Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 29.528,10 EUR samt 4 % Zinsen seit 8. 12. 2010 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.098,26 EUR (darin enthalten 1.354,21 EUR an USt und 2.973 EUR an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Parteien bestand im Jahr 2009 ein Unfallversicherungsvertrag, in dem der damals minderjährige Sohn des Klägers mitversichert war, ohne selbst prämienpflichtiger Versicherungsnehmer zu sein. Art 27 der vereinbarten *****Bedingungen für die Unfallversicherung, ***** (U 500), lautet auszugsweise wie folgt:
„ Wem steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu, wer hat die Pflichten aus dem Versicherungsvertrag zu erfüllen? ‑ Artikel 27
● Die Unfallversicherung kann gegen Unfälle, die Ihnen oder gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, genommen werden. Eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, gilt im Zweifel als für Rechnung des anderen genommen.
Die Vorschriften der §§ 75 ff VersVG (Versicherung für fremde Rechnung) sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich Ihnen zusteht.
Wird eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, von Ihnen für eigene Rechnung genommen, so ist zur Gültigkeit des Vertrages die schriftliche Zustimmung des anderen erforderlich. Ist der andere geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt und steht die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten Ihnen zu, so können Sie den anderen bei der Erteilung der Zustimmung nicht vertreten.
...“
Der mitversicherte Sohn des Klägers erlitt bei zwei Unfällen im Jänner 2009 und September 2009 Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks, wodurch es zu einer Dauerinvalidität im Ausmaß von 15 % des 70%igen Beinwertes kam. Aus dem Unfallversicherungsvertrag mit der Beklagten besteht deshalb ein Versicherungsanspruch von 29.528,10 EUR.
Dem Schreiben der Beklagten vom 7. 12. 2010 über die Abrechnung der bleibenden Invalidität des versicherten Sohns des Klägers mit 29.528,10 EUR war eine zu unterzeichnende Abfindungserklärung angeschlossen, zu der sie darauf hinwies, dass „auf Grund der Gesetzeslage“ und der Minderjährigkeit des Sohns des Klägers der Betrag auf ein bekannt zu gebendes mündelsicheres Konto überwiesen werden müsse. Auch im Rahmen der weiteren Korrespondenz bestand die Beklagte auf einer erforderlichen „Vollmacht“ des Pflegschaftsgerichts oder der Bekanntgabe eines mündelsicheren Kontos oder einer gemäß § 234 ABGB notwendigen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Der Kläger vertrat den Standpunkt, die Versicherungsleistung sei an ihn ohne Bedingungen auszuzahlen.
Der Kläger machte mit seiner Klage den Versicherungsanspruch von 29.526,10 EUR sA im eigenen Namen geltend und begehrte die Auszahlung des von der Beklagten vorprozessual bereits anerkannten Betrags an ihn. Er sei Versicherungsnehmer und damit nach Art 27 der Versicherungsbedingungen auch derjenige, dem die Ausübung der Rechte aus dem Unfallversicherungsvertrag ausschließlich zustehe. Die Beklagte habe ihre Verpflichtungen aus dem Unfallversicherungsvertrag ihm gegenüber zu erfüllen und könne die Auszahlung des berechtigten Anspruchs weder von der Bekanntgabe eines mündelsicheren Kontos noch von einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig machen.
