BVwG W119 1432920-1

BVwGW119 1432920-17.1.2015

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W119.1432920.1.00

 

Spruch:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a EIGELSBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. 2. 2013, Zl 12 11.673-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10. 10. 2014 und am 21. 11. 2014 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 7. 1. 2016 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 30. 8. 2012 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

Bei der am gleichen Tag durchgeführten Erstbefragung vor der Polizeiinspektion Bruckneudorf AGM, gab der Beschwerdeführer an, der Volksgruppe der Hazara anzugehören und schiitischen Glaubens zu sein. Er habe keine schulische Ausbildung erhalten, jedoch die Koranschule besucht. Er habe im Dorf XXXX in XXXX in der Provinz Ghazni gelebt. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass seine nunmehrige Ehefrau bereits als Kind einem anderen versprochen worden sei. Dieser sei älter gewesen. Seine Frau habe jedoch diesen nicht heiraten wollen, sondern ihn. Nach der Eheschließung sei er von diesem älteren Mann bedroht und verfolgt worden. Aus Angst um sein Leben sei er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seiner Mutter nach Pakistan geflüchtet. Ansonsten habe er keine weiteren Fluchtgründe. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er getötet zu werden.

Am 20. 2. 2012 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zunächst an, dass seine beiden Schwestern verheiratet seien und in Ghazni leben würden. Zu seinem Fluchtgrund gab er ergänzend an, seine Ehefrau seit zwei Jahren (1389 und 1390) geliebt zu haben. 1390 habe er gemeinsam mit seiner Mutter um ihre Hand angehalten. Die Mutter seiner nunmehrigen Ehefrau habe von dieser Beziehung gewusst, ihr Vater habe diese abgelehnt. Ihr Vater habe auch seinen Heiratsantrag nicht angenommen. Nach einiger Zeit habe es einen neuen Antragsteller gegeben. Seine damalige Freundin habe jedoch diesen abgelehnt. Er habe über Alles Bescheid gewusst, da er mit dem Mädchen in Kontakt gestanden sei. Eines Tages habe ihn das Mädchen angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie nunmehr mit einem vierzigjährigen Mann verlobt sei. Ihr Vater habe sie dazu gezwungen. Sie habe jedoch auch gesagt, mit ihren Eltern nochmals zu sprechen. Da ihr dies nicht gelungen sei, habe sie vorgeschlagen, dass sie flüchten sollten. Er habe das Gespräch hinsichtlich der geplanten Flucht auf dem Handy aufgenommen und das Gespräch ihren Eltern vorgespielt. Ihre Eltern seien nun mit ihm als Verlobten einverstanden gewesen, obwohl ihn der Vater des Mädchens nicht gemocht habe. Das das Mädchen jedoch Selbstmordgedanken gehegt habe, habe ihr Vater dieser Verlobung zugestimmt. Daraufhin sei der Vater des Mädchens zu dem vormaligen Verlobten gegangen. Dieser sei damit nicht einverstanden gewesen und habe gemeint, dass dadurch sein Ruf beschädigt worden sei. Am nächsten Morgen sei dieser Mann in Begleitung von fünf bis sechs anderen Männern zu ihm gekommen und diese hätten ihn geschlagen. Der frühere Verlobte des Mädchens habe auch zu ihm gesagt, dass er ihn umbringen würde, wenn er (der Beschwerdeführer) sich dem Mädchen nähern würde. Der Beschwerdeführer habe dies mit seinen Eltern besprochen und diese hätten gemeint, diese Angelegenheit offiziell bei den Behörden zu regeln. Sie seien auch zu den Mullahs und den Dorfältesten gefahren. Es habe sich jedoch nichts geändert. Daraufhin habe er gemeinsam mit dem Vater des Mädchens beschlossen, mit dem Mädchen zu flüchten. Er habe das Mädchen in weiterer Folge in Pakistan geheiratet. Seine Mutter und seine Ehefrau würden in Pakistan bei einer Tante leben.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. 2. 2013, Zl 12 11.673-BAG, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, nur annähernd genaue Angaben zu dem Mann zu machen, dem seine Ehefrau versprochen worden wäre. Der Beschwerdeführer habe auch nicht plausibel darlegen könne, warum er alleine nach Europa geflüchtet sei und nicht seine Ehefrau mitgenommen habe, obwohl der Vater seiner nunmehrigen Ehefrau gesagt habe, dass das Leben des Beschwerdeführers und dessen Ehefrau in Gefahr wäre.

Es sei auch nicht plausibel, dass mit Unterstützung der Brauteltern versucht werde ein Versprechen rückgängig zu machen, auch unter Einbindung der Dorfältesten und der Mullahs, um eine Flucht der versprochenen Braut mit einem anderen Mann so aussehen zu lassen, als ob die Brauteltern plötzlich keine Ahnung davon gehabt hätten. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus persönlichen Gründen sein Heimatland verlassen habe. Es habe im vorliegenden Fall keine Bedrohungssituation pro futuro festgestellt werden können. Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen gesunden Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Er werde daher in seinem Heimatstaat in der Lage sein, sich mit seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Trotz der als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage in Afghanistan erscheine die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan im Hinblick auf die Sicherheitslage nicht grundsätzlich als ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation insgesamt als auch zumutbar. Zu Spruchpunkt III. erwog das Bundesasylamt, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers im Hinblick auf Artikel 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sei.

