OGH 5Ob132/23g

OGH5Ob132/23g16.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Mag. P*, vertreten durch die Dr. Philipp Pelz Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Wien, wegen Löschung, Ab‑ und Zuschreibung sowie Mitübertragung von Lasten ob den EZZ * und * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Mai 2023, AZ 47 R 25/23h, mit dem der Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 14. November 2022, TZ */2022, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00132.23G.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und diesem aufgetragen, über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller beantragte als Alleineigentümer der EZ 3* KG * bestehend aus dem Grundstück Nr */1 und der EZ 2* KG * bestehend aus dem Grundstück Nr */13 unter anderem die Löschung näher bezeichneter Bauplätze und Bauverbote auf beiden Liegenschaften, die Abschreibung des Grundstücks *1 der EZ 3* und Zuschreibung zur EZ 2*, die Mitübertragung der Reallast zu C‑LNR 1 der EZ 3* in den Rang C‑LNR 9 der EZ 2* und des (Simultan‑)Pfandrechts zu C‑LNR 2 der EZ 3* in den Rang C‑LNR 10 der EZ 2* sowie des (Simultan‑)Pfandrechts zu C‑LNR 3 der EZ 3* in den Rang C‑LNR 11 der EZ 2*, mit dem Hinweis, dass (jeweils) „im Ergebnis ein Singularpfandrecht“ entstehe.

[2] Zu C‑LNR 1 der EZ 3* war die Reallast der Erhaltung und Betreuung einer Zufahrtsstraße hinsichtlich des Grundstücks */1 (EZ 3779) eingetragen. Hinsichlich des Grundstücks */13 (EZ 2*) ist die inhaltsgleiche Reallast unter C‑LNR 9 einverleibt. Die Reallasten standen jeweils in demselben Rang und vor den nachgereihten (Simultan‑)Pfandrechten. Auf der Liegenschaft EZ 3* war zu C‑LNR 2a ein Pfandrecht im Höchstbetrag von 1.000.000 EUR und zu C‑LNR 3a ein Pfandrecht im Höchstbetrag von 500.000 EUR als Simultanpfandrecht mit der EZ 2* eingetragen. Auf der Liegenschaft EZ 2* sind diese Simultanpfandrechte im Rang C‑LNR 10a und C‑LNR 11a einverleibt.

[3] Das Erstgericht bewilligte die begehrte Ab‑ und Zuschreibung des Grundstücks */1 zur EZ 2* antragsgemäß, die Mitübertragung der Reallasten und Pfandrechte jedoch nur im laufenden Rang mit dem Ergebnis, dass nunmehr unter C‑LNR 13 und C‑LNR 14 der EZ 2* die Pfandrechte neuerlich eingetragen und unter C‑LNR 10 und C‑LNR 11 dieser EZ ein Hinweis auf deren jeweilige Identität aufgenommen wurde. Begehrt sei keine Grundstücksvereinigung, sondern die Ab‑ bzw Zuschreibung eines Grundstücks, bei der die am abzuschreibenden Grundstück haftenden Lasten separat mitzuübertragen seien. Dem Grundbuchsgericht seien auch keine „Vorrangseinräumungserklärungen“ der Berechtigten vorgelegt worden, die den jeweils begehrten Rang rechtfertigen könnten. Die Pfandrechte stellten jedoch nach der Abschreibung Singularpfandrechte dar.

[4] Den dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers wies das Gericht zweiter Instanz mangels Beschwer zurück. Durch die Abweisung der Mitübertragung der Reallast und der beiden Pfandrechte in den beantragten Rängen und die Eintragungen im jeweils laufenden Rang sei der Antragsteller mangels Zwischeneintragungen materiell nicht beschwert. Allfällige Gebührenfragen könnten eine Beschwer in der Hauptsache nicht begründen.

[5] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, der entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und auch berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Der pauschale Verweis auf Ausführungen in seinem Rekurs ist unbeachtlich (RS0007029; RS0043616 [insb T12]).

