Rechtssatz
Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung liegt vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonfliktes in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war, es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden.
Normen
ARB 1988 Art2
ARB 1994 Art23.2.3.1
ARB 2000 Art2.3
ARB 2005 Art2
ARB 2007 Art2
ARB 2008 Art2.3
ARB 2009 Art7.2.4
ARB 2013 Art2.3
ARB 2013 Art2.4
ARB 2014 Art 7.2.4
Rechtsschutzversicherung ARB 2019 Art 2.3.
Rechtsschutzversicherung allg
7 Ob 62/03y | OGH | 28.05.2003 |
Auch; nur: Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung liegt vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonfliktes in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. (T1)<br/>Beisatz: Bei mehreren Verstößen ist nach den ARB 1994 der erste Verstoß maßgeblich. (T2) |
7 Ob 155/06d | OGH | 29.11.2006 |
Beisatz: Bei mehreren Verstößen gegen gesetzliche oder vertragliche Pflichten ist der Versicherungsschutz zu verneinen, wenn der erste Verstoß schon, für sich allein betrachtet, nach der Lebenserfahrung geeignet war, den Rechtskonflikt auszulösen, oder zumindest noch erkennbar nachwirkte und den endgültigen Ausbruch der Streitigkeit nach dem Vorliegen eines oder mehrerer weiterer Verstöße noch mitauslöste, sohin „adäquat kausal" war. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, so ist eine Mehrzahl solcher Verstöße als Einheit zu qualifizieren. (T3)<br/>Beisatz: Die rechtliche Einordnung einer Stundungszusage und das Vorliegen eines adäquaten Kausalzusammenhangs des Erstverstoßes mit dem Folgeverstoß ist durch die besonderen Umstände des Einzelfalls determiniert und ist deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. (T4) |
7 Ob 83/08v | OGH | 09.07.2008 |
Vgl auch; Beisatz: Eine bloße Kulanzzahlung des Rechtsschutzversicherers - somit eine Zahlung ohne Bestehen einer Deckungspflicht - ist dem Eintritt des Versicherungsfalls nicht gleichzuhalten. (T5) |
7 Ob 127/16a | OGH | 28.09.2016 |
Beisatz: Hier: Art 2.3 ARB 2011. (T7) |
7 Ob 20/17t | OGH | 29.03.2017 |
Beisatz: Hier: Veranlagungen in verschiedene Kommanditgesellschaften aufgrund gesonderter Beratungsgespräche in deutlichem zeitlichen Abstand. (T8) |
7 Ob 32/18h | OGH | 04.07.2018 |
Beisatz: Der Verstoß ist im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Kaufs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginnt sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen. (T9); Beis wie T3; Beisatz: Der Kauf einer mangelhaften Sache hat den Keim von Rechtskonflikten im Zug von versuchten Verbesserungen in sich, weil die geschuldete Leistung hergestellt werden soll. Die fehlgeschlagene Verbesserung ist rechtlich kein selbstständiger neuer Verstoß. (T10) |
7 Ob 193/18k | OGH | 19.12.2018 |
Beisatz: Hier: Art 2.3 ARB 2000/2003 - Begehrt der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen unrichtiger Belehrung über das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungsverträgen, ist der Versicherungsfall die behauptete fehlerhafte Belehrung. (T12)<br/>Veröff: SZ 2018/107 |
7 Ob 52/19a | OGH | 23.10.2019 |
Vgl; Beisatz: Hier: Frage der Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers für eine Klage des Versicherungsnehmers gegen seinen Lebensversicherer nach § 3 VersVG. (T13) |
7 Ob 70/20z | OGH | 27.05.2020 |
Beisatz: Entlässt das Unternehmen den versicherten Geschäftsführer wegen behaupteter Pflichtverletzungen, so ist nicht die Entlassung, sondern der Beginn der Pflichtverletzungen der Versicherungsfall, weil diese die rechtliche Auseinandersetzung ausgelöst haben; hier: Art 7 TMRB 2016. (T14) |
7 Ob 85/20f | OGH | 24.06.2020 |
Beisatz: Hier: Abrechnung des Honorars durch einen Rechtsanwalt. (T15) |
7 Ob 11/21z | OGH | 23.06.2021 |
Beisatz: Hier: Art 2.3. ARB 2011. (T16) |
7 Ob 135/21k | OGH | 15.09.2021 |
Vgl; Beisatz: Der Erbrechtsstreit und die (Schenkungs-) Pflichtteilsklage sind damit jeweils getrennt zu beurteilende Versicherungsfälle in der Rechtsschutzversicherung. (T17) |
7 Ob 133/21s | OGH | 28.04.2022 |
Vgl; Beis wie T9; Beisatz: Hier: Hier: Kauf eines gebrauchten Diesel‑PKW. (T18)<br/>Beisatz: Hier: Der Zeitpunkt, in dem die Produzentin begonnen hat, in ihre Motoren Abgaswerte verfälschende Software einzubauen, hat keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des Autokäufers. Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes‑ oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat‑kausal begründet haben, kann den Versicherungsfall erst auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen, dh in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. (T19)<br/>Beisatz: Hier: Da der Versicherungsfall mit dem Erwerb des Fahrzeuges eintritt, kann der Umstand, dass das Fahrzeug von einem Dritten erworben hat, nicht den Ausschluss nach Art 7.2.4. ARB 2014 bewirken; diese Bestimmung stellt nach ihrem klaren Wortlaut auf eine Abtretung an (oder Haftungsübernahme durch) den Versicherungsnehmer ab, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist oder nachdem vom Versicherungsnehmer, Gegner oder einem Dritten eine den Versicherungsfall auslösende Rechtshandlung oder Willenserklärung vorgenommen wurde. (T20) |
7 Ob 61/22d | OGH | 29.07.2022 |
Beis wie T9; Beis wie T18; Beis wie T19; Beis wie T20 |
7 Ob 129/22d | OGH | 24.08.2022 |
Beis wie T9; Beisatz: Hier: Kein Deckungsausschluss nach Art 7.2.4 ARB 2009, weil durch die dem Abschluss des Kaufs vorangehenden Willenserklärungen der Versicherungsfall nicht ausgelöst worden ist. (T21) |
7 Ob 130/22a | OGH | 28.09.2022 |
Vgl; Beis wie T21; Beisatz: Hier: Art 7.2.4 ARB 2005. (T22) |
7 Ob 42/23m | OGH | 19.04.2023 |
Beisatz: Hier: Verstoß als Eintritt des Versicherungsfalls liegt im Eintritt zweier Ereignisse ab dem Jahr 2003, nicht in einem Schreiben vom März 2022, das diese Ereignisse beanstandet. (T23) |
7 Ob 61/23f | OGH | 24.05.2023 |
vgl; Beisatz: Hier: behauptete testamentarische Einräumung eines Vermächtnisses (T24) |
7 Ob 104/23d | OGH | 30.08.2023 |
vgl; Beisatz: Hier: Art 2.3. ARB 2015 (T25) |
7 Ob 121/24f | OGH | 28.08.2024 |
Beisatz wie T9<br/>Beisatz: Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat kausal begründet haben, kann den Versicherungsfall erst auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen, das heißt in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Dies ist im Fall des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Erwerbs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginnt sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen. (T26) |
Dokumentnummer
JJR_20000726_OGH0002_0070OB00043_00Z0000_002
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