Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Amtshaftungsprozess ist Ausfluss einer „Testamentsaffäre“, in die der Nebenintervenient, Kurt T*****, Peter H***** und ein Rechtsanwalt involviert waren.
Der Nebenintervenient arbeitete seit 1998 als Grundbuchsrechtspfleger beim Bezirksgericht D*****. Seit 1. 4. 2006 war er Vorsteher der Geschäftsstelle dieses Bezirksgerichts. Nicht festgestellt werden kann, ob der Nebenintervenient bereits vor seiner Bestellung zum Geschäftsstellenleiter dieses Bezirksgerichts „de facto“ diese Stellung inne hatte. Kurt T***** war von 1994 bis zu seiner Entlassung im November 2009 Kanzleileiter der Außerstreitabteilung des Bezirksgerichts D*****. Peter H***** ist ein Schulkollege und Jugendfreund des Nebenintervenienten. Zuletzt war er als Buchhalter für eine Siedlungsgesellschaft tätig. Der involvierte Rechtsanwalt verstarb im Mai 2008.
Drei Verlassenschaftsverfahren sind hier von Bedeutung:
Verlassenschaftssache Ernst R***** (AZ ***** des Bezirksgerichts D*****):
Ernst R***** hatte einen von seinem Vater gegründeten Schlossereibetrieb übernommen und diesen bis zu seiner Pensionierung weitergeführt. 1996 heiratete er, wobei die Ehe kinderlos blieb. Am 29. 6. 2004 beging er Selbstmord. Er hinterließ zahlreiche Grundstücke und Barguthaben. Der Wert seines Vermögens belief sich nach Abzug der Passiva zum Todeszeitpunkt auf zumindest 1.870.000 EUR. Als gesetzliche Erben kamen sechs Geschwister des Verstorbenen in Betracht. Der Rechtsanwalt und der Nebenintervenient verfolgten die Absicht, das Vermögen von Ernst R***** zunächst über die Verlassenschaft von Wilfrieda R***** umzuleiten, damit über die Verlassenschaft nach Sieglinde P***** der Scheinerbe Peter H***** eingesetzt werden kann. Zu diesem Zweck wurde ein Testament des Ernst R***** gefälscht, wodurch dessen Vermögen Wilfrieda R***** (bzw dem ruhenden Nachlass) eingeantwortet wurde.
Verlassenschaftssache Wilfrieda R***** (AZ ***** des Bezirksgerichts D*****):
Wilfrieda R***** war ledig und kinderlos geblieben. Über sie wurde im Juli 2003 ein Sachwalterschaftsverfahren eröffnet und mit Beschluss des Bezirksgerichts D***** vom 3. 12. 2003 ein einstweiliger Sachwalter bestellt. Am 19. 2. 2004 übersiedelte sie in die „Seniorenresidenz D*****‑M*****“, wo sie am 21. 1. 2005 verstarb. Sie hinterließ ein (echtes) Testament vom 14. 10. 1991, in dem sie ihren Bruder Werner zum Alleinerben und ‑ im Fall seines Vorablebens ‑ ihre beiden Cousinen (die Klägerinnen) zu Ersatzerben ihres gesamten Vermögens berief. Ihr Nachlass setzte sich zusammen aus dem „umgeleiteten“ Nachlass nach Ernst R***** im Wert von zumindest 1.870.000 EUR, der mit Beschluss des Bezirksgerichts D***** vom 22. 11. 2005 zur Gänze ihrer Verlassenschaft eingeantwortet worden war, und aus dem Wert ihres eigenen Vermögens in Höhe von zumindest 117.000 EUR. Aufgrund von gefälschten Testamenten wurde das Vermögen von Wilfrieda R***** letztlich Peter H***** als Erben nach Sieglinde P***** eingeantwortet.
Verlassenschaftssache Sieglinde P***** (AZ ***** des Bezirksgerichts D*****):
Sieglinde P***** war kinderlos. Sie besaß in I***** eine Wohnung, lebte jedoch alleinstehend in D*****, wo sie bis zu ihrer Pensionierung als Arbeiterin tätig war. Kurz vor ihrem Tod am 22. 2. 2004 wurde über sie ein Sachwalterschaftsverfahren beim Bezirksgericht D***** eröffnet. Sie hatte keine letztwillige Verfügung hinterlassen. Der Wert ihres Vermögens belief sich zum Todeszeitpunkt auf 233.636,52 EUR. Der Rechtsanwalt erstellte ein falsches fremdhändiges Testament der Sieglinde P***** und datierte dieses in das Jahr 1985 zurück. Er setzte darin Maria ***** V***** als Alleinerbin ein und bestimmte für den Fall, dass diese vorverstorben sein sollte, deren Enkel Peter H***** als Alleinerben im selben Umfang. Maria ***** V***** war bereits am 3. 12. 1986 verstorben, sodass sie aufgrund des gefälschten Testaments vom 12. 4. 1985 als Erbin nicht in Betracht kam, weshalb ihr Enkel Peter H***** als Ersatzerbe die Erbschaft antreten konnte.
Fälschung des Testaments des Ernst R*****:
Um das Vermögen des Ernst R***** auf den Scheinerben Peter H***** übertragen zu können, ohne dass dies besonders auffällt, entschlossen sich der Nebenintervenient und der Rechtsanwalt, auf Zeitgewinn zu arbeiten und die Verlassenschaft von Ernst R***** vorerst an eine betagte und demente Person zu übertragen, um dann später deren Nachlass mithilfe eines weiteren falschen Testaments an Peter H***** transferieren zu können. Für diese Zwecke bot sich die Betroffene Wilfrieda R***** als ideale Person an. Im Jänner 2005 fertigte der Rechtsanwalt ein „eigenhändiges“ Testament des Erblassers Ernst R***** an, worin dieser Wilfrieda R***** als Alleinerbin einsetzte. Der Nebenintervenient stellte das gefälschte Testament dem Gerichtskommissär zur Verfügung, der es als letztwillige Verfügung am 25. 1. 2005 kundmachte. Mit dem Tod Wilfrieda R*****s am 21. 1. 2005 hatten der Nebenintervenient und der Rechtsanwalt nicht gerechnet. Der inventarisierte Nachlass von Ernst R***** wurde aufgrund der aus dem Titel des (gefälschten) Testaments abgegebenen bedingten Erbserklärung mit der Einantwortungsurkunde vom 22. 11. 2005 der Verlassenschaft nach Wilfrieda R***** ins Alleineigentum eingeantwortet. Nachdem sich der Nachlass von Ernst R***** in der Verlassenschaft nach Wilfrieda R***** befand, beabsichtigten der Rechtsanwalt und der Nebenintervenient, diese Verlassenschaft auf Peter H***** umzuleiten.
