OGH 5Ob221/22v

OGH5Ob221/22v10.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwalt in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei B* AG, *, vertreten durch Mag. Alexander Todor‑Kostic LL.M., Mag. Silke Todor‑Kostic, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, wegen 84.999,13 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 62.200,50 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2022, GZ 5 R 74/22z‑53, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00221.22V.0810.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte gewährte der Klägerin im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung auf diversen Konten Kredite, zu deren Sicherstellung die Klägerin unter anderem ihr gesamtes Warenlager verpfändete. Nach Punkt 19. der Allgemeinen Kreditbedingungen der Beklagten erklärt sich der Kreditnehmer/Sicherheitengeber damit einverstanden, dass „etwa anfallende Kosten, Gebühren und Spesen, die mit der Kreditgewährung, -abwicklung oder -besicherung direkt oder indirekt im Zusammenhang stehen, von ihm getragen“ werden.

[2] Am 7. 7. 2016 beauftragte die Beklagte, nachdem sie umfangreiche Gespräche mit der Klägerin zur Frage des für die Verpfändung erforderlichen Modus geführt hatte, die Herstellung einer Umzäunung der Warenlager der Klägerin, um – so ihr Standpunkt – deren Verpfändung ersichtlich zu machen. Der Auftrag umfasste unter anderem die Lieferung und Montage von mehreren Alu-Schiebetoranlagen. Letztlich scheiterte der Einbau dieser Toranlagen am Widerstand der Klägerin, die stattdessen den Einbau von Schranken veranlasste und die Beklagte aufforderte, zu bewirken, dass die bereits hergestellten Toranlagen nicht an sie ausgeliefert werden. Die Beklagte leistete für diese Toranlagen an den Auftragnehmer eine Abschlagszahlung von 80 % und belastete damit ein Konto der Klägerin, das sie in diesem Zusammenhang für diese eröffnet hatte.

[3] Zeitgleich führte die Klägerin Verhandlungen über den Verkauf ihres Unternehmens, die Ende August 2017 in der Veräußerung aller wesentlichen Vermögenswerte der Klägerin im Rahmen eines Asset‑Deals mündeten. Die Beklagte erteilte ihre Zustimmung zur Freigabe der ihr verpfändeten Sicherheiten unter der Bedingung, dass alle offenen Forderungen der Beklagten beglichen werden. Nachdem die Käuferin sämtliche Debetsalden der Klägerin ausgeglichen hatte, schloss die Beklagte am 10. 1. 2018 sämtliche Konten der Klägerin.

[4] Die Klägerin begehrt die Zahlung der Kosten für die Toranlagen, mit denen die Beklagte ihr Konto belastete.

[5] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren in Abänderung des Ersturteils ab.

[6] In ihrer außerordentlichen Revision kann die Klägerin keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzeigen:

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Um ein Pfandrecht wirklich zu erwerben, muss der mit einem Titel versehene Gläubiger nach § 451 Abs 1 Satz 1 ABGB die verpfändete Sache, wenn sie beweglich ist, in Verwahrung nehmen. Bei Verpfändung beweglicher Sachen, welche keine körperliche Übergabe von Hand zu Hand zulassen, muss sich der Pfandgläubiger gemäß § 452 Satz 1 ABGB – wie bei der Übertragung des Eigentums (§ 427 ABGB) – solcher Zeichen bedienen, dass jedermann die Verpfändung leicht erfahren kann (vgl 5 Ob 233/13w).

[8] 2. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit einer Publizitätsmaßnahme (der eingesetzte Pfandhalter [dazu: RIS‑Justiz RS0016485, RS0010025 {T1}] war tatsächlich – mit Zustimmung der Beklagten – nicht tätig) zur Sicherung der Rechtsposition der Beklagten (zur Unwirksamkeit der Verpfändung ohne Publizitätsmaßnahme vgl RS0129387; RS0076720 [T2]), insbesondere angesichts der festgestellten wirtschaftlichen Lage der Klägerin (vgl RS0032577 [T7]: zur Begründung eines im Insolvenzverfahren wirksamen Absonderungsrechts), zwischen den Streitteilen nicht strittig war.

[9] 3. Auch im Revisionsverfahren zieht die Klägerin die vorgenommene Publizitätsmaßnahme (Umzäunung der Warenlager) nicht grundsätzlich in Zweifel. Lediglich Art und Anzahl der bei den Ein- und Ausgängen des Warenlagers zur wirksamen Pfandrechtsbegründung notwendigen Zugangsbeschränkungen (Schiebetore oder Schranken) sind strittig. Dazu stellen sich aber wegen der Besonderheiten der Fallgestaltung keine Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung (vgl RS0042769 [T5]). Eine Verkennung der Rechtslage, die auch im Einzelfall aufzugreifen wäre (dazu allgemein RS0042769), liegt nicht vor.

