OGH 1Ob223/22h

OGH1Ob223/22h25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH als Masseverwalterin der *bank * Aktiengesellschaft, *, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 303.069.717,11 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2022, GZ 14 R 87/22z-18, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Februar 2022, GZ 32 Cg 4/21z-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00223.22H.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 38.946,75 EUR bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Finanzmarktaufsichtsbehörde („FMA“) untersagte der *bank *Aktiengesellschaft (nachfolgend kurz „Bank“) am 14. 7. 2020 gemäß § 70 Abs 2 Z 4 BWG mit sofortiger Wirkung die weitere Vornahme von Bankgeschäften. In der Folge wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung und der Untreue gegen Verantwortliche der Bank eingeleitet und mit 29. 7. 2020 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.

[2] Die Klägerin begehrt als Masseverwalterin der Bank im Wege der Amtshaftung den Ersatz jenes Schadens, welcher der Bank durch die seit 1. 1. 2011 eingetretene Verringerung ihres Eigenkapitals aufgrund langjähriger Malversationen ihrer verantwortlichen Entscheidungsträger entstanden sei. Vorstandsmitglieder der Bank hätten zugestanden, seit den 1990er Jahren eine Reihe betrügerischer Handlungen – etwa die Fälschung von Bilanzposten, Saldenbestätigungen und Zahlungsbelegen, die Fingierung hoch verzinster Kredite und die Veruntreuung von Geldern der Bank – gesetzt zu haben. Neben diesen strafrechtlich relevanten Handlungen hätten die Verantwortlichen der Bank auch (bloß) bankaufsichtsrechtlich relevante Fehlleistungen zu verantworten.

[3] Die Haftung der Beklagten ergebe sich daraus, dass sie als Rechtsträgerin der FMA und der Österreichischen Nationalbank („OeNB“) den ihr obliegenden Aufgaben bei der Kontrolle des Geschäftsbetriebs der Bank sowie als Rechtsträgerin der Organe der Staatsanwaltschaft ihrer Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung der für die Bank handelnden Personen nicht nachgekommen sei. Das straf- und bankaufsichtsrechtlich relevante Fehlverhalten der Leitungsorgane der Bank hätte der FMA und der OeNB bei sorgfältiger Erfüllung ihrer Aufgaben auffallen müssen. Den Organen der Staatsanwaltschaft sei vorzuwerfen, dass sie gegen diese kein Strafverfahren eingeleitet hätten, obwohl Hinweise auf diverse Malversationen innerhalb der Bank vorgelegen wären. Das Unterlassen der gebotenen Prüf- und Verfolgungsschritte durch die dem Bund zuzurechnenden Organe sei rechtlich unvertretbar gewesen.

[4] Hätten die Organe des beklagten Rechtsträgers die gebotenen bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen gesetzt oder Strafverfahren gegen Entscheidungsträger der Bank eingeleitet, wäre deren Fehlverhalten viel früher bekannt geworden. Der Bank hätte dann spätestens ab 1. 1. 2011 der Geschäftsbetrieb untersagt, ihr die Bankkonzession entzogen und das Konkursverfahren über ihr Vermögen eröffnet werden müssen. Die seitdem eingetretene Verringerung ihres Eigenkapitals wäre dann unterblieben und der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Schaden nicht eingetreten.

[5] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte dessen Unschlüssigkeit ein.

[6] Soweit die Amtshaftung aus einer unzureichenden Bankenaufsicht abgeleitet werde, fehle es schon am Rechtswidrigkeitszusammenhang. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seien Vermögensinteressen des beaufsichtigten Kreditinstituts nicht vom Schutzzweck der Bankenaufsicht umfasst. Deren Zweck sei es nicht, dieses durch bestimmte Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens durch eigene fehlerhafte Geschäftsführungsmaßnahmen zu schützen. Davon abgesehen hätten die Organe der FMA und der OeNB die Aufsicht über die Bank ohnehin mit der gebotenen Sorgfalt, jedenfalls aber in rechtlich vertretbarer Art und Weise ausgeübt. Die Malversationen durch die Entscheidungsträger der Bank seien für die Aufsichtsorgane der Beklagten nicht erkennbar gewesen.

[7] Der geltend gemachte Schaden sei auch nicht vom Schutzzweck der Bestimmungen der StPO bzw des StAG über die Einleitung bzw Fortsetzung eines Strafverfahrens, deren Verletzung den staatsanwaltschaftlichen Organen der Beklagten vorgeworfen werde, umfasst. Hinweisen auf ein strafrechtliches Fehlverhalten innerhalb der Bank sei mit der erforderlichen Sorgfalt nachgegangen worden.

[8] Die Bank treffe jedenfalls ein Mitverschulden an der unterbliebenen Aufdeckung der Malversationen. Die Ersatzansprüche seien teilweise auch verjährt.

[9] Das Erstgericht wies die Amtshaftungsklage als unschlüssig ab.

[10] Die Bestimmungen über die Bankenaufsicht dienten nicht dazu, das Kreditinstitut selbst durch bestimmte Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines bloßen Vermögensschadens infolge eigener fehlerhafter Geschäftsführung – insbesondere der hier behaupteten vorsätzlichen Schädigung durch ihre Entscheidungsträger – zu schützen. Ziel bankrechtlicher Aufsichtsmaßnahmen sei vielmehr nur die im öffentlichen Interesse gelegene Sicherstellung eines reibungslosen Funktionierens des Banken- und Finanzsektors als für die Volkswirtschaft wesentlichen Wirtschaftsbereichs.

[11] Auch die gesetzliche Verpflichtung der Organe der Staatsanwaltschaft, Hinweisen auf Straftaten nachzugehen, bezwecke nicht die Verhinderung des Eintritts der von der Klägerin geltend gemachten bloßen Vermögensschäden, sodass auch insoweit der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle.

[12] Soweit den Organen der Beklagten Sorgfaltsverstöße vorgeworfen würden, die – wie die Erteilung (bestimmter) Bankkonzessionen – mehr als zehn Jahre vor Klageeinbringung erfolgt wären, seien daraus abgeleitete Ersatzansprüche außerdem verjährt.

[13] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision zu.

[14] Der Schutzzweck der Bestimmungen über die Bankenaufsicht umfasse auch nach Inkrafttreten des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG in der Fassung des BGBl I 2008/136 nur jene der Aufsicht nach dem diesem Gesetz unterliegenden Rechtsträger, denen dabei „unmittelbare“ Schäden zugefügt wurden. Als solche kämen Schäden aufgrund ungerechtfertigter Eingriffe durch Organe der Bankenaufsicht in Betracht, etwa durch die unberechtigte Entziehung einer Konzession, die Anordnung einer Geschäftsschließung oder einen gesetzlich nicht gedeckten Insolvenzantrag. Nicht vom Schutzzweck erfasst seien hingegen Schäden, die einem der Aufsicht nach dem FMABG unterliegenden Rechtsträger nur „mittelbar“ zugefügt wurden. Dies umfasse insbesondere Schäden durch eine eigene fehlerhafte Geschäftsführung des Kreditinstituts, die durch Unterbleiben ausreichender Aufsichtsmaßnahmen bloß nicht verhindert wurden. Solche – durch die Aufsichtsbehörde bloß mittelbar (mit-)verursachten – Schäden seien nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits vor Inkrafttreten des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG in der Fassung BGBl I 2008/136 nicht vom Schutzzweck der Vorschriften über die Bankenaufsicht erfasst gewesen. Daran habe sich durch Neuregelung nichts geändert.