Erste Fälschung des Testaments der Wilfrieda R*****:
Der Nebenintervenient wusste, dass Wilfrieda R***** ein (echtes) Testament bei einem Notar hinterlegt hatte. Nachdem dieses Testament im Verlassenschaftsverfahren nach Wilfrieda R***** kundgemacht und dem Gericht zur Hinterlegung vorgelegt worden war, erstellte der Rechtsanwalt ein auf 7. 5. 1993 datiertes gefälschtes Dreizeugentestament. Die Unterschriften wurden vom Rechtsanwalt gefälscht, wobei er hiezu gemeinsam mit dem Nebenintervenienten Vorlagen im Urkundenarchiv des Bezirksgerichts D***** gefunden hatte. Der Rechtsanwalt erstellte in seiner Anwaltskanzlei Kopien dieser Unterschriften auf einer Klarsichtfolie. Die Kopiermaschine beim Bezirksgericht D***** war dafür nicht geeignet, weil sie zu heiß wurde und die Folien beschädigte.
Die gefälschten Unterschriften auf dem angeblichen Testament der Wilfrieda R***** vom 7. 5. 1993 entstammten nachstehenden Dokumenten:
„Wilfrieda R*****“: von der Todfallsaufnahme im Verlassenschaftsverfahren nach Amelia R*****, AZ ***** des Bezirksgerichts D*****.
„Herbert W*****“: vom Testament des Herbert W*****, welches im Urkundenarchiv deponiert war. Dieses gehörte zum Verfahren AZ ***** des Bezirksgerichts D*****.
„Ingeborg V*****“: vom Testament des Herbert W*****.
„Dr. Erich H*****“: vom Testament des Herbert W*****.
Der Rechtsanwalt gab das gefälschte Testament der Wilfrieda R***** mit einem Kuvert der Stadt D***** bei der Einlaufstelle des Bezirksgerichts D***** ab, damit es wirke, als ob das Testament vom „Seniorenheim M*****“, wo Wilfrieda R***** zuletzt gewohnt hatte, übermittelt worden wäre. In diesem gefälschten Testament der Wilfrieda R***** wurde Sieglinde P***** mit 80 % des Nachlasses bedacht. Das Testament wurde schließlich auch kundgemacht. Im Verlassenschaftsverfahren nach Wilfrieda R***** lagen widerstreitende Erbantrittserklärungen vor, sodass ein gerichtliches Verfahren über das Erbrecht im Sinn des § 161 AußStrG geführt wurde und sich fünf Parteien gegenüberstanden. Als der Verlassenschaftsakt Anfang März 2006 wieder vom Notar dem Gericht zurückgestellt worden war, erfuhr der Nebenintervenient erstmals davon, dass angeblich Stimmen laut geworden seien, wonach die Unterschrift der Testamentszeugin Ingeborg V***** gefälscht sei. Ingeborg V***** behauptete, die Unterschrift auf dem Testament Wilfrieda R***** stamme nicht von ihr. Der zuständige Richter schrieb eine Tagsatzung für den 13. 7. 2006 aus und verfügte auf der Ladung, dass das Originaltestament beizuschließen sei. Auch der Rechtsanwalt wusste von diesen Vorkommnissen, er und der Nebenintervenient befürchteten, dass die Fälschung auffliegen könnte. Der Rechtsanwalt erklärte daraufhin, dass er sich um dieses Problem kümmern und das Testament vom 7. 5. 1993 verschwinden lassen werde und dass ein neues Testament hergestellt werden müsse. Er fand heraus, dass sich der Akt im Zimmer bei einem Rechtspraktikanten befand, wartete einen günstigen Zeitpunkt ab und entnahm daraufhin das gefälschte Testament aus dem Verlassenschaftsakt und ließ es „verschwinden“. Dies erzählte der Rechtsanwalt dem Nebenintervenienten.
Zweite Fälschung des Testaments der Wilfrieda R*****:
Anfang August 2006 teilte Kurt T***** dem Nebenintervenienten mit, dass ihn die Anwältin Mag.a L***** gebeten habe, im Register nochmals zu prüfen, ob nicht doch noch ein Testament von Wilfrieda R***** irgendwo registriert sei. Dies brachte den Rechtsanwalt und den Nebenintervenienten auf die Idee, die Sache mit einem neuen Testament (einer weiteren Fälschung) so zu „drehen“, als ob es schon einmal gerichtlich hinterlegt, aber noch zu Lebzeiten von Wilfrieda R***** wieder abgeholt worden wäre. Der Nebenintervenient und der Rechtsanwalt planten, dass der Nebenintervenient das Testament über seinen Bruder, der damals Pfleger im „Seniorenheim M*****“ war, zu den Sachen von Wilfrieda R***** legen lasse, die noch im Keller des Seniorenheims gelagert waren. Daraufhin wollten der Rechtsanwalt und der Nebenintervenient Gerüchte an die Parteienvertreter streuen, wonach im Seniorenheim möglicherweise noch ein Testament der Wilfrieda R***** zu finden sei, um dieses dann tatsächlich dort aufzufinden.
Anfang August 2006 bat der Nebenintervenient Kurt T*****, ihm ein Muster für eine Testamentshinterlegung zu geben. Kurt T***** händigte dem Nebenintervenienten ein Muster in Kopie aus. Der Nebenintervenient kam mit dem Rechtsanwalt überein, die Hinterlegung in das Jahr 1995 zu fälschen, weil zu diesem Zeitpunkt ein Mitarbeiter in der Außerstreitabteilung gearbeitet hatte, der aufgrund einer Erkrankung sehr unzuverlässig und schlampig gearbeitet hatte, was bekannt war. Der Nebenintervenient und der Rechtsanwalt fanden im Urkundenarchiv des Bezirksgerichts D***** eine Testamentshinterlegung des früheren Mitarbeiters der Außerstreitabteilung vom 24. 3. 1995, die zu UV *****/96 deponiert war. Der Nebenintervenient nahm das Protokoll samt angeschlossenem Testament und machte eine Kopie davon. Weiters nahm er zwei hinterlegte Testamente, nämlich jenes von Johann G***** (UV *****/1998) und jenes von Otto P***** (UV *****/1998) mit. Der Rechtsanwalt kopierte die Testamente in seinem Büro auf eine Klarsichtfolie und erstellte eine zweite Fälschung des Testaments lautend auf Wilfrieda R***** mit Datum vom 1. 3. 1995, wobei er Sieglinde P***** als alleinige Erbin einsetzte. Darauf fälschte er folgende Unterschriften:
„Wilfrieda R*****“, wobei als Vorlage wieder die Unterschrift der Genannten auf der Todfallsaufnahme im Verlassenschaftsverfahren nach Amelia R***** diente.