Mit Verfahrensanordnung ebenfalls vom 1. 2. 2013 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 AsylG 2005 der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 8. 2. 2013 Beschwerde. Darin führte der Beschwerdeführer aus, von der Familie seiner Ehefrau verfolgt und von den Dorfleuten als Verräter behandelt worden zu sein. Überdies werde er vom ehemaligen Verlobten seiner Ehefrau verfolgt. Zudem gab er an, der Minderheit der Hazara anzugehören und aufgrund dessen Diskriminierungen ausgesetzt zu sein. Weiters wies der Beschwerdeführer auf die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan hin.

Am 10. 10. 2014 und am 21. 11. 2014 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung als weitere Partei des Verfahrens entschuldigt nicht teil. Anlässlich der am 10. 10. 2014 abgehaltenen Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, im Unterdorf XXXX des Dorfes XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni gelebt zu haben. Er habe niemals die Schule besucht, aber in der Moschee Lesen und Schreiben gelernt. Seine Schwester, seine vier Onkel und sein Schwiegervater würden noch in seinem Heimatdorf leben. Er habe zwei Jahre lang eine Beziehung zu XXXX geführt. Sie habe im selben Dorf gelebt. Er habe ihr im Jahr 2010 versprochen sie zu heiraten. Sie sei damit einverstanden gewesen.

In der am 21. 11. 2014 fortgesetzten Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Familie und die Familie seiner Verlobten XXXX direkt benachbart gewesen seien. Die Grundstücke der beiden Familien hätten aneinander gegrenzt. Da sein Vater vor ca zehn Jahren gestorben sei, sei er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern aufgewachsen. XXXX Vater habe sich in den folgenden Jahren als Bezugsperson für ihn entwickelt und es habe engen Kontakt zu ihrer Familie gegeben. Aus diesem Grund sei es auch üblich gewesen, dass er sich auf dem Grundstück bzw im Haus der Familie von XXXX aufgehalten habe. Er habe somit dem erweiterten Familienkreis angehört.

Im Herbst 2011 sei XXXX mit XXXX verlobt worden. Damit habe sie gesetzlich XXXX gehört, obwohl sie noch in ihrem Elternhaus gewohnt habe.

Der dem Verfahren beigezogene länderkundige Sachverständige Dr. Sarajuddin Rasuly erstattete im Rahmen dieser Verhandlung zum Vorbringen des Beschwerdeführers ein mündliches Gutachten. Darin führte er aus, dass kein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX Vater bestanden haben könne. Die rechtsfreundliche Vertreterin wandte jedoch ein, dass der Vater von XXXX letztendlich seine Zustimmung zur Verlobung gegeben habe.

Das vom länderkundigen Sachverständigen erstattete Gutachten zur Sicherheitslage in der Provinz Ghazni findet in den Länderfeststellungen seinen Niederschlag.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer die vorläufigen Sachverhaltsannahmen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Situation in Afghanistan übergeben und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme gewährt.

Der erstatteten Stellungnahme ist zu entnehmen, dass die Ausführungen des Sachverständigen zur Sicherheitslage in der Provinz Ghazni zutreffend gewesen seien. Gerügt wurde hingegen der Umstand, dass der Sachverständigen hinsichtlich der Verlobung des Beschwerdeführers mit XXXX die Zustimmung des Vaters von XXXX unberücksichtigt gelassen hat und damit zu einer anderen Beurteilung gekommen sei. Aufgrund des konkreten Fluchtvorbringens läuft der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan Gefahr, vom ursprünglichen Verlobten und dessen Familie getötet zu werden. Zudem gebe es eine offizielle Anzeige gegen den Beschwerdeführet wegen angeblicher Entführung, weshalb der Beschwerdeführer auch von den Sicherheitsbehörden gesucht und verfolgt werden würde. Die afghanischen Sicherheitsbehörden seien aber keinesfalls willens oder in der Lage, dem Beschwerdeführer ausreichenden Schutz vor privater Verfolgung aufgrund des Ehrverlustes des Verlobten zu gewähren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitischen Glauben. Er stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni. Seine Familie hält sich nunmehr in Pakistan auf. Da der Vater des Beschwerdeführers bereits vor zwölf Jahren gestorben ist, entstand zwischen der Familie des Beschwerdeführers und der benachbarten Familie, die auch eine Tochter namens XXXX hat, ein sehr enger Kontakt. Der Vater von XXXX wurde für den Beschwerdeführer zu einer männlichen Bezugsperson. Zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX entwickelte sich eine Liebesbeziehung. Als der Beschwerdeführer XXXX ehelichen wollte, verweigerte ihr Vater seine Zustimmung. In weiterer Folge zeigte ein etwa 40-jähriger Mann namens XXXX Interesse an XXXX. Ihr Vater erteilte diesem seine Zustimmung zu einer Verlobung. Da XXXX nicht ehelichen wollte, ließ sich ihr Vater dazu überreden, einer Verlobung mit dem Beschwerdeführer zuzustimmen. Aus Furcht, XXXX würde sich rächen, flüchteten der Beschwerdeführer, seine Mutter und XXXX nach Pakistan. Der Beschwerdeführer ehelichte in Pakistan XXXX. Aus Furcht auch in Pakistan von XXXX verfolgt zu werden, flüchtete der Beschwerdeführer nach Österreich und stellte am 30. 8. 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Allgemeine Sicherheitslage:

Afghanistan ist mit einem Truppenabzug internationaler Kampfkräfte konfrontiert und der Übergabe der Sicherheit an die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) bis zum Ende des Jahres 2014. Es wird damit einen wesentlichen Sicherheits- und Entwicklungswandel in den nächsten drei Jahren durchlaufen. (WB 28.2.2013). Die finale Tranche des Transfers der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte wurde am 18. Juni verkündet (UNSC 6.9.2013). Nachdem die Übergangsphase fortschreitet und die ANSF ihre Sicherheitsverantwortung übernehmen, transformiert die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) zunehmend ihre Rolle von einer kämpferischen hin zu einer unterstützenden. Die ISAF wird, wie bisher, die ANSF ausbilden, beraten und unterstützen bis die Übergangsphase mit Ende 2014 abgeschlossen ist. Bis Ende 2014 wird die ISAF jedoch - sofern benötigt - auch weiterhin Kampfunterstützung liefern (NATO 1.8.2013). Auf die Transition wird ein Jahrzehnt der Transformation (2015-2024) folgen, Afghanistan hat verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt um sich zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat zu entwickeln. Dafür hat Afghanistan die Zusage langfristiger internationaler Unterstützung erhalten (AA 4.6.2013).