Die Beklagte wendete ein, dass sie zwar zur Auszahlung des anerkannten Betrags bereit sei, der Kläger könne diesen aber gemäß § 149 Abs 1 letzter Satz iVm § 234 ABGB nur mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts entgegennehmen. Es liege eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinn des § 75 VersVG vor, bei welcher der Versicherte Inhaber der Ansprüche sei und der Versicherungsnehmer lediglich das formelle Verfügungsrecht über die sachlich dem Versicherten zustehende Forderung habe. Unabhängig vom Verfügungsrecht des Klägers gebühre der der Höhe nach unstrittige Versicherungsanspruch materiell seinem minderjährigen Sohn.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, dass eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinn der §§ 75 ff VersVG vorliege. Bei einer solchen habe der Versicherungsnehmer sowohl nach § 75 VersVG als auch nach den Bedingungen des Unfallversicherungsvertrags das formelle Verfügungsrecht über Ansprüche aus der Versicherung, weshalb der Kläger zur Geltendmachung des Anspruchs im eigenen Namen berechtigt und zur Klagsführung aktiv legitimiert sei. Der Entscheidung 7 Ob 24/08t folgend bedürfe auch die Entgegennahme eines Kapitalbetrags von weit mehr als 10.000 EUR auf Grund eines Unfalls des mitversicherten Sohns durch den Vater als Versicherungsnehmer nach § 149 Abs 1 letzter Satz iVm § 234 ABGB einer Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts. Dass der Kläger hier den Versicherungsanspruch ausdrücklich im eigenen Namen und nicht im Namen seines Sohns geltend mache, ändere daran nichts, weil wesentlich erscheine, dass es sich materiellrechtlich um einen Anspruch des Minderjährigen für die beim Unfall erlittene Invalidität und um die Auszahlung eines 10.000 EUR überschreitenden Betrags an dessen gesetzlichen Vertreter handle, der einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe. Da eine Auszahlung ohne notwendige pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nach § 234 zweiter Satz ABGB keine schuldbefreiende Wirkung entfalte, verweigere die Beklagte die Auszahlung an den Kläger zu Recht.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der Umstand, dass der Versicherte zwar Inhaber der Rechte aus dem Versicherungsvertrag sei, jedoch nicht die Rechtsstellung einer Vertragspartei habe und über seine Ansprüche nicht verfügen und sie auch nicht gerichtlich geltend machen könne, ändere nichts daran, dass ein materielles Recht (ein Anspruch) des versicherten Kindes betroffen sei. Auch wenn der Versicherungsnehmer alleine im eigenen Namen über den Anspruch des Versicherten verfügungsberechtigt sei (§ 76 Abs 1 VersVG), seien die Schutzregeln des ABGB und des AußStrG zu beachten, weil die formelle Verfügungsberechtigung des Versicherungsnehmers nichts an der Zugehörigkeit des materiellen Anspruchs zum Vermögen des anspruchsberechtigten Versicherten und dessen Schutzbedürftigkeit im Fall der Minderjährigkeit ändere. Die Rechtsbeziehung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherten sei im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers als eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis anzusehen. Die Formulierung in Abs 2 des Art 27 der Versicherungsbedingungen, wonach die §§ 75 ff VersVG mit der Maßgabe anzuwenden seien, dass die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zustünden, bedeute keinen Übergang des materiellen Anspruchs auf Versicherungsleistung oder der materiellen Rechte aus dem Vertrag auf den Versicherungsnehmer, weil die §§ 75 ff VersVG anzuwenden blieben „nur eben mit einer Maßgabe.“ Die Formulierung „Ausübung der Rechte“ meine die Verfügungsberechtigung über die Rechte. In den Versicherungsbedingungen werde gerade nicht formuliert, dass die §§ 75 ff VersVG mit der Maßgabe anzuwenden seien, dass die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zustünden. Der Ansicht des Klägers, er könne ohne gerichtliche Genehmigung eine Zahlung von über 10.000 EUR aus einem materiellrechtlichen Anspruch seines minderjährigen Sohns entgegennehmen, stehe die Entscheidung 7 Ob 24/08t entgegen.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Auf Antrag des Klägers nach § 508 ZPO änderte es den Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte, weil in der Entscheidung 7 Ob 24/08t der Vater gegenüber dem Unfallversicherer die Leistungsansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag im Namen seines minderjährigen Sohns (im fremden Namen) begehrt habe und hier der Vater die Ansprüche im eigenen Namen geltend mache. Zudem erscheine die Rechtsansicht des Klägers, wonach der Versicherungsnehmer bei einer Versicherung für fremde Rechnung alleine verfügungsberechtigt sei und diese Verfügungsberechtigung die pflegschaftsrechtlichen Regelungen des ABGB und des AußStrG zum Schutz von Vermögen von Pflegebefohlenen insoweit verdrängten, nicht unvertretbar.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihres Prozessgegners zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt.
Die im Prozess entscheidende Frage lautet, ob der Kläger als Versicherungsnehmer der Unfallversicherung, der den Versicherungsanspruch seines minderjährigen Sohns (Versicherter) im eigenen Namen geltend macht, die 10.000 EUR übersteigende Zahlung schuldbefreiend nur mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts (§ 234 ABGB, allenfalls § 154 Abs 3 ABGB) entgegennehmen darf. Das ist für den hier vorliegenden Fall, dass der Kläger als Versicherungsnehmer eines Unfallversicherungsvertrags für fremde Rechnung im eigenen Namen auf Leistung an sich klagt, zu verneinen.
