European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E121946
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit Schreiben vom 25. 6. 2015 kündigte die Mieterin des Klägers den Mietvertrag vom 5. 2. 1990 unter Einhaltung der vorgesehenen 12-monatigen Frist zum 30. 6. 2016 auf. Mit Schreiben vom 10. 9. 2015 teilte ihr der Kläger mit, dass sie zum Rückbau getätigter baulicher Veränderungen verpflichtet sei; er gehe von Rückbau‑ und Sanierungskosten in Höhe von 480.000 EUR bis 530. 000 EUR aus. In der Folge besichtigte der Kläger mehrmals das vermietete Objekt und musste dabei zur Kenntnis nehmen, dass keinerlei Rückbauarbeiten in dem von ihm gewünschten Sinn durchgeführt oder eingeleitet wurden. Da sein Schreiben an die Mieterin unbeantwortet geblieben war, befürchtete er, dass sich um die Frage der Rückstellung des Mietobjekts ein Rechtsstreit ergeben könnte.
Am 20. 10. 2015 teilte er daher seinem damaligen Rechtsschutzversicherer mit, dass das Haus seit 25 Jahren vermietet sei, bauliche Veränderungen nur unter der Bedingung des Rückbaus bei Kündigung genehmigt worden seien und sich möglicherweise nun Unstimmigkeiten ergeben könnten. Er ersuche um Nennung eines Anwalts oder einer Immobilienverwaltungsgesellschaft, die in der Lage seien, ihm effektiven Beistand zu gewähren und einen – ausgewachsenen – Rechtsstreit im Vorfeld abzuwenden. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 teilte ihm sein Rechtsschutzversicherer mit, dass Liegenschafts‑Rechtsschutz im bestehenden Vertrag nicht enthalten sei.
Danach wandte sich der Kläger an seine Versicherungsvertreterin, eine Mitarbeiterin der Beklagten. Der Kläger teilte ihr am 15. 11. 2015 seine Vorstellungen hinsichtlich der Rechtsschutzversicherung mit, nämlich dass diese unter anderem einen Immobilienrechtsschutz für das derzeit vermietete Objekt biete, der im Ernstfall die Durchsetzung seiner vertraglichen Rechte ohne finanzielle Prozessrisiken ermögliche.
Nach Rücksprache mit der Beklagten teilte die Mitarbeiterin dem Kläger mit, dass dies kein Problem sein sollte und nur „die Anfechtung des Mietvertrags selbst ein Problem“ sein könne, weil das Entscheidende nicht der Vertrag, sondern das erstmalige Auftreten eines „Problems“ sei.
Der Kläger teilte der Beklagten jedoch nie mit, dass bereits die Kündigung des Mietverhältnisses durch die Mieterin ausgesprochen worden war.
Daraufhin schloss der Kläger mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn 1. 12. 2015. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 2011) lauten auszugsweise:
„ Art 2 ‑ Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
…
3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.
…
Art 3 ‑ Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)
1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags eintreten.
2. Löst e ine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gemäß Art 2.3 aus, besteht kein Versicherungsschutz.
Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, bleiben dabei außer Betracht.“
Nachdem am 30. 6. 2016 die Rückstellung des Objekts durch die Mieterin an den Kläger ohne Durchführung der von ihm gewünschten Rückbau‑ und Sanierungsmaßnahmen erfolgte, brachte er gegen die Mieterin am 28. 3. 2017 eine Klage auf Zahlung von 500.000 EUR sA ein.
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag Versicherungsschutz im eben genannten Rechtsstreit zu gewähren. In eventu erhob er ein gleichlautendes Feststellungsbegehren. Die Beklagte sei schon vor Abschluss des Versicherungsvertrags über die konkreten Probleme in Kenntnis gewesen und habe ihn dennoch unter Versicherungsschutz genommen. Die Mieterin habe den Mietvertrag mit Schreiben vom 25. 6. 2015 gekündigt, sodass das Bestandverhältnis nach Ablauf der einjährigen Kündigungsfrist zum 30. 6. 2016 aufgelöst worden sei. An diesem Tag sei das Bestandobjekt in vertragswidrigem Zustand zurückgestellt worden. Darauf gründe sich der gegen die Mieterin klageweise geltend gemachte Anspruch. Der Versicherungsfall sei daher am 30. 6. 2016 eingetreten.
Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Der Kläger habe ihr die wesentliche Tatsache verschwiegen, dass der Mietvertrag bereits vor Versicherungsbeginn gekündigt worden sei. Im Übrigen bestehe im vorliegenden Fall nach Art 3.2 ARB 2011 kein Versicherungsschutz, weil die Kündigung der Mieterin vor Versicherungsbeginn den Rechtsstreit über den Inhalt der Rückstellungsverpflichtung ausgelöst habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Damit Versicherungsdeckung gegeben sei, müsse der Versicherungsfall in die Vertragslaufzeit fallen. Um den gezielten Abschluss einer Rechtsschutzversicherung im Hinblick auf einen sich bereits abzeichnenden Rechtskonflikt zu vermeiden, sei gemäß Art 3.2 ARB 2011 keine Deckung gegeben, wenn die Willenserklärung, die den Versicherungsfall ausgelöst habe – im vorliegenden Fall die Aufkündigung des Mietverhältnisses – bereits vor Versicherungsbeginn vorgenommen worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Art 3.2 ARB 2011 schließe gerade den Versicherungsschutz aus, wenn wie hier eine Willenserklärung des Gegners, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen worden sei, den Versicherungsfall auslöse. Die Beklagte verweigere den Versicherungsschutz daher zu Recht.
Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob Streitigkeiten im Zusammenhang mit der nicht ordnungsgemäßen Rückstellung eines Bestandobjekts in die Vertragslaufzeit der Rechtsschutzversicherung fallen, wenn die Kündigung bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrags ausgesprochen und dies dem Versicherer nicht mitgeteilt worden sei, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1.1 Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist im Einklang mit der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Revisionswerber die Beweisrüge in der Berufung nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat; es genügt nämlich nicht die „ersatzlose Streichung einer Feststellung“ anzustreben (RIS‑Justiz RS0041835 [T3]), vielmehr ist die Angabe erforderlich, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RIS‑Justiz RS0041835 [T2]).
1.2 Sollten sich die Ausführungen, wonach für die vom Kläger bekämpfte Feststellung kein einziges Beweisergebnis vorgelegen sei, gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts wenden, übersieht er, dass eine (allfällige) mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht angefochten werden kann (RIS‑Justiz RS0043371).
1.3 Die Urkundenvorlage des Klägers verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 ZPO), die erst mit der Revision vorgelegte Urkunde ist daher bei der Behandlung der Rechtsrüge nicht zu berücksichtigen (vgl 9 ObA 93/17t).
2.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS‑Justiz RS0050063 [insb T71]; RS0112256 [T10]). Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die diesbezüglichen Formulierungen stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS‑Justiz RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901).
2.2 Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RIS‑Justiz RS0080166 [insb T10]; RS0080068).
2.3 Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Risikoausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RIS‑Justiz RS0107031).
3. Unstrittig ist, dass für die Beurteilung des Vorliegens des Versicherungsfalls Art 2.3 ARB 2011 (in Folge ARB) maßgeblich ist.
Nach dieser Bestimmung liegt der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder unverschuldet nicht bewusst war, es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von ihm Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (RIS‑Justiz RS0114001). Bei mehreren Verstößen ist auf den ersten abzustellen (RIS‑Justiz RS0114209).
4. Nach Art 3.2 ARB besteht kein Versicherungsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gemäß Art 2.3 auslöst. Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, bleiben dabei außer Betracht.