Der Personalstand der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) wuchs im letzten Jahrzehnt von 6000 auf offiziell rund 338.000 - Stand September 2013 - an (Brookings Institution 10.1.2014, vgl. ICG 26.6.2013). Die UN gibt folgende Aufteilung der Zahl der Sicherheitskräfte an: Afghan National Army (ANA) - 185.000; Afghan Air Force - 6,900; Afghan National Police (ANP) - 140,660. Die ANP und das Innenministerium beschäftigen 1.999 Frauen, die afghanische Armee 458. Die Sicherheitskräfte werden aus dem "UN Fonds für Recht und Ordnung für Afghanistan" unterstützt. Das "Afghanische Lokale Polizei Programm", ist ein separates Programm zur lokalen Verteidigung. Die Ausdehnung des Programms schreitet voran. Mit Stand 19. November betrug der Personalstand der Afghanischen Lokalen Polizei (ALP) 24.500 in 122 Distrikten von 29 Provinzen. Nimroz, Panjhsir, Samangan und Nuristan sind die einzigen Provinzen, in denen dieses Programm noch nicht in Kraft ist. Die ALP ist überproportional von Anschlägen betroffen. Es gibt Berichte zu Übergriffen der ALP - meist mit Straflosigkeit, in anderen Orten erfüllt die ALP ihre Arbeit zur Zufriedenheit der lokalen Bevölkerung (UNSC 6.12.2013). Die Berichte zur ALP sind somit gemischt. Einerseits berichten die lokalen Gemeinschaften in vielen Distrikten von einer Verbesserung der Sicherheit durch die Operationen der ALP, andererseits dokumentiert die UNAMA Menschenrechtsverletzungen und zivile Opfer in den Operationen - zwischen 1.1. und 30.6.2013 waren dies 14 zivile Todesopfer in Operationen der ALP (UNAMA 7.2013). Ursprünglich war das Programm auf den Norden und Nordosten fokussiert, die Expansion geschieht nun hauptsächlich in den Südosten (UNSC 6.9.2013).

Die Kapazitäten der afghanischen Sicherheitsinstitutionen wachsen weiterhin. Eine zunehmende Zahl an Operationen wird durch die lokalen Sicherheitskräfte geplant und durchgeführt, während ISAF Luftunterstützung und Hilfe in der Abwehr der Sprengsätze bietet. Nachdem die afghanischen Sicherheitskräfte den Großteil der Operationen nun selbst durchführen, ist die Zahl der Opfer unter ihnen stark angestiegen. Die Zahlen divergieren. Einer Aussage vom 29. Oktober 2013 aus dem afghanischen Innenministerium zu Folge, starben zwischen April und Oktober 1.273 Angehörige der Afghanischen Nationalpolizei und 779 Angehörige der Afghanischen Lokalpolizei im Einsatz. 74 Prozent der Sicherheitsvorfälle zwischen 16. August und 15. November 2013 zielten auf Konvois, Checkpoints, Stützpunkte und Personal der Afghanischen Lokalpolizei (UNSC 6.12.2013). Ein weiterer Bericht spricht von mehr als 3.500 afghanischen Sicherheitskräften, die während des zweiten Quartals 2013 in Kampfeinsätzen verletzt oder getötet wurden. (UNSC 6.9.2013). Der Anstieg der Opfer unter den afghanischen Sicherheitskräften korreliert mit einem von "icasualties" erfassten Rückgang von Todesopfern bei den internationalen Truppen für das Jahr 2013 im Vergleich zu 2012. Im Jahr 2013 waren z.B. 52 Opfer bei den internationalen Schutztruppen durch IED zu beklagen, während es im Jahr 2012 noch 132 waren (icasualities 15.01.2014).

Die Akte der Taliban gegen Zivilisten hielten im Jahr 2012 weiter an, insbesondere undifferenzierte Attacken verursachten hohe Zahlen ziviler Todesopfer (HRW 31.1.2013). Die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle nahm 2012 im Vergleich zum Vorjahr leicht ab und setzte somit den Trend fort. Die Führungs- und Operationsfähigkeit der Insurgenz konnte geschwächt werden (AA 4.6.2013). In den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 erschwerten die Dynamiken von Politik und Sicherheit jedoch den Schutz von Zivilisten und begrenzten den Zugang zu Menschenrechten. Dem verstärkt forcierten Übergang der Sicherheitsverantwortung von internationalen Militärkräften zu afghanischen Kräften sowie der Schließung von internationalen Militärbasen standen vermehrte Attacken durch regierungsfeindliche Elemente (AEG) auf die ANSF, insbesondere an Checkpoints und bei strategischen Autobahnen gegenüber. Die Bemühungen der Aufständischen ihren territorialen Einfluss in umkämpften Gebieten durchzusetzen, führte zu vermehrten Bodenkämpfen zwischen AEG, pro-Regierungselementen und pro-Regierungskräften. Besonders afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten wurden in den Kämpfen oder von unkonventionellen Spreng- oder Brandvorrichtung (IED) häufiger getötet oder verletzt. Der Anstieg ziviler Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 kehrte die Abnahme ziviler Opfer und Verletzter, die im Jahre 2012 verzeichnet wurde, um. Die Opferzahl erreichte den hohen Wert von 2011 (UNAMA 7.2013).