1. Gerade die Unfallversicherung kann auch als Versicherung für fremde Rechnung genommen werden (§ 179 Abs 2 VersVG; Zweifelsregelung). Eine solche liegt immer dann vor, wenn ein Versicherungsnehmer im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag schließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat (7 Ob 48/86 = SZ 59/220; 7 Ob 74/05s; 7 Ob 260/05v; 7 Ob 53/07f). Unfallversicherungen für fremde Rechnung sind insbesondere Familienversicherungen, bei denen ein Elternteil als Versicherungsnehmer für alle Familienmitglieder (Ehegatte und Kinder als versicherte Personen) eine Unfallversicherung abschließt (Schauer, Versicherungsvertragsrecht³ 164; Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertrags‑ gesetz² [2011] § 179 VVG nF Rn 4). Sind die versicherten Kinder ‑ wie hier der Sohn des Klägers ‑ minderjährig, liegt typischerweise eine Versicherung für fremde Rechnung vor (Bruck/Möller/Leverenz 9 § 179 VVG nF Rn 140). Es besteht dann jeweils ein einziges Versicherungsverhältnis, aus dem mehrere Personen begünstigt werden, wobei der einzelne Versicherte im Versicherungsvertrag nicht namentlich genannt sein muss (Schauer aaO 165; 7 Ob 53/07f). Die Unfallversicherung für fremde Rechnung unterliegt den allgemeinen Vorschriften nach den §§ 75 bis 79 VersVG. Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer Vertragspartner des Versicherers ist (Schauer aaO 501). Der Vertrag kommt auch ohne Einwilligung des Versicherten zustande; dieser muss davon nicht einmal Kenntnis haben (Schauer aaO 167 mwN). Deshalb kann nur der Versicherungsnehmer die Erklärungen abgeben, die sich auf den Versicherungsvertrag beziehen; so kann zum Beispiel nur er den Vertrag kündigen oder anfechten (7 Ob 48/86 = SZ 59/220). Die Pflichten aus dem Vertrag treffen nur den Versicherungsnehmer; er allein schuldet die Prämie (Schauer aaO 167).
Die Rechte aus dem Vertrag werden vom Gesetz zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten verteilt. Zwar stehen dem Versicherten nach der Generalklausel des § 75 Abs 1 VersVG alle Rechte aus dem Vertrag ‑ mit Ausnahme des Rechts auf Aushändigung des Versicherungsscheins ‑ zu; die Verfügung über diese Rechte steht jedoch grundsätzlich nicht dem Versicherten, sondern dem Versicherungsnehmer zu (RIS‑Justiz RS0080863, RS0080792). Die Versicherung für fremde Rechnung entspricht damit eher dem Modell eines unechten Vertrags zu Gunsten Dritter (von diesem wird gesprochen, wenn kein eigenständiger Anspruch des Dritten [Versicherten] selbst gegen den Versprechenden [Versicherer] entsteht; P. Bydlinski in KBB³ § 881 Rz 1). Diese Spaltung der Rechtsposition zwischen materieller Rechtsträgerschaft und formeller Verfügungsberechtigung dient vor allem dem Schutz des Versicherers: Für ihn soll klargestellt sein, dass er sich in allen Angelegenheiten des Versicherungsfalls nur mit dem Versicherungsnehmer und nicht mit dem ‑ ihm vielleicht namentlich gar nicht bekannten ‑ Versicherten auseinandersetzen muss (Schauer aaO 168 mwN). Diese Grundsätze gelten auch für einen, durch eine von einem Elternteil abgeschlossene Unfallversicherung für fremde Rechnung nach § 179 Abs 2 VersVG (mit‑)versicherten Minderjährigen; für diesen als „Gefahrperson“ bestehen bei einer Versicherung für fremde Rechnung keine Besonderheiten (Knappmann in Prölss/Martin VVG27 § 179 aF Rn 6; 7 Ob 53/07f).