4.1 Bei Art 3.2 ARB handelt es sich um einen zeitlichen Risikoausschluss (7 Ob 328/99g). Er begründet eine Erweiterung der Vorvertraglichkeit, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den späteren Verstoß ausgelöst hat (Maier in Harbauer, Rechtsschutzversicherung ARB 2000, § 4 Rn 132 zur vergleichbaren deutschen Bedingungslage). Derartige zeitliche Risikoausschlüsse sollen Zweckabschlüsse vermeiden (RIS‑Justiz RS0114213).
4.2 Die Willenserklärung oder Rechtshandlung, die den Streit auslöst, muss streng von dem für den Eintritt des Versicherungsfalls maßgeblichen Verstoß unterschieden werden (Armbrüster in Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz30 ARB 2010 § 4 Rn 127). Art 3.2 ARB ist nicht maßgeblich, wenn die Willenserklärung (Rechtshandlung), um die es geht, schon selbst ein tatsächlicher oder behaupteter Verstoß ist (Armbrüster aaO Rn 129; Maier aaO Rn 136).
4.3 Die Aufkündigung des Mietverhältnisses beruhte auf keinem gesetz‑ oder vertragswidrigen Verhalten der Vertragspartnerin des Versicherungsnehmers. Der vom Kläger – zutreffend – behauptete Verstoß der Mieterin besteht daher in der Rückstellung des Bestandobjekts in einem vom Vertrag abweichenden Zustand bzw der Ablehnung einer Entschädigungszahlung. Zu prüfen ist, ob die Aufkündigung der Mieterin – die vor Versicherungsbeginn erfolgte – eine den Versicherungsfall auslösende Willenserklärung darstellt.
5.1 Als Willenserklärungen sind Willens-äußerungen zu verstehen, die auf eine Rechtsfolge gerichtet sind (Kronsteiner/Lafenthaler/Soriat, Erläuterungen zu den Musterbedingungen für die Rechtsschutzversicherung Art 3 ARB Pkt 2). Die Aufkündigung eines Mietverhältnisses ist zweifellos eine Willenserklärung.
5.2 Vor dem Hintergrund, dass Ausschlussklauseln im Rahmen der Auslegung nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Zweck erfordert, ergibt sich, dass nicht jede Willenserklärung oder Rechtshandlung, die zu einem Versicherungsfall führt, im Rahmen des Art 3 ARB den Versicherungsschutz ausschließt.
5.3 Nach der Lehre wird vielmehr darauf abgestellt, ob die Willenserklärungen oder Rechtshandlungen ihrer Natur nach erfahrungsgemäß den Keim des nachfolgenden Rechtsverstoßes des einen oder anderen Teils bereits in sich tragen und somit „streitträchtig“ sind (vgl Kronsteiner/Lafenthaler/Soriat aaO; Hartmann, Rechtsschutzversicherung 234 ff; zur vergleichbaren deutschen Bedingungslage: Maier aaO Rn 142; ders in Versicherungsfall und streitauslösende Willenserklärung in der Rechtsschutzversicherung, r+s 2017, 574; Cornelius‑Winkler in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess3 § 23 Rechtsschutzversicherung Rn 98, Looschelders/Pfaffenholz, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung § 4 Rn 109, 111).
Als typischer Fall einer streitauslösenden Willenserklärung/Rechtshandlung wird die Aufkündigung bzw Aufhebung eines Mietvertrags angesehen (Hartmann aaO; Maier aaO Rn 133, Obarowski in Landheid/Wandt MünchKomm zum VVG2 600 Rechtsschutzversicherung Rn 336, Cornelius‑Winkler aaO Rn 99).
Looschelders/Pfaffenholz,aaO Rn 112f halten dagegen der Auffassung, wonach bestimmte Willenserklärungen, namentlich solche, die eine bestehende Rechtslage ändern oder realisieren und gleichzeitig die Gefahr einer Rechtsstreitigkeit bergen, als generell konfliktauslösend immer unter den Ausschlusstatbestand fallend angesehen werden, entgegen, dass eine schematische Unterteilung von Willenserklärungen in potentiell konfliktauslösend und neutral der Sache nicht gerecht werde, es komme vielmehr auf den Tatsachenvortrag an, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß begründe.