Die erste Jahreshälfte 2013 verzeichnete laut einer Quelle einen Anstieg verletzter und getöteter Frauen von 61 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2012 (UNSC 22.11.2013). Insgesamt sammelte UNAMA für die ersten zehn Monate des Jahres 2013 Daten zu 2,568 zivilen Todesopfern und 4,826 zivilen Verletzten. Es wurde damit ein Anstieg von 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2012 verzeichnet. Um die 75 Prozent der Opfer wurden regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben. Deren Einsatz von unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs), inklusive komplexer Attacken und Selbstmordattentate, verursachten 49 Prozent aller Opfer und stellten weiterhin die größte Gefahr für Zivilisten dar. 10 Prozent der zivilen Opfer rechnete die UNAMA pro-Regierungstruppen zu. 11 Prozent der Opfer wurden Bodenoperationen und Attacken zugerechnet, die keiner Partei zugeschrieben werden konnten. Aufgrund von Bodenkämpfen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und Pro-Regierungstruppen wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2012 456 Zivilisten getötet und 1,454 verletzt. Dies stellt einen Anstieg von 36 Prozent zum Vergleichszeitraum 2012 dar. Besonders signifikant war er mit 52 Prozent in den östlichen Regionen Es wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 89 Selbstmordanschläge durch die Vereinten Nationen erfasst, gleich viele wie im Jahr 2012, 45 dieser waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Paktika und Kabul (UNSC 6.12.2013). Im Jahr 2013 stiegen die Angriffe und Entführung prominenter afghanischer Frauen (BBC 16.9.2013; vgl. The Guardian 15.9.2013; The Daily Mail 17.9.2013). Aufgrund ihrer besonderen Machtstellung gehören Provinz- und Distriktgouverneure zu den herausgehobenen Personen, auf die immer wieder Anschläge verübt werden. Auch gegen Mitarbeiter des afghanischen öffentlichen Dienstes wie Angehörige von Ministerien oder nachgeordneten Behörden werden aufgrund ihrer Tätigkeit für den afghanischen Staat Anschläge verübt (AA 4.6.2013). Erhöhte Unsicherheit und Attacken gegen Hilfsorganisationen gefährden die Möglichkeit humanitärer Organisationen, der betroffenen Bevölkerung zu helfen (USAID 5.7.2013).

Im Zeitraum vom 16.2.2013 bis 15.5.2013 sammelte UNAMA 4.267 sicherheitsrelevante Vorfälle. Dies stellt einen Anstieg von 10 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres dar (UNSC 13.6.2013). Im Zeitraum 16.5 - 15.8.2013 verzeichnete die UNO 5,922 Vorfälle, was einen 11-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutete, jedoch eine 21 prozentige - Senkung zum Vergleichszeitraum des Jahres 2011. Bewaffnete Kämpfe und unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen waren die Ursache für 4,534 Vorfälle. Rebellen konzentrierten sich darauf Checkpoints und Militärstützpunkte, die vom internationalen Militär an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden, anzugreifen. Die effektive Abwehr der afghanischen Sicherheitskräfte konzentrierte sich im Allgemeinen auf den Schutz von Schlüsselstädten und administrativen Bezirkszentren sowie strategischen Transportrouten (UNSC 6.9.2013). Im Zeitraum vom 16.8. bis 15.11.2013 sammelte die UN 5,284 Vorfälle, was einen Anstieg von 1.9 Prozent zu dem Vergleichszeitraum im Jahr 2012 anzeigt. Die ersten zehn Monate des Jahres 2013 verzeichneten im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2012 einen Anstieg von insgesamt 13.2 Prozent, jedoch konnte eine Reduktion von 16 Prozent zum Vergleichszeitraum des Jahres 2011 erfasst werden. Anti-Regierungs-Elemente zielen weiterhin auf Straßen und Verkehrsnetze und können weiterhin einen beträchtlichen Einfluss in den ländlichen Gebieten, in denen oft die Reichweite und die Dienstleistungen der Regierung gering sind, behaupten (UNSC 6.12.2013). Geographisch tragen die Hauptlast von Sicherheitsvorfällen die südlichen, süd-östlichen und östlichen Provinzen (UNSC 6.9.2013). Von den Sicherheitsvorfällen zwischen

16.2. und 15.5. betrafen 70 Prozent die die südlichen, süd-östlichen und östlichen Teile des Landes (UNSC 13.6.2013). Von den Sicherheitsvorfällen zwischen 16.5. und 15.8. 2013 betrafen 69 Prozent diese Regionen (UNSC 6.9.2013). Von den Vorfällen zwischen

16.8 und 15.11 betrafen 70 Prozent die südlichen, süd-östlichen und östlichen Teile des Landes (UNSC 6.12.2013). Im Osten des Landes wurde zwischen 16.2. und 15.5. eine 18-prozentige Zunahme von Vorfällen im Vergleich zu 2012 verzeichnet, mit einem Zustrom der Aufständischen in die Provinzen Nuristan und Badakhshan, der einen Wechsel des strategischen Fokus des Konflikts andeutet (UNSC 13.6.2013). Infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz im Raum sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen konnte eine partielle Stabilisierung in Teilen Nord- und Westafghanistans, aber auch in der Hauptstadt Kabul erzielt werden. In diesen Gebieten ist die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle (AA 4.6.2013).