2. Der Versicherungsnehmer ist also bei einer Versicherung für fremde Rechnung gegenüber dem Versicherer im eigenen Namen allein verfügungsberechtigt. Der Kläger ist als Versicherungsnehmer gegenüber dem beklagten Versicherer zur Geltendmachung und zur Disposition über die Rechte aus dem Unfallversicherungsvertrag befugt (Art 27 Abs 2 U 500; Schauer aaO 501 zu Art 24 Abs 1 AUVB). Dass ihm die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich zusteht (Art 27 Abs 2 der Versicherungsbedingungen), bedeutet seine unbeschränkte Verfügungsbefugnis nach außen. Er kann nicht nur Leistungsansprüche geltend machen und über sie verfügen, sondern auch alle Gestaltungsrechte wie etwa Kündigung, Anfechtung, Rücktritt ausüben (Grimm, Unfallversicherung4 [2006] AUB 99 Rn 1, 383). Als Verfügung im Sinn des § 76 Abs 1 VersVG ist jeder Rechtsakt anzusehen, durch den unmittelbar oder mittelbar auf den Bestand oder die Ausgestaltung der Forderung eingewirkt wird (Hübsch in Berliner Komm § 75 VVG aF Rn 12; 7 Ob 53/07f mwN). Dazu zählen auch der Anspruch auf die Versicherungsleistung und alle Rechte, die mit der Entschädigung zusammenhängen (Prölss in Prölss/Martin VVG27 § 75 aF Rn 3; Hübsch aaO; 7 Ob 19/83 = VersR 1984, 1196).
3. Verbleibt ‑ wie hier ‑ bei einer Versicherung für fremde Rechnung das formelle Verfügungsrecht über die sachlich (materiell) dem Versicherten zustehende Forderung dem Versicherungsnehmer (RIS‑Justiz RS0080863; RS0080792), kann der Versicherte ‑ abgesehen von den zu Punkt 4. genannten Ausnahmen ‑ seinen Anspruch nicht selbst geltend machen. Nur der Versicherungsnehmer kann auf Leistung an sich (oder an den Versicherten) klagen, in welchem Prozess der Versicherte lediglich als Nebenintervenient auftreten könnte (RIS‑Justiz RS0035281). Da der Kläger im eigenen Namen die Versicherungsleistung für seinen mitversicherten minderjährigen Sohn an sich begehrt, kann die beklagte Versicherung ohne weitere Voraussetzungen mit schuldbefreiender Wirkung die Zahlung an den Versicherungsnehmer vornehmen (vgl 9 ObA 178/02w).
4. Das Innenverhältnis des Vaters als Versicherungsnehmer zu seinem Sohn als Versicherten ist nicht Verfahrensgegenstand. Es ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt und bestimmt sich primär nach der Vereinbarung zwischen diesen Personen. Wenn ‑ was hier anzunehmen ist ‑ eine solche nicht besteht, ist auch für die Unfallversicherung eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis anzunehmen, aus dem die Verpflichtung des Versicherungsnehmers folgt, dem Versicherten die erhaltene Leistung auszufolgen (Schauer aaO 501; RIS‑Justiz RS0080862; RS0080792). Zwar wäre der Versicherte grundsätzlich berechtigt, den von der Versicherung an den Versicherungsnehmer bezahlten Betrag „herauszuverlangen“ (7 Ob 147/03y = SZ 2003/86 mwN; 7 Ob 260/05v), jedoch müsste der Versicherte diesen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer durchsetzen (7 Ob 290/06g). Der Versicherte könnte trotz seiner Stellung als materiell Anspruchsberechtigter nicht über die Ansprüche des Versicherungsnehmers verfügen oder sie gerichtlich geltend machen, es sei denn, dass er den Versicherungsschein besitzt, der Versicherungsnehmer zustimmt oder dieser den Anspruch erkennbar nicht weiterverfolgen will (7 Ob 260/05v mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
5. Die Entscheidung 7 Ob 24/08t (SZ 2008/45 = EF‑Z 2008/79, 136 [Gitschthaler]; dazu krit Holzner, Pflegschaftsgerichtliche Genehmigung für Leistungen an die Eltern des minderjährigen Gläubigers?, JBl 2009, 63) betraf den Fall, dass der Vater (Versicherungsnehmer) auf seine Verfügungsrechte zu Gunsten des minderjährigen Versicherten ‑ seines Sohns ‑ verzichtete, die Leistung als dessen gesetzlicher Vertreter von der Unfallversicherung begehrte und den insgesamt 10.000 EUR übersteigenden Betrag auf sein Konto ausgezahlt erhielt. Nach dieser Entscheidung hätte der Vater diesen Kapitalbetrag nach den Grundsätzen des § 149 Abs 1 letzter Satz iVm § 234 ABGB nur mit Ermächtigung