[15] Soweit die Amtshaftung der Beklagten auch daraus abgeleitet werde, dass der Bank keine Konzession(en) nach dem BWG erteilt werden hätte(n) dürfen, stehe der behauptete Schaden ebenfalls nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den angeblich übertretenen bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Die Konzessionsvoraussetzungen stünden ausschließlich im öffentlichen Interesse und bezweckten nicht den Schutz des Konzessionärs vor Vermögensschäden durch Handlungen seiner eigenen Geschäftsführungsorgane.

[16] Die Pflicht zur Einleitung bzw Fortsetzung eines Strafverfahrens diene nur der Geltendmachung des staatlichen Strafanspruchs und nicht (auch) dem Schutz des (bloßen) Vermögens potenzieller Opfer eines Straftäters. Ein Amtshaftungsanspruch könne daher auch aus der behaupteten Verletzung jener Bestimmungen, welche die Einleitung oder Fortsetzung eines Strafverfahrens regeln, nicht abgeleitet werden.

[17] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Schutzzweck der Bankenaufsicht nach Inkrafttreten des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG bestehe; ebensowenig zur Zurechnung der bankenaufsichtsrechtlichen Tätigkeit der Organe der OeNB zur FMA sowie zum Schutzzweck von § 2 Abs 1 StPO und § 35c StAG.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[19] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Grundsätzliches zur Amtshaftung:

[20] 2.1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger, darunter die beklagte Partei, für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Wird ein bloßer Vermögensschaden geltend gemacht, wäre dieser nur aufgrund einer (vorwerfbaren) Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts, der Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB oder eines sittenwidrigen Verhaltens des Schädigers ersatzfähig (1 Ob 208/12p mwN). Hier kommt nur die Übertretung von Schutzgesetzen in Betracht.

[21] 2.2. Gerade im Bereich des Amtshaftungsrechts gilt, dass die verletzte Vorschrift auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor den schließlich eingetretenen (hier: Vermögens-)Nachteilen zu schützen (RS0050038 [T1]). Der Schutzzweck der Norm stellt ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Haftung neben der Rechtswidrigkeit, dem Verschulden und der Kausalität dar. Sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die Form seiner Entstehung müssen vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Ohne dessen haftungseingrenzende Wirkung drohte eine Uferlosigkeit der Haftpflicht. Aufgrund eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens ist daher nur für jene dadurch verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck der übertretenen Norm erfasst werden, weil diese zumindest auch derartige Schäden verhindern will. Die Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen Anordnung zumindest (mit-)verfolgt wird. Nicht jeder Schutz, den eine Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (vgl RS0027553 [T14]; RS0022813 [T10, T16]; RS0031143 [T7, T19, T22]).

[22] 2.3. Im Amtshaftungsbereich muss besonders geprüft werden, ob Pflichten des Rechtsträgers nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse eines einzelnen Betroffenen normiert sind (vgl RS0050038 [T27]; RS0031143 [T4, T11]). Allein daraus, dass ihm eine Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, zugute kommt und ihm als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschafft, lässt sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtspflicht gerade dem konkreten Geschädigten gegenüber schließen (vgl RS0031143 [T4]). Erstreckt sich der Schutzzweck nur auf Interessen der Allgemeinheit, können Einflüsse auf individuelle Interessenlagen nur als bloße – keine Amtshaftung begründende – Reflexwirkungen angesehen werden (RS0031143 [T35]). Angesichts der in der Regel primär öffentliche Interessen wahrenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften genügt es für die Annahme des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwar, dass die Verhinderung eines Schadens eines Dritten bloß mitbezweckt ist (RS0031143 [T5, T13]). Die verletzte Amtspflicht muss aber gerade dem Geschädigten gegenüber bestanden haben (RS0031143 [T6]), was auch maßgeblich davon abhängt, ob bereits eine rechtliche Sonderverbindung zwischen ihm und dem Rechtsträger bestand oder die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe eine so große und unbestimmte Personenzahl betrifft, dass dies der Allgemeinheit gleichzusetzen ist (RS0049993).

3. Zur unzureichenden Bankenaufsicht:

3.1. Rechtliche Grundlagen:

[23] 3.1.1. Der Fachsenat hatte sich bereits mehrfach mit dem Schutzzweck bankaufsichtsrechtlicher Bestimmungen zu befassen. In seiner Entscheidung vom 14. 12. 1979 zu 1 Ob 36/79 ging er davon aus, dass das damals geltende Kreditwesengesetz (Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 über das Kreditwesen; BGBl 1979/63) den Schutz der Gläubiger eines Kreditinstituts als wesentliches Ziel ansehe. Dessen Schutzzweck umfasse daher auch den einzelnen Sparer. Die Rechtsansicht, wonach Schäden von Gläubigern (Einlegern) eines Kreditinstituts im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den Bestimmungen des Bankaufsichtsrechts stehen, wurde in weiteren Entscheidungen – nach Inkrafttreten des BWG auch zu den dort enthaltenen Aufsichtsbestimmungen – bestätigt (1 Ob 47/86; 1 Ob 188/02g; 1 Ob 251/05a; 1 Ob 142/06y; vgl auch 1 Ob 187/08v zur Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen).

[24] 3.1.2. In der rechtswissenschaftlichen Literatur stieß diese „an- bzw einlegerfreundliche“ Rechtsprechung auf geteilte Resonanz (zustimmend Mader in Gruber/N. Raschauer, Kommentar zum Wertpapieraufsichtsgesetz [2011] § 3 FMABG Rn 13; Schragel, AHG3 [2003] § 1 Rn 134; ablehnend etwa Rebhahn, Amtshaftung für „Bankprüfer“ – Wohltat oder Irrweg? ÖBA 2004, 267; derselbe, Staatshaftung wegen mangelhafter Gefahrenabwehr [1997] 363 f; B. Raschauer, Bankaufsicht, Amtshaftung und Beihilfenverbot, ÖJZ 2005, 1 [6]; zweifelnd auch Krejci, Amtshaftung für den Verlust BWG-widriger Investitionen in eine Bank, ÖBA 2001, 461 [465]; differenzierend etwa Apathy, Haftungsfolgen fehlerhafter Staatsaufsicht, in Aicher, Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsleben [1988] 231 ff).

[25] 3.1.3. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Fachsenats zur Amtshaftung für eine unzureichende Banken- und Finanzmarktaufsicht (insbesondere als Reaktion auf die mit weitgehenden finanziellen Auswirkungen für den Bund verbundene Entscheidung zu 1 Ob 188/02g; vgl VfGH G 224/2021 [Pkt 2.1.6]) fügte der Gesetzgeber mit BGBl I 2008/136 in § 3 Abs 1 FMABG folgenden neuen zweiten Satz ein: „Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen.“ Ungeachtet der gesetzestechnischen Ausgestaltung dieser Bestimmung, die prima facie an den zu ersetzenden Schaden anknüpft, besteht kein Zweifel, dass der Gesetzgeber damit Ersatzansprüche Dritter (insbesondere von Einlegern und sonstigen Gläubigern), die durch einen Aufsichtsfehler bei der Vollziehung der in § 2 FMABG genannten Gesetze geschädigt wurden, ausschließen wollte, indem er diese vom Rechtswidrigkeitszusammenhang bzw Schutzzweck der Bestimmungen über die Bankenaufsicht ausnahm (VfGH G 224/2021 [Pkt 2.1.7]; 1 Ob 91/22x; 1 Ob 104/22h; 1 Ob 140/22b).