Nach Wendt (Die Rechtsprechung des IV Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Rechtsschutzversicherung, r+s 2014, 328) folgt eine weitere Einschränkung der Ausschlussklausel aus der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach bei Verfolgung eigener Ansprüche („Aktivprozess“) des Versicherungsnehmers sich die Festlegung des verstoßabhängigen Rechtsschutzfalls allein nach der von diesem behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners richte, auf die er seinen Anspruch stütze. Dementsprechend sei im Rahmen der Ausschlussklausel nur auf solche Willenserklärungen oder Rechtshandlungen abzustellen, die der Versicherungsnehmer seinem Anspruchsgegner zur Begründung seines Anspruchs anlaste oder die nach seinem eigenen Vorbringen den Verstoß des Gegners ausgelöst hätten (vgl auch Maier, Versicherungsfall und streitauslösende Willenserklärung in der Rechtsschutzversicherung, r+s 2017, 574).
Bereits hier ist anzumerken, dass dieser Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs zum Versicherungsfall im Aktivprozess vom Obersten Gerichtshof nicht gefolgt wurde (vgl ausführlich 7 Ob 36/18x).
5.4 Der erkennende Senat vertritt daher die Ansicht, dass der Ausschluss des Art 3.2 ARB dann greift, wenn die Willenserklärung oder Rechtshandlung ihrer Natur nach erfahrungsgemäß den Keim eines nachfolgenden Rechtsstreits bereits in sich trägt (vgl schon RIS‑Justiz RS0114210). Selbstverständlich ist, dass nicht jeder noch so ferne Zusammenhang des Rechtsstreits mit der Willenserklärung ausreicht. Vielmehr muss der Rechtsstreit geradezu typische Folge der Willenserklärung sein.
5.5 Die Rückstellungspflicht folgt aus der Beendigung des Bestandverhältnisses. Die Aufkündigung des Bestandverhältnisses trägt erfahrungsgemäß den Keim eines nachfolgenden Rechtsverstoßes des einen oder anderen Teils gerade im Zusammenhang mit Streitigkeiten in sich, die aus der die Beendigung des Bestandverhältnisses voraussetzenden Verpflichtung zur Rückstellung des Bestandobjekts resultieren. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Zeit oder Umfang der Rückstellungsverpflichtung werden adäquat kausal durch die das Bestandverhältnis beendende Willenserklärung verursacht.
5.6 Da im vorliegenden Fall die Willenserklärung der Mieterin vor Versicherungsbeginn erfolgte und diese den vom Kläger behaupteten Verstoß der Verletzung der Rückstellungspflicht durch die Mieterin adäquat verursachte, ist auch davon auszugehen, dass die nunmehr vom Kläger angestrebte Rechtsverfolgung durch diese Willenserklärung ausgelöst wurde. Die Vorinstanzen haben zutreffend das Vorliegen des (zeitlichen) Ausschlussgrundes des Art 3.2 ARB bejaht.
6. Eine stillschweigende Erklärung im Sinn des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung – oder Unterlassung – nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0109021). Jedenfalls setzt die Annahme einer schlüssigen Erklärung gewisse Kenntnisse des Erklärenden (Duldenden) über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen Umstände voraus (RIS‑Justiz RS0109021 [T2]).
Aus der E‑Mail des Klägers vom 20. 10. 2015 ist lediglich ersichtlich, dass er mögliche Schwierigkeiten in der Zukunft erwartet. Dass die Mieterin den Vertrag bereits gekündigt hatte und ein Streit um den Umfang der Rückstellungsverpflichtung konkret ansteht, hat der Kläger hingegen nicht bekanntgegeben. Eine stillschweigende Erklärung dahingehend, den konkreten Rechtsstreit decken oder auf den Einwand des Risikoausschlusses verzichten zu wollen, kann der Beklagten damit nicht unterstellt werden.
7. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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