Das Sekretariat des Afghanischen Friedens- und Reintegrationsprogrammes berichtete, dass mit Stand 19. November

7.532 Personen dem Programm beigetreten sind. 168 Projekte und 170 Mikro-Beihilfen wurden abgeschlossen oder begonnen (UNSC 6.12.2013). Mit Stand Mai 2013 liefen unter dem Programm 331 Gemeinschaftsprojekte und 146 Beihilfen bzw. wurden abgeschlossen. Das Programm richtet sich mit Reintegrations- und Übergangsunterstützung an ehemalige Militante (UNSC 13.6.2013). Die UNAMA unterstützte auch weiterhin den "Friedensdialog der Afghanischen Bevölkerung", eine zivilgesellschaftliche Initiative zur Umsetzung von Friedensmaßnahmen auf Provinzebene. Im Rahmen von afghanischen Informationskampagnen unter dem "Police-e-Mardumi-Programme", unterstützen die Vereinten Nationen ein demokratisches Projekt durch Sicherheitsgespräche mit der Polizei in sieben Provinzen, sowie monatliche Beratungen zwischen Polizei und Gemeinschaftsführern, inklusive Frauen, in 15 Bezirken der Provinzen Uruzgan, Baghlan, Helmand, Ghor und Balkh. In den Provinzen Daikundi, Kapisa, Nuristan, Kunduz, Takhar, Gardez und Jawzjan initiierte UNAMA im Oktober eine Reihe von Dialogen zwischen den Gemeinschaften um Vertrauen aufzubauen und Spannungen zwischen Stämmen und Ethnien abzubauen (UNSC 6.12.2013).

Sicherheitslage in der Provinz Ghazni:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (46 Prozent). Im Süden und Osten finden die meisten extralegalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107 Prozent bzw. 114 Prozent massiv anstiegen. Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen. ANSO geht davon aus, dass es sich um eine strategische Positionierung im Hinblick auf 2014 handelt. Im Frühjahr 2013 konnten die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten weiter konsolidieren und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Die am meisten umkämpften Provinzen waren 2012/13 Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni.

(Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 10)

In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81 Prozent an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250 Prozent anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent.

(ANSO, Quarterly Report ,vom April 2013)

Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen.

(ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013)

Sicherheitslage in Kabul

Kabul ist unter jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz im Raum sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist (AA 4.6.2013). Die ANSF geht während dieser Angriffe professioneller im Kampf gegen die Rebellen vor als früher (AAN 2.6.2013). Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans (USDOD 12.2012). Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz der Vorfälle und Angriffe einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung (DIS 5.2012).

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden (AAN 2.6.2013). Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit möglicher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren (ACCORD 10.1.2014 vgl. AAN 2.6.2013). Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [Anmerkung: auch "Khaled ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei dem neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenversteckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März (UNSC 13.6.2013).

Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:

Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem neun Zivilisten, zwei ISAF Mitarbeiter und vier Mitarbeiter eines ausländischen Unternehmens getötet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten(UNSC 13.6.2013).

Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebiete Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast (BBC 25.6.2013). Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul. (UNSC 6.9.2013). Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli (Reuters 18.10.2013). Agence France-Presse (AFP) berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt relativ friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschlägen und bewaffnete Angriffe stattgefunden hatten (AFP 18.10.2013). Am 16. November 2013 tötete ein Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde 8 Zivilisten (UNSC 6.12.2013). Am 18.Jänner.2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant in Kabul. (FAZ 18.1.2014)

Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26.1.2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25.1.2014 wurden bei einer Explosion zwei Personen verletzt (FAZ 26.1.2014).

1.1.6 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen mehr als 31 Millionen Menschen. Davon sind 42 Prozent Pashtunen, 27 Prozent Tajiken, 9 Prozent Hazara, 9 Prozent Usbeken, 4 Prozent Aimaken, 3 Prozent Turkmenen, 2 Prozent Balochen und 4 Prozent gehören zu anderen kleineren ethnischen Gruppen (CIA 7.1.2014 vgl. CRS 22.11.2013). In der neuen Verfassung Afghanistans von 2004 werden Pashtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Pahsai, Nuristanis, Aimaken, Araber, Kirgisen, Qilbash, Gujuren, Brahuin und andere ethnische Gruppen erwähnt, die ein Recht auf die afghanische Staatsbürgerschaft haben. Aber auch die Sprache der ethnischen Gruppen wurde in die neue Verfassung aufgenommen (MRGI 7.2012).

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 4.6.2013 vgl. englische Übersetzung der Verfassung UNPAN 2004).

Die Pashtunen als die größte Gruppe leben Großteils im Süden und Südosten des Landes, aber auch in allen anderen Teilen des Landes. Die Minderheit der Hazara lebt überwiegend in der Mitte des Landes (Hazarajat) und in Kabul, die Minderheit der Usbeken im Norden wie auch die turkmenische Minderheit, jene der Aimaken im Westen, der Belutschen im Westen und Nordwesten des Landes; und die nuristanische Minderheit überwiegend im Osten von Afghanistan (MRGI 7.2012). Interethnische Ehen, im Speziellen zwischen Pashtunen und anderen Gruppen, haben die ethnischen Unterschiede zwischen den Gemeinschaften verwischt. Es gibt auch interethnische Beziehungen zwischen Tadschiken und mongolischen und turkmenischen Migrantinnen und zwischen Hazara und Usbeken (MRGI 7.2012). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50 Prozent der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass spezielle soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindert. Nichtsdestotrotz, beschwerten sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu Beamtenjobs staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 19.04.2013).