[7] 2. Der Umfang eines Grundbuchskörpers kann (nur) durch die grundbücherliche Ab‑ und Zuschreibung von einzelnen Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen geändert werden (§ 3 Abs 2 GBG).

[8] 2.1. Gemäß § 3 Abs 1 LiegTeilG ist zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers die Zustimmung der Personen, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind (Buchberechtigte), nicht erforderlich, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Buchberechtigten in diese eingetragen werden. Sofern nicht eine lastenfreie Abschreibung beantragt wurde, sind bei der Abschreibung grundsätzlich alle Lasten iSd § 9 GBG mitzuübertragen (5 Ob 209/18y; KBinder in Kodek, Grundbuchsrecht² §§ 3, 3a LiegTeilG Rz 6, 7). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ein belastetes Trennstück unter Mitübertragung der Lasten auch einer bereits bestehenden Einlage zugeschrieben werden, wenn sich dadurch an der Rechtsposition der Personen, für die dingliche Rechte am Trennstück eingetragen sind, nichts ändert. Die Eröffnung einer neuen Einlage für das (abzuschreibende) Trennstück ist also nicht erforderlich, wenn das Trennstück einer bereits bestehenden Einlage zugeschrieben werden kann, die keine oder eine gleichrangige und inhaltlich gleiche Belastung wie die Stammeinlage enthält (RS0049610; RS0109559; KBinder aaO §§ 3, 3a LiegTeilG Rz 3).

[9] 2.2. Besteht ein Grundbuchskörper nur aus einem Grundstück ist im Sinn des Wortlauts des § 3 Abs 1 LiegTeilG eben nur dieses (als der einzige) Bestandteil des Grundbuchskörpers möglicher Gegenstand einer Ab‑ und Zuschreibung (5 Ob 131/19d [Pkt 1.3.]).

[10] 2.3. Bei Übertragung von Eintragungen von einer Einlage in eine andere ist die ursprüngliche Form und Reihenfolge einzuhalten, aber unter neuen Ordnungsbegriffen aufzunehmen. Im Anschluss erfolgt als zugehörige Eintragung in der Reihenfolge eine Übertragungseintragung mit dem Hinweis, dass die vorangegangenen Eintragungen aus einer anderen Einlage stammen (5 Ob 87/18g; 5 Ob 209/18y; Höller in Kodek, Grundbuchsrecht² § 2 GBG Rz 32; Feil/Friedl/Bayer,GBG § 2 Rz 30).

[11] 3. Der grundbücherliche Rang, der einem Berechtigten bisher zukam, bleibt nach unter Mitübertragung der Last erfolgter Abschreibung des dienenden Grundstücks von der Liegenschaft und Zuschreibung zu einer anderen Liegenschaft auch hinsichtlich der weiteren Liegenschaft aufrecht (RS0066235; K. Binder aaO § 25 LiegTeilG Rz 2).

[12] 3.1. Die in § 25 Abs 2 LiegTeilG vorgesehene Ausdehnung der Wirksamkeit der Eintragung auf den zugeschriebenen Teil bedeutet daher nur, dass auch dieser – wie das Grundstück, dem zugeschrieben wird – mit der Dienstbarkeit oder dem Pfandrecht belastet ist (vgl RS0130358).

[13] 3.2. Eine auf dem ganzen Grundbuchskörper einverleibte Dienstbarkeit kann allerdings der Ausübung nach räumlich beschränkt sein, wenn sie sich nur auf einzelne bestimmte Grundflächen eines Grundstücks bezieht (RS0060382 [T1]; vgl auch RS0060181 [T7]). An einer solchen räumlichen Beschränkung der Dienstbarkeit auf einen näher beschriebenen Bereich ändert auch § 25 Abs 2 LiegTeilG nichts, weil dieser keine Änderung des materiell‑rechtlichen Inhalts der einverleibten Dienstbarkeit normiert (RS0130358).

