OGH 7Ob23/19m

OGH7Ob23/19m27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** F*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsges.m.b.H. in Linz, gegen die beklagte Partei A***** SE, *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2018, GZ 1 R 363/18f‑13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 24. September 2018, GZ 20 C 201/18g‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00023.19M.0227.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger schloss einen Lebensversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn 1. 7. 2008 ab. Seit 1. 11. 2014 ist er bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2014) zugrunde.

Diese lauten auszugsweise:

Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

[…]

3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben. […]

Artikel 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)

1. Die Versicherung erstreckt sich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten.

2. Löst eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gemäß Artikel 2.3. aus, besteht kein Versicherungsschutz. Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, bleiben dabei außer Betracht.

[…]“

Im Jänner 2018 trat der Kläger gegenüber dem Lebensversicherer aufgrund mangelhafter Aufklärung über sein Rücktrittsrecht vom Vertrag zurück.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm die Beklagte Rechtsschutzdeckung zur Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen gegen den Lebensversicherer zu gewähren habe. Er sei von diesem unrichtig über sein Rücktrittsrecht aufgeklärt worden. Der Versicherungsfall sei die Ablehnung der Rückabwicklung durch den Lebensversicherer.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS‑Justiz RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112921 [T5]).

2. Dies ist hier der Fall. Der Oberste Gerichtshof hat die hier für die Beurteilung des Eintritts des Versicherungsfalls wesentliche Frage, ob die fehlerhafte Belehrung über das Rücktrittsrecht oder die Ablehnung der Rückabwicklung durch den Lebensversicherer den nach Art 2 Abs 3 ARB 2003 maßgeblichen Verstoß darstellt, bereits in seinen Entscheidungen 7 Ob 193/18k und 7 Ob 194/18g, jeweils vom 19. 12. 2018, wie folgt beantwortet:

2.1 Leitet der Versicherungsnehmer aus einer behaupteten fehlerhaften Belehrung über sein Rücktrittsrecht durch den Lebensversicherer ein unbefristetes Rücktrittsrecht vom Lebensversicherungsvertrag ab und begehrt vom Rechtsschutzversicherer Kostendeckung für die Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen aufgrund des – nach Ablauf der in § 165a Abs 1 VersVG dafür vorgesehenen Frist – ausgeübten Rücktritts, dann liegt bereits in der behaupteten fehlerhaften Belehrung der Keim der späteren Auseinandersetzung über die Wirksamkeit des außerhalb der Frist ausgeübten Rücktritts. Dieser allein maßgebliche Verstoß (fehlerhafte Belehrung) ist der Versicherungsfall. Die Bestreitung der Wirksamkeit des– außerhalb der Frist des § 165a Abs 1 VersVG erklärten – Rücktritts und die vom Lebensversicherer darauf gestützte Ablehnung der Rückabwicklung begründen hingegen keine (selbständigen) Verstöße, sondern sind, als Auseinandersetzung gerade über die Rechtsfolgen der behauptetermaßen fehlerhaften Belehrung, deren konsequente Folge.

2.2 Die in Art 2.3 ARB 2003 normierte Jahresfrist bezieht sich bereits nach ihrem Wortlaut nur auf das Vorliegen – hier nicht gegebener – mehrerer Verstöße.

2.3 Art 3.2 ARB 2003 ist nicht maßgeblich, wenn die Willenserklärung (Rechtshandlung), um die es geht, schon selbst ein tatsächlicher oder behaupteter Verstoß ist. Da hier bereits die fehlerhafte Belehrung über das Rücktrittsrecht der für den Eintritt des Versicherungsfalls relevante Verstoß ist, kommt eine Anwendung des Art 3.2 ARB 2003 nicht in Betracht.

2.4 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der beklagte Rechtsschutzversicherer sei wegen Vorvertraglichkeit nicht zur Deckung verpflichtet, entspricht damit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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