OGH 5Ob228/23z

OGH5Ob228/23z28.5.2024

Der Oberste Gerichtshof als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Sailer & Schön Rechtsanwälte in Bruck an der Leitha, wegen 74.186 EUR sA über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse 66.642,85 EUR sA) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2023, GZ 16 R 95/23t‑21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 7. März 2023, GZ 2 Cg 83/22y‑15, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00228.23Z.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist die Ehefrau des Klägers und war vom 23. 7. 2018 bis 1. 9. 2021 als seine gesetzliche Erwachsenenvertreterin zur Vertretung gemäß § 269 Abs 1 Z 1 bis 8 ABGB registriert. Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers, die er – zusammengefasst – daraus ableitet, dass die Beklagte von qualifizierten Spareinlagen Behebungen getätigt habe, die vom Pflegschaftsgericht nicht genehmigt gewesen seien. Für die Fehlbeträge habe sie nach § 249 ABGB einzustehen.

[2] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 70.414,43 EUR statt. Ein Zuspruch von 3.771,58 EUR erwuchs ebenso wie die Abweisung des Mehrbegehrens in Rechtskraft. Zu dem noch strittigen Betrag von insgesamt 66.642,85 EUR führte es aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass das entnommene Geld zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse des Klägers verwendet worden sei. Mangels Feststellbarkeit der Mittelverwendung hafte die Beklagte für diesen Fehlbetrag.

[3] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten Folge und hob das Urteil des Erstgerichts in dem noch strittigen Umfang auf. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, nach allgemeinen Grundsätzen sei der Kläger für Pflichtverletzungen der Beklagten als Erwachsenenvertreterin bei Ausübung der Vermögenssorge behauptungs- und beweispflichtig; die Beklagte hingegen müsse infolge der Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nachweisen, dass sie kein Verschulden treffe. Da ein Erwachsenenvertreter, der – wie die Beklagte – mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der vertretenen Person betraut sei, mit dem Einkommen und dem Vermögenderen den persönlichen Lebensverhältnissen angemessene Bedürfnisse zu befriedigen habe, vermöge allein die Behauptung des Klägers, während der Tätigkeit der Beklagten als seine Erwachsenenvertreterin habe sich sein Vermögen im noch strittigen Betrag von 66.642,85 EUR vermindert, den Vorwurf einer Pflichtwidrigkeit nicht zu begründen. Damit fehle ein ausreichendes Tatsachenvorbringen des Klägers, das den Vorwurf der Pflichtverletzung durch die Beklagte rechtfertigen könnte. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sei dem Kläger im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben, ausreichendes Vorbringen zur Schlüssigstellung seines Schadenersatzbegehrens zu erstatten. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig, weil der Frage nach der Behauptungs- und Beweislastverteilung bzw den Anforderungen daran bei Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Betroffenen gegen seine Erwachsenenvertretung wegen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Vermögenssorge eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der von der Beklagten beantwortete Rekurs des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.

[5] 1. Nach § 249 Abs 1 ABGB idF BGBl I 59/2017 haftet ein Erwachsenenvertreter der vertretenen Person für jeden durch sein Verschulden verursachten Schaden. Diese Bestimmung ist mit 1. 7. 2018 in Kraft getreten und entspricht thematisch dem vormaligen § 277 ABGB idF BGBl I 92/2006 (Stefula in KBB7 § 249 ABGB Rz 1). Damit kann zu der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage auf die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung zurückgegriffen werden.

[6] 1.1. Bereits zu § 277 ABGB aF wurde judiziert, dass der Sachwalter (nunmehr Erwachsenenvertreter), soweit er bei Ausübung der ihm durch die gerichtliche Bestellung anvertrauten Agenden nicht in Erfüllung einer richterlichen Weisung handelt und insoweit als Organ gemäß § 1 Abs 2 AHG zu qualifizieren ist, für einen durch sein Verhalten verursachten Schaden persönlich nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen einzustehen hat (RS0115842, RS0049179 [T2]).

[7] 1.2. Der Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten ist daher nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Danach hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0106638; RS0037797). Auch wenn eine rechtliche Sonderverbindung besteht, wie sie hier durch die Funktion der Beklagten als gesetzliche Erwachsenenvertreterin des Klägers unzweifelhaft begründet wurde, hat nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Geschädigte nicht nur die Rechtswidrigkeit des Verhaltens sowie den Eintritt des behaupteten Schadens und dessen Höhe, sondern auch den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Schadenseintritt zu behaupten und zu beweisen (RS0022862; RS0037797 [T27]). Auch die Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RS0022900 [T5, T11]).