4. Zur Beschwer:

[14] 4.1. Auch in Grundbuchsachen ist die Rechtsmittellegitimation nur bei Beschwer des Rechtsmittelwerbers gegeben (RS0006491 [T1]; RS0006693 [T3, T7]). Derjenige, der das Grundbuchsgesuch an das Erstgericht stellte und mit seinem Antrag nicht oder nicht zur Gänze durchgedrungen ist, ist aber grundsätzlich beschwert (RS0006710 [T28]). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (RS0041868; RS0006497). Sie liegt vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, er also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (RS0041746). Dazu hat der Rekurswerber aufzuzeigen, dass und welche seiner bücherlichen Rechte durch die bekämpfte Entscheidung verletzt worden sein könnten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist dann eine Frage der meritorischen Berechtigung des Rekurses, worüber mit Sachentscheidung abzusprechen ist (RS0006710 [T9]; RS0006677 [T4, T6]).

[15] 4.2. Grundsätzlich zutreffend referierte das Rekursgericht die Rechtsprechung des Fachsenats, dass es an der Beschwer bei Eintragung im laufenden Rang fehlt, wenn zwischenzeitig keine bücherlichen Eintragungen erfolgt sind. Das ist etwa der Fall, wenn das durch den Rekurs angestrebte Ziel bereits durch einen neuen Antrag ohne Rangverschlechterung vollinhaltlich erreicht wurde (5 Ob 225/11s mwN) oder bei Einverleibung eines Pfandrechts nur im laufenden statt im angemerkten Rang, wenn es dadurch zu keiner Rangverschiebung kam (RS0006491 [T7]). Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar.

Vor diesem Hintergrund folgt:

[16] 5. Die für Servituten geltenden Grundsätze sind auf Reallasten anzuwenden (1 Ob 210/15m mwN).

[17] 5.1. Das Erstgericht hat die Ab‑ und Zuschreibung bewilligt und die unter C‑LNR 1 der EZ 3* auf dem Grundstück */1 lastende Reallast der Erhaltung und Betreuung einer Zufahrtsstraße hinsichtlich des Geh‑ und Fahrwegs mitübertragen. Die Reallast wurde in der aufnehmenden Liegenschaft entgegen dem ausdrücklichen Begehren des Antragstellers nicht im Rang C‑LNR 9a eingetragen, sondern im laufenden Rang (C‑LNR 12a).

[18] 5.2. Der Rang einer bücherlichen Eintragung richtet sich nicht nach der laufenden Nummer im Hauptbuch (vgl §§ 571, 572 Geo), sondern ergibt sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt des Einlangens der Grundbuchseingabe beim Grundbuchsgericht, der durch die entsprechende Tagebuchzahl dokumentiert wird (§ 29 Abs 1 GBG; 5 Ob 87/18g; RS0060537 [T1]; RS0060527; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht² § 29 GBG Rz 16).

[19] 5.3. Die sich aus den im Grundbuch eingetragenen Tagebuchzahlen ergebende rangmäßige Reihung der auf dem abgeschriebenen Grundstück haftenden Lasten decken sich mit den korrespondierenden Eintragungen im aufnehmenden Grundbuchskörper.

[20] 5.4. Die unter C‑LNR 1 der EZ 3* eingetragen gewesene Reallast hinsichtlich des Grundstücks */1 (TZ */2008) geht den unter C‑LNR 10 (TZ */2017) und C‑LNR 11 (TZ */2020) auf der Liegenschaft EZ 2* eingetragenen Pfandrechten vor. Ob der Antragsteller durch die Entscheidung des Erstgerichts dennoch beschwert ist, weil die Liegenschaft dadurch doppelt belastet sei, wie er behauptet, ist eine Frage der meritorischen Berechtigung seines Rechtsmittels, über die mit Sachentscheidung abzusprechen ist. Ihr ist die Prüfung vorbehalten, ob die Bestimmung des § 25 Abs 2 LiegTeilG, wonach alle Eintragungen, die sich auf den Grundbuchskörper beziehen, dem der Bestandteil zugeschrieben werden soll, auch für das zugeschriebene Grundstück Wirksamkeit erlangen, angesichts des Umstands zum Tragen kommen kann, dass die Reallast – mag sie auch zugunsten derselben Grundstücke einverleibt sein – räumlich ausdrücklich auf das Grundstück */1 (aus der EZ 3*) bzw das Grundstück */13(EZ 2*) begrenzt ist.

