European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:E82562
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 6.115,80 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die D* Bank AG (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) erwarb am 25. und 29. 9. 1998 Schuldverschreibungen der R* Bank AG (im Folgenden: R‑Bank) im Nominale von insgesamt 70 Mio ATS. Die Schuldverschreibungen sollten nicht im Vermögen der Gemeinschuldnerin bleiben, sondern an Kunden weitervertrieben werden. Die Aufsichtsratsmitglieder der Gemeinschuldnerin waren zwar über das beabsichtigte Geschäft durch den Geschäftsführer informiert, die Transaktion war jedoch nicht ordnungsgemäß genehmigt. Zum Zeitpunkt des Ankaufs der Schuldverschreibungen war die R‑Bank bereits zahlungsunfähig, wovon der Aufsichtsrat und der Vorstand der Gemeinschuldnerin nicht in Kenntnis waren. Bei Kenntnis der wahren Verhältnisse wäre es nicht zum Ankauf der Schuldverschreibungen gekommen. Als am 15. 10. 1998 die Geschäftsaufsicht über die R‑Bank verhängt wurde, waren die Schuldverschreibungen noch nicht am Markt platziert worden, sondern standen im Vermögen der Gemeinschuldnerin. Am folgenden Tag, dem 16. 10. 1998, veräußerte ein Vorstandsmitglied der Gemeinschuldnerin diese Schuldverschreibungen „zusammen mit weiteren Nominale ATS 11 Mio Schuldverschreibungen" der R‑Bank zu einem Kurs von 0,7%, also ATS 567.000,‑- zuzüglich Stückzinsen von ATS 3,442.500,‑- (zusammen ATS 4,009.500,‑‑) an eine andere Bank, ohne dass die Zustimmung des Mitvorstands und des Aufsichtsrats zu dieser Transaktion vorgelegen wäre. Am 27. 10. 1998 wurde über das Vermögen der R‑Bank das Konkursverfahren eröffnet; am 1. 12. 1998 kam es zur Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin focht den Veräußerungsvorgang gegenüber der Bank, die die Schuldverschreibungen erworben hatte, an. Diese übertrug in Erfüllung des Anfechtungsanspruchs Schuldverschreibungen im Gesamtnominale von 81 Mio ATS, darunter die Ende September 1998 erworbenen Schuldverschreibungen im Nominale von 70 Mio ATS, an die Konkursmasse zurück. Die Forderung auf Zahlung der Anleiheschuld an Kapital und Zinsen wurde im Konkurs über das Vermögen der R‑Bank vom Masseverwalter der Gemeinschuldnerin angemeldet und im Anmeldungsverzeichnung als anerkannt eingetragen. In den Jahresabschlüssen der R‑Bank fanden sich seit dem Jahr 1991 bis zum Jahr 1997 schwere Mängel, die im bankaufsichtlichen Prüfbericht entsprechend zu behandeln gewesen wären. Dennoch enthielten die Prüfberichte der Jahre 1995 bis 1997 keinen ausreichenden Hinweis auf die tatsächliche wirtschaftliche Situation der R‑Bank. Für diese Jahre hätte der Jahresabschluss der R‑Bank nicht mit einem Bestätigungsvermerk versehen werden dürfen. Hätten die Bankprüfer ihre Tätigkeit mit pflichtgemäßer Sorgfalt ausgeführt, wäre es jedenfalls vor dem Jahr 1998 zu bankaufsichtsbehördlichen Maßnahmen und auch zur Eröffnung des Konkursverfahrens gekommen.
Der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin begehrte mit seiner Klage den Zuspruch von 3,845.585,50 EUR sA. Eventualiter begehrte er die Feststellung, die beklagte Partei sei zum Ersatz allen Vermögensschadens verpflichtet, der der klagenden Partei dadurch entstanden sei, dass ihre Forderungen gegen die R‑Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb der Schuldverschreibungen infolge Insolvenz der R‑Bank uneinbringlich seien. Hilfsweise wurde weiters die Feststellung begehrt, die beklagte Partei hafte „für jenen Ausfall an anerkannten Quotenforderungen von 6,147.163,69 EUR im Konkurs über das Vermögen der R‑Bank", den die klagende Partei infolge Erwerbs der Anleihen erleide, abzüglich der bisher bereits ausgeschütteten Quoten von insgesamt 8,85 % und abzüglich der von dritter Seite erfolgten Teilzahlungen. Die Gemeinschuldnerin habe mit der R‑Bank den Exklusivvertrieb der R‑Bank‑Anleihe unter Zugrundelegung eines gemeinsamen Profitsplittings vereinbart gehabt. Die maximale Provision von 15,13 % sei für Platzierungen im ersten Monat vereinbart worden. Bei jeder Platzierung, die einen Monat später erfolgen sollte, habe sich die Provision um 1/48 vermindert. Die Marketingkosten seien von ihr zu tragen gewesen. Bereits früher habe sie auf Basis dieser Vereinbarung R‑Bank‑Anleihen erworben, davon den Großteil an eigene Kunden verkauft, aber immer noch Anleihen im Nominale von 11 Mio ATS im Eigenvermögen besessen. Ursache jenes Schadens, der ihr durch den Ankauf weiterer Anleihen im Nominale von 70 Mio ATS entstanden sei, sei die schuldhafte Vernachlässigung von Prüfpflichten durch die Bankaufsichtsbehörde gewesen. Bei ordnungsgemäßer Aufsicht hätten die Organe der beklagten Partei längst gravierende Organisations- und Strukturmängel der R‑Bank erkennen müssen, wie die Nichterfassung der Passiven, die Ausübung von Tätigkeiten ohne erforderliche Konzession, die „Mangelhaftigkeit des Rechenwerks" sowie die extreme Fehlerhaftigkeit des vom BWG geforderten Meldewesens. Wären diese Mängel erkannt worden, hätte umgehend für Abhilfe gesorgt werden müssen. Ungeachtet dieser sehr schweren Mängel habe die beklagte Partei durch ihre Organe keine Maßnahmen (zB Bestellung eines Regierungskommissärs, Verhängung der Geschäftsaufsicht, Verbot der Durchführung gewisser Geschäfte, insbesondere des Vertriebs von Anleihen) getroffen. Hätte die Aufsichtsbehörde rechtzeitig entsprechende Maßnahmen gesetzt, wären die Anleihen nicht mehr angekauft worden und wäre kein Schaden entstanden. Die beklagte Partei hafte für die unrichtigen Testate der Bankprüfer. Spätestens Ende Juli 1998 hätte die Bankenaufsicht den weiteren Vertrieb der R‑Bank‑Anleihe verbieten müssen, sodass auch das gegenständliche Geschäft unterblieben wäre. Der Kausalzusammenhang sei gegeben, weil die Gemeinschuldnerin der Meinung gewesen sei, in der R‑Bank einen Vertragspartner mit ausreichender Bonität und Zahlungsfähigkeit zu haben. Ein Verschulden ihres Vorstands liege mangels Einschreitens der Bankenaufsicht nicht vor. Nur unter dem Druck der Ereignisse bei der R‑Bank habe der Vorstand der Gemeinschuldnerin am 16. 10. 1998 ohne Zustimmung des Mitvorstands und des Aufsichtsrats die Anleihe mit einem Kurs von 0,7 % zuzüglich Stückzinsen an eine andere Bank verkauft. Diese Veräußerung sei im Verhältnis zur beklagten Partei ohne Auswirkung. Einerseits wäre ein Rückforderungsanspruch der geleisteten Zahlung infolge Ungültigkeit des Geschäfts (fehlende Genehmigung durch den Aufsichtsrat) ebenfalls nur eine Konkursforderung, andererseits sei das Rechtsgeschäft vom klagenden Masseverwalter angefochten worden. Letztendlich habe eine Vereinbarung erzielt werden können, wonach die Anleihen an die Konkursmasse rückübertragen und die im Konkurs der R‑Bank angemeldete Forderung auf die „klagende Konkursmasse" übertragen worden seien. Als Gegenleistung sei ein Teil des Entgelts (4 Mio ATS) an die Bank, die die Anleihen von der Gemeinschuldnerin erworben hatte, zurückgezahlt worden.
Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin sei die Anleihe nicht mehr in deren „Nostro‑Vermögen" gestanden, weil sie bereits zuvor an eine andere Bank verkauft worden war. Es mangle beim behaupteten Fehlverhalten der Organe der beklagten Partei am Rechtswidrigkeitszusammenhang, da die Gemeinschuldnerin als Vertriebspartnerin der R‑Bank nicht vom Schutzzweck der Normen des Bankwesengesetzes erfasst sei. Der Vorstand sei mangels Zustimmung des Aufsichtsrats zum Erwerb der Anleihen nicht befugt gewesen. Es liege eine krasse Verletzung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht vor. Schon die ungewöhnlich hohe Provision indiziere die mangelnde Seriosität des Geschäfts. Der Aufsichtsrat der Gemeinschuldnerin hätte dem Kauf niemals zugestimmt, sodass kein adäquater Kausalzusammenhang mit den von den Organen der beklagten Partei bei der R‑Bank getätigten Aufsichtsmaßnahmen vorliege. Es habe nur eine ganz außergewöhnliche Verkettung von Umständen zum behaupteten Schaden geführt. Die klagende Partei müsse sich zumindest ein überwiegendes Verschulden ihres Geschäftsleiters anrechnen lassen.
Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren ab und gab lediglich einem der beiden Eventualfeststellungsbegehren Folge. Die beklagte Partei hafte für den Verstoß der ihr zuzurechnenden Organe der staatlichen Bankenaufsicht gegen deren Aufsichtspflichten sowie für die Fehlleistung der von der Aufsichtsbehörde unmittelbar betrauten Bankprüfer. Diesen sei in Ausübung ihrer Tätigkeit rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten anzulasten. Die Gemeinschuldnerin sei als Vertragspartnerin der R‑Bank - „analog zu den Anlegern" - vom Schutzzweck des § 69 BWG erfasst. Der Mitverschuldenseinwand gehe ins Leere, weil die festgestellte Obliegenheitsverletzung des Vorstands der Gemeinschuldnerin für den Schadenseintritt nicht kausal gewesen sei. Da die tatsächliche Schadenshöhe mangels Abschlusses des Konkursverfahrens noch nicht feststehe, sei das Leistungsbegehren abzuweisen. Dem einen Eventualfeststellungsbegehren sei nicht stattzugeben, weil es vom stattgebenden Feststellungsurteil ohnehin umfasst sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es sämtliche Begehren abwies. Es ließ die ordentliche Revision zu. Ein Amtshaftungsanspruch der Gemeinschuldnerin sei zu verneinen, da diese nicht vom Schutzzweck des § 69 BWG erfasst sei. Ohne die eingrenzende Wirkung des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der verletzten Norm und dem eingetretenen Schaden drohte eine auch im Amtshaftungsrecht abzulehnende Uferlosigkeit der Haftpflicht. Bis zum Inkrafttreten des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes (FMABG) sei der Bundesminister für Finanzen die zuständige Bankaufsichtsbehörde gewesen. Dieser habe auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen - seit dem FMABG auch auf das volkswirtschaftliche Interesse an der Finanzmarktstabilität - Bedacht zu nehmen gehabt. Für die Ausübung der Bankaufsicht sei daher nur das Interesse am Bankwesen insgesamt und nicht das Interesse einzelner Institute maßgeblich gewesen. Neben diesem „Funktionsschutz" sei aus dem BWG ein weiteres Schutzziel abzuleiten, nämlich der Schutz der Gläubiger der Kreditinstitute. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Bankwesens sei insbesondere das Vertrauen der Kunden in die Sicherheit der den Banken anvertrauten Gelder. Auch der Gläubigerschutz sei nur insoweit vom Schutzzweck erfasst, also er durch Herstellung des Vertrauens dem Funktionsschutz diene. Der Gläubigerschutz des BWG beziehe sich somit nicht auf den einzelnen Gläubiger, sondern auf „die Gläubiger an sich". Selbst wenn man aber zum Ergebnis gelangte, dass auch der einzelne Gläubiger vom Gläubigerschutz umfasst sei, so wären darunter immer nur die „Sparer und Anleger" zu verstehen, keinesfalls aber ein Kreditinstitut, das - wie die Gemeinschuldnerin - als Vertriebsgehilfe einer anderen Bank gegen Provision Schuldverschreibungen zur Weiterveräußerung an Dritte übernommen habe. Der Schutzzweck der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen sei die Abwehr jener typischen Gefahren, die sich für Bankkunden daraus ergeben, dass einem Kreditinstitut Vermögenswerte anvertraut werden, nicht aber die Abwehr allgemeiner Geschäftsrisken, denen jeder kommerzielle Vertragspartner im Bankgeschäft ausgesetzt sei. Es bestehe keine bankrechtliche Bestimmung, die auf einen speziellen Schutz von Kreditinstituten abziele. Zwar gebe es im Bereich des Amtshaftungsrechts Ansätze dafür, dass auch vor Selbstgefährdung geschützt werden soll, wie etwa im Bereich der Baupolizei. Dabei handle es sich jedoch um Fälle, in denen der Betroffene die Gefahren, denen er sich aussetzt, mangels Sachkenntnis regelmäßig schlechter einschätzen oder überblicken könne als die ihn überwachende Behörde. Eine vergleichbare Konstellation liege hier nicht vor. Für eine analoge Anwendung der vom Obersten Gerichtshof zum Gläubigerschutz von Sparern und Anlegern entwickelten Rechtsprechung bestehe somit kein Anlass. Da die Gemeinschuldnerin weder in den persönlichen Schutzbereich, noch ihre Geschäfte mit der R‑Bank in den sachlichen Schutzbereich der Aufsichtsnormen des BWG fielen, bestehe kein Amtshaftungsanspruch.
Die Revision des klagenden Masseverwalters ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand der Klage ist ein bloßer Vermögensschaden. Auch im Amtshaftungsrecht macht die Verursachung eines solchen Schadens nur dann ersatzpflichtig, wenn dem geltend gemachten Anspruch die vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers zugrundeliegt. Im vorliegenden Fall kommt nur die Verletzung eines Schutzgesetzes in Betracht. Dabei muss die übertretene Bestimmung gerade auch bezwecken, den Geschädigten vor eingetretenen Vermögensnachteilen zu schützen. Ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung einer öffentlich‑rechtlichen Bestimmung und einem eingetretenen Schaden ist bereits dann anzunehmen, wenn die übertretene Norm die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen lediglich mitbezweckt. Allein deshalb, weil eine dem öffentlichen Interesse dienende Amtshandlung mittelbar auch die Interessen eines Dritten berührt, ihm zugute kommt und damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens einen Vorteil verschaffen kann, lässt sich indes noch nicht auf eine Rechtspflicht gerade einem solchen Dritten gegenüber schließen (1 Ob 2312/96y; SZ 68/191; SZ 66/77; jeweils mwN).
Gemäß § 69 BWG in der hier noch anzuwendenden Fassung hatte der Bundesminister für Finanzen, dessen Aufsicht alle inländischen Banken unterlagen, die Einhaltung der Vorschriften des BWG und anderer für den Geld- bzw Kreditverkehr wesentlicher Gesetze zu überwachen und dabei auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen Bedacht zu nehmen. Die Normen über die Bankenaufsicht dienen der Gewährleistung eines funktionsfähigen Bankwesens im volkswirtschaftlichen Interesse. Primäres, zentral maßgebliches Aufsichtsziel ist die Verhinderung nachteiliger Auswirkungen auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen (Chini/Frölichsthal, Praxiskommentar zum BWG2 § 69 Fn 12; Raschauer, Bankaufsicht, Amtshaftung und Beihilfenverbot in ÖJZ 2005, 1 [5]). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das BWG neben diesem primären Zweck auch dazu dient, die Gläubiger von Banken auf Grund von Bankgeschäften zu schützen (1 Ob 251/05a = GesRZ 2006, 206 mwH). Der Bund haftet in diesem Sinn für die Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber den Gläubigern einer Bank.
Nach der österreichischen Rechtslage hat der einzelne Anleger (Sparer) im Falle des Zusammenbruchs der beaufsichtigten Einrichtung die Möglichkeit, seinen durch Einlagensicherungssysteme und die kridamäßige Verteilung des Vermögens nicht gedeckten Ausfall im Wege der Amtshaftung ersetzt zu erhalten. Das Gemeinschaftsrecht geht dem gegenüber davon aus, dass nationale Vorschriften, wonach die Bankenaufsicht allein im öffentlichen Interesse ausgeübt werde, unbedenklich seien, also den Einlegern kein Recht auf Ausübung der Bankenaufsicht auch in ihrem Interesse zukomme, sofern deren in der RL 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme vorgesehene Entschädigung gewährleistet sei. So sprach der EuGH mit Urteil vom 12. 10. 2004 (Rs C‑222/02 - Paul, Sonnen‑Lütte, Mörkens gegen Bundesrepublik Deutschland = NJW 2004,3479) aus, dass unter der Voraussetzung der Gewährleistung der in der RL 94/19 vorgesehenen Entschädigung von Einlegern, sofern nach nationalen Vorschriften die nationale Behörde ihre Aufgabe bei der Aufsicht über die Kreditinstitute nur im öffentlichen Interesse wahrnehme, Einzelne deshalb den Ersatz des Schadens, der ihnen durch eine unzureichende Aufsicht entstanden sei, nicht verlangen könnten. Im Anschluss an diese Entscheidung des EuGH erkannte der BGH, dass § 6 Abs 4 dKWG und die an dessen Stelle getretene Norm des § 4 Abs 4 dFinDAG, wonach das die Aufsicht über Kreditinstitute seinerzeit besorgende Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen seine gesetzlichen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrgenommen habe, sowohl mit dem Gemeinschaftsrecht als auch mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sei. Nach der deutschen Rechtslage wird somit die behördliche Aufsicht über Kreditinstitute allein in öffentlichem Interesse ausgeübt.
Nach der österreichischen Rechtslage hingegen werden dem einzelnen geschädigten Einleger bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen auch auf das Amtshaftungsrecht gestützte Ersatzansprüche zugestanden, was zu einem im europäischen Vergleich beträchtlichen Haftungsrisiko der öffentlichen Hand führt (siehe RV 819 BlgNR 22. GP , 7 f). In der zuvor zitierten Entscheidung vom 4. 4. 2006, 1 Ob 251/05a = GesRZ 2006, 206, sprach der Oberste Gerichtshof aber aus, es sei nicht Zweck der Normen über die Bankenaufsicht, Bankunternehmer durch die Ergreifung bestimmter Aufsichtsmaßnahmen vor dem Eintritt eines Vermögensschadens infolge fehlerhafter Geschäftsführung zu schützen. Diese Vermögensinteressen der Kreditinstitute, nicht „Bankgläubiger" im Sinne des BWG seien, seien im Falle der Schadenskausalität unterlassener Aufsichtsmaßnahmen nicht geschützt, sodass eine Amtshaftung des Bundes nicht eingreife. Bankunternehmen mangle es für eine Gefahrenvorsorge grundsätzlich nicht an der erforderlichen Sachkunde, sodass sie (im Regelfall) nicht vor einer unabsehbaren Selbstgefährdung bewahrt werden müssten. Dieser Entscheidung lag zu Grunde, dass die dort klagende Partei als Mehrheitsaktionärin einer von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Bank und kraft Gesetzes Ausfallsbürgin für deren Verbindlichkeiten eine abstrakte Garantie zur Abdeckung eines zu erwartenden Forderungsausfalls der Bank abgab, wobei Ursache des drohenden Schadens die Vernachlässigung der Prüfpflichten durch die Bankenaufsichtsbehörde war. Im hier zu beurteilenden Fall ist hingegen die Frage zu lösen, ob einem Bankunternehmen Amtshaftungsansprüche zustehen, wenn es zwecks gewerbsmäßigen Weitervertriebs (auf eigene Rechnung) Bankschuldverschreibungen eines anderen Bankunternehmens erwarb, hinsichtlich dessen die Bankenaufsichtsbehörde gebotene Aufsichtsmaßnahmen unterlassen hat und dieses Verhalten kausal für einen Vermögensschaden wurde. Diese Frage wurde bisher von der Rechtsprechung noch nicht behandelt.
In der Literatur wurde in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten, Investoren, die aus dem durch die Bankenaufsicht nicht unterbundenen Fortbetrieb der Bank dadurch einen Schaden erleiden, dass sie sich an einer Bank beteiligen, die korrekterweise aus bankrechtlichen Gründen gar nicht mehr hätte fortgeführt werden dürfen, könnten keine Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung der Bankenaufsicht mit der Begründung geltend machen, dass sie bei gehöriger Einstellung des Bankbetriebs gar keine Gelegenheit mehr zum Investieren gehabt hätten. Derartige (seriöse) Investoren seien keine Gläubiger der Bank (Krejci, Amtshaftung für den Verlust BWG‑widriger Investitionen in eine Bank? in ÖBA 2001, 461, 466). Auch Schragel (AHG3 Rz 134) schließt eine Gleichbehandlung von Investoren und Sparern unter Hinweis darauf aus, dass den Investoren jedenfalls ganz andere Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stünden als Sparern.
Im vorliegenden Fall erwarb die Gemeinschuldnerin keine Aktien, sondern Anleihen (Schuldverschreibungen). Als solche werden in Teilbeträge aufgeteilte Großdarlehen bezeichnet, die zum Erwerb eines auf Rückzahlung des Kapitals samt Zinsertrag gerichteten Forderungsrechts führen (Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, I, § 31 Rz 2), das der Anleiheschuldner unabhängig von seinem wirtschaftlichen Wohlergehen zu erfüllen hat. Der Kapitalgeber trägt - mit Ausnahme des Insolvenzrisikos des Anleiheschuldners - kein Unternehmensrisiko. Davon ausgehend ist die Gemeinschuldnerin nicht als „Investorin" im Sinn der zitierten Literaturstellen anzusehen. Zudem erwarb sie die Anleihe nicht als (institutionelle) Großanlegerin, weil sie sich vom Kapitaleinsatz einen sicheren Ertrag versprach, sondern allein deshalb, weil sie als Vertriebspartnerin einer Anleihen begebenden Bank in den Vertrieb der Anleihe eingebunden war und das gewerbsmäßige Interesse verfolgte, diese gegen Erhalt einer Platzierungsprovision an eigene Kunden weiter zu verkaufen. Es geht also nicht um „eingezahltes Erspartes", sondern um den Einsatz von Kapital durch ein Kreditinstitut zum Zwecke des gewerbsmäßigen An- und Weiterverkaufs einer bestimmten Bankschuldverschreibung. Dieses Kreditinstitut (= Gemeinschuldnerin) erhebt nunmehr den Vorwurf, die Bankenaufsicht habe den Einsatz ihres Kapitals nicht verhindert, wodurch es infolge der späteren Insolvenz der die Anleihe begebenden Bank das eingesetzte Kapital zum Großteil verloren habe.
Das Klagebegehren könnte nur dann erfolgreich sein, wenn die Normen über die Bankenaufsicht auch bezweckten, einem Kreditinstitut, das als Vertriebspartner eines Bankschuldverschreibungen begebenden weiteren Kreditinstitutes auftritt, dessen Konkursrisiko abzunehmen. Wie bereits ausgeführt liegt der Primärzweck des § 69 BWG in der Gewährleistung eines funktionsfähigen Bankwesens im volkswirtschaftlichen Interesse. Nur in sekundärer Hinsicht sollen die Normen der Bankenaufsicht auch bestimmte Gläubiger von Banken (Einleger, Sparer) schützen. Vor diesem Hintergrund sowie unter Bedachtnahme auf den allein öffentlichen Interessen gerecht werdenden gemeinschaftrechtlichen Schutzzweck der Bankenaufsicht kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, der - dem Individualschutz des „einzelnen Einlegers oder Sparers" dienende - sekundäre Schutzzweck des BWG gehe so weit, dass auch derartige Risiken mitumfasst seien. Jene Rechtsprechung, die den Schutzzweck des BWG über die volkswirtschaftlichen Zielsetzungen hinaus auch auf „Sparer und Einleger" erstreckte, ist jedenfalls nicht auf (frustrierte) Kapitaleinsätze eines Kreditunternehmens zwecks gewerbsmäßiger Abwicklung von Vertriebsgeschäften (Kauf und Weiterverkauf von Anleihen) auszudehnen. Solche auf die Erzielung eines Unternehmensgewinns abzielende Geschäfte sind vom Schutzzweck des BWG nicht erfasst, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Gemeinschuldnerin und die R‑Bank „auf einer Ebene" - im Geschäft zwischen zwei Kreditunternehmen, denen weitgehende Informationsmöglichkeiten zur jeweiligen Bonität offen stehen - tätig wurden. Dass bankaufsichtsbehördliche Maßnahmen auch der Gemeinschuldnerin zugute gekommen wären und ihr als „ Reflexwirkung" einen Vorteil verschafft hätten, begründet ihr gegenüber noch keine Rechtspflicht zur Setzung von gegen ihren Vertragspartner gerichteten bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen.
Es mangelt sohin am erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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