[26] 3.1.4. Die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG idF der Novelle BGBl I 2008/136 legt nahe, dass der Gesetzgeber nur den Schutzbereich der Bestimmungen über die Bankenaufsicht gegenüber Einlegern als Reaktion auf die als (zu) „einlegerfreundlich“ empfundene Rechtsprechung einschränken wollte. Dafür, dass den beaufsichtigten Kreditinstituten selbst weitergehende Amtshaftungsansprüche als vor der Novelle eingeräumt werden sollten, bietet die Gesetzeshistorie hingegen keine Anhaltspunkte. Vielmehr spricht diese – wie auch der Verfassungsgerichtshof annahm (G 224/2021 [Pkt 2.1.6]) – dafür, dass der Gesetzgeber ausschließlich der als zu weitgehend angenommenen Judikatur zur Amtshaftung gegenüber Dritten entgegentreten wollte. Eine Amtshaftung gegenüber einem der Bankenaufsicht unterliegenden Kreditinstitut ist somit auch nach Inkrafttreten des neuen § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Kriterien zu prüfen (idS auch VfGH G 224/2021 [Pkt 2.1.8.2], wonach beaufsichtigten Rechtsträgern Amtshaftungsansprüche wegen fehlerhafter Aufsicht nur nach Maßgabe der in den allgemeinen Bestimmungen des AHG normierten Voraussetzungen zustehen).

[27] 3.1.5. Dieses Verständnis steht sowohl im Einklang mit § 3 Abs 1 Satz 1 FMABG, wonach der Bund „nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes“ haftet, als auch mit dem Wortlaut des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, wonach nicht alle (bloßen) Vermögensschäden des beaufsichtigten Rechtsträgers ersatzfähig sind, sondern nur solche, die diesen „unmittelbar“ zugefügt werden. Der Gesetzgeber verwendet dabei einen Begriff, der nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm zur Umschreibung ersatzfähiger Schäden benutzt wird (vgl RS0022813 [insb T6]; RS0022462; RS0022584 [insb T1]). § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG knüpft somit an die Grenzziehung zwischen grundsätzlich (bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen) ersatzfähigen unmittelbaren und nicht ersatzfähigen mittelbaren Schäden an (idS auch Kahl, Zum verfassungsrechtlichen Spielraum des einfachen Gesetzgebers, Amtshaftungsansprüche [im Bereich der Bankenaufsicht] auszuschließen, ÖZW 2022, 30 [34]). Dieser Unterscheidung kommt gerade bei der Amtshaftung im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts besondere Bedeutung zu. Sie wurde in der genannten Bestimmung hervorgehoben.

[28] 3.1.6. Dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nur einen Haftungsausschluss gegenüber geschädigten Dritten vorsieht und hinsichtlich der beaufsichtigten Rechtsträger keine neuen Anordnungen traf, entspricht auch der überwiegenden Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur:

- So gehen etwa Rabl/Herndl(Amtshaftung wegen fehlerhafter Bankenaufsicht im Lichte des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, ÖBA 2022, 99 [104 f]) davon aus, dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht sämtliche Haftungsvoraussetzungen für Schäden des beaufsichtigten Rechtsträgers abschließend umschreibt. Dass nicht alle durch Organe der Bankenaufsicht verursachte Schäden eines Kreditinstituts ersatzfähig seien, ergebe sich schon aus dessen insoweit klaren Wortlaut. Gegenteiliges würde auf eine Erweiterung der Amtshaftung im Vergleich zur zuvor bestehenden Rechtslage hinauslaufen. Dafür fänden sich weder im Gesetzestext noch in den Materialien Anhaltspunkte. Es erschiene geradezu absurd, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er hätte zwar jegliche Ersatzansprüche von Gläubigern zugunsten des Bundes ausschließen, gleichzeitig aber dem Rechtsträger (im Insolvenzfall der Masse) umfassende Ersatzansprüche ohne Einschränkung durch die sonst geltende Zurechnungsbegrenzung nach dem Schutzzweck der Norm einräumen wollen.

- Nach Fister (Grundfragen des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG und seine Wirkungen für die OeNB, ÖBA 2021, 849 [850]) bedeute die Differenzierung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden von beaufsichtigten Rechtsträgern nichts anderes, als eine Abgrenzung nach dem Schutzzweck des Finanzmarktaufsichtsrechts.

Schmid (Die Beschränkung der Amtshaftung gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG, wbl 2021, 549 [551]) vertritt die Ansicht, dass die Rechtslage durch § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG inhaltlich unverändert geblieben sei, weil der Gesetzgeber „streng genommen“ nur die „irrige“ Auslegung des Gesetzes durch den Obersten Gerichtshof (zur Haftung gegenüber geschädigten Einlegern) korrigiert habe.

- Nach Braunauer/Windischer (Die Verfassungskonformität des Amtshaftungsausschlusses für die Finanzmarktaufsicht, ÖBA 2021, 857 [862]) schließe § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG die Amtshaftung nur für die Verletzung jener Interessen aus, die das Finanzmarktaufsichtsrecht nicht unmittelbar schützt. Mit dieser Bestimmung sei nur klargestellt worden, was sich ohnehin bereits aus allgemeinen Haftungsgrundsätzen ergeben habe.

- Dellinger (in Dellinger, Kommentar zum Bankwesengesetz [2020] § 76 BWG Rz 37) geht davon aus, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, er habe durch die ausdrückliche Benennung des der Aufsicht unterliegenden Rechtsträgers als potentiell Ersatzberechtigtem von der Judikatur bereits zuvor entwickelte Einschränkungen der Amtshaftung gegenüber diesem aufheben wollen.

[29] 3.1.7. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nur Amtshaftungsansprüche Dritter ausschließt, darüber hinaus aber keine Änderung der bestehenden Rechtslage bewirkt hat. Zur Beurteilung der Haftung des Bundes für Schäden des beaufsichtigen Kreditinstituts kann daher die zur Rechtslage vor Novellierung dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung herangezogen werden.

3.2. Kein Schutz des Kreditinstituts selbst:

[30] 3.2.1. Zu 1 Ob 251/05a war die Frage zu beurteilen, ob dem Mehrheitsaktionär eines Kreditinstituts Amtshaftungsansprüche zustehen können, wenn die gebotenen bankrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen unterblieben und dies für einen Schaden im Vermögen des Mehrheitsaktionärs ursächlich war. Der Fachsenat ging in dieser Entscheidung davon aus, dass weder aus § 3 FMABG (idF BGBl I 2005/33) noch aus einer Bestimmung des BWG abzuleiten sei, dass die Normen über die Bankenaufsicht „Bankunternehmer“ vor dem Eintritt von Vermögensschäden infolge einer fehlerhaften Geschäftsführung schützen sollen. Schuldhaft unterlassene Aufsichtsmaßnahmen könnten diesen gegenüber daher zu keiner Amtshaftung des Bundes führen. Der Schutzzweck der Normen über die Bankenaufsicht habe nie die Vermögensinteressen einzelner „Bankunternehmer“, sondern nur die Funktionsfähigkeit des Bankwesens und den Schutz der Interessen von Bankgläubigern umfasst (vgl dazu auch 1 Ob 142/06y mwN; VfGH G 224/2021, Pkt 2.1.8.2).