„Otto P*****“, wobei als Vorlage dessen Testament diente.
„Dr. Ernst G*****“, wobei als Vorlage dessen Testament diente.
„Manfred W*****“, wobei als Vorlage ebenfalls dessen Testament diente.
Fälschung des Registers:
Mit diesem gefälschten Testament gingen der Rechtsanwalt und der Nebenintervenient in die Außerstreitabteilung des Bezirksgerichts D*****, als Kurt T***** nicht anwesend war. Der Nebenintervenient und der Rechtsanwalt nahmen das „UV‑Register“ (Urkundenverzeichnis) zur Hand und fanden unter der Position *****/95 eine geeignete Stelle, um „die zweite Fälschung des Testaments der Wilfrieda R***** festzuhalten“. Der Nebenintervenient überklebte die Spalte Nr 3 im Zeileneintrag *****/95; diese Spalte beinhaltete den Ausstellungstag der Urkunde. Der Rechtsanwalt radierte die ursprüngliche Eintragung, lautend auf Regina G*****, aus und trug den Namen Wilfrieda R***** ein. Der Nebenintervenient holte das Originaltestament von Regina G***** mit der UV‑Zahl *****/95 aus dem Archiv und setzte dann das Hinterlegungsprotokoll für das Testament der Wilfrieda R***** mit Datum 24. 3. 1995 auf, wobei er als Vorlage hiefür das von Kurt T***** übergebene Muster zur Verfügung hatte. Außerdem verfasste der Nebenintervenient einen Aktenvermerk, wonach Wilfrieda R***** ihr Testament am 3. 5. 2005 (richtig: 1995) wieder behoben habe. Der Rechtsanwalt fälschte die Unterschriften des früheren Mitarbeiters der Außerstreitabteilung, indem er sie von den Originalunterlagen abpauste. Der Nebenintervenient setzte noch eine Meldung an das zentrale Testamentsregister auf, trug das Testament Wilfrieda R***** ein und ließ das Formular vom Rechtsanwalt mit dem Vermerk „gelöscht“ durchstreichen.
Mit einer Kopie des zweiten gefälschten Testaments mit Datum 1. 3. 1995 ging der Nebenintervenient am nächsten Tag zu Kurt T***** in die Außerstreitabteilung und händigte ihm dieses Konvolut an Hinterlegungsdokumenten der Wilfrieda R***** aus. Er bat Kurt T*****, der Anwältin Mag.a L***** die Information zukommen zu lassen, dass nun doch ein Testament von Wilfrieda R***** gefunden worden sei; weiters solle er ihr erklären, dass sich das Originaltestament wahrscheinlich noch unter ihren Habseligkeiten, die nach wie vor im Seniorenheim deponiert seien, befände. Er sagte ihm auch noch, dass er sich diesbezüglich auf den früheren Mitarbeiter der Außerstreitabteilung stützen sollte, der bekanntermaßen unzuverlässig gearbeitet habe. Daraufhin trug Kurt T***** den Eintrag R***** im A‑Namensverzeichnis eigenhändig nach. Richtigerweise müsste es ein Eintrag aus dem Jahr 1995 sein; tatsächlich steht der Namenseintrag hinter einem Eintrag aus dem Jahr 2006, also sichtlich nachgetragen. Damit sollte der Anschein erweckt werden, als ob der frühere unzuverlässige Mitarbeiter der Außerstreitabteilung seinerzeit vergessen hätte, das Testament von Wilfrieda R***** vom 1. 3. 1995 ins Namensregister A einzutragen. Inwieweit Kurt T***** wusste, dass das Testament der Wilfrieda R***** vom 1. 3. 1995 falsch war, kann nicht festgestellt werden. Der Nebenintervenient fertigte eine Kopie des gefälschten Testaments vom 1. 3. 1995 an und ließ die Kopie mit dem erwähnten Hinterlegungsprotokoll samt Behebungsvermerk bei Kurt T***** zurück.
Das Original des gefälschten Testaments streifte der Nebenintervenient vor dem Bezirksgericht am Straßenrand auf den Boden, damit es verschmutzt aussah. Danach faltete er es und gab es seinem Bruder, welcher das gefälschte Testament in den Sack mit den Utensilien von Wilfrieda R***** legte, der im Keller des Seniorenheims verwahrt war.
Kurt T***** erklärte daraufhin über Ersuchen des Nebenintervenienten der Anwältin von Peter H*****, Mag.a L*****, dass er zufällig im Register auf ein hinterlegtes Testament der Wilfrieda R***** gestoßen sei. Weiters erklärte Kurt T***** dieser Anwältin, dass damals ein psychisch auffälliger Kanzleiangestellter Dienst verrichtet habe, der einige Sachen nicht eingetragen habe, sodass er erst jetzt auf diese Eintragung gestoßen sei. Es befände sich nur eine Kopie des Testaments bei Gericht, die Anwältin solle einen entsprechenden Antrag stellen. Daraufhin verfügte der Verlassenschaftsrichter, man möge der Anwältin eine Kopie dieses nunmehr aufgetauchten Testaments zur Verfügung stellen. Kurt T***** erstellte daraufhin eine Kopie des gefälschten Testaments und übermittelte dieses der Anwältin. Weiters erklärte Kurt T***** der Anwältin, sie solle einen Antrag stellen, im Seniorenheim Nachschau nach dem Original des gefälschten Testaments zu halten. Er erklärte der Anwältin, dass sich im Seniorenheim noch Sachen von Wilfrieda R***** befänden, die noch nicht gesichtet worden seien. Mit Eingabe vom 29. 8. 2006 stellte die Anwältin einen entsprechenden Antrag. Daraufhin wurden mit Beschluss des Bezirksgerichts D***** vom selben Tag der Nebenintervenient und Kurt T***** beauftragt, im Seniorenheim Nachschau zu halten; sie fanden in Begleitung einer Rechtspraktikantin „zufällig“ das Testament vom 1. 3. 1995, welches schließlich im Verlassenschaftsverfahren nach Wilfrieda R***** vorgelegt wurde. In der Tagsatzung vom 13. 7. 2006 wurde den Parteien des Verlassenschaftsverfahrens dieses Testament (die zweite Fälschung) vom Richter zur Kenntnis gebracht. In der Tagsatzung vom 19. 4. 2007 wurde zwischen den „erbantrittsberechtigten“ Parteien eine Einigung gefunden und daraufhin der Nachlass (bestehend aus dem Vermögen von Wilfrieda R***** und dem Vermögen von Ernst R*****) nach der Verstorbenen Wilfrieda R***** mit Beschluss vom 26. 7. 2007 eingeantwortet, wobei (ua) auf Peter H***** 380/1000 Anteile und auf die Klägerinnen jeweils 70/1000 Anteile fielen.