des Pflegschaftsgerichts entgegennehmen dürfen; durch das Unterbleiben einer solchen habe der Versicherer an den Vater als gesetzlichen Vertreter gemäß § 234 zweiter Satz ABGB (wonach ‑ mangels Ermächtigung ‑ der Schuldner durch Zahlung an den Vertreter von seiner Schuld „nur befreit wird, wenn das Gezahlte noch im Vermögen des minderjährigen Kindes vorhanden ist oder für seine Zwecke verwendet wurde“) nicht schuldbefreiend geleistet (so auch Weitzenböck in Schwimann/Kodek ABGB4 Vor §§ 230 bis 234 Rz 1, § 234 Rz 2; Tschugguel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 230 bis 234 Rz 2; anderer Ansicht Stabentheiner in Rummel³ § 234 Rz 4; Hopf in KBB³ § 234 Rz 1; Kathrein in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 234 Rz 1; Dullinger, Bankgeschäfte Minderjähriger [Teil II], ÖBA 2005, 791 [792]; Holzner aaO). Während der Vater dort Leistungsansprüche aus dem Unfallversicherungsvertrag im Namen seines minderjährigen Sohns, also im fremden Namen, begehrte, macht der Vater hier als ausschließlich verfügungsberechtigter Versicherungsnehmer die Ansprüche seines minderjährigen Sohns im eigenen Namen geltend. Dazu ist der Kläger ‑ wie dargelegt ‑ berechtigt. § 234 ABGB kann nicht zur Anwendung kommen, weil diese Bestimmung voraussetzt, dass der gesetzliche Vertreter eine 10.000 EUR übersteigende Zahlung an das minderjährige Kind entgegennimmt und darüber quittiert. Der Kläger schreitet aber nicht als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Versicherten ein, sondern als Versicherungsnehmer, der zur schuldbefreienden Entgegennahme der Zahlung durch den beklagten Versicherer berechtigt ist. Von der Zahlung an das minderjährige Kind (§ 234 ABGB) sollen „sämtliche Leistungen mit schuldbefreiender Wirkung erfasst sein“ (ErlRV 296 BlgNR 21. GP zu Z 55 [§ 234]). Die beklagte Versicherung hat aber keine Leistungen mit schuldbefreiender Wirkung an den minderjährigen Versicherten, sondern an den Kläger als Versicherungsnehmer zu erbringen. Nichts anderes würde gelten, wenn man § 154 Abs 3 ABGB für die Entgegennahme von Zahlungen (über 10.000 EUR) durch die Eltern des minderjährigen Gläubigers im Rahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs für anwendbar hielte (so Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 I [2006] 545 f; Hopf aaO; anderer Ansicht Stabentheiner aaO §§ 154, 154a Rz 12; Dullinger aaO 792 f).
Aus dem zwischen Versicherungsnehmer und Versicherten bestehenden Innenverhältnis, mag es auf Vertrag oder Gesetz beruhen, kann sich jedoch die Verpflichtung des Versicherungsnehmers ergeben, die Leistung geltend zu machen und die empfangene Versicherungssumme an den Versicherten abzuführen. Der Versicherte hat unbeschadet des vertraglich bestehenden Innenverhältnisses gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch aus dem (der Art nach) gesetzlichen Treuhandverhältnis, dass dieser die Versicherungsleistung einzieht und an ihn weiterleitet. Verletzt der Versicherungsnehmer schuldhaft seine Pflichten aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis oder dem der Fremdversicherung zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis, hat der ‑ auch minderjährige ‑ Versicherte Schadenersatzansprüche (Grimm aaO AUB 99 Rn 4, 385). An der schuldbefreienden Zahlung der Beklagten an den allein verfügungsberechtigten Versicherungsnehmer ändert sich dadurch aber grundsätzlich nichts.
6. Da hier für die Entgegennahme der Versicherungsleistung durch den Kläger keine pflegschaftsgerichtliche Ermächtigung oder Genehmigung erforderlich ist, ist der Revision Folge und dem Klagebegehren stattzugeben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 und § 41 ZPO. Entsprechend dem Einwand der Beklagten war der Schriftsatz des Klägers vom 2. 5. 2011, mit dem er die Klage mit ergänzendem Vorbringen neuerlich vorlegte, mangels zweckentsprechender Rechtsverfolgung nicht zu honorieren. Er hätte dieses Vorbringen bereits in der Klage erstatten können.
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