[31] Zusammengefasst kam der Fachsenat in der genannten Entscheidung – nach Auseinandersetzung mit der rechtswissenschaftlichen Literatur – zu folgendem Ergebnis:

„Es ist nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht, Bankunternehmer durch die Ergreifung bestimmter Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens infolge fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen. Das gilt auch für die Vermögensinteressen der Mehrheitsaktionäre von Bankunternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betrieben werden. Auf Grund der Ausklammerung der [...] Vermögensinteressen der Bankunternehmer aus dem Schutzzweck der Normen über die Bankenaufsicht kann eine Amtshaftung des Bundes wegen der Unterlassung bestimmter Aufsichtsmaßnahmen nicht eingreifen (RIS-Justiz RS0049847).“

[32] 3.2.2. Zu 1 Ob 142/06y bekräftigte der Fachsenat, dass es nicht Zweck des Bankenaufsichtsrechts sei, „Bankunternehmer“ durch Ergreifen bestimmter Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens infolge einer eigenen fehlerhaften Geschäftsführung zu schützen. Deren Vermögensinteressen seien im Fall eines durch unterlassene Aufsichtsmaßnahmen verursachten Schadens nicht geschützt, eine Amtshaftung trete daher in diesem Fall nicht ein. „Bankunternehmen“ mangle es für eine Gefahrenvorsorge grundsätzlich nicht an der erforderlichen Sachkunde, sodass sie im Regelfall nicht vor einer unabsehbaren Selbstgefährdung bewahrt werden müssten. Auch zu 6 Ob 108/13w legte der Oberste Gerichtshof dar, dass es nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht sei, „Bankunternehmen“ durch Aufsichtsmaßnahmen vor Vermögensschäden durch ihre fehlerhafte Geschäftsführung zu schützen.

[33] 3.2.3. Wenngleich zu 1 Ob 251/05a Ansprüche des Mehrheitsaktionärs eines Kreditinstituts zu beurteilen waren, nahm der Fachsenat dort primär auf den „Bankunternehmer“ Bezug. Damit ist – entgegen dem Standpunkt der Revisionswerberin – nicht der Gesellschafter des Kreditinstituts, sondern dieses selbst (also die das Bankgeschäft betreibende Gesellschaft; vgl § 1 UGB) gemeint. Der Fachsenat ging in dieser Entscheidung zunächst davon aus, dass die Normen über die Bankenaufsicht nicht bezweckten, den Bankunternehmer (im genannten Sinn) vor Vermögensschäden infolge fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen. Dies gelte auch für die Vermögensinteressen des Mehrheitsaktionärs, der über ein gesellschaftsrechtliches Instrumentarium verfüge, um die Unternehmensstrategie der Bank entscheidend zu beeinflussen und die laufende Verwirklichung ihrer Unternehmensziele zu kontrollieren. Für diesen hätten alle Voraussetzungen bestanden, sich gegen eine negative Beeinflussung seiner Vermögenssphäre zu schützen.

[34] 3.2.4. Diese Argumentation, welche die Revisionswerberin mit ihrer primär begrifflichen Auseinandersetzung mit der zu 1 Ob 251/05a verwendeten Bezeichnung des „Bankunternehmers“ weitgehend negiert, trifft vor allem auf das Kreditinstitut selbst zu. Diesem stehen nicht nur – wie ihrem (Haupt-)Gesellschafter – bestimmte (gerade bei einer Aktiengesellschaft beschränkte) „Einflussmöglichkeiten“ auf die Geschäftsführung zu, vielmehr ist dem Kreditinstitut das Verhalten seiner Geschäftsführungsorange unmittelbar als eigenes zuzurechnen. Den Regelungen über die Bankenaufsicht kann nicht entnommen werden, dass sie (auch) einen Schutz des Kreditinstituts vor einer Selbstgefährdung durch eigene nachteilige Geschäftsführungsmaßnahmen bezweckten. Ein solcher Schutz einer „beaufsichtigten Person“ käme (allgemein) nur ausnahmsweise in Betracht, insbesondere wenn diese zu einer selbständigen Gefahrenabwehr nicht befugt oder nicht in der Lage wäre. Davon kann hier aber keine Rede sein.

[35] 3.2.5. Dass dem Kreditinstitut selbst keine Amtshaftungsansprüche aus einer unterbliebenen oder unzureichenden Bankenaufsicht zustehen, ergibt sich nicht nur aus der bisherigen Rechtsprechung des Fachsenats. Auch die Erläuterungen zu § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2005/33 (ErlRV 819 BlgNR 22. GP  8) gehen von einem solchen Verständnis aus. Demnach wäre es problematisch, könnte die öffentliche Hand auch dann in die Pflicht genommen werden, wenn die eigentliche Ursache des Schadens wo anders liegt, nämlich in der wirtschaftlich verfehlten Gestion des beaufsichtigten Unternehmens selbst. Wenngleich damit auf den gemäß § 3 Abs 5 FMABG grundsätzlich nicht als Organ iSd § 1 Abs 1 AHG zu qualifizierenden Abschlussprüfer Bezug genommen wurde, so stellt sich das gleiche Problem bei einer Schädigung des unzureichend beaufsichtigten Kreditinstituts.

[36] 3.2.6. Auch die rechtswissenschaftliche Lehre lehnt eine Amtshaftung gegenüber dem Kreditinstitut wegen dessen unzureichender Beaufsichtigung überwiegend ab:

Kahl (ÖZW 2022, 30 [37]) erachtet es – in Anlehnung an die genannten Gesetzesmaterialien – als problematisch, könnte die öffentliche Hand auch dann in die Pflicht genommen werden, „wenn die Ursache des Schadens wo anders liegt, nämlich in der wirtschaftlich verfehlten Gestion des beaufsichtigten Unternehmens“.

Riss/Winner/Wolfbauer (Schafft der VfGH den Finanzmarkt ab? ZFR 2022/1) gehen davon aus, dass der Bund gegenüber dem Kreditinstitut nur für eine zu strenge („zu intensive“) Beaufsichtigung hafte. § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG „greife“ daher für die vorliegende Amtshaftungsklage des Masseverwalters der Bank nicht.

- Nach Schmid (wbl 2021, 549, FN 3) kommt eine Amtshaftung gegenüber dem Kreditinstitut wegen fehlerhafter Bankenaufsicht nur für Schäden aus „Eingriffsmaßnahmen“ in Betracht. Eine Amtshaftung gegenüber diesem für unterlassene Aufsichtsmaßnahmen sei schon vor Novellierung des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG ausgeschlossen gewesen, weil die Bankenaufsicht keinen Schutz vor einer Selbstgefährdung bezwecke. Daran habe die genannte Bestimmung nichts geändert.

Rebhahn (Zur Haftung des Staates für Aufsicht und Intervention bei Banken – Ein Überblick aus Anlass von HBI und HETA, ÖZW 2017, 2 [5 f]) geht davon aus, dass aus § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG „hervorleuchte“, dass der Gesetzgeber keine Haftung für „zu wenig“ Bankenaufsicht verwirklicht sehen wolle.