Aufgrund dieser Manipulationen von Testamenten sind den Klägerinnen Anwaltskosten entstanden, weil sie sich im Verlassenschaftsverfahren nach Wilfrieda R***** anwaltlich vertreten ließen. Darüber hinaus sind ihnen im Zusammenhang mit der Verwertung des Vermögens von Wilfrieda R***** sowie nach Bekanntwerden der Fälschungen durch die „Rückabwicklung des Vermögens“ Kosten entstanden. Da im Nachlass von Wilfrieda R***** Vermögenswerte des Ernst R***** enthalten waren, die sich ohne Fälschungshandlungen nicht im Nachlass befunden hätten, ist den Klägerinnen eine höhere Erbschaft zugesprochen worden, die sie nach Bekanntwerden der Fälschungen wieder herausgeben mussten.
Die Klägerinnen begehrten zuletzt (nachdem sie ursprünglich gemeinsam 25.000 EUR begehrt hatten) von der Beklagten die Zahlung eines Betrags von je 12.500 EUR sA und brachten dazu vor, aufgrund der „Testamentsaffäre“ am Bezirksgericht D***** stünden ihnen Amtshaftungsansprüche zu. Der Nebenintervenient habe ab 1998 als Grundbuchsrechtspfleger beim Bezirksgericht D***** gearbeitet. Ab 2006 sei er dort Geschäftsstellenleiter gewesen. Kurt T***** sei von 1994 bis zu seiner Entlassung im November 2009 Kanzleileiter in der Außerstreitabteilung des Bezirksgerichts D***** gewesen. Peter H***** sei kein Bediensteter des Bezirksgerichts D***** gewesen, habe aber die Machenschaften des Nebenintervenienten, in die ein namentlich genannter Rechtsanwalt involviert gewesen sei, gekannt und sich als Scheinerbe zur Verfügung gestellt. Der Nebenintervenient habe gegen mehrere Schutzgesetze verstoßen und den Rechtsanspruch der Klägerinnen auf die wahrheitsgemäße Vornahme von Beglaubigungen, die ordnungsgemäße Aufbewahrung von über letztwillige Anordnungen errichtete Urkunden, die ordnungsgemäße Führung und inhaltliche Richtigkeit der Urkunden‑ und Namensverzeichnisse und die gesetzeskonforme Abhandlung von Verlassenschaften wissentlich missbraucht. Auch habe er es absichtlich unterlassen, falsche Sachverhalte, Tatsachen und Urkunden rechtzeitig und wahrheitsgemäß aufzuklären und richtigzustellen, um Schaden zu vermeiden. Er habe die Klägerinnen und Organe der Gerichtsbarkeit über Tatsachen und Rechtsvorgänge getäuscht, indem er Testamente und gerichtliche Aktenvermerke, Aufzeichnungen sowie Vormerkbücher gefälscht habe bzw gefälschte Testamente, Aktenvermerke und Aufzeichnungen in gerichtliche Verfahren „einfließen habe lassen“. Unter Ausnützung der ihm durch seine Tätigkeit als Beamter und Fachkraft beim Bezirksgericht gebotenen Gelegenheiten, Kenntnisse und Zugangsmöglichkeiten habe er die Klägerinnen zu Handlungen verleitet, die ihnen schlussendlich einen großen Schaden verursacht hätten. Beim Verhalten des Nebenintervenienten liege ein innerer und äußerer Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit als Rechtspfleger und Beamter in Vollziehung der Gesetze vor. Mit Wirkung vom 1. 4. 2006 sei der Nebenintervenient, der zuvor schon seit dem Jahr 2002 de facto die Funktion des Vorstehers der Geschäftsstelle beim Bezirksgericht D***** ausgeübt habe, zum Leiter/Vorsteher der Geschäftsstelle des Bezirksgerichts bestellt worden. Seit 1. 4. 2006 habe er alle Malversationen und alle Unterlassungen (insbesondere auch die Kontrollpflichten) „de iure“ als Leiter der Geschäftsstelle begangen. Den ihm kraft seiner Stellung möglichen Zugang zum Archiv und den Gerichtsakten habe er insofern missbraucht, als er dem Rechtsanwalt gerichtsinterne Unterlagen, Informationen und Stempel zur Fälschung von Unterschriften zur Verfügung gestellt habe.
Im Zusammenhang mit der „Rückabwicklung der Verlassenschaft“ seien den Klägerinnen Vertretungskosten in Höhe von zumindest 50.000 EUR entstanden, wobei „derzeit lediglich“ ein Teilbetrag geltend gemacht werde.
Die Beklagte wandte ein, dass es für die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs am äußeren und inneren Zusammenhang zwischen den vom Nebenintervenienten vorgenommenen Handlungen und der dem Organ übertragenen Aufgabe fehle. Kurt T***** sei der einzige gewesen, der in der Außerstreitabteilung tätig gewesen sei; dieser bestreite allerdings alle Vorwürfe. Der Nebenintervenient hingegen habe nie Außerstreitangelegenheiten behandelt, insbesondere keine Verlassenschaftsverfahren. Für die Abgrenzung der Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze zu einer privaten Handlung komme es darauf an, ob zwischen der Erfüllung von Aufgaben hoheitlicher Zielsetzung und der schädigenden Handlung selbst noch ein derart enger Zusammenhang bestehe, dass auch die konkrete Handlung noch als Hoheitsmaßnahme zu werten sei. Hier fehle dieser Zusammenhang, sodass die Haftungsgrundlage nach dem AHG entfalle. Es liege unter dieser Voraussetzung kein rechtswidriges Organhandeln vor. Die handelnde Person trete dann vielmehr aus ihrer Organstellung heraus und setze in ihrem privaten Bereich Handlungen, die auch jeder Dritte, wäre er in einer vergleichsweisen Lage wie das Organ, als Privatmann gesetzt haben könnte. Der Nebenintervenient habe beim Bezirksgericht D***** zunächst als Grundbuchsrechtspfleger gearbeitet. Die Beklagte habe nicht mit einer so professionellen Vorgangsweise rechnen müssen; eine derartige Überprüfung sei im Gesetz nicht vorgesehen bzw würden die Prüfpflichten der Beklagten überspannt werden. Es fehle am Rechtswidrigkeitszusammenhang, der Schaden sei nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst. Bestritten werde auch die Höhe des Schadens, wobei den Klägerinnen auch eine Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht anzulasten sei.