Tadschiken:

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 22.11.2013). Sie macht etwa 27 Prozent der Bevölkerung in Afghanistan aus (CIA Datum). 35 Prozent des ANSF Offizierskorps sind Tadschiken. Die Tadschiken sind der Kern der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, die oft Karzai und seinem inneren paschtunischen Zirkel gegenübersteht, aber trotzdem mit ihm an den Strukturen der Regierung arbeitet. Der erste Vizepräsident von Präsident Hamid Karzai ist Muhammad Fahim, ein Tadschike. Der Verteidigungsminister, Bismillah Khan Mohammedi, ist ebenfalls ein Tadschike (CRS 22.11.2013).

Ehe und Scheidung

In Afghanistan kommen Kompensationsheirat, Zwangsheirat, arrangierte Heirat und Kinderheirat vor (University of Montana 4.4.2012). Die Zwangsverheiratung auch von Kindern unter dem gesetzlichen Mindestalter der Ehefähigkeit ist ein verbreitetes Phänomen (AA 4.6.2013). Das gesetzliche Alter für Heirat in Afghanistan liegt bei Männern bei 18 Jahre und bei Frauen bei 16 Jahren. Jedoch kann ein 15-jähriges Mädchen mit dem Einverständnis ihres Vaters oder eines Gerichtes verheiratet werden (HRW 4.3.2013). Die häufigste Form der Heirat in Afghanistan ist die arrangierte Heirat, in welcher die Braut und der Bräutigam die gleiche Ethnie, soziale Klasse und Grad des Rufes aufweisen (University of Montana 4.4.2012).

Scheidungen sind im Islam erlaubt, jedoch liegt das Recht bei den Männern. Nichtsdestotrotz haben Frauen das Recht unter bestimmten Bedingungen und Umständen, sich scheiden zu lassen. Theoretisch können im Islam Frauen auf ihr Recht auf Scheidung, beim Eingehen des Ehevertrags, bestehen - "Nikah". Das bedeutet, dass die Frau dem Mann sagen kann, dass sie ihn unter der Bedingung heiratet, dass er ihr das Recht gibt, sich von ihm scheiden zu lassen. Jedoch wird Scheidung in der afghanischen Kultur nicht befürwortet und afghanische Frauen kennen meist ihre Rechte nicht, wenn es darum geht, die Scheidung einzureichen. Nur in ganz wenigen Fällen wird bei besonders triftigen Gründen die Frau in Bezug auf Scheidung von ihrer Familie unterstützt (University of Montana 4.4.2012).

Zina

"Zina" ist der Ausdruck für Ehebruch und andere verbotene sexuelle Beziehungen und ist ein kriminelles Vergehen im Rahmen des Strafgesetzes (vgl. englische Version des Strafgesetzes UNODC 1976). Die Polizei und öffentliche Stellen beschuldigten Frauen der Absicht Zina zu begehen, um eine Verhaftung bzw. eine Inhaftierung für einen Verstoß gegen soziale Normen zu rechtfertigen, wie zum Beispiel von Zuhause fortzulaufen, sich der Wahl des Bräutigams zu widersetzen oder vor häuslicher Gewalt und Vergewaltigung zu flüchten. Auch auf Wunsch der Familie werden Frauen im Zusammenhang mit Zina verhaftet. Berichten zufolge gab es Fälle, in denen Richter einen Vergewaltigungsfall in einen "Zinafall" umwandelten, selbst wenn die Polizei und die Staatsanwalt es als Vergewaltigungsfall ansahen (USDOS 19.4.2013). Das Urteil einer Inhaftierung für Zina-Vergehen beträgt laut dem afghanischen Gesetz 5 bis 15 Jahre. Kinder, 18 Jahre oder jünger, sind zu wesentlichen kürzeren Strafen unter Jugendgesetz von 2005 berechtigt (HRW 4.3.2012).

Ehrenmorde

Ehrenmorde sind Verbrechen, die im Namen der "Ehre" durchgeführt werden, oftmals aufgrund des Verdachts von Handlungen, die als unehrenhaft für die Familie als Ganzes gelten. Die Motive für diese Delikte reichen von einer simplen Assoziierung mit dem anderen Geschlecht über zu sexuelle Beziehungen oder das Weglaufen von zu Hause (UNHCR 6.2013).

Laut einem Bericht von AIHRC [Anmerkung: eine Unabhängige Menschenrechtskommission] werden knapp unter 15 Prozent der Ehrenmorde und sexuellen Übergriffe von Polizisten begonnen. Normalerweise werden Ehrenmorde durch Mitglieder einer Familie oder eines Stammes - in den meisten Fällen gegen Frauen - durchgeführt, nachdem in der Wahrnehmung der Familie, das Opfer Schande über die Gruppe gebracht hat (Reuters 10.6.2013). AIHRC gab an, dass 21 Prozent der Ehrenmorde durch die Ehemänner der Opfer durchgeführt wurden, 7 Prozent durch die Brüder und 4 Prozent durch den Vater des Opfers. Die restlichen 57 Prozent der Ehrenmorde wurden durch die Familie des Ehemannes durchgeführt (RAWA 10.6.2013). AIHC gab an, dass in einem Zeitraum von 2011 bis Mai 2013 163 Fälle von sexuellen Übergriffen, sowie 243 Ehrenmorde registriert wurden. Jedoch wird angenommen, dass die Anzahl der Fälle weitaus höher liegen (Reuters 10.6.2013).