[10] 3.1. Richtig ist, dass der Abschluss eines Vertrags nicht bloß die Hauptpflichten entstehen lässt, die für die betreffende Vertragstype charakteristisch sind, sondern auch eine Reihe von Nebenpflichten erzeugt, zu denen auch Schutz- und Sorgfaltspflichten gehören (RS0017049), wie etwa Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken (RS0106373).

[11] Die Klägerin stellt in dritter Instanz nicht mehr in Frage, dass die Beklagte mit ihrem Wunsch nach einer Publizitätsmaßnahme ihre berechtigten Interessen als Pfandgläubigerin verfolgte. Nach den Feststellungen wurde dazu die Umzäunung des Warenlagers (letztlich) einvernehmlich festgelegt. Damit einher geht notwendigerweise die Errichtung (versperrbarer) Zugänge, will man den Zweck einer solchen Maßnahme nicht von vornherein in Frage stellen. Dass die von der Beklagten beauftragten Schiebetore diesen Zweck erfüllen, ist nicht fraglich. Letztlich hat aber die Klägerin deren Lieferung untersagt und statt dessen Schrankenanlagen errichtet, obwohl sie in Kenntnis darüber war, dass die Tore bereits bestellt waren und „seit Wochen auf Lager liegen“. Damit ist es aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgerichts – abweichend von der Beurteilung des Erstgerichts – eine Verpflichtung der Beklagten zur Verschaffung der Toranlagen verneinte, weil sie ein darauf gerichtetes Interesse der Klägerin ex ante nicht erkennen habe müssen. Mit ihrem auch noch in dritter Instanz aufrecht gehaltenen Einwand, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, sie bei ihrer Forderung auf Herausgabe der Tore zu unterstützen, kann sie daher auch nicht aufzeigen, welche vertragliche (Neben‑)Pflicht die Beklagte verletzt haben soll. Eine verbindliche Zusage der Beklagten, dass die Tore herausgegeben werden, kann den Feststellungen jedenfalls nicht entnommen werden. Insoweit geht die Klägerin nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[12] 3.2. Die Klägerin zieht auch nicht in Zweifel, dass ihrem Geschäftsverhältnis mit der Beklagten deren Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde lagen. Danach fielen ihr aber nicht nur Zinsen und Spesen zur Last, wie sie meint, sondern sie war auch zur Tragung von Kosten, die unter anderem mit der Kreditbesicherung direkt oder indirekt in Zusammenhang stehen, verpflichtet. Mit dem vollständigen Inhalt von Punkt 19. der AGB setzt sich die Klägerin in diesem Zusammenhang ebensowenig auseinander wie mit den Argumenten des Berufungsgerichts und vermag damit auch keine Fehlbeurteilung der zweiten Instanz aufzuzeigen. Inwieweit es eine Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten bilden soll, dass die Beklagte zur Aufgabe ihrer Pfandrechte nur gegen Abdeckung der Verbindlichkeiten der Klägerin bereit war, ist bei dieser Sachlage nicht zu erkennen. Mit ihrem bloßen Verweis, die Beklagte habe ungebührlichen Druck ausgeübt, indem sie die Begleichung der Salden zur Bedingung erhoben habe, vermag die Klägerin daher auch nicht aufzuzeigen, inwieweit der Beklagten ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten anzulasten sein soll.

[13] 3.3. Die Klägerin macht auch gar nicht geltend, dass die Schiebetore zu einem überhöhten Preis (und damit zu ihrem Nachteil) bestellt (und – hätte sie letztlich nicht abgelehnt – geliefert) worden wären. Damit ist aber nicht zu erkennen, inwieweit es zu ihrem Nachteil ausschlagen sollte, dass sie – wie sie allein geltend macht – vorweg über die Herstellungskosten nicht informiert worden ist. Welche rechtlich relevanten Folgen zu ziehen wären, hätte die Beklagte sie über die Kosten der Zaunerrichtung in Kenntnis gesetzt, legt sie auch nicht dar. Die Beweislast, dass ein bestimmter Schaden bei einem möglichen pflichtgemäßen Handeln nicht eingetreten wäre, trifft nach allgemeinen Grundsätzen aber den Kläger (vgl RS0022700).