- Fletzberger (in Laurer/Schütz/Kammel/Ratka, BWG4 [2017] § 69 Rz 13) vertritt, dass es nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht sei, Bankunternehmer durch Ergreifen von Aufsichtsmaßnahmen vor Vermögensschäden wegen fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen. Das durch Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen geschädigte Kreditinstitut sei bloß mittelbar geschädigt.

- Nach Auffassung von N. Raschauer (Aktuelle Strukturprobleme des europäischen und österreichischen Bankenaufsichtsrechts [2010] 781 f) stellt die ratio des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nur auf Schäden ab, die durch aktive Eingriffsakte gegenüber den aufsichtsunterworfenen Rechtsträgern verursacht wurden. Eine (Amts-)Haftung komme gegenüber diesen nur bei solchen Maßnahmen in Betracht.

- Nach Bauer (Einschränkung der Amtshaftung für die FMA, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch öffentliches Recht 2009, 224) kommt ein Ersatzanspruch des beaufsichtigten Rechtsträgers „vor allem“ dann in Frage, wenn er durch ein „Übermaß an staatlichen Eingriffen“ geschädigt wird.

Karner (Grenzen der Amtshaftung bei mangelnder Bankaufsicht, ÖBA 2007, 794 [795 f]) hält es zwar im Allgemeinen für nicht ausgeschlossen, dass auch einem „Beaufsichtigten“ Ersatzansprüche wegen behördlicher Aufsichtsfehler zustehen. Allerdings seien dabei enge Grenzen zu ziehen, wenn es nicht um Schäden an absolut geschützten Rechtsgütern, sondern – wie hier – um bloße Vermögensschäden gehe. In Fällen einer Selbstschädigung komme vor allem der Eigenverantwortung besondere Bedeutung zu. Beide Gesichtspunkte sprächen gegen den Schutz eines beaufsichtigten Kreditinstituts. Es gehöre nicht zu den staatlichen Aufgaben, Unternehmern ihre Eigenverantwortung abzunehmen und ihnen ein risikofreies Wirtschaften zu ermöglichen. Da der Bank der Vorteil ihrer Tätigkeit zufließe, habe sie auch das Risiko unternehmerischer Fehlleistungen zu tragen.

B. Raschauer (Bankaufsicht, Amtshaftung und Beihilfenverbot, ÖJZ 2005/1, 4) – dessen Rechtsansicht sich der Fachsenat zu 1 Ob 251/05a anschloss – vertritt, dass ein Schutz des Beaufsichtigten durch verwaltungsbehördliche Aufsichtsregeln grundsätzlich nicht zu vermuten sei. Ein solcher sei nur dann „eher“ anzunehmen, wenn eine nicht ausreichend sachkundige Person in besonderen Gefahrenlagen vor einer unabsehbaren Selbstgefährdung geschützt werden soll. Für das Bankenaufsichtsrecht sei dies bei den beaufsichtigen Kreditinstituten nicht anzunehmen. Aus dem BWG ergebe sich nicht, dass der Schutz der Kreditinstitute um ihrer selbst Willen Aufgabe der Finanzmarktaufsicht wäre (aaO 6).

- Dellinger (in Dellinger, BWG § 76 Rz 37) nimmt an, dass der Schutzzweck des Bankenaufsichtsrechts keine Fehler der eigenen Geschäftsführung einer Bank umfasse. Weder aus § 3 FMABG noch aus dem BWG sei abzuleiten, dass die Bankenaufsicht (mit-)bezwecke, Kreditinstitute durch bestimmte Aufsichtsmaßnahmen vor Vermögensschäden infolge ihrer eigenen Geschäftsführung zu schützen. Eine Ausnahme soll nach Dellinger (aaO Rz 38) jedoch im Fall der Insolvenz des Kreditinstituts bestehen (vgl dazu Pkt 3.4.3.).

[37] 3.3. Zusammengefasst geht der Fachsenat entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung (insbesondere der zu 1 Ob 251/05a ergangenen Entscheidung) sowie der damit weitgehend übereinstimmenden Lehre auch im vorliegenden Fall davon aus, dass es nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht ist, das Kreditinstitut selbst durch bestimmte Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens infolge eigener fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen.

[38] 3.4. Die entgegenstehenden Argumente der Revisionswerberin überzeugen nicht:

[39] 3.4.1. Die Rechtsprechung, wonach die Bankenaufsicht dazu dienen soll, der Insolvenz von Banken entgegen zu wirken, indem Missstände rechtzeitig erkannt und abgestellt sowie drohende Gefahren abgewendet werden (1 Ob 188/02g), bezog sich auf den im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse gelegenen „Funktionsschutz“ des Bankenaufsichtsrechts. Ein Schutz des individuellen Kreditinstituts vor eigenen (hier: vorsätzlichen) Fehlentscheidungen seiner Geschäftsleitung kann daraus nicht ableitet werden. Davon abgesehen wurden die Amtshaftungsansprüche hier darauf gestützt, dass wegen der unzureichenden Bankenaufsicht nicht bereits (viel) früher ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bank eröffnet wurde.

[40] 3.4.2. Die der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht schließt entgegen der Behauptung der Revisionswerberin – in § 3 Abs 1 FMABG vorausgesetzte – Amtshaftungsansprüche des beaufsichtigten Rechtsträgers auch nicht zur Gänze aus.

[41] Nicht ersatzfähig sind nur Schäden aufgrund einer unentdeckt gebliebenen (hier: vorsätzlichen) Selbstschädigung des Kreditinstituts. Wie bereits zu 1 Ob 251/05a dargelegt wurde, besteht daneben die Möglichkeit einer Haftung für Schäden des Kreditinstituts wegen rechtswidriger aufsichtsbehördlicher Eingriffsmaßnahmen. Dies ist auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur anerkannt (etwa Rabl/Herndl, ÖBA 2022, 99 [103]; Mader in Gruber/N. Raschauer, Kommentar zum Wertpapieraufsichtsgesetz, § 3 FMABG Rz 14; B. Raschauer, ÖJZ 2005/1, 6; Johler in Dellinger, BWG [2016] § 69 Rz 132; Schöller, Ausgewählte Fragen der Amtshaftung für mangelhafte Bankenaufsicht, ÖBA 2019, 886 [891]). Dort werden als solche „Eingriffsmaßnahmen“ etwa die Verweigerung oder Entziehung einer Bankkonzession, die Anordnung der Einstellung bestimmter oder aller Geschäfte (§ 70 Abs 2 BWG) sowie sonstige Einschränkungen des Geschäftsbetriebs des beaufsichtigten Kreditinstituts genannt (Rabl/Herndl, ÖBA 2022, 99 [103] mwN).

[42] Auch der Verfassungsgerichtshof schloss zu G 224/2021 (Pkt 2.2.3.4) eine Amtshaftung gegenüber dem beaufsichtigten Rechtsträger bei „unmittelbaren“ Schäden in Vollziehung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen nicht aus, was als Hinweis auf solche Eingriffsmaßnahmen verstanden werden kann. Da die Klägerin die Amtshaftung der Beklagten ausschließlich aus einer unterbliebenen bzw unzureichenden Beaufsichtigung der Bank – und nicht auch aus konkreten Eingriffen der Aufsichtsbehörde – ableitet, muss auf die Frage einer möglichen Amtshaftung für solche Eingriffsmaßnahmen nicht weiter eingegangen werden. Entgegen den Revisionsausführungen gilt dies auch für den Vorwurf, der Bank hätte bei gebotener Beaufsichtigung (anlässlich der Einbringung des Bankbetriebs in die Aktiengesellschaft) keine Bankkonzession erteilt werden dürfen bzw ihr diese entzogen werden müssen.

