OGH 1Ob197/23m

OGH1Ob197/23m5.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers * O*, vertreten durch Dr. Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin * S*, vertreten durch die Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 25. Oktober 2023, GZ 23 R 296/23m‑40, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00197.23M.0305.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Ob die von den Vorinstanzen auferlegte Ausgleichszahlung dem Grundsatz der Billigkeit entspricht, ist ebenso wie die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels eine Frage des Einzelfalls (RS0115637; RS0108756). Bei einer Ausgleichszahlung ist eine strenge rechnerische Feststellung nicht erforderlich, vielmehr müssen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlungen festgesetzt werden (RS0057596). Dabei sind sogar eine unrichtig angewendete Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente solange zu vernachlässigen, als sich der ausgemittelte Ausgleichsbetrag innerhalb des Ermessensspielraums bewegt (RS0115637 [T1]; 1 Ob 93/12a). Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wäre nur dann zu lösen, wenn das Rekursgericht den vorgegebenen Beurteilungsspielraum überschritten hätte (RS0044088 [T1, T4, T22]; RS0108755). Derartiges zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin nicht auf.

2. Zum Aufteilungsschlüssel

[2] 2.1. Eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 – wie hier – entspricht bei gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, sofern nicht im Einzelfall gewichtige Umstände die Aufteilung in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (RS0057501 [T3]). Solche bringt die Antragsgegnerin nicht zur Darstellung.

[3] 2.2. Mit einem guten Teil ihrer Ausführungen versucht sie in unzulässiger Weise (vgl RS0007236), die Tatsachengrundlage noch in dritter Instanz zu bekämpfen.

[4] 2.3. Das Verschulden an der Auflösung der Ehe ist nach der Rechtsprechung des Fachsenats nur dann ein Kriterium für die Billigkeitsentscheidung nach § 83 EheG, wenn es für die vermögensrechtliche Entwicklung während der Ehe im weitesten Sinn bedeutsam war, zum Beispiel Verschwendungssucht, eine kostenverursachende Vernachlässigung der Kindererziehung oder der Haushaltsführung oder Setzung von Scheidungsgründen in der Absicht, bei der Aufteilung gerade jetzt besonders gut abzuschneiden (RS0057630). Dergleichen behauptet die Antragsgegnerin nicht.

[5] 2.4. Es begegnet auch keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen einen künftigen „Pensionsnachteil“ aufgrund von Kinderbetreuungszeiten zugunsten der Antragsgegnerin nicht besonders berücksichtigt, sondern sie diesbezüglich auf einen (nachehelichen) Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller verwiesen haben.

[6] Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft, dass heißt das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RS0057486 [T1]). Inwiefern die Antragsgegnerin durch die einvernehmliche Entscheidung, länger bei den Kindern zu Hause zu bleiben, während der Antragsteller einer Berufstätigkeit nachging, einen größeren Beitrag zur ehelichen Errungenschaft, zu der Pensionsanwartschaften gerade nicht gehören (vgl 6 Ob 85/02x; siehe auch 6 Ob 22/98y; RS0057331), geleistet haben soll, zeigt sie nicht auf.

[7] Ihrem Einwand, dass sich ein Unterhalt gegenüber dem Antragsteller rechnerisch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie ergeben werde, ist im Übrigen zu entgegen, dass ihr (Eigen‑)Pensionsbezug auch bei Weiterbestand der Ehe nicht höher ausgefallen wäre. Durch die Scheidung wird sie daher insofern nicht schlechter gestellt. Aus welchem Grund ihr hierfür daher im Zuge einer für beide Ehegatten möglichst ausgeglichenen Regelung der wirtschaftlichen Folgen einer Scheidung (vgl RS0057852) ein Ausgleich zugebilligt werden müsste, ist nicht nachvollziehbar.

[8] 2.5. Bereits das Rekursgericht hat ausgeführt, dass dem Antragsteller ein Imstichlassen der Antragsgegnerin bzw des gemeinsamen Sohnes nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht (mehr) angelastet werden könnte. Warum dieses nach dem Aufteilungsstichtag (vgl RS0057331) vermeintlich gesetzte Verhalten für die Aufteilungsentscheidung doch von Relevanz sein sollte, verschweigt die Revisionsrekurswerberin. Behauptete Kindesunterhalts-rückstände hätten die (längst) volljährigen Kinder selbst gegen den Vater geltend zu machen; ein allfälliger Anspruch der Mutter nach § 1042 ABGB gegen den Vater wäre auf dem streitigen Rechtsweg zu klären.

3. Zur Höhe der Ausgleichszahlung

[9] 3.1. Auch die Einwände der Antragsgegnerin gegen die (festgestellte) Höhe des Verkehrswerts der Ehewohnung und das dieser Feststellung zugrunde liegende Sachverständigengutachten betreffen eine Tatfrage, die vor dem Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden kann (RS0043536). Das Rekursgericht hat die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin zu etwaig zu berücksichtigenden Zuschlägen bei der Verkehrswertermittlung als unzulässige Neuerungen beurteilt. Mit diesem Argument setzt sich der Revisionsrekurs nicht auseinander.

[10] 3.2. Das Ansinnen der Antragsgegnerin, nicht nur die Wertsteigerung der Liegenschaft bis zum Entscheidungszeitpunkt, sondern auch die geleisteten Kreditraten (anstelle des getilgten Saldos) zu berücksichtigen, steht mit der Rechtsprechung nicht in Einklang (vgl RS0130671). Ab 2021 beteiligte sie sich nach den Feststellungen nicht mehr an den Kreditrückzahlungen.

[11] 3.3. In Bezug auf die Höhe der Ausgleichszahlung zeigt der Revisionsrekurs kein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf.

[12] Nach den Feststellungen wohnte die Antragsgegnerin ab dem Auszug des Antragstellers 2012 zunächst mit den gemeinsamen Kindern und zuletzt alleine in der Ehewohnung. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, warum ihr ein Ausgleich dafür zuzuerkennen sein sollte, dass sie von Oktober 2014 bis Mai 2023 – vereinbarungsgemäß – die Fixkosten für die Ehewohnung allein trug (vgl auch 7 Ob 530/93).

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