Artikel 398 des Nationalen Afghanischen Gesetzes besagt, dass ein Mensch, von der Bestrafung von "Lazeration" und Mord ausgenommen wird, wenn er seine Ehre verteidigt, nachdem er seine Frau oder eine andere (nah)verwandte Person auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt und diese oder beide Beteiligten sofort tötet oder verletzt. Die Person soll jedoch eine Haftstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, antreten (UNAMA 9.12.2010 vgl. AIHCR 2013). Ehrenmorde und sexuelle Übergriffe sind die schwerwiegendsten Fälle an Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen Frauen in Afghanistan (AIHRC 2013). Weggelaufene Frauen, die zurückgebracht werden, werden oftmals im Zuge von Ehrenmorden getötet, da die Familien fürchten, dass sie Zeit mit ihnen nicht erlaubten Männern verbracht haben (NYT 7.11.2010; vgl. HRW 4.3.2012; Daily Mail 30.4.2013). Die Anzahl der afghanischen Frauen, die verhaftet wurden, aufgrund von Flucht vor Zwangsheirat und anderen "moralischen Verbrechen" ist 2011 in die Höhe gegangen (The Guardian 21.5.2013).

Im USDOS Jahresbericht für das Jahr 2012 berichtet AIHRC von einer Steigerung der Ehrenmorde, 60 Fälle wurden im ersten Halbjahr verzeichnet. Jedoch wird von einer viel höheren Dunkelziffer ausgegangen. Es wird angenommen, dass Fälle von Selbstmord und Selbstverbrennung zu Ehrenmorden gezählt werden sollten (USDOS 19.4.2013).

Blutrache

Gemäß alt hergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Akte der Vergeltung die Mitglieder einer anderen Familie. In Hinblick auf Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Pashtunwali verwurzelt. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Vergehen wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführungen oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Frauen und Kinder kommen als Ziel einer Blutrache nicht in Betracht (CORI Thematic Report, Afghanistan: Blood Feuds, im Auftrag des UNHCR, Februar 2014; Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Versorgungslage

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser.

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Die Behandlung psychischer Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet (abgesehen von einzelnen Pilotprojekten) nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

Rückkehrfragen

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

Der länderkundige Sachverständige erstattete in der Verhandlung vom 21. 11. 2014 zur Sicherheitslage in der Provinz Ghazni folgendes Gutachten, das in den wesentlichen Passagen wiedergegeben wird:

Die Sicherheitslage ist weiterhin prekär. Die Provinz Ghazni gehört zu den unsichersten Provinzen Afghanistans. In Afghanistan haben die Selbstmordanschläge der Terroristen laut einem BBC-Bericht um 68% zugenommen. Es finden in Ghazni ständig Selbstmordanschläge statt. Es kommt zu Entführungen und die Taliban beherrschen direkt oder indirekt die meisten Nicht- Hazara-Distrikte der Provinz Ghazni. Jaghori, Herkunftsregion des Beschwerdeführers, gehört zwar zu den sicheren Regionen der Provinz Ghazni, weil die Hazaras die Angriffe der Taliban auf ihre Gemeinschaft zurückschlagen können. Allerdings sind die Hazaras aus Jaghori in ihrem Leben und Handeln in der Provinz Ghazni eingeschränkt. Die Hauptwege zwischen Jaghori und anderen Distrikten und der Stadt Ghazni sind ständig Taliban-Angriffen ausgesetzt. Die Taliban halten Linienbusse und Taxis auf diesen Hauptwegen an, und zerren willkürlich Personen heraus. Diese werden entweder sofort bestraft oder mitgenommen. Zusätzlich ist darauf hinweisen, dass sich in Afghanistan häufig Banden bilden, indem Teile der ehemaligen Mujaheddin und andere Gruppen immer wieder bewaffnete Konflikte anzetteln.

2. Beweiswürdigung:

Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen sowie dem mündlich erstatteten Gutachten des länderkundigen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

Der Sachverständige ist in Afghanistan geboren und aufgewachsen, er hat in Kabul das Gymnasium absolviert, in Wien Politikwissenschaft studiert und war in den neunziger Jahren an mehreren Aktivitäten der Vereinten Nationen zur Befriedung Afghanistans beteiligt. Er hat Werke über die politische Lage in Afghanistan verfasst und verfügt dort über zahlreiche Kontakte, ist mit den dortigen Gegebenheiten vertraut und recherchiert dort selbst - auch für den unabhängigen Bundesasylsenat, den Asylgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht - immer wieder (zuletzt im November 2014). Auf Grund seiner Sachkenntnis wurde er bereits in vielen Verfahren als Gutachter herangezogen; er hat im Auftrag vieler Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zahlreiche nachvollziehbare und schlüssige Gutachten zur aktuellen Lage in Afghanistan erstattet.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Nationalität und regionalen Herkunft aus der Provinz Ghazni konnten den Feststellungen zugrunde gelegt werden. Der Beschwerdeführer brachte vor, vom ehemaligen Verlobten seiner nunmehrigen Ehefrau verfolgt zu werden, sodass er aus Afghanistan bzw Pakistan flüchtete. Der Beschwerdeführer schilderte seine Furcht schlüssig und in sich stimmig, sodass das Vorbringen aus diesem Grund als glaubhaft zu beurteilen und der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Entgegen der Einschätzung des Bundesasylamtes in seinem Bescheid schilderte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung sein Vorbringen sehr anschaulich und wies auch auf die enge Beziehung zur Familie seiner Ehefrau hin.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Die gegenständliche - noch an den Asylgerichtshof gerichtete - Beschwerde wurde am 13. 2. 2013 beim Bundesasylamt eingebracht.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 75 Abs. 17 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu Ende zu führen.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesasylamtes richtet, der vor dem 31.12.2013 erlassen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Im gegenständlichen Fall befürchtet der Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen seitens des früheren Verlobten seiner Ehefrau. Diese Gefährdung des Beschwerdeführers liegt in Problemen mit Privatpersonen begründet. Die Verfolgung ist schon an sich nicht auf einen Grund, der in der GFK genannt ist, zurückzuführen. Ein Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Verfolgung und einem der in der GFK taxativ aufgezählten Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) besteht nicht. Auch beschränkt sich eine Bedrohung aufgrund von persönlichen Racheakten (Ehrenmord) anders als im Fall von Blutrache nicht auf Angehörige bestimmter Gruppen:

