fahrer solcher Lieferungen noch sonstige Chauffeure - wie der Vater des Beschwerdeführers -weiter durch die Taliban verfolgt.

Der Sachverständige ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen, er hat in Kabul das Gymnasium absolviert, in Wien Politikwissenschaft studiert und war in den neunziger Jahren an mehreren Aktivitäten der Vereinten Nationen zur Befriedung Afghanistans beteiligt. Er hat Werke über die politische Lage in Afghanistan verfasst und verfügt dort über zahlreiche Kontakte, ist mit den dortigen Gegebenheiten vertraut und recherchiert dort selbst - auch für das Bundesverwaltungsgericht - immer wieder. Darüber hinaus hält er an der Universität Wien Lehrveranstaltungen ab, die sich mit Afghanistan beschäftigen. Auf Grund seiner Sachkenntnis wurde er bereits in vielen Verfahren als Gutachter herangezogen. Im konkreten Fall hat er zudem persönlich vor Ort recherchiert.

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, das Gutachten des länderkundigen Sachverständigen substantiell zu entkräften.

Zudem ist das Kernvorbringen des Beschwerdeführers an sich widersprüchlich. Hat er vor der belangten Behörde am 03.03.2016 noch ausdrücklich erklärt, dass er seinen Bruder das erste Mal bei der Lieferung begleitet habe, als sie überfallen worden seien, gab er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.03.2016 im Widerspruch dazu an, dass bei der ersten Lieferung nichts passiert wäre und sie erst beim zweiten Mal angegriffen worden wären. In sich widersprüchlich und unglaubwürdig ist auch das konkrete Vorbringen vor dem Bundesamt bezüglich des Ablaufs des angeblichen Überfalls. So hat der Beschwerdeführer zunächst angegeben, die Vorderreifen ihres Wagens hätten gebrannt, nachdem auf diese geschossen worden sei und später wiederum erklärt, ihr Tankwagen habe Feuer gefangen, nachdem sie in die Spur des brennenden LKWs vor ihnen gefahren wären. Auch wären sie (mit dem Loch im Reifen und dem brennenden Tankwagen) noch ca. eine halbe Stunde weitergefahren, bevor sie umgekippt seien, was an sich schon nicht glaubwürdig ist.

Auch angesichts der genannten Widersprüche konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen somit nicht glaubhaft machen. Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer mehrfach angegeben hat, dass keiner seiner Familie jemals persönlichen Kontakt zu den Taliban gehabt hat. Sein Vater bzw. sein Bruder seien von ihnen nur angerufen worden.

Hinsicht der Stellung der Hazaras in Afghanistan hat der länderkundige Sachverständige am 17.02. 2016 zur Zahl: W119 2012211-1 folgendes Gutachten erstellt:

"Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde, Ende 2001, in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich die Hazaras an der staatlichen Macht beteiligen werden müssen. So haben die Hazaras und andere Schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen Stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen Stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der Stellvertreter Armee-Chef ist derzeit kommt aus der Reihe der Hazaras namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgenende Befehlsbefugnisse und er befehligt derzeit die Kriege gegen die Taliban in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan, Helmand. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazaras als Teil der staatlichen Macht.

Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw.) in der Provinz Ghazni, Die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, vor allem Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazaras sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Die Hazaras besitzen mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Lande. Die Hazaras stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes; weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitige Möglich besser zu ihren Gunsten wahrnehmen. Die Hazaras und andere Schiiten haben in Großstädten wie in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungsstädte für schiitische Islam-Lehre. Die Bildungsstädte werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazaras als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in voller Umfang schiitischen Rituale, wie das wichtigste Feiertag, Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozession auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur ihren Moscheen unter sich gefeiert. Ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazaras bzw. Schiiten und sie sind wie die sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazaras in der Staatsgewalt bzw. Staatsmacht maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 nie in diesem Ausmaß in Afghanistan an der staatlichen Macht beteiligt.

Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten ihrer Provinzen, wie in Bamiyan, Daikundi und allen anderen hauptsächlich von den Hazaras bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur, und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat als Behörde verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazaras, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit der neuen Stellung und ihrer Widerstandsfähigkeit und Möglichkeiten befinden sich die Hazaras in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle, sondern sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihrer Möglichkeiten im Rahmen des Staates, sich zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Wege nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln in auf diesen Strecken sind Hazaras. In den Jahren 2013 bis 15 ist mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazaras aus den Reisebussen hinaus gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von diesen Personen wurden freigelassen und dutzende Personen wurden getötet. Diese Aktion der Taliban gegen die Hazaras richtet nicht nur gegen die Hazaras, sondern sie töten und Entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tajiken. Bei jeder solchen Aktion erwecken die Taliban den Anschein, als wäre diese oder jene ihre Aktion nur gegen jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, richten würde. Die Hauptroute von Kabul über Salang-Pass nach Norden, Baghlan - Mazar-e Sharif - Kunduz, wird hauptsächlich von den Paschtunen, Tajiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie stoppen die Reisebusse und zerren willkürlich Personen aus den Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geisel mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Diese Personen sind Großteils Tajiken und Usbeken. Die Meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von den Usbeken, Paschtunen und Tajiken bewohnt. In diesen Gebieten werden Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten der Verfolgung und Unterdrückung der Taliban.

Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazaras wohnen, werden von den Hazaras kontrolliert und sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte, wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche diese Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert."

Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass Hazaras in Afghanistan noch generell verfolgt werden. Der Beschwerdeführer hat zudem im gesamten Verfahren keine konkrete persönliche Bedrohung aufgrund dessen, dass er Hazara ist, vorgebracht. Somit hat er insgesamt auch keine Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit zu befürchten.

Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers basieren auf den von ihm vorgelegten, unter Punkt I. detailliert aufgezählten, Unterlagen.

Die zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen erweisen sich durch genaue Quellenangaben als substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar, wobei eine Ausgewogenheit von sowohl amtlichen bzw. staatlichen als auch von nichtstaatlichen Quellen ersichtlich ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF anzuwenden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit, da im Asylgesetz 2005 nichts anderes vorgesehen ist, Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 zB VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539; vgl. VwGH 17.3.2009, 2007/19/0459).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).

Wie oben ausgeführt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine GFK-relevante Verfolgung aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung oder Religion seitens der Taliban glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht als Hazara aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit konkret von Verfolgung bedroht.

Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081).

Es ist dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, eine aktuell asylrelevante Verfolgung von hinreichender Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubwürdig darzutun.

Zu Spruchpunkt II.:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht. Dies ist gem. § 11 Abs. 1 AsylG dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG).

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a AsylG nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückweisung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gem. § 8 Abs. 2 AsylG mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den getroffenen Länderfeststellungen sowie aus dem seitens des Sachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erstellten Gutachten konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan. Dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat als Teppichknüpfer und Straßenhändler gearbeitet hat und seine Familie ständig umziehen musste, deutet darauf hin, dass er sozial schlecht gestellt ist. Da er auch über keine Fachausbildung verfügt, ist in diesem konkreten Fall davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Kabul schwer wirtschaftlich Fuß fassen könnte. Zudem hat sich in der jüngsten Zeit auch die allgemeine Sicherheitslage in seiner Heimatstadt Kabul wieder verschlechtert. Dementsprechend ist zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Eine Rückverbringung des Beschwerdeführers steht nach dem Gesagten im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG. Ihm war daher nach der genannten Bestimmung der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt III:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen (siehe Spruchpunkt II.).

Daher war ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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