[43] 3.4.3. Die Revisionswerberin stützt sich auch auf die von Dellinger (in Dellinger, BWG § 76 Rz 38) vertretene Rechtsansicht, wonach eine Amtshaftung gegenüber dem beaufsichtigten Kreditinstitut für eine unterbliebene Verhinderung von Malversationen von dessen Management nur soweit ausgeschlossen sein soll, als sie dem „Bankeigentümer“ zugute käme, nicht aber, soweit sie zur Befriedigung der Gläubiger, die sich selbst nur schlecht oder gar nicht schützen konnten, erforderlich sei. Diese Ansicht beruht im Wesentlichen auf dem Gedanken, dass sich eine Geltendmachung individueller Schäden von (insbesondere) Sparern erübrige, wenn das Vermögen des Kreditinstituts durch eine Amtshaftungsklage des Masseverwalters soweit wiederhergestellt wird, dass diese keinen Ausfall erleiden. Damit setzt Dellinger aber Amtshaftungsansprüche geschädigter Dritter wegen mangelhafter Bankenaufsicht voraus. Der von ihm befürworteten Schadensliquidierung durch den Insolvenzverwalter im Gläubigerinteresse steht jedoch der vom Fachsenat (1 Ob 91/22x; 1 Ob 104/22h; 1 Ob 140/22b) sowie vom Verfassungsgerichtshof (G 224/2021) angenommene generelle Ausschluss solcher Ansprüche nach § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG entgegen. Für eine sinngemäße Anwendung der „Wertungen des Gesellschaftsrechts“ (Dellinger nennt die §§ 10 Abs 6 und 25 Abs 5 und 7 GmbHG bzw § 84 Abs 5 AktG) verbleibt daher kein Raum.

4. Keine Haftung für die Staatsanwaltschaft:

4.1. Zur Haftung für die Wirtschafts‑ und Korruptionsstaatsanwaltschaft („WKStA“):

[44] 4.1.1. Der Kläger begründete das behauptete Fehlverhalten der Organe der WKStA in erster Instanz damit, dass diese einer „Whistleblower-Meldung“ aus dem Jahr 2015 nicht ausreichend nachgegangen seien. In dieser anonymen Mitteilung seien konkrete Vorwürfe zu jenen Malversationen erhoben worden, aus denen der Kläger nunmehr Amtshaftungsansprüche ableite. Die WKStA habe sich pflichtwidrig mit der mündlichen Mitteilung der FMA begnügt, wonach sich diese Vorwürfe aufgrund einer in ihrem Auftrag durchgeführten Prüfung durch die OeNB nicht bestätigt hätten, und daher von weiteren Ermittlungen abgesehen. Wäre die WKStA ihren Ermittlungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen, wären die Malversationen durch die Organe der Bank früher publik und deren Schaden dadurch (zumindest teilweise) verhindert worden.

[45] 4.1.2. Im Amtshaftungsprozess ist nicht zu prüfen, ob ein bestimmtes behördliches Verhalten richtig war, sondern nur, ob es auf einer vertretbaren Gesetzesauslegung bzw Rechtsanwendung beruhte (vgl RS0050216; RS0049955). Der Beurteilung der Vertretbarkeit kommt insbesondere dann besondere Bedeutung zu, wenn gesetzliche Bestimmungen nicht eindeutig sind, diese Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts enthalten und keine höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht (RS0049951). Sie hat jeweils aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (RS0110837).

[46] 4.1.3. § 2 Abs 1 StPO verpflichtet die Organe der Staatsanwaltschaft, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat (die nicht bloß auf Verlangen einer dazu berechtigten Person zu verfolgen ist) in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären. Liegen keine Anhaltspunkte vor, die annehmen lassen, dass eine Straftat begangen wurde, sieht das Gesetz keine Ermittlungshandlungen vor. In diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft – sofern sie noch keine solchen Handlungen gesetzt hat – gemäß § 35c StAG von der Einleitung eines Strafverfahrens abzusehen (1 Ob 91/22x mwN).

[47] 4.1.4. Die Umschreibung des Anfangsverdachts in § 1 Abs 3 StPO („wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist“) lässt einen weiten Beurteilungsspielraum zu (vgl H. Fuchs, Beginn des Strafverfahrens und Beschuldigtenstellung, in Lewisch/Nordmeyer [Hrsg], Liber Amicorum Eckart Ratz [2018] 31 [36]; Scherschneva-Koller, Geldwäscheermittlungen im Spannungsfeld zum „Anfangsverdacht“ nach dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, JSt 2015, 532). Nach Bertel (in Bertel/Venier, StPO: Kommentar² [2022] zu § 1 StPO Rz 1) liegt ein Anfangsverdacht vor, wenn bestimmte Anhaltspunkte auch einen unbefangenen und lebenserfahrenen Menschen an die Straftat denken ließen. Markel (in Fuchs/Ratz, WK‑StPO [2015] § 1 StPO Rz 26) weist darauf hin, dass es für die Einleitung des Strafverfahrens einer ausreichenden Verdachtslage bedarf. Die Annahme einer verfolgbaren Tat müsse nach der sich bietenden Sachlage „indiziert“ sein. Vermutungen, vage Hinweise oder Spekulationen genügten jedenfalls nicht. Auch allgemeine (insbesondere anonyme) unsubstantiierte Vorwürfe gegen eine Person begründen keinen Anfangsverdacht (Schwaighofer in Fuchs/Ratz, WK‑StPO [2015] § 78 StPO Rz 17; vgl auch 17 Os 13/13k, wo eine bloße – unsubstanziierte – Anzeige noch keinen solchen Verdacht auslöste). Zu 1 Ob 206/20f ging der Fachsenat – unter Hinweis auf Schmoller in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 2 StPO [2016] Rz 3/1) – davon aus, dass ein Anfangsverdacht nach § 1 Abs 3 StPO eine „qualifizierte“ Verdachtslage erfordere (vgl auch Pilnacek/Pscheidl, Das Strafverfahren und seine Grundsätze [Teil I], ÖJZ 2008/66 [631]: „konkrete Anhaltspunkte“ im Gegensatz zu „bloßen Mutmaßungen“; idS auch Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 [2020] § 1 Rz 7). Dabei ist auch die rechtsstaatliche Pflicht der Organe der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen, Menschen davor zu schützen, ohne Anlass zum Objekt eines Strafverfahrens zu werden (ErlRV 25 BlgNR 22. GP  26; OGH 1 Präs. 2690–2113/12i; Venier, Wann beginnt das Ermittlungsverfahren? RZ 2014, 219 [221]; Birklbauer in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess, Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung [2020] § 1 StPO Rz 9; vgl zu diesem rechtsstaatlichen Gesichtspunkt auch Markel aaO). Dieses ist schon seiner Natur nach besonders eingriffsintensiv und bereits der bloße Umstand, dass ein Ermittlungsverfahren geführt wird, kann erheblich negative Folgen nach sich ziehen (Mühlbacher, Grundrechtsschutz durch die Staatsanwaltschaft, JSt 2013, 6).