[14] 3.4. Aus der festgestellten Chronologie ergibt sich, dass die Klägerin erst Monate nachdem die Beklagte eine Vereinbarung über die Abschlagszahlung für die von der Klägerin abgelehnten Toranlagen getroffen hatte, den Wunsch auf deren Herausgabe (gegenüber der Herstellerin) äußerte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagten sei ihr Interesse an den Toren ex ante nicht erkennbar gewesen, greift die Klägerin (auch) in diesem Zusammenhang nicht an. Damit kann es der Beklagten aber auch nicht als schadenersatzbegründendes Verschulden angelastet werden, dass sie (aus damaliger Sicht wohl zum Vorteil der Klägerin) eine Abschlagszahlung für die bereits produzierten, aber von der Klägerin abgelehnten Tore vereinbarte. Auch hier erschöpft sich die Revision in einem bloßen Verweis, dass diese Vereinbarung ohne ihre Kenntnis getroffen worden sei. Welche rechtlich relevanten Folgen mit einer solchen Information verbunden gewesen wären, zeigt sie nicht auf und kann damit auch nicht darlegen, inwieweit die behauptete pflichtwidrige Unterlassung (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) für den Schadenseintritt kausal gewesen sein soll (RS0022900 [T40, T41]).

[15] 4. Die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist stets einzelfallbezogen und begründet damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0118891 [bes T4]).

[16] Dem Vorbringen der Klägerin im Verfahren erster Instanz liegt die Behauptung zugrunde, dass sie einen entsprechenden weiteren Betrag als (Bar-)Kaufpreis lukrieren hätte können, der ihr dann auch in dieser Höhe zur Verfügung gestanden wäre, wenn im Zug des Asset-Deals nicht (auch) das bei der Beklagten zur Finanzierung der Kosten für die Umzäunung eröffnete Konto abgedeckt werden hätte müssen. Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang eine Negativfeststellung getroffen und diese in seiner Beweiswürdigung (sinngemäß) damit begründet, dass die Klägerin ebendiese Behauptung nicht unter Beweis stellen habe können. Die Negativfeststellung erfasst damit die im Vorbringen der Klägerin enthaltene Behauptung zu dem ihr ohne Abdeckung des Kontos verbleibenden Kaufpreisteil. Im Einzelfall ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Abweisung des Klagebegehrens (auch) damit begründete, dass der Klägerin in Anbetracht dieser Negativfeststellung der Nachweis eines Schadens nicht gelungen sei.

[17] 5. § 1431 ABGB setzt voraus, dass eine Nichtschuld irrtümlich gezahlt wurde (RS0033765). Wer aus einem Irrtum eine Leistung erbrachte, die er nicht schuldig war, kann diese zurückfordern. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Schuldner Zweifel über den Bestand der Schuld hat und dennoch leistet. Eine Rückforderung ist nämlich ausgeschlossen, wenn die Zahlung dem rechtsgeschäftlichen Zweck diente, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Streit endgültig zu erledigen. Hat der Schuldner Zweifel am Bestand der Schuld und will er vermeiden, dass die Zahlung in diesem Sinn ausgelegt wird, muss er bei der Zahlung einen Vorbehalt machen; sonst ist eine Rückforderung unter Berufung auf § 1431 ABGB ausgeschlossen, weil die Zahlung vom Empfänger als Anerkenntnis gewertet werden durfte (RS0033612 [T1]).

[18] Von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, wenn es einen Anspruch der Klägerin nach § 1431 ABGB verneinte. Dass die Klägerin Zweifel am Bestand der von der Beklagten aus der Zaunerrichtung abgeleiteten Forderung hatte, ergibt sich zwanglos aus den Feststellungen. Dennoch wurde das Konto im Zug der Abwicklung des Asset-Deals abgedeckt, ohne dass die Klägerin, in deren Namen die Zahlung erfolgte, einen Vorbehalt erklärte. Wovon der Geschäftsführer der Klägerin subjektiv ausgegangen sein mag, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil es bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen ganz allgemein nur darauf ankommt, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RS0014205). Zwar kann eine Leistung auch dann zurückgefordert werden, wenn an die Stelle des Irrtums über den Bestand der Schuld iSd § 1431 ABGB gleich zu gewichtende andere Umstände treten und die Zahlung nur zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung geleistet wurde, sofern der Rückforderung nicht die Rechtskraft einer Entscheidung entgegensteht oder in die Zwangsvollstreckung selbst eingreift und eine Vermögensverschiebung bewirkt wird (2 Ob 219/11m mwN; RS0033569). Einer solchen Konstellation kann die hier in Rede stehende Abdeckung des Kontos aber nicht gleich gehalten werden, selbst wenn die Zahlung, wie die Klägerin argumentiert, vom Wunsch getragen war, den Asset-Deal nicht scheitern zu lassen, und die Beklagte zur Aufgabe ihre Pfandrechte erst nach Abdeckung aller Außenstände der Klägerin bereit gewesen ist.

[19] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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