Beim Beschwerdeführer trifft diese Gefahr jedenfalls nicht aufgrund eines besonderen Merkmals oder einer besonderen Eigenschaft zu. Die aufgezeigten Gefahren treffen auch in Afghanistan nämlich nicht nur Angehörige bestimmter Gruppen. Die Gefahr, von gewalttätigen Personen (aus Rache) verletzt oder getötet zu werden, besteht vielmehr potentiell für alle Menschen. Eine Verfolgung aus rein kriminellen Motiven bedeutet jedoch per se keine Verfolgung iSd GFK (vgl. etwa VwGH 31.1.2002, 99/20/0497). Somit kommt hinsichtlich der vorgebrachten Rückkehrbefürchtung des Beschwerdeführers eine Gewährung von Asyl gemäß der GFK nicht in Betracht.

Im Hinblick auf die spezifische Situation des Beschwerdeführers waren auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Ethnie der Hazara alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit (und/oder wegen seiner Glaubensrichtung) in Afghanistan aktuell einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.

Eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr aus in der GFK genannten Gründen ist nicht ersichtlich.

Zu Spruchpunkt II:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Dies ist gem. § 11 Abs. 1 AsylG dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG). Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a AsylG nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückweisung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist gem. § 8 Abs. 2 AsylG mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Herkunftsstaat des Antragsstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 ist ein Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Der (vormalige) § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 verwies auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vormaligen § 57 FrG - welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen sein wird - ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

Zu der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Furcht vor dem ehemaligen Verlobten seiner Ehefrau kann - den Feststellungen zu Afghanistan folgend - nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ausreichender staatlicher Schutz zuteilwürde. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Effektivität der afghanischen Polizei in ganz Afghanistan großteils nicht in dem nötigen Ausmaß gegeben ist.

Betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Provinz Ghazni, dem Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, ist mit Blick auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers zunächst auf die Länderfeststellungen zu verweisen, wonach im Frühjahr 2013 die regierungsfeindlichen Gruppierungen ihre Position im Osten Afghanistans weiter konsolidieren konnten und auch im Süden sind die Angriffe erneut in die Höhe geschnellt. Im ersten Quartal 2013 stieg in der Provinz Ghazni die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127 Prozent. Auch das in den Länderfeststellungen befindliche Gutachten des länderkundigen Sachverständigen kommt im Ergebnis zur gleichen Einschätzung der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, wonach die Sicherheitslage weiterhin prekär ist. Die Provinz Ghazni gehört zu den gefährlichsten Provinzen Afghanistans. In Afghanistan haben die Selbstmordanschläge der Terroristen laut einem BBC-Bericht um 68% zugenommen. Es finden in Ghazni ständig Selbstmordanschläge statt. Es kommt zu Entführungen und die Taliban beherrschen direkt oder indirekt die meisten Nicht- Hazara-Distrikte der Provinz Ghazni. Jaghori, die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, gehört zwar zu den gefahrlosen Regionen der Provinz Ghazni, weil die Hazaras die Angriffe der Taliban auf ihre Gemeinschaft zurückschlagen können, allerdings sind die Hazaras aus Jaghori in ihrem Leben und Handeln in der Provinz Ghazni eingeschränkt. Die Hauptwege zwischen Jaghori und anderen Distrikten und der Stadt Ghazni sind ständig Taliban-Angriffen ausgesetzt. Die Taliban halten Linienbusse und Taxis auf diesen Hauptwegen an und zerren willkürlich Personen heraus. Diese werden entweder sofort bestraft oder mitgenommen. Zusätzlich ist darauf hinweisen, dass sich in Afghanistan häufig Banden bilden, indem Anhänger ehemaliger Mujaheddin und andere Gruppen immer wieder bewaffnete Konflikte anzetteln.

Dass der Beschwerdeführer in anderen Teilen Afghanistans über tragfähige Beziehungen und/oder Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse verfügt oder tatsächliche Unterstützung erhalten würde, ist nicht ersichtlich. Im gegenständlichen Fall wäre der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan daher gezwungen, nach einem sicheren Aufenthaltsort bzw. auch einen Wohnraum zu suchen, ohne - zumindest sofort - familiären Rückhalt in Anspruch nehmen zu können. Aus den Länderfeststellungen ist ersichtlich, dass auch die Grundversorgung der Bevölkerung, insbesondere für Rückkehrer, nur unzureichend ist. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich. Ausgehend davon ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers zu erkennen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Ausgehend davon ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers zu erkennen, dass er im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr nach Afghanistan - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

Eine Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan steht nach dem Gesagten im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Dem Beschwerdeführer war daher nach der genannten Bestimmung der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt III:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, idF BGBl. I Nr. 68/2013 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen (siehe Spruchpunkt I.).

Daher war dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

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