[48] 4.1.5. Im vorliegenden Fall kann dem auf ein Fehlverhalten der Organe der WKStA gestützten Amtshaftungsanspruch schon ausgehend vom Klagevorbringen keine Berechtigung zukommen, weil das ihnen vorgeworfene Unterlassen der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 2 Abs 2 StPO (das Absehen von diesem gemäß § 35c StAG) aus folgenden Gründen als vertretbar anzusehen ist:

[49] Nach den Klagebehauptungen habe sich die WKStA nach Einlangen der „Whistleblower-Meldung“ am 7. 7. 2015 – im Rahmen der Amtshilfe – an die FMA gewandt und diese um Klärung der Vorwürfe ersucht. Die FMA habe der WKStA am 13. 7. 2015 mitgeteilt, dass sie einen gleichlautenden anonymen Hinweis erhalten habe und eine Prüfung der Vorwürfe durch die OeNB stattfinde, welche die Angaben des „Whistleblowers“ bisher aber noch nicht verifiziert haben könne. Die FMA werde die WKStA weiter über die Erkenntnisse der Vor-Ort-Prüfung der OeNB informieren. Am 31. 7. 2015 habe die FMA der WKStA telefonisch mitgeteilt, dass die OeNB die Angaben des „Whistleblowers“ (weiter) prüfe, bisher aber noch nicht bestätigen habe können. Am 21. 12. 2015 habe die FMA der WKStA telefonisch bekanntgegeben, dass ihr zwar noch kein (endgültiger) Bericht der OeNB vorliege, diese aber telefonisch mitgeteilt habe, dass der in der „Whistleblower-Meldung“ erhobene Verdacht nicht bestätigt werden konnte. Daraufhin habe die WKStA das Ermittlungsverfahren am 22. 12. 2015 nach § 35c StAG „eingestellt“. Mit Schreiben der FMA vom 14. 1. 2016 habe diese der WKStA gegenüber auch schriftlich bestätigt, dass sich die im anonymen Hinweis erhobenen Vorwürfe im Rahmen der Prüfung durch die OeNB nicht bewahrheitet hätten.

[50] Nach diesem Vorbringen ließ die WKStA die ihr übermittelte „Whistleblower-Meldung“ keineswegs – wie der Revisionswerber argumentiert – unbeachtet, sondern nahm diese zum Anlass für konkrete Nachforschungen. Warum es ihr als rechtlich unvertretbare Vorgehensweise vorzuwerfen sei, dass sie diese nicht durch ihre eigenen Organe vornahm, sondern damit – im Wege der Amtshilfe – die FMA als mit der Bankenaufsicht befasste (spezialisierte) Behörde betraute (die sich wiederum der Organe der OeNB bediente), ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch in dritter Instanz nicht überzeugend dargelegt. Es kann nicht als rechtlich unvertretbar angesehen werden, dass sich die WKStA auf die klare und eindeutige (telefonische) Mitteilung der FMA verließ, wonach sich der vom anonymen Hinweisgeber geäußerte Verdacht durch die von der OeNB (als Hilfsorgan der FMA) durchgeführte Vor-Ort-Prüfung nicht bestätigt habe, zumal gerade anonyme Anzeigen besonders sorgfältig zu würdigen sind (vgl – zum Kartellrecht – 16 Ok 7/13; nach 14 Os 46/09k bergen solche Anzeigen stets das erhöhte Manko der Unverlässlichkeit in sich).

[51] 4.1.6. Was der Kläger daraus ableiten will, dass die WKStA vor ihrem Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 35c StAG eine schriftliche Mitteilung der FMA über das Ergebnis der Prüfung der anonymen Vorwürfe abwarten hätte müssen, ist schon deshalb nicht ersichtlich, weil deren schriftliche Mitteilung vom 14. 1. 2016 keine anderen Informationen als die zuvor erfolgte telefonische Auskunft enthielt. Soweit der Kläger der FMA in diesem Zusammenhang eine unzureichende Information der WKStA vorwirft, muss darauf nicht weiter eingegangen werden (vgl Pkt 3).

[52] 4.1.7. Warum sich daraus eine Haftung der Beklagten für den geltend gemachten Schaden ergeben soll, dass die WKStA von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 35c StAG absah, anstatt das – nach Ansicht des Klägers – bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 190 StPO einzustellen, lässt die Revision nicht konkret erkennen.

4.2. Zur Haftung für die Staatsanwaltschaft („StA“) Eisenstadt:

[53] 4.2.1. Den Organen der StA Eisenstadt wirft der Kläger vor, der Sachverhaltsdarstellung der FMA vom 17. 12. 2015 nicht ausreichend nachgegangen und von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen zu haben. In dieser Sachverhaltsdarstellung sei der Vorwurf erhoben worden, die Bank habe Partizipationskapital an einen Dritten ausgegeben und dies selbst durch einen Bankkredit finanziert, wobei die Zinsen für die Partizipationsbeteiligung die Kreditzinsen überstiegen hätten, so dass es in Höhe der Zinsdifferenz zu einem laufenden Mittelabfluss von der Bank an den Dritten (Zeichner der Partizipationsbeteiligung) und daher zu einem Schaden der Bank in dieser Höhe gekommen sei. Dies lege den Verdacht der Untreue sowie einer Bilanzfälschung nahe. Die StA Eisenstadt habe zwar zunächst „einen entsprechenden Akt eröffnet“, das Verfahren dann aber zur gemeinsamen Verfahrensführung mit dem von der WKStA im Zuge der „Whistleblower-Meldung“ 2015 geführten Verfahren an diese Behörde abgetreten. Die WKStA habe den Akt jedoch wieder an die StA Eisenstadt zurück übermittelt. Diese habe in weiterer Folge die FMA um zusätzliche Auskünfte zu dem von der Bank begebenen Partizipationskapital ersucht. Obwohl die FMA diese Anfrage dahin beantwortet habe, dass „zu keinem Zeitpunkt ein Risiko für die Inhaberin des Partizipationskapitals [Anmerkung: also deren Zeichnerin] bestanden habe“, habe die StA Eisenstadt von der Einleitung bzw Fortführung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen.

[54] 4.2.2. Zur Ursächlichkeit dieses behaupteten Fehlverhaltens der Organe der StA Eisenstadt für den Schaden der Bank brachte der Kläger in erster Instanz vor, dass bei pflichtgemäßer Verfolgung des aus dem angezeigten Geschäftsfall (der kreditfinanzierten Ausgabe von Partizipationskapital) resultierenden Verdachts einer strafbaren Handlung „aller Wahrscheinlichkeit nach“ auch die weiteren Malversationen, aus denen der im Amtshaftungsverfahren geltend gemachte Schaden (die Verringerung ihres Eigenkapitals ab 2011) abgeleitet wird, erkannt und aufgedeckt worden wären. Damit erstattete der Kläger – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts –zwar ein grundsätzliches Vorbringen zur Kausalität des behaupteten Fehlverhaltens der Organe der StA Eisenstadt für „einen“ bei der Bank eingetretenen Schaden. Dem Klagebegehren kann jedoch nicht schlüssig entnommen werden, in welcher Höhe dieser durch die StA Eisenstadt bewirkt worden sein soll. Da das dieser Behörde vorgeworfene Fehlverhalten erst Ende 2015/Anfang 2016 erfolgt sei, konnte es jedenfalls für den bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Schaden nicht ursächlich sein. Dem muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil der vom Kläger geltend gemachte Schaden der Bank nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der den Organen der StA Eisenstadt vorgeworfenen Pflichtverletzung steht.