Der Nebenintervenient auf Beklagtenseite brachte vor, dass eine Schadensgutmachung deshalb nicht erfolgt sei, weil seitens der Behörden die beschlagnahmten Vermögenswerte trotz vorliegender Titel nicht freigegeben worden seien.
Das Erstgericht wies das ursprüngliche (nicht das modifizierte) Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, dass unerlaubte Handlungen in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht in einer dem Geschäftsherrn zurechenbaren Weise vom Erfüllungsgehilfen begangen werden könnten, wenn zwischen dem schädigenden Verhalten des Erfüllungsgehilfen und der vertragsgemäßen Erfüllung ein innerer Zusammenhang bestehe. Eine Haftung des Geschäftsherrn nach § 1313a ABGB scheide jedoch für Schädigungen aus, die der Gehilfe dem Gläubiger nur gelegentlich (anlässlich) der Vertragserfüllung zugefügt habe und die eine selbständige unerlaubte Handlung darstellten. Diese Grundsätze würden auch für das Amtshaftungsrecht gelten. Ein Rechtsträger hafte daher nicht, wenn sein Organ einen Schaden nur „bei Gelegenheit“ der Ausführung seiner Verpflichtungen verursache. Nehme ein Organ Handlungen vor, die mit den Aufgaben seines Amts in keinerlei Zusammenhang stünden, komme eine Zurechnung dieses Verhaltens an den Rechtsträger, der ihn bestellt habe, selbst dann nicht in Betracht, wenn die betreffende physische Person als Organ auftreten habe wollen und tatsächlich als solches aufgetreten sei. Hier sei der für die Haftung vorausgesetzte innere Zusammenhang zwischen den Handlungen des Nebenintervenienten und seiner hoheitlichen Aufgaben zu verneinen. Die wesentlichen Fälschungshandlungen seien von einem Rechtsanwalt gesetzt worden. Die Tätigkeiten des Nebenintervenienten (Aufsetzen eines Hinterlegungsprotokolls, Gewähren des Zugangs zum Urkundenarchiv, etc) stünden in keinerlei Zusammenhang mit den ihm übertragenen hoheitlichen Aufgaben als Rechtspfleger oder als Leiter der Geschäftsstelle. Die missbräuchliche Verwendung der im Bezirksgericht D***** vorhandenen Infrastruktur und der vorhandenen Dokumente sei als Ausnützung hoheitlich geschaffener Gelegenheit anzusehen, die die Zuordnung dieses Verhaltens zum Rechtsträger ausschließe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen Folge und änderte das Ersturteil in ein klagestattgebendes Zwischenurteil ab. Im Bereich der Gerichtsbarkeit einzuhaltende Bestimmungen seien regelmäßig Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB. Der Geschädigte brauche nur die Übertretung der Schutznorm durch ein Organ und den Schaden nachzuweisen; „ihr“ Zweck könne nicht nur die Sicherung eines raschen und ordnungsgemäßen Gerichtsbetriebs ‑ als Selbstzweck ‑ sein, vielmehr solle allfälligen Missständen in diesem Bereich vorgebeugt werden, um den Anspruch der Parteien auf eine gesetzeskonforme und damit rechtmäßige Behandlung der Akten zu sichern. Der Nebenintervenient wäre spätestens am 1. 4. 2006, als er zum Vorsteher der Geschäftsstelle des Bezirksgerichts D***** bestellt worden sei, verpflichtet gewesen, gemäß § 49 Abs 2 Geo für eine vorschriftsmäßige Geschäftsführung zu sorgen. Ihm sei jedoch nicht nur diese Unterlassung anzulasten, er müsse sich darüber hinaus auch eine Vielzahl aktiver Tathandlungen vorwerfen lassen, die der Beklagten, weil im inneren Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als Vorsteher der Geschäftsstelle stehend, zuzurechnen seien. So habe er Kurt T***** gebeten, ihm ein Muster für eine Testamentshinterlegung zu geben. Zusammen mit dem Rechtsanwalt habe er im Urkundenarchiv des Bezirksgerichts D***** eine vom früheren Mitarbeiter der Außerstreitabteilung bearbeitete Testamentshinterlegung aufgefunden, das entsprechende Protokoll samt dem angeschlossenen Testament entnommen und Kopien davon angefertigt; darüber hinaus habe er zwei (bei Gericht) hinterlegte Testamente entnommen, die in der Folge im Zusammenhang mit der Herstellung gefälschter Unterschriften verwendet worden seien. Weiteres habe er in Abwesenheit des zuständigen Kanzleibediensteten Kurt T***** in der Außerstreitabteilung des Bezirksgerichts D***** das „UV‑Register“ gefälscht und in diesem Zusammenhang einen unrichtigen Aktenvermerk verfasst, wonach Wilfrieda R***** ihr Testament am 3. 5. 2005 (richtig: 1995) wieder behoben habe. Am 29. 8. 2006 habe er schließlich im Auftrag des Verlassenschaftsrichters das gefälschte Testament der Wilfrieda R***** „gefunden“, welches in der Folge dem Verlassenschaftsverfahren nach Wilfrieda R***** zu Grunde gelegt worden sei. Damit liege ‑ insbesondere auch unter Berücksichtigung der Judikatur zu § 1313a ABGB ‑ ein ausreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang der Malversationshandlungen des Nebenintervenienten mit seinen hoheitlichen Aufgaben vor, woraus folge, dass sich die Beklagte Schäden aus diesem Organhandeln zurechnen lassen müsse. Ein Schaden, der in einem vermeidbaren Verfahrensaufwand bestehe, sei grundsätzlich nach § 1 Abs 1 AHG ersatzfähig.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu einem ähnlich gelagerten Fall fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägerinnen beantwortete ordentliche Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haftet unter anderem der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als seine Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Ein derartiges rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger zum Schadenersatz verpflichtet, kann auch in einer Unterlassung bestehen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden gegeben war und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (1 Ob 5/93 mwN).