[21] 6. Die als Simultanpfandrechte unter C‑LNR 2a und C‑LNR 3a auf der Liegenschaft EZ 3* eingetragen gewesenen Lasten wurden der aufnehmenden Liegenschaft EZ 2* entgegen dem Antrag, der letztlich auf die Entstehung von Einzelhypotheken abzielte, ebenfalls im laufenden Rang (C‑LNR 13 und C‑LNR 14 der EZ 2*) zugeschrieben.

[22] 6.1. Auch hier gilt, dass sich der Rang einer bücherlichen Eintragung nicht nach den laufenden Nummern im Hauptbuch (vgl §§ 571, 572 Geo), sondern ausschließlich nach dem Zeitpunkt des Einlangens der Grundbuchseingabe beim Grundbuchsgericht, dokumentiert durch die entsprechenden Tagebuchzahlen richtet. Anders als bei der Reallast gilt hier jedoch die Bestimmung des § 25 Abs 2 LiegTeilG, sodass sich die auf der EZ 2* eingetragenen Pfandrechte Kraft gesetzlicher Anordnung auch auf das zugeschriebene Grundstück */1 (aus der EZ 3*) erstrecken.

[23] 6.2. Entspricht die sich aus den im Grundbuch eingetragenen Tagebuchzahlen ergebende rangmäßige Reihung der Grundbuchseintragungen nicht der Reihenfolge der Eintragungen, dann kann der Grundbuchsstand unklar oder gar irreführend sein. Der Fachsenat hat dazu wiederholt ausgesprochen, dass ein solcher Umstand im Rechtsmittelverfahren gegen den Bewilligungsbeschluss dann nicht korrigiert werden kann, wenn er auf einem Vollzugs‑und nicht auf einem Bewilligungsfehler beruht (5 Ob 87/18g; 5 Ob 209/18y).

[24] 6.3. Ein Vollzugsfehler liegt hier aber nicht vor. Gemäß der gesetzlichen Anordnung des § 25 Abs 2 LiegTeilG, sind die in der EZ 2* einverleibten Pfandrechte auch für das zugeschriebene Grundstück wirksam. Zutreffend hat der Antragsteller damit in Bezug auf die ursprünglichen Simultanpfandrechte bereits in seinem Antrag klar zum Ausdruck gebracht, dass er mit der Zuschreibung das Entstehen von Singularpfandrechten anstrebt und damit entgegen der Ansicht des Rekursgerichts auch ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Löschung der auf der vormaligen EZ 3* als Simultanpfandrechte eingetragen gewesenen Lasten begehrt. Das Erstgericht hat dem Ansuchen in diesen Punkten ausdrücklich nicht stattgegeben. In seinem Rekurs hat der Antragsteller dazu sinngemäß behauptet, dass er dadurch in seinen bücherlichen Rechten beeinträchtigt sei, weil nunmehr die Lasten „doppelt“ auf der Liegenschaft haften würden, obwohl sie ident seien. Ob das der Fall ist, oder die der aufnehmenden Liegenschaft im laufenden Rang zugeschriebenen Eintragungen gegenstandslos sind und damit allenfalls (auch von Amts wegen) zu löschen wären, ist ebenfalls Gegenstand einer meritorischen Prüfung seines Vorbringens. Jedenfalls kann bei dieser Sachlage die Beschwer entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht schon deshalb verneint werden, weil keine Zwischeneintragungen erfolgt sind, zumal dem Antragsteller nach der Rechtsprechung kein Antragsrecht gemäß § 131 GBG zukommt (RS0060931).

7. Ergebnis:

[25] Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben. Dem Obersten Gerichtshof ist es verwehrt, nach Aufhebung eines Zurückweisungsbeschlusses des Rekursgerichts eine Sachentscheidung über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss zu fassen (RS0007037). Das gilt auch für das Grundbuchsverfahren (RS0007030). Dem Rekursgericht ist daher eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.

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