[55] 4.2.3. Für die Beurteilung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs ist auch hier zu prüfen, ob jene Normen, deren Übertretung den Organen der Beklagten vorgeworfen wird, den konkret geltend gemachten Schaden verhindern sollten (vgl Pkt 2). Die Strafverfahrensvorschriften dienen grundsätzlich den Interessen der Gemeinschaft, der Öffentlichkeit und des Staats (Markel in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 1 [2015] Rz 8). Ihr primärer Zweck liegt in der Verwirklichung des materiellen Strafrechts im Einzelfall mit der richtigen Bewertung von Tat und Täter zum Zweck der gerechten Bestimmung einer Sanktion oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen Konsequenz (1 Ob 81/19x; vgl auch Markel aaO Rz 3). Nicht alle Bestimmungen der Strafprozessordnung bezwecken daher auch den Schutz eines durch einen Verstoß gegen diese Bestimmungen verursachten Schadens (vgl RS0050078). Wie weit der Schutzzweck konkreter Bestimmungen der StPO geht, ist jeweils nach ihrem konkreten Zweck zu beurteilen (1 Ob 91/22x).

[56] 4.2.4. Wie dargelegt leitet der Kläger den Schaden der Bank im vorliegenden Amtshaftungsverfahren daraus ab, dass durch betrügerische Malversationen ihrer Organe eine Verringerung ihres Eigenkapitals erfolgt sei. Bei Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wären diese früher aufgedeckt worden und es wäre daher eine weitere Vermögensverringerung unterblieben. Hätte die StA Eisenstadt aufgrund der Sachverhaltsdarstellung der FMA vom 17. 12. 2015 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, wären diese Malversationen dort „aller Wahrscheinlichkeit nach“ ebenfalls bekannt geworden.

[57] 4.2.5. Die vom Kläger ins Treffen geführte Sachverhaltsdarstellung der FMA vom 17. 12. 2015 bezog sich aber – wie sich aus dieser Urkunde ergibt (RS0121557 [T2, T3]) und im Übrigen unstrittig ist – nicht auf jene Malversationen, aus denen der hier geltend gemachte Vermögensschaden der Bank abgeleitet wird. Vielmehr betraf die Anzeige – wovon auch der Kläger ausgeht – einen ganz anderen Sachverhalt, nämlich die kreditfinanzierte Ausgabe von Partizipationskapital durch die Bank (zur Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis) zu für sie nachteiligen wirtschaftlichen (Zins-)Konditionen. Die Anzeige dieses konkreten Geschäftsfalls durch die FMA stand daher – auch nach dem Klagevorbringen – in keinem Zusammenhang mit den erst später entdeckten zahlreichen betrügerischen Malversationen der Bankorgane. Demnach hätte sich aber auch ein aufgrund der Sachverhaltsdarstellung der FMA eingeleitetes Ermittlungsverfahren der StA Eisenstadt – dessen Unterlassung der Kläger der Beklagten vorwirft – nicht auf diese Handlungen, sondern nur auf den davon abgegrenzten und mit diesen in keinem Zusammenhang stehenden Vorwurf des Abschlusses des von der FMA angezeigten – für die Bank unvorteilhaften und daher potentiell nach § 153 StGB (Untreue) zu prüfenden – Geschäfts bezogen.

[58] Dass im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen (ausschließlich) zum Vorwurf der nachteiligen Ausgabe des Partizipationskapitals möglicherweise auch andere strafrechtlich relevante Verhaltensweisen von Organen der Bank – nämlich jene Malversationen, aus denen der Kläger deren Schaden im Amtshaftungsverfahren ableitet – aufgedeckt worden wären, kann aber nur als Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens der Organe der StA Eisenstadt angesehen werden. Nach dem Klagevorbringen wäre der Schaden zwar auch dann nicht (oder nur teilweise) entstanden, wenn in dem von dieser Behörde aufgrund der Sachverhaltsdarstellung der FMA geführten Ermittlungsverfahren (zufällig) auch jene Malversationen entdeckt worden wären, aus denen der hier geltend gemachte Schaden unmittelbar abgeleitet wird. Auf Ebene des Rechtswidrigkeitszusammenhangs stellt sich ein solcher behaupteter Zufallsfund – auch wenn er den Schadenseintritt (teilweise) verhindert hätte und sein Unterbleiben für diesen daher ursächlich gewesen wäre – aber als bloß mittelbare Folgewirkung („Seitenwirkung“; vgl RS0022584) pflichtgemäßen Organverhaltens dar. Der durch das Unterbleiben von Ermittlungen allenfalls verursachte Schaden ist in einem solchen Fall nicht ersatzfähig, weil die Bestimmungen über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts einer bestimmten strafbaren Handlung keine Verhinderung von Schäden aus ganz anderen Straftaten bezwecken, die in einem solchen Ermittlungsverfahren nur zufällig entdeckt werden.

[59] 4.2.6. Damit fehlt es dem aus einem Fehlverhalten der StA Eisenstadt abgeleiteten Klagebegehren am haftungsbegründenden Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Beklagte hätte daher auch dann nicht für deren Organe einzustehen, wenn es diese (unvertretbar) pflichtwidrig unterlassen hätten, dem in der Sachverhaltsdarstellung der FMA geäußerten Verdacht einer zum Nachteil der Bank begangenen Veruntreuung durch den dort geschilderten Geschäftsfall (kreditfinanzierte Ausgabe von Partizipationskapitals) im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens nach § 2 Abs 1 StPO näher nachzugehen.

[60] 5. Die angefochtene Entscheidung ist somit aus den genannten Gründen zu bestätigen. Die dies tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

[61] 5.1. § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG hat an der zuvor bestehenden Rechtslage zur Amtshaftung des Bundes gegenüber dem beaufsichtigten Rechtsträger nichts geändert. Demnach ist es nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht, das Kreditinstitut selbst durch bestimmte Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens infolge eigener fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen.

[62] 5.2. Dass sich die Organe der Staatsanwaltschaft (hier jene der WKStA) bei der Prüfung des von einem anonymen Hinweisgebers geäußerten Vorwurfs von „Malversationen“ durch Organe einer Bank auf die Mitteilung der FMA verlassen, wonach sich dieser Verdacht im Rahmen einer Vor-Ort-Prüfung durch die OeNB als deren Hilfsorgan nicht bestätigt habe, und aufgrund dieser Mitteilung von weiteren Ermittlungen absehen, ist im Einzelfall als rechtlich vertretbar anzusehen.

[63] 5.3. Jene Vorschriften, welche die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens regeln, bezwecken nicht auch die Verhinderung von Schäden, die aufgrund ganz anderer Straftaten als jener, wegen derer ein Ermittlungsverfahren geführt werden soll, verursacht wurden, auch wenn diese (anderen) Straftaten in einem solchen Ermittlungsverfahren zufällig entdeckt worden wären.

6. Zu den Kosten:

[64] Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte