OGH 7Ob69/22f

OGH7Ob69/22f29.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O* AG, *, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler und andere Rechtsanwälte in St. Florian, gegen die beklagte Partei G* Zrt, *, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 98.075,74 EUR sA, über die Rekurse der klagenden und beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Dezember 2021, GZ 3 R 108/21f‑167, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 2. August 2021, GZ 31 Cg 77/16g‑163, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00069.22F.0629.000

 

Spruch:

 

I.: Die Rekurse werden, soweit sie sich auf die Transporte vom 12. 2. 2015 (Aufliegerkennzeichen WL‑839 CZ 3.163,71 EUR), vom 4. 5. 2015 (Aufliegerkennzeichen WL‑298 DG 2.603,16 EUR) und vom 16. 6. 2016 (Aufliegerkennzeichen WL‑262 CY 4.630 EUR) beziehen, zurückgewiesen.

II.: Im Übrigen wird den Rekursen Folge gegeben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufgehoben und insoweit das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt, sodass es als Teilurteil lautet:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 87.678,87 EUR samt 9,02 % Zinsen seit 28. 10. 2016 und aus 76.811,40 EUR von 23. 8. 2016 bis 27. 10. 2016 zu bezahlen, wird abgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die C* SA (in Hinkunft Absenderin) beauftragte die G* KG (in Hinkunft Hauptfrachtführerin) in den Jahren 2015 und 2016 mit der Durchführung von Transporten von Aluminiumprofilen von S* in Griechenland über Nordmazedonien, Serbien, die Grenzstation Su* auf der serbischen Seite der serbisch-ungarischen Grenze, die Grenzstation K* auf der ungarischen Seite der serbisch-ungarischen Grenze und Ungarn nach L* in Österreich und dann weiter zu den einzelnen Empfängern in Deutschland.

[2] Die Hauptfrachtführerin wählte für die Transporte Sattelauflieger mit Beplanung. Bis L* wurden die Auflieger auf Eisenbahnwaggons transportiert, ab L* auf LKWs.

[3] Die Beklagte war die Unterfrachtführerin der Hauptfrachtführerin für die Beförderungsstrecke von K* nach L*. Die Erstkontrolle der Waggons, die sie erst in K* übernahm, ließ sie bereits in Su* durchführen, und zwar von der R* Zrt. Den Transport von K* nach L* gab die Beklagte an die R* GmbH als Unterfrachtführerin weiter. Die LKW-Transporte ab L* führte die Hauptfrachtführerin selbst durch. Die Hauptfrachtführerin und die Beklagte hatten vereinbart, dass die von ihnen geschlossenen Beförderungsverträge den CIM unterliegen.

[4] Die Klägerin ist die Transportschadenversicherung der Hauptfrachtführerin.

[5] Bei den nachfolgenden sechs Transporten mit Empfängern in Deutschland wurden die Aluminiumprofile beschädigt, weil Flüchtlinge das Planendach der Auflieger aufgeschnitten hatten, in diese eingedrungen waren und sich darin versteckt hatten. Dadurch entstand ein Schaden in Höhe des zuletzt strittigen Klagebetrags von 98.075,74 EUR. Betroffen waren im Einzelnen nachstehende Transporte:

1. Aufliegerkennzeichen WL‑839 CZ, Ankommen am 12. 2. 2015, Schaden: 3.163,71 EUR

2. Aufliegerkennzeichen WL‑298 DG, Ankommen am 24. 5. 2015, Schaden: 2.603,16 EUR

3. Aufliegerkennzeichen WL‑148 CN, Ankommen am 16. 2. 2016, Schaden 28.603,63 EUR

4. Aufliegerkennzeichen WL‑254 CY, Ankommen am 16. 2. 2016, Schaden 29.059,25 EUR

5. Aufliegerkennzeichen WL‑641 CM, Ankommen am 23. 2. 2016, Schaden 30.015,99 EUR

6. Aufliegerkennzeichen WL‑262 CY, Ankommen am 16. 6. 2016, Schaden 4.630 EUR.

[6] Es ist ausgeschlossen, dass die Flüchtlinge bereits in S* in die Auflieger eindrangen. Die Schäden können zwischen S* und Su*, an der Grenzstation Su*, an der Grenzstation K* oder zwischen K* und L* verursacht worden sein. Wo sie tatsächlich eintraten, steht nicht fest.

[7] Die Klägerin begehrte zuletzt – nach der rechtskräftigen Abweisung des auf den Ersatz von 10.867,47 EUR sA an Regulierungskosten gerichteten Teilbegehrens im ersten Rechtsgang – die Zahlung von 98.075,74 EUR sA und brachte vor, sie habe als Transportschadenversicherer der Hauptfrachtführerin die Schäden der C* SA ersetzt. Der korrespondierende Schadenersatzanspruch der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der G* KG, sei infolge § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen und ihr auch rechtsgeschäftlich abgetreten worden. Alle Schäden am Transportgut seien in L* entdeckt worden. Ein Übergabecheck sei vereinbart worden, um eine Schnittstellenkontrolle durchzuführen, damit festgestellt werden könne, in der Gewahrsame welches Frachtführers die Schäden eingetreten seien. Konkrete Überprüfungsmaßnahmen seien nicht vereinbart, sondern der Beklagten überlassen worden. Der „Zutritt von Unbeteiligten in Ladeeinheiten“ wäre ein Grund für eine Abweichungsmeldung gewesen. Mit einer Beschränkung auf sichtbare Schäden sei die Hauptfrachtführerin nicht einverstanden gewesen. Die Beklagte hätte beim Übergabecheck Suchhunde, Röntgengeräte oder CO2‑Sonden einsetzen können und müssen. Die Vereinbarung des Übergabechecks sei als Vereinbarung über die Beweislast anzusehen; bis zum Beweis des Gegenteils durch die Beklagte müsse davon ausgegangen werden, dass der Zutritt der Flüchtlinge und die Beschädigung der Profile in der Gewahrsame der Beklagten erfolgt seien. Der Frachtführer sei grundsätzlich verpflichtet, die beförderten Sachen vor jeder Beschädigung zu schützen, weshalb die Beklagte auch für Schäden durch Migranten hafte. Aufgrund der früheren Erfahrungen mit Migranten hätte die Beklagte die Züge gesondert bewachen müssen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Haftungsausschlussgründe des Art 23 CIM berufen. Da das Unterlassen besonderer Sicherheitsmaßnahmen durch die Beklagte wegen der ständigen Probleme mit Migranten als grob fahrlässig zu bewerten sei, kämen die Haftungsbegrenzungen gemäß Art 41 CIM nicht zum Tragen. Es liege auch Verjährung nicht vor, weil bis Ende September 2016 mit der Beklagten Vergleichsgespräche geführt worden seien und danach die Klägerin binnen angemessener Frist Klage eingebracht habe.

[8] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Schäden nicht während ihrer Gewahrsame oder jener der R* GmbH als ihres ausführenden Beförderers eingetreten seien. Es sei auszuschließen, dass die Migranten zwischen der ungarischen Grenze und L* in die Sattelauflieger gelangt seien, weil auf der gesamten Strecke elektrische Oberleitungen ein Eindringen von oben unmöglich gemacht hätten. An der Grenze Su*-K* hätten sich sämtliche Sattelauflieger im verplombten und äußerlich unversehrtem Zustand befunden. Eine Beschädigung der Planen der Sattelauflieger sei von außen nicht erkennbar gewesen. Zu einer Besichtigung der Sattelauflieger von oben mit einem Kran oder einer anderen Aufstiegshilfe sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen; es habe auch keinen geeigneten Kran am Übernahmebahnhof K* gegeben. Aufgrund des durch den Zugfahrplan gegebenen Zeitdrucks seien keine genauen Kontrollen möglich und die Schäden daher nicht feststellbar gewesen. Eine detaillierte Kontrolle sei lediglich an den Bestimmungsbahnhöfen möglich. Das mit dem Transport von der Beklagten beauftragte Eisenbahnunternehmen habe sämtliche zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um das Eindringen von Flüchtlingen zu verhindern. Die Schäden seien daher durch Umstände verursacht worden, welche die Beklagte nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht habe abwenden können. In dem zwischen der Hauptfrachtführerin und der Beklagten abgeschlossenen Transportvertrag sei nur die Meldung sichtbarer Beschädigungen vereinbart worden, weil aufgrund der technischen Gegebenheiten vor Ort andere Beschädigungen gar nicht feststellbar gewesen wären. Die geltend gemachten Ansprüche seien nach Art 48 CIM verjährt. Die Beklagte sei nicht zur dauernden Bewachung der Züge verpflichtet gewesen, weil die Beförderung von Aufliegern ein unbegleiteter Transport sei. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten habe sie aber die Prüfungen an den Grenzen verstärkt und erwirkt, dass die Grenzbahnhofsgebiete mit Kameras überwacht würden, sodass dort keine Möglichkeit zum Eindringen in die Auflieger bestanden habe. Die Grenzinspektion erfolge durch das Grenzpersonal, das dabei keine CO2‑Sonden einsetze. Die Geltendmachung von Forderungen sei nach den CIM verfristet, soweit die Schäden bereits in L* entdeckt, aber erst nach dem Einlangen der Ware bei den Empfängern gemeldet worden seien.

[9] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Entgeltliche, grenzüberschreitende Transporte seien im Rahmen der Eisenbahnbeförderung von Gütern zu beurteilen, sodass die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM) anzuwenden seien. Die Parteien hätten auch die Anwendung der CIM vereinbart. Es liege eine aufeinanderfolgende Beförderung (Art 26 CIM) vor. Die Klägerin als Versicherer der Hauptfrachtführerin mache Ansprüche wegen einer Beschädigung während des Transports durch die Beklagte als Subfrachtführerin geltend. Bei den vier Transporten, bei denen die Beschädigungen in L* entdeckt worden seien, sei die Beklagte – die die Transporte an der ungarischen Grenze unbeanstandet übernommen habe – mit dem Beweis belastet, dass die Beschädigung nicht in ihrem Beförderungsbereich erfolgt sei. Dies sei ihr nicht gelungen. Nach Art 23 § 2 CIM sei der Beförderer aber von der Haftung befreit, wenn er beweise, dass die Beschädigung durch Umstände verursacht worden sei, welche er nicht vermeiden und deren Folge er nicht abwenden habe können. Die vereinbarten Sichtkontrollen seien durchgeführt worden. Einrichtungen zur Überwachung der Oberseite der Auflieger hätten mit vernünftigem Aufwand nicht errichtet werden können. Andere Maßnahmen (Röntgengeräte, CO2‑Sonden, Hunde) hätten von den Subauftragnehmern der Beklagten nicht eingesetzt werden dürfen, seien nicht Usus und würden, ebenso wie die ständige Bewachung der Züge auf der gesamten Strecke, die Überwachungspflicht der Beklagten überspannen. Der Beklagten komme daher die Haftungsbefreiung nach Art 23 § 2 CIM zu Gute.

[10] Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an dieses zurück.

[11] Die Hauptfrachtführerin sei weder Absender noch Empfänger noch Dritter im Sinn des Art 44 § 2 CIM, sondern (vertraglicher) Beförderer im Sinn des Art 3 lit a CIM. Sie habe daher aus den Haftungsbestimmungen der Art 23 bis 41 CIM keine Ansprüche gegen die Beklagte ableiten können, die kraft gesetzlicher (§ 67 VersVG) oder vertraglicher Zession auf die Klägerin übergehen hätten können. Vielmehr sei zu prüfen, ob die Hauptfrachtführerin gesetzliche oder vertragliche Rückgriffs‑/Regressansprüche gegen die Beklagte gehabt habe, die auf die Klägerin übergegangen seien.

[12] Die Beklagte sei als ausführender Beförderer (Art 3 lit b, 27 CIM) zu qualifizieren. Der Rückgriff zwischen einem (vertraglichen oder aufeinanderfolgenden) Beförderer und einem ausführenden Beförderer sei in den CIM nicht geregelt. Art 27 § 6 CIM erkläre nur, die Rechte des Beförderers und des ausführenden Beförderers, untereinander Rückgriff zu nehmen, „unberührt“ zu lassen. Solche Rückgriffsansprüche seien daher nach dem innerstaatlichen Sachrecht – hier UGB und ABGB – zu prüfen.

[13] Jeder Rückgriffsanspruch setze das Bestehen eines Anspruchs eines Dritten gegen denjenigen voraus, der den Rückgriff begehre. Die dafür beweispflichtige Beklagte habe aber nicht beweisen können, dass sich die Hauptfrachtführerin gegenüber der Absenderin auf die Haftungsbefreiung berufen hätte können (und ihr daher nicht ersatzpflichtig gewesen wäre). Die Hauptfrachtführerin hätte aber auch dann keinen Regressanspruch gegen die Beklagte, wenn die Ansprüche der Absenderin gegen die Hauptfrachtführerin aus dem Beförderungsvertrag verjährt (Art 48 CIM) gewesen sein sollten, weil dann die Hauptfrachtführerin der Absenderin nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Die Verjährung dieses Anspruchs könne anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

[14] Sollten die Ansprüche nicht verjährt gewesen sein, wäre die allgemeine, von der konkreten Rechtsgrundlage unabhängige Rückgriffsvoraussetzung der Zahlungspflicht erfüllt. In diesem Fall wäre der Rückgriff der Hauptfrachtführerin gemäß § 432 UGB zu prüfen. Da ein Rückgriff kraft Verschuldens (§ 432 Abs 3 erster Satz UGB) nicht in Betracht komme, sei ein solcher nach § 432 Abs 3 zweiter Satz UGB zu prüfen. Die „Fracht“ sei nicht das Transportgut, sondern die Vergütung, die der Frachtführer erhalte. Das „Verhältnis der Anteile an der Fracht“ sei daher anhand des Beförderungsentgelts, das die beteiligten Frachtführer mit dem Transport verdient hätten, zu beurteilen.

[15] Feststellungen, um die Verjährung und den Rückgriff zu beurteilen, fehlten derzeit.

[16] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zu den inhaltlichen Voraussetzungen des Rückgriffs nach § 432 Abs 3 UGB zwischen dem Hauptfrachtführer und seinem einfachen Unterfrachtführer bislang höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[17] Dagegen wenden sich die Rekurse der Streitteile.

[18] Die Klägerin begehrt, den Beschluss abzuändern und dem Klagebegehren Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[19] Die Beklagte beantragt eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[20] Die Klägerin begehrt, dem Rekurs der Beklagten keine Folge zu geben. Die Beklagte beantragt, den Rekurs der Klägerin zurückzuweisen; hilfsweise ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[21] Die Rekurse sind (teilweise) zulässig, sie sind insoweit auch berechtigt.

Zu I.

[22] 1. Die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Ansprüche (objektive Klagenhäufung) setzt einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus einer Gesetzesvorschrift oder einem einheitlichen Rechtsgeschäft abgeleitet werden (RS0037648, RS0037899 [T3]) und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648 [T18, T19]).

[23] 2. Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt (RS0037899; RS0037648 [T18]). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RS0037926 [T23, T26]).

[24] 3. Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RS0042741; RS0106759).

[25] 4. Anhaltspunkte für einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang lassen sich dem maßgeblichen Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. So gründet sie ihre Klagsforderung auf den – nach § 67 VersVG bzw rechtsgeschäftlich – erfolgten Übergang von damit unveränderten Einzelforderungen der Hauptfrachtführerin gegenüber der beklagten Unterfrachtführerin aus – sich auf unterschiedlichen Transporten ereigneten – Schadensfällen.

[26] 5. Nach § 519 Abs 2 ZPO darf das Berufungsgericht den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nur dann zulassen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist. Damit ist auch die absolute Revisionsbeschränkung des § 502 Abs 2 ZPO anzuwenden. Aus diesem Grund ist der Ausspruch des Gerichts über die Zulässigkeit des Rekurses nach ständiger Rechtsprechung wirkungslos, wenn der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR nicht übersteigt (RS0043025; 7 Ob 85/15y).

[27] 6. Bei den Klagsforderungen, die sich auf die Transporte vom 12. 2. 2015, 4. 5. 2015 und 16. 6. 2016 mit den Aufliegerkennzeichen WL‑839 CZ (3.163,71 EUR), WL‑298 DG (2.603,16 EUR) und WL‑262 CY (4.630 EUR) beziehen, übersteigen die Entscheidungsgegenstände jeweils den Wert von 5.000 EUR nicht. In diesem Umfang sind die Rekurse jedenfalls unzulässig.

Zu II.:

[28] 1. Die Klägerin gründet ihre Klagsforderung darauf, dass sie als Transport‑(Schadens‑)Versicherer der Hauptfrachtführerin die Schäden der Absenderin ersetzt habe und die korrespondierenden Schadenersatzansprüche der Versicherungsnehmerin – der Hauptfrachtführerin – gegenüber der Beklagten auf sie übergegangen seien.

[29] 2.1 Die Transportversicherung ist eine Sach‑(Schadens‑)Versicherung zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers der transportierten Güter während seiner Beförderung gegen dabei typisch auftretende Gefahren. Es gilt der Grundsatz der Allgefahrendeckung, sofern nicht bestimmte Schäden in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden (RS0114765; RS0080988; RS0081065). Die Transportversicherung ist keine Haftpflichtversicherung (RS0080988). Bei der Haftpflichtversicherung verpflichtet sich nämlich der Versicherer gemäß § 149 VersVG dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit entstehende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat. Der Versicherungsnehmer hat gegenüber dem Versicherer – im Rahmen des abgeschlossenen Vertrags – einen Befreiungsanspruch, der ihn von den Folgen der Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten schützen soll. Durch derartige Schadenersatzforderungen eines Geschädigten wird das Vermögen des Haftpflichtigen belastet. Der mit dem Versicherer abgeschlossene Versicherungsvertrag gibt dem Versicherungsnehmer den Anspruch, ihn von der Schuld zu befreien (7 Ob 63/15p mwN).

[30] 2.2.1. Nach § 67 Abs 1 VersVG geht der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zusteht, auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt.

[31] 2.2.2. Der Ausdruck „Schadenersatzanspruch“ iSd § 67 VersVG erfasst nicht nur Schadenersatzansprüche im eigentlichen Sinn; er ist vielmehr im weitesten Sinn zu verstehen und bezieht sich auch auf Rückgriffsansprüche, Ausgleichsansprüche, Bereicherungsansprüche und anderes. Durch diesen Übergang ändert sich aber die Rechtsnatur des Anspruchs und die für ihn geltende Verjährungsfrist nicht (RS0080594, RS0080533).

[32] 2.3.1. Gemäß § 74 Abs 1 VersVG kann die Versicherung von demjenigen, welcher den Vertrag mit dem Versicherer abschließt, im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, genommen werden (Versicherung für fremde Rechnung). Eine solche Versicherung für fremde Rechnung liegt dann vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag abschließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat (RS0017123 [T3]; 7 Ob 74/05s), sodass ohne Abschluss des Versicherungsvertrags ein anderer (der nunmehr Versicherte) den Schaden tragen müsste.

[33] 2.3.2. Die Besonderheit bei der Fremdversicherung besteht darin, dass bei dieser die materielle Berechtigung des Versicherten und die formelle Verfügungsberechtigung des Versicherungsnehmers auseinanderfallen (RS0080863). Nach § 75 Abs 1 VersVG stehen bei einer Versicherung für fremde Rechnung die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zwar dem Versicherten zu, dieser kann aber gemäß § 75 Abs 2 VersVG ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte nur dann verfügen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Der Versicherte hat also grundsätzlich kein eigenes Klage‑ bzw Verfügungsrecht, aufgrund dessen er den Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen den Versicherer ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers durchsetzen kann (vgl RS0080792 [T3]). Insoweit handelt es sich beim Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherten um eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis (RS0080862, RS0080792) bzw beim Versicherungsvertrag um einen unechten Vertrag zu Gunsten Dritter (RS0080792 [T9]; 7 Ob 67/12x).

[34] 2.3.3. Der Versicherungsnehmer ist demnach (formeller) Vertragspartner des Versicherers, der Versicherte aber der (materielle) Gläubiger und Inhaber der Ansprüche (RS0017123 [T3]). Der Versicherungsnehmer ist deshalb verpflichtet, eine allenfalls erhaltene Versicherungsleistung dem Versicherten weiterzuleiten, weil er andernfalls bereichert wäre (RS0080862 [T2] = 7 Ob 151/05i).

[35] 2.4. Transportversicherungen werden häufig auf fremde Rechnung, etwa vom Spediteur/Frachtführer für seinen Auftraggeber abgeschlossen (Csoklich in Fenyves/Perner/Riedler VersVG [2021] § 129 Rz 21). Das Interesse eines Frachtführers oder Unterfrachtführers ist im Allgemeinen nicht mitversichert, sodass diese regresspflichtige Dritte iSd § 67 VersVG sind, soferne der Versicherer hierauf nicht verzichtet. Dies gilt aber nicht, wenn der Spediteur oder Frachtführer – wie hier – selbst Versicherungsnehmer ist; in diesem Fall steht dem Versicherer kein Regress gegen den Spediteur oder den Frachtführer zu, wohl aber gegen die von diesem beauftragten (Unter‑)Frachtführer (Csoklich aaO [2021] § 148 Rz 7).

[36] 2.5. Im Fall der Fremdversicherung tritt nach ständiger Rechtsprechung in Bezug auf § 67 VersVG der Versicherte derart an die Stelle des Versicherungsnehmers, dass sein Schadenersatzanspruch gegen den Ersatzpflichtigen im Umfang der Versicherungsleistung auf den Versicherer übergeht (RS0081312; 2 Ob 1/21f mwN).

[37] 2.6. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass allenfalls ein Anspruch der versicherten Absenderin auf die Klägerin gemäß § 67 VersVG auf sie übergegangen sein könnte, einen solchen macht sie aber gerade nicht geltend.

[38] 3.1. Die Klägerin gründet ihren Klagsanspruch auch darauf, dass die Hauptfrachtführerin die ihr gegenüber der Beklagten zustehenden Ansprüche rechtsgeschäftlich zediert habe.

[39] 3.2. Das Berufungsgericht beurteilte die Hauptfrachtführerin als vertraglichen (Art 3 lit a CIM) und die Beklagte als ausführenden (Art 3 lit b CIM) Beförderer. Diese Beurteilung wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.

3.3.1. Die CIM gelten gemäß Art 1 § 1 CIM für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf Schienen.

[40] 3.3.2.1. Art 44 § 1 und 2 CIM erfassen sämtliche Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag, soweit sie nicht unter Art 44 § 3 und § 4 CIM fallen. Die Klagebefugnis ist an das Verfügungsrecht über das Gut gekoppelt und steht daher – soweit hier relevant – entweder dem Absender oder dem Empfänger zu (Freise in MüKo HGB4 CIM Art 44 Rn 3, 4; Koller, Transportrecht10 CIM Art 44 Rn 4; Zehetbauer/Motter, Nationales und Internationales Transportrecht [2017], 215).

[41] 3.3.2.2. Art 44 § 3 CIM bezieht sich auf hier nicht interessierende Ansprüche auf Richtigstellung erhobener Kosten. Art 44 § 4 CIM regelt die hier ebenfalls nicht von Interesse seienden Ansprüche des Absenders auf Auszahlung einer Nachnahme (Freise aaO Art 44 Rn 5, 6).

[42] 3.3.2.3. Nach Art 27 § 2 CIM gelten alle für die Haftung des Beförderers maßgeblichen Bestimmungen der CIM auch für die Haftung des ausführenden Beförderers hinsichtlich der von ihm durchgeführten Beförderung. Art 45 § 6 CIM regelt demgemäß die Passivlegitimation des ausführenden Beförderers (Koller aaO Art 45 Rn 3; Zehetbauer/Motter aaO 216). In Art 45 § 6 CIM ist festgehalten, dass auch der ausführende Beförderer passiv legitimiert ist, soweit die CIM – wie in Art 27 § 2 bestimmt – auf ihn anwendbar ist. Ein ausführender Beförderer ist demnach wie ein aufeinanderfolgender Beförderer passiv legitimiert für solche Schadensfälle, die während seiner Beförderungstätigkeit eingetreten sind (Freise aaO Art 45 Rn 15).