[8] 1.3. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze zutreffend wiedergegeben und kam unter deren Anwendung zum Ergebnis, dass das bisherige Vorbringen des Klägers den Vorwurf einer pflichtwidrigen Vermögensverwaltung nicht trägt, weil seine Behauptungen offen ließen, ob er den Vorwurf erhebe, die Beklagte habe sein Sparguthaben weder zur Abdeckung seiner individuellen Bedürfnisse noch zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht ihr gegenüber verwendet. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sei dem Kläger Gelegenheit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen und die Klage schlüssig zu stellen.

[9] 2. Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0116144).

[10] 3. Der Kläger tritt der Ansicht des Berufungsgerichts, er sei seiner Behauptungspflicht bislang nicht nachgekommen und habe daher kein schlüssiges Begehren erhoben, auch nicht entgegen, sondern zielt ausschließlich auf eine Umkehr der Beweislast ab, weil ihm nicht zuzumuten sei, die Mittelverwendung durch die Beklagte zu beweisen. Damit spricht er keine Rechtsfragen gemäß § 502 Abs 1 ZPO an:

[11] 3.1. Eine nicht auf materiell-rechtlichen Gründen beruhende Verschiebung der Beweislast ist – soweit sie nicht überhaupt abgelehnt wird (vgl 4 Ob 115/17s mwN) – auf Ausnahmefälle beschränkt. Voraussetzung dafür ist, dass derjenige, den nach der allgemeinen Regel die Beweislast trifft, seiner Beweispflicht im zumutbaren Ausmaß nachkommt (RS0121528 [T2]; RS0013491 [T4]) und für ihn mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben (RS0037797 [T24, T48]; RS0039939 [T33]; RS0040182 [T5, T9]). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass allein durch einen Beweisnotstand wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls eine Verschiebung der Beweislast nicht gerechtfertigt ist (RS0037797 [T48]; RS0039939 [T31; T33]; RS0040182 [T9, T12, T13]).

[12] 3.2. Der Umstand, dass der Oberste Gerichtshof dies noch nicht für einen gleichgelagerten (oder ähnlichen) Sachverhalt ausgesprochen haben mag, bedeutet nicht, dass eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO umschriebenen Bedeutung vorliegt (RS0110702; RS0107773; RS0102181). Dass er auch nur versucht hätte, seiner Beweispflicht im zumutbaren Ausmaß nachzukommen, behauptet der Kläger erst gar nicht. Mit dem bloßen Verweis auf Beweisschwierigkeiten kann der Kläger damit auch keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, weil es eine Umkehr der Beweislast verneinte, darlegen. Auch setzt er sich mit dessen Argumentation, ihm stünde gegen die Beklagte als seine ehemalige Erwachsenenvertreterin ohnedies ein privatrechtlicher Anspruch auf Rechnungslegung zu, nicht auseinander. Der Zweck der Rechnungslegungspflicht liegt aber gerade darin, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Schadenersatzansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen aus der Geschäftsbesorgung geltend machen zu können (RS0019529; vgl auch RS0034907). Darüber hinaus ist den Einwänden des Klägers entgegenzuhalten, dass die nicht beweisbelastete Partei prozessuale Mitwirkungspflichten trifft, wie insbesondere die gesetzlich normierte Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§§ 178, 377 ZPO) oder die von der Beweislastsituation unabhängige Verpflichtung, dem Gericht in ihren Händen befindliche und für die Beweisführung des Verfahrensgegners erhebliche Urkunden, Auskunftssachen und Augenscheinsgegenstände vorzulegen (§§ 303 ff, 318, 369 ZPO; 6 Ob 44/09b). Inwieweit die von ihm ins Treffen geführten Beweisschwierigkeiten die von ihm eingeforderte Umkehr der Beweislast rechtfertigen sollten, ist damit nicht zu erkennen.

[13] 3.3. Zu der vom Kläger für seinen Standpunkt ins treffen geführten Bestimmung des § 1424 zweiter Satz ABGB hat der Obersten Gerichtshof bereits wiederholt klargestellt, dass damit keine Umkehr der Beweislast normiert wird (vgl 3 Ob 69/20y mwN), sodass selbst bei (analoger) Heranziehung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Klägers die Beweislast nicht der Beklagten auferlegt werden könnte.

[14] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

[15] 5. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die (mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte) Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gibt es keinen Kostenvorbehalt (RS0123222 [T4]). Die Beklagte hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen.

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