2. Die beiden Klägerinnen machen einen bloßen Vermögensschaden geltend. Nach ständiger Rechtsprechung macht die Verursachung eines Vermögensschadens nur dann ersatzpflichtig, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt (1 Ob 191/99s mwN). In Frage kommt hier nur die Übertretung eines Schutzgesetzes.
Voraussetzung für den von den Klägerinnen geltend gemachten Amtshaftungsanspruch ist deren Stellung als unmittelbar Geschädigte aus dem von ihnen behaupteten rechtswidrigen und schuldhaften Organverhalten des Nebenintervenienten. Maßgebend dafür ist, ob der Schutzzweck der übertretenen Verhaltensnorm gerade auch den eingetretenen Schaden verhindern sollte und daher zwischen diesem und der Normverletzung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Der Zweck einer Norm ergibt sich aus deren wertender Beurteilung. Dabei genügt für die Annahme eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der Verletzung einer bestimmten Norm und dem dadurch im Vermögen eines Dritten eingetretenen Schaden, dass jene dessen Verhinderung bloß mitbezweckte, also nach deren Schutzzweck auch die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen intendiert war (1 Ob 43/95 mwN; vgl zuletzt 1 Ob 34/10x). Das Fehlverhalten gegenüber den durch die Norm geschützten Interessen ist rechtswidrig. Es wird somit für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, deretwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Die verletzte Amtspflicht muss gerade dem Geschädigten gegenüber oblegen sein (1 Ob 5/93 ua; RIS‑Justiz RS0031143 [T6]).
3. Die Tätigkeit der Gerichte ist stets hoheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung ist der gesamte Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben zum Gegenstand hat, einheitlich als hoheitlich zu beurteilen. Dies ist auch dann der Fall, wenn durch das Handeln die Ausübung hoheitlicher Gewalt bloß vorbereitet wird. Die Tätigkeit der Organe der Justizverwaltung, soweit sie über die Sachmittelverwaltung im Sinn des § 73 Abs 1 Z 1 GOG hinausgeht und nicht ohnedies die Erledigung durch Bescheid zu erfolgen hat, ist als die hoheitliche Tätigkeit der Gerichte vorbereitend und unterstützend selbst hoheitlich. Das gilt selbst dann, wenn das an sich ordnungsgemäß bestellte Organ Handlungen vornimmt, zu welchen es nicht berufen ist, das Organ also seine Kompetenzen überschreitet (1 Ob 117/97f = SZ 70/160). Die Justizverwaltung erfolgt also in Vollziehung der Gesetze, soweit sie die hoheitliche Tätigkeit der Gerichte vorbereitet und unterstützt (Schragel, AHG³ [2003] Rz 59; vgl Vrba/Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht [1983] 98 f).
4. Einhellige Lehre und Rechtsprechung zu § 1313a ABGB ist es, dass unerlaubte Handlungen in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht in einer dem Geschäftsherrn zurechenbaren Weise vom Erfüllungsgehilfen begangen werden können, wenn zwischen dem schädigenden Verhalten des Erfüllungsgehilfen und der vertragsgemäßen Erfüllung ein innerer Zusammenhang besteht; hingegen wird eine Haftung des Geschäftsherrn für Schädigungen ausgeschlossen, die der Gehilfe dem Gläubiger nur gelegentlich (anlässlich) der Vertragserfüllung zugefügt hat und eine selbständige unerlaubte Handlung darstellen. Diese Grundsätze gelten auch im Amtshaftungsrecht: Der Rechtsträger haftet für unerlaubtes Verhalten seiner Organe, die mit ihren hoheitlichen Aufgaben im inneren Zusammenhang stehen; auch rechtswidrige Akte der Vollziehung sind in der Regel nicht Nichtakte, sondern dem Rechtsträger, für den sie gesetzt wurden, zuzurechnen, ebenso Unterlassungen, wenn gehandelt hätte werden müssen; und der Rechtsträger haftet nach dem AHG, wenn durch das rechtswidrige und schuldhafte Organverhalten Schaden entstand, der bei rechtmäßiger Vollziehung der in Betracht kommenden Gesetze vermieden worden wäre. Der Rechtsträger haftet hingegen nicht, wenn sein Organ einen Schaden nur „bei Gelegenheit“ der Ausführung seiner Verpflichtungen verursachte (Schragel aaO Rz 124 mwN).
Die bloße Überschreitung der Zuständigkeit kann die Qualifikation als Organhandlung nicht ausschließen; eine schuldhafte Gesetzesverletzung, für die der Rechtsträger zu haften hat, liegt vielmehr nicht selten gerade darin, dass ein Organ nicht im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit handelte (1 Ob 121/09i mwN). Eine Organhandlung wäre nur dann zu verneinen, wenn das dem Nebenintervenienten vorgeworfene Verhalten seiner Art nach erkennbar nicht zu dessen Vollzugsbereich gehört hätte (1 Ob 79/05g mwN; 1 Ob 121/09i).
5. Der Nebenintervenient arbeitete seit 1998 als Grundbuchsrechtspfleger beim Bezirksgericht D***** und war seit 1. 4. 2006 Vorsteher der Geschäftsstelle dieses Gerichts. Die Fälschungen des Testaments von Ernst R***** und die erste Fälschung des Testaments von Wilfrieda R***** fallen in den Zeitraum seiner Tätigkeit als Rechtspfleger in Grundbuchssachen. Im Zeitpunkt der Fälschung des zweiten Testaments von Wilfrieda R***** und der Fälschung des „UV‑Registers“ hatte er bereits die Funktion als Vorsteher der Geschäftsstelle des Bezirksgerichts inne.