[43] 3.3.2.4. Soweit sich die Klägerin auf den Übergang von Ansprüchen der Hauptfrachtführerin aus dem Beförderungsvertrag im Sinn des Art 44 CIM beruft, ist ihr daher entgegenzuhalten, dass die Hauptfrachtführerin über einen solchen Anspruch nicht verfügt.

[44] 3.3.3.1. Zu prüfen ist daher weiters, ob der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten ein Rückgriffsrecht nach Art 50 CIM zukommt.

[45] 3.3.3.2. Dies ist schon deshalb zu verneinen, weil das in Art 50 CIM geregelte Rückgriffsrecht den Rückgriff zwischen aufeinanderfolgenden Beförderern regelt, wenn einer von ihnen eine Entschädigung aufgrund der CIM gezahlt hat (Freise aaO Art 50 Rn 1). Für den Rückgriff zwischen einem Beförderer und dem von ihm eingesetzten ausführenden Beförderer ist Art 50 CIM hingegen nicht anwendbar (Freise aaO Art 50 Rn 8; Koller aaO Art 50 Rn 1 iVm Schmid in Thume CMR‑Kommentar Art 37 Rz 2; Csoklich in Jabornegg/ Artmann UGB2 Art 34 bis 40 CMR, Rz 2).

[46] 3.3.3.3. Auch hieraus folgt kein Anspruch der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten, der auf die Klägerin übergegangen sein könnte.

[47] 3.4.1. Sollte die Klägerin mit ihrer Bezugnahme auf den zwischen der Hauptfrachtführerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrag auf den Übergang eines außerhalb der CIM gelegenen vertraglichen Anspruchs der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten auf sie abzielen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie einen solchen Anspruch der Hauptfrachtführerin nie dargetan hat. Sie behauptet keinen eigenen Schaden der Hauptfrachtführerin, der auf sie übertragen worden sein könnte. Der bei der Absenderin eingetretene Schaden ist nämlich durch die Versicherungsleistung der Klägerin an die versicherte Absenderin liquidiert worden und deren Ersatzanspruch nach § 67 VersVG ohnedies auf die Klägerin übergegangen, in welchem Umfang ihr aber kein Regress gegenüber ihrer eigenen Versicherungsnehmerin zusteht. Der durch die Erbringung der Versicherungsleistung auf sie übergegangene Ersatzanspruch der Absenderin wird von ihr aber – wie ausgeführt – nicht geltend gemacht.

[48] 3.5. Mangels Ersatzes eines Anspruchs der Absenderin durch die Hauptfrachtführerin ist daher auch zum einen ein Rückgriffsanspruch der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten nicht ersichtlich. Zum anderen erübrigt sich eine weitere Prüfung eines an die Klägerin übergegangenen Anspruchs der Hauptfrachtführerin nach § 432 UGB aber auch schon deshalb, weil die Klägerin die Anwendung dieser Bestimmung und damit die Geltendmachung eines darauf beruhenden Anspruchs ohnedies ausdrücklich ablehnt.

[49] 4. Zusammengefasst folgt, dass die Klägerin einerseits den auf sie gemäß § 67 VersVG übergegangenen Schadenersatzanspruch der Absenderin nicht geltend macht und sie andererseits keinen Anspruch der Hauptfrachtführerin gegenüber der Beklagten dargetan hat, der ihrrechtsgeschäftlich abgetreten worden sein könnte. Damit war beiden Rekursen (zur Nichtgeltung des Verbots der reformatio in peius für Rekurse gegen berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse siehe RS0043939) Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss – im zulässig bekämpften Umfang – aufzuheben und in der Sache selbst dieEntscheidung des Erstgerichts als Teilurteil im Umfang der Abweisung von 87.678,87 EUR sA wiederherzustellen.

[50] 5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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