5.1. Fälschung des Testaments von Ernst R*****:
Bei den Tathandlungen des Nebenintervenienten im Zusammenhang mit der Fälschung des Testaments von Ernst R***** fehlt ein „innerer Zusammenhang“ mit einer hoheitlichen Tätigkeit. Der Rechtsanwalt fälschte im Jänner 2005 ein eigenhändiges Testament, das der Nebenintervenient dem Gerichtskommissär zur Verfügung stellte, der dieses Testament als letztwillige Verfügung von Ernst R***** kundmachte. Dass der Nebenintervenient dabei in Ausnützung seiner hoheitlichen Funktion als Grundbuchsrechtspfleger gehandelt oder eine hoheitliche Tätigkeit auch nur vorbereitet hätte, ist nicht hervorgekommen und wird von den Klägerinnen jedenfalls in der dritten Instanz nicht geltend gemacht.
5.2. Erste Fälschung eines Testaments der Wilfrieda R*****:
Ist ein Gerichtsbeamter zum Rechtspfleger in Grundbuchssachen bestellt (§ 2 Z 3 RpflG), umfasst sein Wirkungskreis die in § 21 Abs 1 RpflG genannten Tätigkeiten. § 49 Abs 1 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo) ordnet unter der Überschrift „Allgemeine Pflichten der Richter und sonstigen Bediensteten des Gerichtes“ an, dass die beim Gericht „verwendeten Personen“ die ihnen übertragenen Geschäfte dem Gesetz und den sonstigen Vorschriften gemäß nach bestem Wissen und Können mit tunlichster Raschheit auszuführen und insbesondere das Amtsgeheimnis zu wahren haben. Nach § 170 Abs 4 erster Satz Geo in der hier anzuwendenden Fassung vor BGBl II 2006/421 stand insbesondere Bediensteten des Gerichts zu amtlichen Zwecken die Einsicht in alle Akten des Gerichts offen.
Unabhängig davon, dass die dem Nebenintervenienten im Zeitraum seiner Tätigkeit als Rechtspfleger in Grundbuchssachen vorgeworfenen Handlungen nicht vom Wirkungskreis gemäß § 21 Abs 1 RpflG umfasst waren, sind die Bestimmungen des § 49 Abs 1 (Wahrung des Amtsgeheimnisses) und des § 170 Abs 4 erster Satz (idF vor BGBl II 2006/421) Geo (Akteneinsicht zu amtlichen Zwecken), die allgemein Gerichtsbedienstete betreffen, zu beachten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dritten Personen grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 2 ZPO das Recht auf Akteneinsicht zusteht. Diese Bestimmungen enthalten nicht nur bloße Dienstanweisungen an die Gerichtsbediensteten, sondern haben auch den Zweck, Personen, deren Daten von der rechtswidrigen Verletzung des Amtsgeheimnisses und der amtlichen Akteneinsicht betroffen sind, vor Vermögensnachteilen zu schützen. Nicht erfasst vom Schutzzweck dieser Bestimmungen sind jedoch Schäden, die als Folge dieser rechtswidrigen Vorgangsweise (Herstellung eines gefälschten Testaments) im Vermögen Dritter entstanden sind. Der Schutzzweck der Verhinderung der Preisgabe von Daten betroffener Personen erfasst somit nicht auch Vermögensschäden Dritter, die dadurch eintraten, dass der Nebenintervenient dem Rechtsanwalt den Zugang zum Urkundenarchiv des Bezirksgerichts eröffnete und aufgrund der aufgefundenen Dokumente die Erstellung eines gefälschten Testaments ermöglichte. Mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der Verletzung des Amtsgeheimnisses und Vermögensschäden Dritter infolge der Erstellung eines gefälschten Testaments besteht kein Amtshaftungsanspruch der Klägerinnen gegenüber der Beklagten aus dem Fehlverhalten des Nebenintervenienten während seiner Tätigkeit als Grundbuchsrechtspfleger (bis 31. 3. 2006).
5.3. Zweite Fälschung eines Testaments der Wilfrieda R***** und Verfälschung des Urkundenverzeichnisses:
Zur Besorgung der im Gerichtsorganisationsgesetz und in anderen Vorschriften der Gerichtskanzlei zugewiesenen Geschäfte besteht bei jedem Gericht eine Geschäftsstelle (§ 2 Abs 1 Geo). An der Spitze der Geschäftsstelle steht der Vorsteher der Geschäftsstelle (§ 2 Abs 4 erster Halbsatz Geo). Gemäß § 30 Abs 2 Geo wird bei Gerichtshöfen und bei großen Bezirksgerichten am Sitze der Gerichtshöfe ein Beamter „des gehobenen Dienstes, der die zweite Kanzleiprüfung mit Erfolg abgelegt hat“ (vgl jetzt aber insbesondere § 31 Abs 2 der Modularen Justizverwaltungsgrundausbildungs‑VO, BGBl II 2010/199) zur Leitung des gesamten Dienstes in der Geschäftsstelle bestellt. Bei den übrigen Bezirksgerichten ist ein Beamter „des gehobenen Dienstes oder des Fachdienstes, der auch anderweitig verwendet wird, mit der Aufsicht über die Geschäftsstelle zu betrauen (§ 49 GOG)“. Sowohl der Leiter des gesamten Dienstes als auch der aufsichtsführende Beamte heißen Vorsteher der Geschäftsstelle. Gemäß § 31 Abs 1 Geo hat der Vorsteher der Geschäftsstelle nach den Weisungen des Gerichtsvorstehers den gesamten Dienst in der Geschäftsstelle zu leiten (§ 49 Abs 2 Geo) und den „Amtswirtschaftsdienst“ zu besorgen. Er hat dem Gerichtsvorsteher von Zeit zu Zeit über den Stand der Geschäfte mündlich zu berichten und die zur Aufrechterhaltung einer raschen Abwicklung der Geschäfte dienlichen Anträge zu stellen. Wer ‑ wie der Vorsteher der Geschäftsstelle (Danzl, Geo4 § 49 Anm 3) ‑ eine leitende oder beaufsichtigende Stelle innehat, ist verpflichtet, in seinem Wirkungskreis auf eine gesetz‑ und vorschriftsmäßige, möglichst rasche, zweckmäßige, tunlichst einfache und gleichmäßige Geschäftsführung zu dringen, den seiner Leitung und Aufsicht unterstellten Personen erforderlichenfalls die nötigen Weisungen und Belehrungen zu erteilen, Verstöße abzustellen und Übelstände, die er nicht abzustellen vermag, der zuständigen Stelle anzuzeigen (§ 49 Abs 2 Geo). Nach § 170 Abs 2 Geo in der hier anzuwendenden Fassung vor BGBl II 2006/421 war demjenigen, der „sich ausweist, dass die Sache, in deren Akt er Einsicht wünscht, seine eigene oder die seines Machtgebers ist“, von der Geschäftsstelle Akteneinsicht und Abschriftenerteilung zu gewähren. Dem Vorsteher der Geschäftsstelle stand als Bediensteten des Gerichts zu amtlichen Zwecken die Einsicht in alle Akten des Gerichts offen (§ 170 Abs 4 erster Satz Geo idF vor BGBl II 2006/421). Gemäß § 369 Abs 3 Geo hat der Vorsteher der Geschäftsstelle die Register und sonstigen Geschäftsbehelfe zu prüfen. Dazu gehört auch das gemäß § 168 Abs 2 Geo zu führende Urkundenverzeichnis (UV). Nach § 363 Abs 1 letzter Halbsatz Geo sind Radierungen in den Registern nur hinsichtlich der Bleistiftbemerkungen in der Bemerkungsspalte zulässig.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass der Vorsteher der Geschäftsstelle, der bei seiner Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze als Organ des Bundes handelt, vornehmlich Realakte zu setzen hat. Er ist verpflichtet, in seinem Wirkungskreis auf eine gesetz‑ und vorschriftsmäßige Geschäftsführung zu dringen, hat Verstöße abzustellen und Übelstände, die er nicht abzustellen vermag, der zuständigen Stelle anzuzeigen (§ 49 Abs 2 Geo), kann jenen Personen, denen ein unbedingtes Recht auf Akteneinsicht zusteht, Akteneinsicht und Abschriftenerteilung gewähren (§ 170 Abs 2 Geo aF; nunmehr § 170 Abs 1 Geo); ihm steht zu amtlichen Zwecken die Einsicht in alle Akten des Gerichts offen (§ 170 Abs 4 erster Satz Geo aF; nunmehr § 170 Abs 3 erster Satz Geo) und er hat die Register und sonstigen Geschäftsbehelfe zu prüfen (§ 369 Abs 3 Geo).
In den Zeitraum der Tätigkeit des Nebenintervenienten als Vorsteher der Geschäftsstelle fällt die zweite Fälschung eines Testaments der Wilfrieda R***** und die Verfälschung des Urkundenverzeichnisses. Diesbezüglich besteht der innere Zusammenhang mit seiner hoheitlichen Tätigkeit. Der Nebenintervenient hat seine Verpflichtung, in seinem Wirkungskreis auf eine gesetz‑ und vorschriftsmäßige Geschäftsführung zu dringen und Verstöße abzustellen (§ 49 Abs 2 Geo), genau ins Gegenteil verkehrt. Die zweite Fälschung eines Testaments der Genannten ermöglichte er dadurch, dass er dem Rechtsanwalt entgegen § 170 Abs 2 und 4 Geo aF im Urkundenarchiv die Akteneinsicht gewährte und Akten einer von einem früheren Außerstreitrechtspfleger bearbeiteten Testamentshinterlegung (Protokoll samt angeschlossenem Testament) sowie zwei weitere hinterlegte Testamente entnahm. Damit war dem Rechtsanwalt eine weitere Fälschung des „fremdhändigen“ Testaments von Wilfrieda R***** möglich. Durch die Verfälschung des Urkundenverzeichnisses handelte er im denkbar höchsten Maß seiner Prüfungspflicht nach § 369 Abs 3 Geo zuwider. Zusammen mit dem Rechtsanwalt verfälschte er, was ihm insbesondere als Verstoß gegen § 363 Abs 1 letzter Halbsatz Geo anzulasten ist, unter Ausnützung seiner Funktion als Vorsteher der Geschäftsstelle das Urkundenverzeichnis. Darüber hinaus sorgte er in mehreren Schritten dafür, dass das gefälschte Testament in das Verfahren über das Erbrecht einbezogen wurde. Selbst wenn die Ansicht der Beklagten zutreffen sollte, dass diese Tathandlungen „durchwegs genauso von jeder anderen am Gericht (auch nicht hoheitlich) tätigen Person vorgenommen werden können“, setzte der Nebenintervenient seine Tathandlungen jedenfalls in einem ausreichenden inneren Zusammenhang mit seinen Aufgaben als Geschäftsstellenleiter. Er nützte die dadurch bestehenden Möglichkeiten aus, sodass der innere sachliche Zusammenhang zwischen den schädigenden Handlungen und seinen hoheitlichen Aufgaben besteht.
Unterlässt der Vorsteher der Geschäftsstelle pflichtgemäßes Handeln und nimmt sogar während des anhängigen Verlassenschaftsverfahrens nach Wilfrieda R***** in Ausnützung seiner Funktion aktiv Malversationen vor, so stehen die von den Klägerinnen als Erbinnen dadurch erlittenen Vermögensnachteile im Rechtswidrigkeits‑ zusammenhang mit § 49 Abs 2, § 363 Abs 1 letzter Halbsatz und § 369 Abs 3 Geo. Diese Normen trachten insbesondere, Verfälschungen des Urkundenverzeichnisses hintanzuhalten, und sind als Schutzgesetze zu Gunsten der Klägerinnen gegen die Vermögensnachteile anzusehen, die ihnen aus der Ausnützung der Stellung des Nebenintervenienten als Vorsteher der Geschäftsstelle dadurch erwachsen sind, dass er durch die vorgenommene Verfälschung des Urkundenverzeichnisses Einfluss auf das laufende Verlassenschaftsverfahren nahm.
Im Hinblick darauf, dass der Nebenintervenient dafür sorgte, dass das zweite, wie er ja wusste, gefälschte Testament von Wilfrieda R***** in das schon anhängige Verfahren über das Erbrecht nach dieser Eingang fand, ist von zentraler Bedeutung, dass er entgegen § 49 Abs 2 Geo diesen Verstoß weder abstellte noch den „Übelstand ... der zuständigen Stelle“ anzeigte. Die daraus resultierenden Vermögensschäden von Erben während des anhängigen Verlassenschaftsverfahrens sind vom Schutzzweck dieser Bestimmung erfasst.
Die Beklagte haftet daher dem Grunde nach den Klägerinnen als rechtmäßigen Erbinnen nach Wilfrieda R***** für den ihnen im Verlassenschaftsverfahren aus der zweiten Fälschung eines Testaments und der Verfälschung des Urkundenverzeichnisses kausal entstandenen Vermögens‑ schaden.
6. Der Revision der Beklagten ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 4 und § 393 Abs 4 ZPO.
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